Wie wird man eigentlich Synchronsprecherin, Frau Jochmann?
Von Mathias Irle
31. Januar 2005 Die Schauspielerin Hansi Jochmann ist seit über 28 Jahren die deutsche Synchronstimme von Jodie Foster. Sie gehört zu den renommiertesten Vertretern einer Zunft, die sie selber nur ungern als echten Beruf bezeichnet - und das, obwohl Jodie Fosters Mutter über die 51jährige Berlinerin sagt: „Sie ist die beste Stimme, die ich je auf meiner Tochter gehört habe."
Ein Übersetzer, häufig ein Sprachstudent, bekommt zum Beispiel das englische Drehbuch für das „Schweigen der Lämmer". Oft ohne sich den dazugehörigen Film anzusehen, macht der eine erste, grobe, deutsche Übersetzung. Dann schickt er die Fassung weiter zu einem Autor. Der setzt sich nun mit dem übersetzten Text vor seinen Videorekorder. Am besten einen, bei dem man einzelne Szenen minimal vor- und zurückspulen kann. Nun geht es an die Feinarbeit. Jodie Foster benutzt zum Beispiel das englische Wort „meter" und gemeint wäre ein Zähler, etwa für Gas. Doch würde man es so übersetzen, fiele es dem Zuschauer sofort auf: Beim „Me" von „meter" hat Jodie Foster den Mund geschlossen, man hört aber den Laut „Zä", bei dem der Mund offen sein müßte. Der Autor muß also ein neues Wort finden, ein passendes. Davon, wie gut ihm das gelingt, hängt meine Arbeit des Synchronsprechens ab.
Ein echter Beruf ist das in meinen Augen übrigens nicht. Eher ein Job, der ausgeübt wird, mal besser und mal schlechter, mehr nicht. Heute gilt das noch viel eher als früher. Und dabei denke ich nicht einmal an diese gruseligen Werbesendungen, bei denen sich die Macher gar nicht erst die Mühe machen, Gehörtes und Lippenbewegung der Televerkäufer in Einklang zu bringen. Oder an Walt-Disney-Filme, in denen einzelne Figuren aus Marketinggründen von Dirk Bach gesprochen werden. Nein, als ich vor über 40 Jahren anfing, wurde das Synchronsprechen fast ausschließlich von Schauspielern ausgeübt - sinnvollerweise. Und würde man Synchronsprechen als echten Beruf begreifen wollen, müßte eine Ausbildung her, die schauspielerische Elemente beinhaltet.
„Gutes Synchronisieren ist auch eine Frage der Intelligenz.”
Meine beiden Eltern waren von Beruf Schauspieler. Deshalb ging ich häufig schon als kleines Mädchen mit zu Proben. Einmal, ich war sechs, half mein Vater, einen Schwarzweißfilm zu synchronisieren. In einer Szene tauchte ein kleines Mädchen auf. Erst wußte der Regisseur nicht, was er machen sollte, er hat die Figur schlicht vergessen. Dann sagt er zu meinem Vater: „Komm, laß mal deine Tochter machen." Dabei konnte ich nicht mal lesen! Die Cutterin, die für die perfekte Synchronisation zuständig war, las mir deshalb den Text vor, dann klopfte sie mir beim Einsatz auf den Rücken. Und zwar genau so, daß ich - die Schrecksekunde miteingerechnet - im richtigen Moment zu sprechen anfing.
Ein wichtiger Punkt bei dem, was ein guter Synchronsprecher können muß, ist, den richtigen Einsatz zu finden. Zwar kann man heute mit digitalen Aufnahmen Worte „ziehen" oder „nach hinten schieben", dennoch ist eine gute Reaktionsfähigkeit nach wie vor wichtig. Dazu kommt - neben der von der Natur mitgegebenen Stimme - das Talent, schon am Anfang eines gelesenen Satzes zu spüren, wie er endet. Und, natürlich, immer wieder schauspielerisches Talent.
Nach meinem ersten Einsatz als kleines Mädchen bekam ich sehr häufig Aufträge. Erst mußte ich kleine Mädchen, dann Teenager und anschließend junge Erwachsene synchronisieren. Als mich der Regisseur, der die Synchronisation von „Taxi Driver" betreute, fragte, ob ich die 14jährige Jodie Foster sprechen könnte, sagte ich ihm, er solle sich bitte nicht lächerlich machen - ich war ja schon 23! Doch er sagte, er habe zuvor ein gleichaltriges Mädchen im Studio gehabt. Deren Stimme sei für die selbstbewußt und tough spielende Jodie Foster zu piepsig. Die anschließende Zusammenarbeit funktionierte perfekt. Und spätestens ab „Schweigen der Lämmer" war klar, die Jochmann ist die deutsche Stimme von Jodie Foster.
Mein Anspruch dabei ist es, kein Papagei zu sein, sondern die Rolle so auszufüllen, daß der Zuschauer später denkt: Jodie Foster spricht von Geburt an deutsch. Dafür muß ich verstehen, wie sie denkt. Ich muß jede Gestik, jede Mimik von ihr bis ins letzte Detail kennen. Und das bei einer Frau, die die Gabe hat, jedem zu vermitteln, was sie denkt, auch wenn sie gar nichts sagt. Meine Überzeugung ist: Nur wenn der Schauspieler, die Person, die er spielt, wirklich versteht, kann er sie gut spielen. Und nur wer den Schauspieler und die Art, wie er andere Menschen inszeniert, begreift, kann sie auch gut synchronisieren. Gutes Synchronisieren ist also auch eine Frage der Intelligenz.
„Mein Anspruch dabei ist es, kein Papagei zu sein, sondern die Rolle so auszufüllen, daß der Zuschauer später denkt: Jodie Foster spricht von Geburt an deutsch.”
Trotzdem oder gerade weil ich eine solche Monopolstellung für die Besetzung von Jodie Foster habe, werde ich alle sieben Jahren von der Verleihfirma auf meine Sprechertätigkeit geprüft. Viele Verleiher versuchen heute - und das meine ich auch, wenn ich vom „Verfall der Branche" spreche - die Synchronisation möglichst schnell und möglichst günstig zu bekommen. Und die Stars der Branche können natürlich mehr als die üblichen 250 Euro bei 80 Takes, das sind die Einheiten beim Synchronisieren, pro Tag verlangen. Doch noch ist es so, daß die großen Hollywoodschauspieler eine feste, deutsche Synchronstimme besitzen - eine merkwürdige Ausnahme bildet nur Dustin Hoffmann: Der wurde in unterschiedlichen Filmen von unterschiedlich prominenten Synchronstimmen gesprochen: von Otto Sander beispielsweise oder in „Rainman" von Joachim Tennstedt, der spricht sonst Kevin Costner.
Als 1988 die Premiere von dem Film „Angeklagt" war, bekam ich einen Anruf von Jodie Fosters Agentin. Die sagte: „Frau Foster ist jetzt im Berliner Hotel Interconti, wollen Sie sie treffen?" Natürlich wollte ich, aber ich war aufgeregt wie ein kleines Kind. Es wurde ein sehr angenehmes Gespräch, und ob es bei diesem Treffen war oder bei einem zweiten in Hamburg, ich bekam hier jedenfalls ein sehr nettes Kompliment zu hören: „Jodie Fosters Mutter hat gesagt, Sie seien weltweit die beste Stimme auf ihrer Tochter." Egal ob es stimmt, ich habe mich natürlich sehr gefreut. Und eigentlich wäre es einmal spannend, sich die anderen Synchronstimmen anzuhören - die italienische oder die spanische, auf französisch spricht sich Jodie Foster selbst.
Ich habe meine Stimme übrigens nicht versichert und gönne ihr auch keine besondere Pflege: Mit dem Rauchen habe ich vor zehn Jahren nicht wegen ihr aufgehört, sondern weil meine Kinder so genervt waren. Und außerdem müßte ich ja dann auch mein Äußeres versichern, denn im Hauptberuf bin ich noch immer Schauspielerin. Gerade drehe ich an der ARD-Serie „Pfarrer Braun" mit Ottfried Fischer.
Quelle: http://www.faz.net/s/Rub5EDA5336C629481C...n~Scontent.html
Gruß,
Hendrik
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Achtung "24" S3: Vorsicht vor frei weglaufendem Kim Bauer-Gehirn!
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