ich studiere Medienwissenschaften mit Schwerpunkt Multimediaproduktion an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig. Zurzeit schreibe ich meine Magisterarbeit mit dem Titel „Synchronisation – Potentiale einer Bearbeitungsform ausländischer Spielfilme“. Darin möchte ich, wie der Titel ja auch schon andeutet, die positiven Aspekte von Synchronfassungen herausstellen und mich gegen mein imaginäres "Feindbild" absetzen: den einen schwarzen Rollkragenpullover tragenden, Rotwein trinkenden Cineasten, der alles selbstverständlich NUR in Originalversion sieht. Ich denke, Ihr habt ‚ne Vorstellung davon, worauf ich hinaus will. (Das wird so natürlich nicht in der Arbeit formuliert!!!)
Ich hatte das große Glück, sowohl an einer richtig großen Spielfilmproduktion (deutsche Produktion, gedreht auf Englisch) und an einer Synchronproduktion in München teilzunehmen, so dass ich prinzipiell von beiden Seiten, Dreh und Synchro, einen recht guten Eindruck habe, was die Praxis betrifft. Meine Frage oder Bitte an Euch: Wisst Ihr ein paar hübsch intellektuell-hochnäsige Anti-Synchro-Zitate von womöglich sogar namenhaften Personen, FAZ-Feuilleton-Redakteuren oder ähnlichen Personen, die ich in meiner Arbeit benutzen könnte, um mich von ihnen abzugrenzen, um einen Gegenpol zu bilden, Gegenthesen zu haben, die ich argumentativ auseinander nehmen kann?
Ein Beispiel, was ich schon habe, wäre: Siegfried Kracauer im Dezember 1930 in seiner Besprechung der deutschen Fassung des Films All Quiet on the Western Front/ Im Westen Nichts Neues: „Der Versuch, amerikanische Sprecher für deutsche auszugeben, ist ein Unding […]“ Das ist an sich recht nett, taugt aber nicht so wirklich, weil Ewigkeiten her und eine der ersten deutschen Synchros überhaupt und damit wahrscheinlich auch technisch ziemlich mangelhaft gemacht.
Ihr würdet mir echt unheimlich weiterhelfen. Herzlichen Dank im Voraus. Tim.
Timon
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03.04.2007 14:40
#2 RE: Suche dringend "Anti-Synchro-Argumente" zum widerlegen für Magisterarbeit
Ich hoffe ich habe dich richtig verstanden. Du suchst Argumente gegen die Synchronisation, um sie zu widerlegen? Ich hatte vor kurzem eine Mail an den amerikanischen Filmwissenschaftler Leonard Maltin geschrieben, in der ich ihn fragte, ob er denkt, dass Neusynchronisationen (speziell von Disneyfilmen) ein Kulturverlust sind, weil dudurch die alten Synchros verloren gehen. Er meinte dazu nur: "Da ich nicht Deutsch sprechen kann, kann ich nicht wissen, ob die synchronisierten Versionen irgendwie eine Wirkung auf die Filmkultur haben. Man muss fähig sein die Handlung zu verstehen, auch wenn es nicht deine Sprache ist, das würde wirklich dein Verständnis des Films beeinflussen.". Ich weiß jetzt nicht, ob das brauchbar für dich ist, aber ich habs einfach mal gepostet. P.S.: Um welchen Film und welche Synchronisation handelt es sich denn? *neugierig sei*
Zitat von Timon"Da ich nicht Deutsch sprechen kann, kann ich nicht wissen, ob die synchronisierten Versionen irgendwie eine Wirkung auf die Filmkultur haben. Man muss fähig sein die Handlung zu verstehen, auch wenn es nicht deine Sprache ist, das würde wirklich dein Verständnis des Films beeinflussen."
Irgendwie hat Maltin es geschafft, mit vielen Worten nichts zu sagen.
Häufige Argumente, die gegen Synchronisationen vorgebracht werden: - Man hört nicht mehr die Stimme des Darstellers, den man sieht, sondern ein völlig fremde. - Das Original wird verfälscht. - Unterschiedliche Sprechweisen (z. b. Cockney) oder auch Dialekte gehen meist verloren. - Zur darstellerischen Leistung gehört auch die Sprache, und die geht bei der Synchronisation verloren, weil man eben nicht mehr die sprachliche Leistung von beispielsweise Bruce Willis hört, sondern jene von beispielsweise Ronald Nitschke. - Da die synchronisierten Dialoge nicht zu den Mundbewegungen passen, können Zuschauer irritiert werden.
In Antwort auf:- Unterschiedliche Sprechweisen (z. b. Cockney) oder auch Dialekte gehen meist verloren.
Darüber hinaus gehen v.a. Akzente verloren, die zB bei englischsprachigen Produktionen durchaus der Charakterisierung der Figuren dienen.
- Wortspiele sind oft nicht wiederzugeben und es stellt sich die Frage, ob a) versucht wird, stattdessen eine dem Humor des Originals nicht zuwiderlaufende Punchline zu setzen, oder b) es dennoch synchronisiert wird, so dass der Zuschauer am Ende oft wahrnimmt, wie der Witz eigentlich gewesen sein muss - auch wenn man ihn nicht mehr hört...
- Nächstes Problem: Bezeichnungen, Titulaturen etc. sind oft nicht adäquat zu übernehmen und führen zu einer Ballung von Anglizismen, die in den deutschen Subtext nicht passen oder aber deutsche Übersetzungen, die anders konnotiert sind, führen ebenfalls zu Missverständnissen. Ein Beispiel, wie es geht, mag zB Boston Legal sein - siehe den dazugehörigen Thread.
- Da Lippensynchronität zu wahren ist, kann mitunter die einsynchronisierte Sprache vom gesprochenen Deutsch abweichen - Vokabeln sind da nur eine Schwierigkeit, die Benutzung der Grammatik ein weiterer...
In Antwort auf:Ich hoffe ich habe dich richtig verstanden. Du suchst Argumente gegen die Synchronisation, um sie zu widerlegen?
Jawoll, Timon, genau richtig verstanden! Ich möchte in meiner Arbeit (nein, ich denke, ich tue es!) eben einige der gängigsten Vorurteile entkräften. Und dazu macht es sich ganz gut (zumindest ist es meine Art an die Sache heran zu gehen) Gegenargumente aufzugreifen und sie argumentativ oder anhand von Beispielen zu entkräften.
In Antwort auf: - Man hört nicht mehr die Stimme des Darstellers, den man sieht, sondern ein völlig fremde. - Das Original wird verfälscht. - Unterschiedliche Sprechweisen (z. b. Cockney) oder auch Dialekte gehen meist verloren. - Zur darstellerischen Leistung gehört auch die Sprache, und die geht bei der Synchronisation verloren, weil man eben nicht mehr die sprachliche Leistung von beispielsweise Bruce Willis hört, sondern jene von beispielsweise Ronald Nitschke. - Da die synchronisierten Dialoge nicht zu den Mundbewegungen passen, können Zuschauer irritiert werden.
Dank Euch, Norbert, aber inhaltlich sind mir diese, und auch Deine Argumente, Aristeides, natürlich alle bekannt und ich behandele sie auch in meiner Arbeit. Was ich brauche, sind konkrete Zitate (wenn möglich namenhafter Personen), die ich wie eine Art Unterkapitelüberschrift meiner Gegenargumentation voranstellen kann.
In etwa: Karl-Heinz Soundso, langjähriger Leiter des Kulturressorts des "Spiegel" schrieb am 01.01.2000 in seiner Besprechung des Filmes "Die Geschichte von Icks und Üpsilon": "[...] und wie immer war es ein Graus, die darüber gekleisterten deutschen Stimmen ertragen zu müssen [...]"
Wißt Ihr was ich meine? Man liest doch immer wieder solche Dinge und ärgert sich über soviel Borniertheit schwarz. Dummerweise fehlen mir jetzt halt konkrete wissenschaftlich zitierbare Zitate.
Zu den Argumenten ansich (und zu meiner Arbeit): Ich werde versuchen, mich diesen Argumenten sachlich zu nähern und meist auch mit der einizig wirklich handhabbaren Alternative, der Untertitelung vergleichen. natürlich geht mir ein Cockney verloren. Zweifellos richtig. Dialekte werden eben nunmal nicht transportiert (Die Ausnahme "My fair Lady" ist mir bewußt). Aber es kann versucht werden, die Besonderheit, die sich im Dialekt manifestiert in Form eines Soziolektes (z.B. "schlechtes", gramatikalisch falsches Deutsch) zu transportieren. Ohne Kenntnisse der Ausgangssprache nützt mir eine UT-Fassung auch nix, weil ich bei einer mir unbekannten Sprache kaum den Unterschied zwischen Hochsprache und Dialekt heraushören werde. Aber das nur als Beispiel.
poste es gern nochmal im Original. Vielleicht läßt es sich ja doch gebrauchen. Aber irgendwie muss ich Norbert recht geben: so richtig viel sagt's nich' aus, oder? Vor allem ist es nicht wirklich ein Anti-Synchron-Argument/ -Zitat. Ich meine, er hätte inhaltsgleich dasselbe über Untertitelfassungen sagen können. Und was halt echt schön wäre, ist, wenn die Zitate aus einem zitierbaren Zusammenhang stammen, aus einer Veröffentlichung, einem Zeitungsartikel o.ä.
Du brauchst also insofern praktisch die Argumente, die wir auch genannt haben, nur möglichst knackig bis polemisch formuliert von irgendjemand Aussagekräftigem?
Timon
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Gast
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Beiträge:
03.04.2007 18:05
#12 RE: Suche dringend "Anti-Synchro-Argumente" zum widerlegen für Magisterarbeit
Zitat von TimTimon, poste es gern nochmal im Original. Vielleicht läßt es sich ja doch gebrauchen. Aber irgendwie muss ich Norbert recht geben: so richtig viel sagt's nich' aus, oder? Vor allem ist es nicht wirklich ein Anti-Synchron-Argument/ -Zitat. Ich meine, er hätte inhaltsgleich dasselbe über Untertitelfassungen sagen können. Und was halt echt schön wäre, ist, wenn die Zitate aus einem zitierbaren Zusammenhang stammen, aus einer Veröffentlichung, einem Zeitungsartikel o.ä. LG, T.
Achso. Das Original wäre: Since I cannot speak German, I would not know if the dubbed versions somehow effect the culture of the films. One has to be able to understand the story line and so if it's not in your language, that would really effect your understanding the film. Er sagt damit, dass man, einen Film der Handlung nach auch im Original verstehen kann und darauf kommt es an. Aber ich verstehe dich, es ist wohl nicht zitierbar. Er nennt auch keine Gründe warum Original besser ist. Vielleicht findet jemand anders was besseres.
Zitat von Timon Achso. Das Original wäre: Since I cannot speak German, I would not know if the dubbed versions somehow effect the culture of the films. One has to be able to understand the story line and so if it's not in your language, that would really effect your understanding the film. Er sagt damit, dass man, einen Film der Handlung nach auch im Original verstehen kann und darauf kommt es an. Aber ich verstehe dich, es ist wohl nicht zitierbar. Er nennt auch keine Gründe warum Original besser ist. Vielleicht findet jemand anders was besseres.
Also so wie ich die englische Sprache verstehe sagt er das nicht. Er sagt, dass wenn ein film nicht in der eigene Sprache ist, dann beeinträchtigt dies die Möglichkeit ihn zu kapieren und wahrzunehmen, denn man sollte in der Lage sein, der SToryline eines Films zu folgen.
Hallo Tim, wahrscheinlich suchst Du einen Text wie diesen:
ARTIKEL Thomas Kielinger in „Rheinscher Merkur"; Bonn, 9.1.1987
Filme zu synchronisieren, heißt , die Kultur zu verhunzen. Eine Polemik
WENN DEUTSCH WIE FREMDSPRACHE KLINGT
„Wie kommt es eigentlich, dass man in Europa Däne, Holländer oder Luxemburger sein muß, um ausländische Filme im O-Ton genießen zu können? Ist Kultur teilbar? Besitzt Dänemark ein ungebrochenes Verhältnis zur Originalität des künstlerischen Produkts, weil es sich Cary Grant am Tag nach seinem Tod in eigenen Ton [sic!] anhören kann, während man uns den ‚Unsichtbaren Dritten’ mit deutschen Synchronstimmen zumutet, im immergleichen verfremdenden Sprechabstand zum Mikrofon, egal wo die Szenen spielen? An den Sonderaufführungen des Fernsehens gerade aus Anlaß des Ablebens ausländischer Leinwandgrößen wird die ganze Absurdität des Synchron-Betriebs augenfällig, oder besser ohrenfällig. Es heißt, der Erinnerung des Verehrten Abbruch tun, ihn um seine eigene Stimme zu bringen. Es heißt, das Genre Film wie ein Aschenputtel unter den künstlerischern Gattungen zu behandeln, wenn man ihm die Einheit aus Sprache, Tonlage, Gestus und Milieu-Nuance nimmt und auf einen sprachlosen Streifen, dem man den Originalton kastriert hat, den heimischen Mund- und Sprechduktus pfropft. Geradezu schlagend erwies sich die Fragwürdigkeit genannt Synchronisation am Beispiel eines berühmten Titels aus der ‚Pink Panther’-Serie: ‚Die Rückkehr des rosaroten Panther’ [sic! Hier soll wahrscheinlich DER ROSAROTE PANTHER KEHRT ZURÜCK, GB 1974, gemeint sein.], mit Peter Sellers in der Hauptrolle des ungelenken französischen Polizei-Inspektors. Auch dieser Streifen wurde in den Neujahrstagen wieder gesendet. Ein Hauptmoment in allen Folgen der Pink-Panther-Reihe, die dem Original-„Rosarotem [sic!] Panther“ (David Niven, Peter Sellers, die Capucine, Robert Wagner) ihren erinnerungswürdigen Auftakt nahm, ist das unglaublich komische und zum Teil unverständliche Englisch dieses Inspektors Clouseau, das jeden seiner Gesprächspartner zur Verzweiflung treibt. Nichts, aber auch gar nichts von diesem für die Hauptrolle zentralen Witz kam in der deutschen Fassung über. Die Synchronisation war, kurz, für die Katz. Schlimmer: Sie reduzierte, was einer großen komödiantischen Leistung des Schauspielers Sellers entsprang, zur Ausschußware für einen gourmandhaften Konsum. Und das in einer Nation, die von sich behauptet, sie beherrsche inzwischen das Englische wie eine zweite Sprache. Sollte man da nicht den Mut zur Original-Filmversion finden und die kleine Unbequemlichkeit der Untertitel in Kauf nehmen können, - die ein viel geringeres Übel darstellt, als sich an der künstlerischen Einheit der ursprünglichen Kreation zu vergreifen? Es dreht sich hier beileibe nicht nur um das Englische. Auch bei der Vorführung japanischer Filme geht das ganze Fluidum der Ursprünglichkeit verloren, wenn man die künstlerische Authentizität einfach überspringt und sie aus lauter Konsum-Bequemlichkeit dem deutschen Ohr nicht mehr anbietet. Es ist höchste Zeit, daß unser Film- und Fernsehbetrieb sich über diesen Zustand Gedanken macht und mehr, viel mehr Originalfilme mit Untertiteln in die Programme schafft als der falsche Pakt mit dieser Mittelmäßigkeit sie uns bis jetzt zu sehen erlaubt.“
Thomas Kielinger (geb. 1940 in Danzig) war von 1985 - 94 Chefredakteur der Bonner Wochenzeitschrift "Rheinischer Merkur". 2001 erhielt der freie Publizist das Bundesverdienstkreuz. (Zur Frage: "die kleine Unbequemlichkeit der Untertitel" nur ein Beispiel: CYRANO DE BERGERAC, Fr. 1991. Den Film sah ich OmU., das heißt, ich las ihn. Die mehrfach ausgezeichnete Kamerarbeit von Pierre Lhomme (für diesen Film: Palme in Cannes, César, British Film Academy Award, British Society of Cinematographers Award) konnte ich erst beim zweiten Sehen, nämlich der hervorragend synchronisierten DF ohne die das Bild zerstörenden Untertitel wahrnehmen und zu schätzen lernen.)
Außerdem kritisch gegenüber Veränderungen durch Textmanipulation bei der Erstellung von Synchrondialogbüchern:
Otto Hesse-Quack: „Der Übertragungsprozeß bei der Synchronisation von Filmen – Eine interkulturelle Untersuchung“, München, Basel 1969.
Gabriele Toepser-Ziegert: „Theorie und Praxis der Synchronisation – dargestellt am Beispiel einer Fernsehserie – [„Die Zwei“]“; Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades an der Philosophischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms Universität zu Münster, Fachbereich Publizistik, Münster 1975, als Buch: Münster 1978.
Wenn es nur um Zitate geht, passt vielleicht auch diese Aussage, die die Synchronsprecherin Hansi Jochmann im Gästebuch von Peters Synchronpage getätigt hat, als dieses Forum noch in den Kinderschuhen (bzw. in seiner alten Ausfertigung) steckte: "Eine Synchronisation wird niemals ans Original heranreichen. Wir bemühen uns nur. Also Leute: Lernt Fremdsprachen!" (auf Seite 15 des Gästebuchs, d.h. der zweiten fertigen).
Gruß, Aristeides
@Harvey: Deine Filmbücher waren für mich die ersten, in denen der Bedeutung der Synchronstimme für die Wirkung eines Filmstras im synchronisierten Ausland Rechnung getragen und zudem Anhänger des jeweiligen Stars über deren Stimme(n) informiert wurden. Danke.