Bei dem Label Great Movies war auch nichts anderes zu erwarten.
In der OFDB steht zusätzlich als Bemerkung: "Diese deutsche DVD-Erstveröffentlichung des Filmklassikers von Ronald Neame unter dem Titel "Charles Dickens - Scrooge" ist eine Katastrophe. Über das falsche Bildformat und eine schnell heruntergekurbelte Billig-Synchronisation braucht man keine Worte zu verlieren."
Auch bekannt als "Auf leisen Sohlen", synchroniert erst um 1997. Zu hören ist Martin Keßler, der zwar recht gut zur Rolle passt ('ne Art Hommage auf Marlowe), aber zu Finney selbst weniger.
Ich finde es jammerschade, daß es nicht zu einer dauerhaften Beziehung Finney-Biederstaedt kam. Das war für mich die absolut beste Kombination, die es hier gab. Harald Leipnitz war in "Tom Jones" natürlich auch ausgezeichnet. Sogar Rainer Brandt passte in "Samstagnacht und Sonntagmorgen"-das war ja vor seiner penetranten Zeit. Joachim Kerzel passte nicht schlecht, machte Finney aber leider sehr oft ein wenig austauschbar. Michael Chevalier in "The Dresser" war absolut großartig als Rollencast und hat vor allem auch die ganzen Shakespeare-Passagen vollendet dargeboten. Christian Rode im interpretatorisch leider missglückten "Washington Square" war eine geniale Besetzung. Finney und auch Rode sind so stark, daß der Film mit ihrer Rolle stirbt und dann nur mehr dahinvegetiert in pseudohafter Psychologie, die weder mit dem Frauenbild der damaligen Zeit zu tun hat, noch mit Henry James. Trotz des Altersunterschiedes von über 20 Jahren fand ich Holger Hagen sehr gut besetzt und Joachim Kemmer passte ebenso gut (zu wem passte er eigentlich nicht?). Martin Kessler in "Auf leisen Sohlen" ist, höflich ausgedrückt, ein wenig anstrengend. Otto Mellies-kann man etwas gegen ihn haben? Aber vielleicht dagegen, dass er viel zu oft besetzt wird, wo es doch auch Alternativen gäbe (Rode! Biederstaedt!). Eckart Dux und Peter Kirchberger kenne ich nicht, tue mir mit der Vorstellung einfach schwer. Claus Biederstaedt ist hier meine Nummer 1. Nicht nur, weil er Finneys Typ recht gut trifft, er kann auch trotzdem die Stimmen nicht sehr ähnlich sind, dessen oft raue Ausdrucksweise gut einfangen. Man hat bei Finney immer den Eindruck, daß etwas in ihm brodelt oder die Figur irgendwelche Charakterzüge entblößen könnte, die widersprüchlich den bisherigen sieht. Das trifft oft gar nicht ein, steht aber im Raum. Und das fängt Biederstaedt ein wie kein Zweiter. Warum man ihn in "Mord im Orientexpress" besetzte, ist sicher nicht leicht nachzuvollziehen. Er hatte Finney sieben Jahre zuvor einmal gesprochen, also kann von Kontinuität keine Rede sein. Daß Biederstaedt ohne Akzent sprach, war vielleicht von Vorteil. Wenn ich den Film im Original sehe, muß ich sogar sagen, daß Finney sich dermaßen in die Rolle hineinsteigert sprachlich, dass der Akzent so stark wird, dass man das English manchesmal beinahe nicht mehr versteht. Finney war ein relativ aggressiver Poirot und Biederstaedt brachte das großartig auf den Punkt. Seine Wutausbrüche sind hervorragend eingefangen. In "Unter dem Vulkan" war Biederstaedts akustischer Alkoholiker mindestens so beeindruckend wie Finney selbst. Er lallte und übertrieb nämlich nicht, wie es viele tun. Wer Alkoholiker kennt, der weiss, mit welcher schräger Würde sie stets versuchen, sich und der Welt Nüchternheit vorzuspielen, ehe sie ins Delirium kippen. Last, but not least "Schrei aus der Vergangenheit". Mein persönlicher Favorit unter allen Finney-Filmen. Als alternder, unbeliebter und seine Emotionen unterdrückender Lehrer ist Finney ein Meisterstück gelungen, das sämtliche Preise verdient hätte. Biederstaedt macht auch das hervorragend. In seiner Stimme kann man beinahe das Zementieren der Mauern hören, die Crocker-Harris gegenüber seinen Mitmenschen aufbaut. Die emotionalen Ausbrüche sind heftig-im Original und bei Biederstaedt. Am besten gefallen mir jedoch jene Passagen, wo ein Schüler langsam Zugang zu dem verbissenen Mann findet. Da hört man bei Biederstaedt den Mauerbau- und abriss zugleich aus der Stimme raus. Man scheint förmlich den Schmerz des Mannes zu hören, wenn langsam Wärme in seine Seele kommt-was lange her sein muss, dass es das letzte Mal war. Ich finde es sehr bedauerlich, dass Biederstaedt nur vier Einsätze auf Finney hatte. Aber es entschädigt ein wenig, daß drei davon wirklich herausragende Rollen sind in tollen Filmen.
Zitat von Gast im Beitrag #23Warum man ihn in "Mord im Orientexpress" besetzte, ist sicher nicht leicht nachzuvollziehen. Er hatte Finney sieben Jahre zuvor einmal gesprochen, also kann von Kontinuität keine Rede sein.
Vor einiger Zeit hat lupoprezzo darauf hingewiesen, dass Biederstaedt einige Zeit auffallend oft Schauspieler synchronisiert habe, die deutlich älter als er selbst waren (Herbert Lom, Jamens Mason, Yul Brynner, Gregory Peck, Glenn Ford). Möglicherweise empfand man seine Stimme damals als "älter klingend". Finney war zwar acht Jahre jünger, wurde für seine Rolle als Poirot aber stark geschminkt und ging sehr gebückt, so dass er deutlich älter wirkte. Vielleicht meinte man, hier einen zum Rollenalter passenden Sprecher wählen zu müssen? Alternativ könnte es natürlich auch sein, dass andere Berliner Hauptrollen-Sprecher aus dieser Zeit entweder in diesem Film bereits anderweitig vergeben oder terminlich verhindert waren. Wer weiß: Ob man wohl Klaus Miedel besetzt hätte, wenn Poirots Akzent in der deutschen Fassung erhalten geblieben wäre?
Eine wirklich plausible Erklärung ist das für mich nicht. Es gab durchaus genügende Schauspieler während der selben Zeit, die nicht in das Schema passen. Ein Blick in sein Synchronrollenverzeichnis jener Jahre zeigt deutlich, dass Biederstaedt wesentlich mehr Schauspieler synchronisierte, die in etwa seinem Alter entsprachen oder etwas jünger waren. 1968 sprach er Finney ja auch schon-ganz jung aussehend. Und knapp später Gregory Peck, der ja doch etwas altersslos auch war. Paul Newman fiele auch noch hinein, nicht zu vergessen Stephen Boyd oder die Hauptrolle in der Serie "Der Baron". Vielleicht fand auch einfach jemand, dass ihm die Rolle stehen würde. Auch wenn er wesentlich tiefer als Finney spricht, der ja hier eine ähnliche Stimme wie David Suchet im O-Ton fabriziert. Klaus Miedel??? Für James Coco-jaaaa! Aber...eben aber.
Zitat von fortinbras im Beitrag #25Es gab durchaus genügende Schauspieler während der selben Zeit, die nicht in das Schema passen. Ein Blick in sein Synchronrollenverzeichnis jener Jahre zeigt deutlich, dass Biederstaedt wesentlich mehr Schauspieler synchronisierte, die in etwa seinem Alter entsprachen oder etwas jünger waren.
Natürlich, aber dass er in einer bestimmten Phase öfter ältere Schauspieler sprach, ist schon auffällig. Zumal, da es in den meisten Fällen (Mason, Brynner oder Peck) gleich mehrere Sprecher gab, die altersmäßig näherliegend waren und zuvor mehrere Einsätze gehabt hatten.
Zitat von fortinbras im Beitrag #23Daß Biederstaedt ohne Akzent sprach, war vielleicht von Vorteil. Wenn ich den Film im Original sehe, muß ich sogar sagen, daß Finney sich dermaßen in die Rolle hineinsteigert sprachlich, dass der Akzent so stark wird, dass man das English manchesmal beinahe nicht mehr versteht. Finney war ein relativ aggressiver Poirot und Biederstaedt brachte das großartig auf den Punkt. Seine Wutausbrüche sind hervorragend eingefangen.
Als ich den Film früher (vor Beginn des DVD-Zeitalters) nur auf Deutsch kannte, fand ich Biederstaedts kräftigen Bariton etwas irritierend. Zum einen, da er für Poirot zu männlich und robust klang, aber auch, weil seine eher trockene Stimme nicht so recht mit Finneys teilweise wilder Gestik und Mimik harmonieren wollte. Zu den Wutausbrüchen (etwa bei seiner Schilderung des Falles Armstrong oder Mary Debenham gegenüber) passte der härtere Klang allerdings schon.