Nun rufe ich also einen neuen Thread ins Leben und muß mir gleich die Blöße geben - weil ich mangels Kenntnisse nichts dazu schreiben kann. Aber gerne meinen Horizont dazu erweitern möchte.
Daß Schauspieler, die nach dem Krieg noch in Ost-Deutschland waren, für die DEFA synchronisierten und erst später in den Westen gingen (aber noch vor dem Mauerbau), das ist ja bekannt und nichts so Aussergewöhnliches. Als Beispiel kann man da Horst Naumann nennen.
Jeannot hat in meinem Thread zu Vittorio de Sica erstaunliche Fakten ans Tageslicht gebracht, nämlich daß Curt Ackermann den wunderbaren Italiener auch in einer kleinen Anzahl von Ost-Synchronisationen sprach, zu denen eine West-Fassung ohne ihn vorliegt.
Das finde ich aussergewöhnlich und wie Stefan der DEFA-Fan das so treffend kommentierte: "auch vor dem Mauerbau".
Zudem hat Ackermann Sergeij Bondratschuk in dessen "Othello" synchronisiert, mit Wolf Martini als Jago. Ein weiterer West-Sprecher.
Ackermann und Martini waren in jener Phase der 50er-Jahre beide absolut etablierte Sprecher in West-Synchronisationen. Ich finde es ziemlich interessant, was die Hintergründe dafür waren, daß man solche Sprecher in den Osten holte.
Ich habe in einem Buch über die Berliner Charite sehr detailliert gelesen über die jahrelangen Schwierigkeiten für das dortige Krankenhauspersonal, das im West-Sektor wohnte. Das gab generell einen schönen Einblick, wie schwierig die Situation mit "Pendeln" schon vor dem Mauerbau war. Umso bemerkenswerter ist eben dieser Umstand. Denn auch bei Künstlern gab es hier keine wirklichen Unterschiede.
Kennt jemand weitere solcher Beispiele oder weiß etwas über die Hintergründe?
Jeannot
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05.11.2013 13:04
#2 RE: Vor dem Mauerbau: Synchron-Gastspiele im Osten
So außergewöhnlich, wie das Stefan schreibt, war das gar nicht in den 50ern. Elisabeth Ried, Hamacher, Emons, Palm, natürlich Werner Peters u.v.a. arbeiteten immer wieder für die DEFA. Axel Monjé bekam 1957 eine Hauptrolle als Darsteller, und Wolf Martini konnte man ein Jahr später auch in einem DEFA-Film sehen.
fortinbras
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05.11.2013 13:10
#3 RE: Vor dem Mauerbau: Synchron-Gastspiele im Osten
Ich kenne hauptsächlich frühe DEFA-Filme, in denen bekannte Schauspieler auftraten, die man mit West-Filmen verbindet. Betreffend Synchronarbeiten bin ich da mehr als unwissend.
Wenn es auch nicht ganz so aussergewöhnlich war, finde ich es dennoch interessant. Zumal es zeitweise für Pendler sehr schwierig war, von einem in den anderen Sektor zu wechseln und man vielen Schikanen ausgesetzt war. Bei Künstlern war das sicher ein wenig leichter, wenn man eingeladen wurde. Viele Künstler sympathisierten ja durchaus auch mit der sozialistischen Politik, wenngleich es wohl für manchen ein nüchternes Erwachen gab. Von vielen Seiten aus gab es sicher das Bestreben, weiterhin eine Art Zusammengehörigkeit zu zeigen.
es gibt durchaus noch mehr Beispiele von West-Schauspielern, die Filme im Osten Deutschlands drehten:
Für Henny Porten hatte der bundesdeutsche Nachkriegsfilm keine Rollen mehr; so spielte sie bei der DEFA ua. in "Carola Lamberti". Gertrud Kückelmann drehte gemeinsam mit Peter Pasetti im DEFA- Streifen "Spielbank-Affäre". Sonja Sutter wurde im bundesrepublikanischen Nachkriegsfilm meist in Heimatfilmen ("Drei Birken auf der Heide") eingesetzt. Bei der DEFA drehte sie u.a. "Lissy" (1957). Wobei ich mich natürlich auch frage, wie die damals bezahlt wurden.
Nach dem Mauerbau war damit allerdings Schluß- mit 2 Ausnahmen: Gerhart Bienert und Claus Jurichs drehten auch danach noch in der DDR.
Rainer Brandt war in der DEFA-Synchro des russischen Spielfilms "Die Kraniche ziehen" (1957) zu hören, weswegen man bei den West-Berliner Synchronfirmen auf seine Stimme aufmerksam wurde und ihn zunehmend vermehrt engagierte. Vorher hatte er zwar auch schon synchronisiert; allerdings waren dies zum größten Teil nur Nebenrollen.
fortinbras
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05.11.2013 16:32
#6 RE: Vor dem Mauerbau: Synchron-Gastspiele im Osten
Von Schauspielern, die noch etwas pendelten für Filme oder auch Theater, habe ich schon gewusst. Dies und das eben. Dazu hat ja auch, wie mir mittlerweile einfiel, der wunderbare Boleslaw Barlog viel erzählt, der ja auch offizielle Funktionen inne hatte zur Besatzungszeit. Muss da wieder mal nachlesen...
Trotzdem finde ich das mit dem Synchronisieren schon sehr bemerkenswert, vor allem in Bezug auf Curt Ackermann, der im Westen etabliert war und geholt wurde für alternative Fassungen der DDR. Entweder fand man ihn so aussergewöhnlich, oder man kannte deSica dort auch schon sehr mit seiner Stimme.
Daß viele Schauspieler die DEFA-Filme als herausfordernder fanden als den üblichen bundesdeutschen Film, das ist leicht nachzuvollziehen. Das ließ sicher auch nach, als das Fernsehen immer wichtiger wurde. Viele namhafte deutsche Schauspieler waren ja regelmäßig in tollen Fernsehproduktionen zu sehen, die für sie dann ein Ausgleich waren zum Kinoschmalz. Ist schon oft erstaunlich, wie vielseitig das Fernsehen damals war und daß es überdurchschnittlich viel anspruchsvolles Programm gab, da man im Fernsehen meist kantiger und fast mutiger war als im Kino. Aber das schweift jetzt sehr ab.
Reinhard paßt doch viel besser zum Herrn Brandt! Ich kenne zwei Reinhards und die sind alle so 'n bisschen, äh ... von sich selbst very, very overzeugt (das Wort kann ich da jetzt nicht anders schreiben).
Zitat von kinofilmfan im Beitrag #4Nach dem Mauerbau war damit allerdings Schluß- mit 2 Ausnahmen: Gerhart Bienert und Claus Jurichs drehten auch danach noch in der DDR.
In Bräutigams Artikel über Claus Jurichs heißt es, Wolfgang Kieling sei (bereits vor seiner vorübergehenden Übersiedlung in die DDR) ein weiteres Beispiel für diesen Sonderfall gewesen. Apropos: Haben Jurichs und Kieling in den Sechzigern bei der DEFA eigentlich auch synchronisiert?
Jeannot
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02.12.2013 08:43
#11 RE: Vor dem Mauerbau: Synchron-Gastspiele im Osten
Von Jurichs sind mir keine DEFA-Synchros bekannt - Kieling hatte zumindest 1970 in dem DEFA-Film "Signale" eine kleine Synchronrolle (für Aubrey Pankey), da lebte er allerdings wieder für wenige Jahre in der DDR und nach dem Flop von "Jungfer, sie gefällt mir" konnte man wohl nichts mit ihm anfangen. Aus seiner ersten BRD-Zeit sind mir nach dem Mauerbau keine DEFA-Einsätze bekannt.
Zitat von berti im Beitrag #10Apropos: Haben Jurichs und Kieling in den Sechzigern bei der DEFA eigentlich auch synchronisiert?
Zitat von Jeannot im Beitrag #11... die haben nur gespielt, Ost-Synchros der beiden sind mir nicht bekannt
Diese Antwort ist ja nun auch schon einige Jahre alt und ich denke, dass Jeannot mittlerweile wenigstens eine Kieling-Synchro der DEFA untergekommen ist - ich kann mir nicht vorstellen, dass er "Aufenthalt vor Vera Cruz" nicht kennt. Da sprach er auf jeden Fall zusammen mit Elisabeth Ried.
Ich weiß nicht, ob Hans Emons auch für die DEFA synchronisierte, aber er war in mindestens einem DDR-Hörspiel vertreten: "Schüsse am Hochmoor".
Leider konnte ich nicht fest stellen, wo Heinz Palm damals zu Hause war, aber man hörte ihn in mehreren DEFA-Synchros ("Das goldene Schlüsselchen", "Die geheimnisvolle Insel"), kaum zu erkennen allerdings.
Einige auch schon (aber nicht hier) genannte Beispiele umgekehrten Falles: Herwart Grosse in "Badende Venus" Willy A. Kleinau in "Vincent van Gogh" Horst Torka und Angela Brunner in "Spuren im Sand" Willi Schwabe in "French Can Can"
Gerd Ehlers in "Ivanhoe" (nicht bewiesen, aber ich bin fest überzeugt) und "French Can Can" möchte ich insofern ausklammern, da er zu dieser Zeit offenbar noch in westdeutschen Theatern spielte und erst später in die DDR zog.
Und nach wie vor bin ich mir nicht sicher, ob Hella Graf nicht Helmut Heyne überredet hat, zwei kleine Gastrollen in ihren Olsenbande-Synchronisationen zu übernehmen - die Stimme klingt genauso ... Das wäre ja sogar nach dem Mauerbau.