Für mich funktionierts leider gar nicht ohne die alten Stimmen. Davon abgesehen dass es sich einfach falsch anhört, klingt es für mich auch irgendwie draufgelegt. Vor allem Diana Borgwardt auf Darlene geht für mich gar nicht. Ich begnüge mich weiterhin mit der Originalversion.
Die Synchronfassung ist im Auftrag Disneys entstanden. Johanna Halt arbeitet als Supervisorin für Disney, und „Kreative Gesamtleitung“ ist der Disney-Terminus dafür. Man kann nun nicht sagen, die Synchro wäre ähnlich wie einige Netflix-Werke jetzt besonders billig: Hier sind namhafte, renommierte Leute am Werk für ein großes Studio. Die deutsche Fassung funktioniert in sich. Trotzdem ist sie einfach Grütze. Genau wie so viele „Top“-Synchronisationen heutzutage. „Draufgelegt“ trifft es sehr gut. Damit ist sie aber relativ adäquat für das Original. (Dem fehlt nach Roseannes Entfernung auch die Doppelbödigkeit des Originals, zumal der Vorgang an sich schon eine Obszönität ist, welche die Serie realsymbolisch entwertet und entkernt hat.) Es hat schon einen hohen Nostalgiefaktor und auch durchaus tiefgründige Themen (über beides hatte ich meine Freude), die werden aber jetzt eben so behandelt, dass sie bei keinem wirklich anecken. Endlich ist die Serie weitestgehend eine Larifari-Sitcom und die Synchronisation übertrifft das noch. Kann man sich beim O-Ton-Schauen noch die vertrauten Stimmen denken, wird sämtliche Doppelzeichnung in den Charaktern, die im O wenigstens noch passagenweise vorhanden ist, gnadenlos zu Boden gestampft. Sie ist damit in gewisser Weise das exakte Gegenteil der originalen Synchro, welche das Original mit eigenen Mitteln perfekt traf: Sie war zwar „Assi-Sitcom“, aber eben auch eine herzliche Familienserie. Sie unterhielt, provozierte einen aber auch hin und wieder im Denken. Die Figuren waren nicht nur ein Klischee. Sie waren echte Menschen. Ich möchte das an ein paar Rollen erläutern.
DARLENE Hier wird es am deutlichsten, wie völlig anders die Synchronisation interpretiert. Diana Borgwardt gefiel mir nämlich damals in THE BIG BANG THEORY ziemlich gut, ich hätte sie selbst gutgeheißen, hätte es mit Karoline Guthke nicht geklappt, und kann sie mir auch aufs Bild vorstellen, wenn ich den Ton abdrehe. Trotzdem macht sie aus Darlene eine ganz andere Figur. Vor allem klingt sie viel zu sehr nach strahlend Sonnenschein. Karoline Guthke dagegen gab ihr immer etwas sehr Melancholisches, latent Trauriges, Zerbrechliches. Darlenes Sarkasmus war nur ihr Schutzpanzer, ein psychologischer Mechanismus, um nicht verletzt zu werden, der sie aber gerade dadurch oft isolierte. (Ihre Mutter sprach in mindestens einer Folge der Originalserie mit ihr darüber, wie ähnlich sie sich in diesem Punkt seien.) Doch hier wirkt die Figur nun einfach nur gehässig und gemein, die an ihren bösen Spitzen eine psychopathische Freude hat.
JACKIE Madeleine Stolze gab Jackie im Grundton etwas wunderbar Bodenständiges, wodurch ihre herrlichen Aufreger über ihre Schwester oder Mutter, ihre selbstüberzeugten Ausführungen und Tiraden, in die sie sich manchmal hineinsteigerte, erst so witzig wirkten. Der Gegensatz machte es erst so lustig und sie zu einer sympathischen Identifikationsfigur. Mit Sabine Arnhold wirkt die Frau hingegen einfach nur geisteskrank.
DAN Der Familienvater war nicht nur einfach die stoische Urgewalt, sondern hatte eine herrliche schräge Verspieltheit. Oliver Stritzel bietet durchaus Humor durch subtile Variation, aber einfach überhaupt nichts von dieser Quirkiness des alten Dans. John Goodman spielt die Rolle zwar inzwischen auch sehr zurückhaltend, aber hin und wieder blitzt das Alte doch wieder durch. Gerade dann scheitert die deutsche Fassung völlig und wirkt beinahe wie Voice-Over.
Überhaupt fehlt der deutschen Fassung also nun einfach jeder Charme, jede Herzlichkeit und Eigenheit, welche die ursprüngliche Synchronisation ausmachten und das Original gerade dadurch perfekt einfingen. Es ist enttäuschend, wenn man sich überlegt, was man hätte machen können, und wie es tatsächlich geworden ist. Als Beispiel diene eine Szene aus Folge 4, ab {11:58}:
Dan nimmt hier an einer Trauer-Selbsthilfegruppe teil. Neben ihm kommen auch der Moderator und ein weiterer Teilnehmer zu Wort - und die Sprecher aller drei Männer hätte man genauso gut auch in jeder Vertauschung besetzen können. Jede Besetzung für sich genommen ist einigermaßen okay: Oliver Stritzel kommt John Goodmans O-Dröhnen recht nahe, Thomas Kästner passt typmäßig ganz gut zu M.C. Gainey und Dieter Memel sprach Paul Willson (im Bild mit Brille) sogar schon mehrmals. Zusammengenommen merkt man aber erst so richtig, wie dermaßen uninspiriert alle Besetzungen sind. Den Leiter hätte man in München mit Thomas Rauscher oder von mir aus Holger Schwiers (in Berlin z.B. Engelbert von Nordhausen) etwas cowboyhaft, sozusagen zum Sheriff seiner Selbsthilfegruppe machen können: ein Kontrapunkt zwischen dem Image des abgebrühten, schnoddrigen Mannes durch M.C. Gaineys Erscheinungsbild und dem ‚unmaskulinen‘ Reden über Gefühle. Paul Willson, der in dieser Szene viel weinerliche Geschichten erzählt und hier den comic relief gibt, wäre darin von Hans-Rainer Müller (oder in Berlin z.B. Frank Ciazynski) herrlich getroffen worden. Und Dan selber, der sich endlich mal wieder mit seiner ulkigen Mimik in einer für ihn unangenehmen Situation bewegen darf, wäre mit dem zu dieser Kauzigkeit fähigen Bert Franzke viel besser ausgefüllt worden. Hier merkt man dann jedoch leider besonders, wie nicht nur stimmlich zu jung Oliver Stritzel ist, sondern einfach auch zu eindimensional. (Thomas Rauscher, in München keine sonderlich spezielle, aber doch wahrscheinliche Idee, hätte das wenigstens spielen können, dann natürlich ganz anders denn als Leiter, für den er vom Typ weitaus besser passt.) Man könnte es natürlich so deuten, dass es gerade die dröge Eintönigkeit der Selbsthilfegruppe ist, die Dan beschließen lässt, dass das nicht sein Ding ist. Aber so platt soll die Szene und das O-Spiel offensichtlich nicht wirken und so ist es auch unterhaltungstechnisch einfach nur langweilig.
Die deutsche Synchronisation macht bewusst, wie weit die gute alte Zeit der (Plaza-)90er entfernt ist … und wie platt viele auch vermeintlich gute Synchronisationen heute sind. Eine Sitcom voller schräger Klischeefiguren muss ja nichts Schlechtes sein und kann auch viel Spaß machen. Aber so ist die Serie zumindest nicht gemeint oder strahlt es durch die Nostalgie nicht aus. Wo sie sich selbst aus unterschiedlichen Gründen im Original schon beschränkt, setzt die deutsche Fassung noch eins drauf. Bei so viel Zeitdruck wohl auch kaum anders möglich. (Und es würde mich nicht wundern, wenn "von oben" die Anweisung kam, gar nicht erst sonderlichen Aufwand zu betreiben, sich um Anlehnung an die Originalserie mit der geschassten Hauptdarstellerin zu bemühen.) Wer die Originalserie nicht gesehen hat oder wer heute gar nur moderne Larifari-Gaga-Sitcoms kennt und kein Gefühl dafür entwickelt hat, was überhaupt möglich ist, wird schätzungsweise nichts Komisches bemerken und sich wundern, wie man sich über "nur eine Serie" so aufregen kann. Vielleicht zu Recht.
Sehr schön geschriebene Analyse Toby. Klingt sehr danach als hätte man es hier mit einer professionell produzierten Synchronisation zu tun, die zwar handwerklich gut ist, aber jedoch ohne Herz. Gemacht von Leuten, die sich mit ihrer Arbeit auskennen, aber keinerlei Bezug zum eigentlichen Projekt haben und nur ihre Pflicht erfüllt haben, ohne großes Fingerspitzengefühl. Da ich mit den heutigen Sitcoms so gut wie gar nichts anfangen kann und da meist immer nur gähnen muss, wo es eigentlich lustig sein soll werde ich mir die Connors nicht anschauen. Das erste Probehören hat schon mal abgeschreckt. Mein Gott, was für ein seelenloses Voice-Over Feeling ohne Ecken und Kanten man da abbekommt. Da versprüht eine Beerdigung mehr Lebendigkeit.
THE CROSSING war ein ähnlicher Fall: US-Erstausstrahlung am 02.04.2018, Premiere auf Amazon Prime am 27.04.2018 in der von Disney verantworteten Synchronfassung.
meine Güte, hier wurde ja wirklich alles falsch gemacht. Ohne Roseanne und dann auch noch mit falschen Sprechern besetzt. Ich habe nach 10 Minuten weggeschaltet. Was soll eigentlich dieser lächerliche politische Diskurs? dafür eine Serie abzusetzten - echt bescheuert. Ist doch völlig egal, was diese Frau über wen auch immer gesagt oder geschrieben hat. Ich wundere mich nur, dass das irgendjemanden interessiert. Als ob davon nun die Welt untergeht. Andererseits haben sich Schauspieler auch nicht in Politik oder politsche Debatten einzumischen. Schuster bleib bei deinen Leisten. Nun haben wir den Salat.
Die "Amazon-Synchro" wurde doch eigentlich von Disney in Auftrag gegeben (dafür würde die FFS als produzierendes Synchronstudio sprechen), oder irre ich mich da?
Zitat von Sunflower im Beitrag #211Für mich funktionierts leider gar nicht ohne die alten Stimmen. Davon abgesehen dass es sich einfach falsch anhört, klingt es für mich auch irgendwie draufgelegt. Vor allem Diana Borgwardt auf Darlene geht für mich gar nicht. Ich begnüge mich weiterhin mit der Originalversion.
Das kann ich so unterschreiben. Die deutsche Fassung hört sich nach einer 08/15-Sitcom an, welche "Die Conners" mit Sicherheit nicht ist. Einfach nur gruselig und zum Davonlaufen!
Mich würde interessieren, welche von den damaligen Stammsprechern noch verfügbar gewesen wären. Hartmut Neugebauer auf Dan und Edith Schneider auf Bev wären sowieso nicht mehr möglich gewesen, da beide Synchronsprecher leider verstorben sind. Karoline Guthke hat anscheinend schon lange nichts mehr synchronisiert, wäre sie für Darlene wieder zu gewinnen gewesen? Jennifer Böttcher auf Becky, Madeleine Stolze auf Jackie, Uschi Wolff auf Crystal und Dirk Meyer auf Johnny Galecki (bin kein "Big Bang Theory"-Fan) wären wohl am ehesten machbar gewesen, oder? Und wer wäre eine würdige Alternative zu Neugebauer und Schneider gewesen?