Zitat von RGVEDA im Beitrag #17
Ist der Film also nicht empfehlenswert? Ich habe ihn im Kino verpasst :(
Amsterdam ist der merkwürdigste Film, den ich je gesehen habe. Nicht auf künstlerischer Ebene, sondern auf einer „Wieso hat man das finanziert?!“-Ebene. Amsterdam hat die farblosesten Sätze, die je auf Film gebannt wurden und das liegt nicht an der Übersetzung. Die Figuren sagen stellenweise zwei-, dreimal dasselbe. Es sind spürbare Platzhalter. Subtext, den man als Text verwendet hat. Und das ist noch der Idealfall, denn oft gab es wohl gar keinen Text. Diese Stellen wirken nicht einmal improvisiert, denn das wäre ja kreativ. Es sind Momente reiner Verzweiflung, garniert mit auffälligen Pausen, in denen man die Hilflosigkeit der Darsteller betrachten darf, die entweder nach Worten ringen oder still einige Lebensentscheidungen in Frage stellen. Rami Malek stiert beispielsweise im großen Höhepunkt des Films regungslos ins Nichts, das Gesicht zu einer undefinierbaren Maske erstarrt, mit einem unnatürlichen Grinsen als hätte das Lachgas des Jokers ein weiteres Opfer gefordert.
Charakterbögen sind nicht vorhanden oder derart sprunghaft, dass man das nicht als Bogen bezeichnen kann. Margot Robbies Figur hat beispielsweise
ein psychisches Leiden, wenn sie in der Gegenwart auftaucht, auf das wiederholt kryptisch und ungenau hingewiesen wird, von dem man aber nichts bemerkt. Bis auf eine einzige Szene, in der sie plötzlich
herumtorkelt, umkippt, und gestützt werden muss, weil ihr so schwindlig ist, was genauso erbärmlich und jämmerlich anzusehen ist, wie ich es beschreibe (und dann hat sich das auch wieder).
Christian Bales Figur ringt die ganze Zeit um
die Anerkennung seiner Schwiegereltern, die der Grund sind, dass
seine Ehe praktisch nur eine Formalität ist. Im dritten Akt hat er sie dann plötzlich,
die Zustimmung, und es ist unklar/unglaubwürdig wie es denn nun dazu gekommen ist. Eine Viertelstunde später erklärt Bale dann, dass er
die Anerkennung der Schwiegereltern nicht braucht und
diese Ehe nicht mehr will. Es ist buchstäblich nichts passiert, dass zu Bales 180-Grad-Wendung führt.
Und John David Washington
nimmt einfach nur Raum weg. Das große Geheimnis um
den mysteriösen Tod eines Senators und ehemaligen Generals, das den roten Faden bilden sollte, wird ziemlich schnell vergessen. Denn Bale und Washington gelten den ganzen Film über
als Hauptverdächtige eines Mordes und werden logischerweise
von der Polizei unter Druck gesetzt. Bale und Washington erklären
zwei Detectives, dass eine Verschwörung im Gange ist, und sie unschuldig sind. Denen reicht das und sie sagen sinngemäß: „Alles klar. Dann macht mal.“
Das passiert nicht einmal im Film sondern zweimal. Zwei Szenen. Beide mit demselben Ergebnis und ohne irgendwelche Folgen für niemanden.
Spätestens wenn dann Robert De Niro erklärt,
sein Freund, der General, wurde ermordet, beginnt man das Wesen der eigenen Realität in Frage zu stellen. Man sieht einen 80-Millionen-Dollar-Film. Und Robert De Niro spricht von
Mord, obwohl doch ganz klar gesagt wurde, dass die ganze Welt
es für einen natürlichen Tod hält. Das war der verdammte Aufhänger des Films. Das ist so ein abgefuckter Infodump, der ganz plötzlich aus dem Nichts kommt, dass man stutzt. Und der dritte Akt ist voll von solchen Stellen.
Das hat David O. Russel, Regisseur von Filmen mit Oscar-Auszeichnungen, tatsächlich so ins Drehbuch geschrieben. Disney hat das gelesen und sich nicht gedacht „Da ergibt ja gar nichts Sinn!“, sondern das Scheckbuch gezückt. Und Schauspieler der obersten Liga wie Bale, Robbie, und De Niro, die sich ihre Filme aussuchen können, haben sich dafür hergegeben.
Amsterdam ist am ehesten vergleichbar mit The Room. Nur eben ohne den Charme, den Wahnsinn, die Ahnungslosigkeit eines Tommy Wiseau. Amsterdam ist ein blutleeres Studioprodukt, eine Missgeburt mit so auffälligen Fehlbildungen, dass es eigentlich im Mutterleib hätte verkümmern müssen. Es wirkt, als hätte eine schlechte KI das Drehbuch ausgespuckt. Amsterdam ist einer von Lovecrafts Großen Alten, der bloße Anblick führt zu der schrecklichen Einsicht wie jämmerlich und unbedeutend der Mensch doch ist, und zu Wahnsinn. Es ist der verfluchte zweite Akt von Der König in Gelb.
The Room ist Ikarus; wollte hoch hinaus und kam der Sonne zu nahe. Der Sturz macht es zum Phänomen.
Amsterdam ist das Verschmieren der eigenen Fäkalien an Wänden. Aber irgendjemand findet sich bestimmt, der es für Kunst hält.
Ich mag The Room nicht einmal.