Am Samstag starb Walter Niklaus im Alter von 96 Jahren. Eine schier omnipräsente Erzählstimme in Dokus, im Off von Spielfilmen, auf Hörspielen und natürlcih auch im Synchron. Man hörte ihm jedes Mal an, dass er von der Bühne kam (als Schauspieler und Schauspieldirektor!). Die Stimme konnte donnern und tragen. Banales wie fundemantale Erkenntnisse von hoher Tragweite klingen lassen. Manchmal war sie mir daher sogar etwas "overdone", wenn er in vergleichsweise billigen (vor allem italienischen - denn auf ein paar solcher beziehe ich mich) Produktionen aus dem Mund eines Chargen ertönte und dessen unbeholfen grimmassierendem Spiel eine bedeutungsschwandere Würde verlieh, die so eigentlich gar nicht da war. Aber das ist natürlich Jammern auf hohem Niveau ;-) Einer dieser Fälle, die mir besonders positiv hängen geblieben sind, ist Nerio Bernardi in Tanio Boccias (der "Ed Wood" des Sandalenfilms!) "Giulio Cesare, il conquistatore delle Gallie", der 1987 unter dem Titel "Julius Cäsar, der Eroberer Galliens" genauso Caesar-verherrlichend synchronisiert wurde, wie Boccia und Caesar (oder gar Mussolini) es sich gewünscht hätten. Bernardis windiger Cicero wird durch Niklaus zu einem erhabenen Elder Statesman, der unheilschwanger die Bedrohung durch Caesar illustriert und dem Senat mahnend ins Gewissen redet. Damit wird er diesem zwar nicht in unserem Sinne demokratischen und menschenfreundlichen, aber doch scharfsinnigen und rhetorisch überaus gewandten Politiker durchaus gerechter als "sein Darsteller". Natürlich denke ich bei Walter Niklaus auch sofort an Basil Rathbone, an Sid James (dem das Unschuldig-Gutmütige eines Edgat Ott, das auch James im Original so nicht hat, komplett abgeht) und an kapitalistischen Wassermann Milos Kopecky in "Wie soll man Dr. Mracek" ertränken ... Man könnte noch viele weitere Beispiele nennen, bei denen sich seine Spielweise eingeprägt hat (und bin sicher, dass eingie von euch da einiges auf Lager haben). Ein wirklich Großer ist gegangen.
Eine ungeheuer charismatische Stimme, die mit Basil Rathbones Gesicht und Spielweise perfekt harmonierte - und das, obwohl er ihn über die Jahrzehnte verteilt immer wieder synchronisierte, von den 60ern bis in die 90er. Seine Stimme veränderte sich zwar, aber passte trotzdem in jeder Phase. Seine Mischung aus feiner Ironie und Überlegenheit, mal schneidend, mal sanft, war wirklich ein Genuss. Schade, dass er nach 1990 im Hörspiel- und Synchronbereich nicht aktiver war! Ich hätte ihn dort gerne öfter gehört. Daneben war das Interview auf einer der Holmes-Boxen ein echtes Dokument, bei dem er neben Einblicken in die Synchronarbeit auch solche über die Möglichkeiten bot, in einer Diktatur kleine Spitze unterzubringen.
Zitat von Joshua Tree im Beitrag #1Ein wirklich Großer ist gegangen.
Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Aber zumindest hat er ein stolzes Alter erreicht!
"Seine ´ungewöhnlich charismatische Radiostimme und seltenes Genie der Inszenierung´ würdigte Matthias Thalheim, bis 2020 MDR-Hörspielchef, in seinem Nachruf. Niklaus habe ´alle Facetten des gesprochenen Wortes mit Musik, Geräusch und genau gesetzten Pausen zur Wirkung gebracht und dabei nie die Adressierung an eine breite Hörerschaft aus dem Blick verloren´."
Irgendwann geschieht es halt ... aber es zieht mich doch runter. Ich durfte ihn als Sprecherkind kennenlernen, dann führte er Regie bei meinem ersten erwachsenen Synchroneinsatz (Menge) in Leipzig und schlussendlich war er an einem Rekonstruktionsobjekt für die Olsenbande beteiligt. Und ich war immer beeindruckt von seiner Präsenz (von seiner Stimme sowieso). Ja, einer der ganz Großen, dessen Stimme und Schauspiel immer Freude machte.
Zitat von berti im Beitrag #2Eine ungeheuer charismatische Stimme, die mit Basil Rathbones Gesicht und Spielweise perfekt harmonierte - und das, obwohl er ihn über die Jahrzehnte verteilt immer wieder synchronisierte, von den 60ern bis in die 90er. Seine Stimme veränderte sich zwar, aber passte trotzdem in jeder Phase.
Absolute Zustimmung. Ich kannte ihn zwar fast ausschließlich als Synchronstimme von Basil Rathbone, aber da hat er wirklich sehr gut gepasst und das über die Jahrzehnte hinweg (1960er, 1980er, 1990er). Eine weitere Rolle, die mir bekannt von ihm bekannt war und wo ich ihn in guter Erinnerung habe, war in der 1986er Synchronfassung des Film "Stadt in Angst" bzw. "Eine Stadt in Angst" von 1954, wo er Spencer Tracy seine Stimme lieh, womit er durch seine Zurückgenommenheit in der Rolle einen guten Eindruck hinterließ.
Ich kannte ihn in erster Line aus den Sherlock Holmes-Filmen und dem von Lammers nochmal verlinkten Gespräch. Auch aufgrund der hier schon an"gesprochenen" Ähnlichkeit mit Georg Thomalla ist er mir einigermaßen geläufig gewesen. Dadurch ist er bestimmt, wie man so sagt "unsterblich" geworden.
Zitat von Markus im Beitrag #7Heute entdeckt: eine schöne Hommage an Walter Niklaus mit Film- und Hörausschnitten
Danke für diese wirklich schöne und interessante Zusammenstellung, die sich auf ein Thema konzentriert, dass sicher für viele sehr speziell ist: Film-, Fernseh- und Hörspielproduktionen der DDR Interessant, dass er sogar mal den Kapitän Ahab in "Moby Dick" gab! Bei seinen gebrüllten Passagen hier und der leicht verzerrten Telefonstimme im "stillen Teilhaber" fiel mir übrigens eine Ähnlichkeit zu Joachim Kerzel in entsprechenden Tonlagen auf.
Angesichts seiner Qualitäten als Erzähler ist es wirklich schade, dass er nach 1990 kaum noch in dieser Funktion eingesetzt wurde! Der sächsische Standort wäre im Zeitalter getrennter Aufnahmen ja kein Hindernis gewesen.
Nachtrag: Bei der "Perle der Borgia/des Todes" griff man glücklicherweise auf die zweite DDR-Synchro zurück, in der Holmes´ düsterer Schlussmonolog nicht verwässert wurde.
Vielen Dank für das freundliche Feedback in Bezug auf meine Hommage zu Ehren von Walter Niklaus.
Da mich seine wunderbare Stimme fasziniert, seit ich sie für Basil Rathbone als Sherlock Holmes in "Der Hund von Baskerville" (1939), 1984 bei der DDR-Erstausstrahlung dieses Klassiker zum ersten Mal hörte, war mir diese Hommage eine Herzensangelegenheit. Ich halte übrigens die Zweitsynchronisation der meisten Sherlock-Holmes-Filme für gelungener als die erste (natürlich gibt es nicht für alle Filme der Reihe eine zweite Synchronfassung), daher habe ich mich ganz bewusst für diese Version entschieden.