ich habe vor einigen Wochen in meiner Tageszeitung einen interessanten Artikel entdeckt. Autor des Artikels ist Ludwig Amann, Chef des Kool- Filmverleihs, der die Synchronaufnahmen seines Films, der kanadischen Komödie "Die grosse Verführung", beaufsichtigt hat. Ich habe mir die Mühe gemacht und den Artikel mal abgetippt...
Schönen Gruss Stefan Höfflin
Deutsche lieben deutsche Fassungen. Sie wollen im Kino keine Untertitel lesen, sie wollen den Film geniessen. Mehrsprachige Zeitgenossen bedauern das und schwärmen von den Orginalfassungen in der Schweiz. Wir auch: Nicht mit uns, dachten wir, und brachten unsere Filme nur im Original mit deutschen Unter- titeln ins Kino. Bis wir merkten, dass damit kein Geld zu verdienen ist. Das macht demütig: Könnte es sein, das Kinosynchronisationen besser sind als die schaurigen Billigsynchros für US-Fernsehserien? Sollten wir´s wagen? Wir wagten und gewannen mit "Der Schmetterling": 100 000 Zuschauer - für uns ein Rekord. Damit stand fest, dass wir auch "La grande seduction" synchroni- sieren würden. Aber wo? Jede Synchronisation ist ein Abenteuer, bei dem viel Geld auf dem Spiel steht. Andere kaufen dafür einen neuen Wagen. Wir verhunzen womöglich unseren schönsten Film. Nur zu gern wäre ich wieder zu dem Münchener Tonstudio gegangen, das beim "Schmetterling" beste Arbeit geleistet hatte - und mir, dem blutigen Anfänger, am letzten Tage großzügig bescheinigte, als "Dubbing supervisor" bestanden zu haben. Ich dankte es, indem ich meine neue Aufgabe ernst nahm und Vergleichsangebote einholte. Die Münchener waren sagen- hafte 10 000 Euro teurer als die Berliner Konkurrenz von Cinephon. Also auf nach Berlin, wo man billiger lebt und darum die Sprecher weniger kosten. Und wenn man mir obendrein einen Regisseur bot, der seit Jahrzehnten die ganz grossen Titel macht: Lutz Riedel, verantwortlich für die deutschen Fassungen von Filmen wie "American beauty" oder "Vier Hochzeiten und ein Todesfall". Fehlte also nur noch die Besetzung der Hauptrolle. Nie mehr, so hatte ich mir nach einer vorangegangenen Angstpartie geschoren, würde ich einen Sprecher ohne Sprechprobe akzeptieren. Nun hörte ich also eine kurze Szene mit drei verschiedenen Sprechern, zwei schieden aus, nur einer ver- schmolz mit dem Körper des schlitzohrigen Bürgermeister von Sainte-Marie-La- Mauderne. Und dann überrumpelte mich der Synchronstudio-Leiter am Telefon mit einem neuen Vorschlag: Vergiss es, die Idealbesetzung ist Klaus Sonnenschein, vertrau mir! Ich war sprachlos. Ich vertraute Er hatte Recht: Der grosse Berliner Volks- schauspieler war ein Traum. Er rauschte am ersten Aufnahmetag mit seiner Leibesfülle ins Studio, wurde von Riedel kurz in den Film und seine Rolle ein- geführt, stellte sich vors Mikro, schaute und hörte dem Bürgermeister ein paar Takte auf dem Monitor zu - und warf sich mit Wonne auf ihn. Verwandelte sich im Handumdrehen - und brachte uns schon nach wenigen Sätzen zum Lachen. Was für ein Profi! Wenn man bedenkt, wie schwer das ist, lippensynchron sprechen, was vom Dialogbuchautor - Lutz Riedel - Satz für Satz nach eine Rohübersetzung lippensynchron getextet wurde. Es geht um Zehntelsekunden - damit man nicht einen offenen Mund hört, etwas ein "A", wenn er sich auf der Leinwand gerade zu einem "B" schliesst. Und es geht um kostbare Studiozeit: Denn dauernde Wiederholungen kosten Kraft und Geld. Beim "Schmetterling" hatten wir manches Sätzlein 15-mal sprechen lassen, bis alle - die Regie, der Tonmeister und der Cutter - zufrieden waren mit dem Er- gebnis. Das zerrt an den Nerven. "Sonne" schaffte es oft beim ersten oder zweiten Mal. Am Abend zog ich glücklich von dannen: Es lief wie am Schnürchen. Riedels Regiestil war schneidig, er setzte auf Routine seiner Sprecher und bracht sie mit wenigen Worten aufs richtige Gleis, wenn Ihnen die Pointe einer Szene entgangen war. An seinem Dialogbuch hatte ich auch fast nichts ändern müssen, jetzt stand mir nur noch der grosse Tag bevor, an dem all die schon geschnittenen Sprachaufnahmen mit den Geräuschen und der Musik vom Original zusammengeführt werden: die Mischung. Dann schlug das Schicksal zu. Ich war am ersten Tag verhindert. Riedel hatte sich in die Staaten abgesetzt. Eine Mischung nur vom Tonmeister? Ein befreun- deter ZDF-Redakteur und Synchron-Spezialist war so entsetzt, dass er kurzer- hand einsprang. Als ich dazustiess, strahlte er vor Glück: Was für ein gött- licher Film! Diese Typen! Und Sonnenschein - mein Gott, ist der gut! Nur Möwen und Wind hätter noch bei der Mischung hinzufügen müssen, um die Fischerdorf "Atmo" dichter zu machen. Tatsächlich: Immer wenn Meer ins Bild rückte, rief er "Jonathan", und flugs zauberte der Tonmeister Möwenkreischen hinzu. Wir hatten es geschafft, alle zusammen. Wer glaubt, deutsche Fassungen seien grundsätzlich ein Verrat am Original, war nie dabei: Wenn alles klappt, schaffen gute Synchronstudios eine Tonspur, die das Orginal sogar noch über- treffen kann!
Artikel aus der Badischen Zeitung vom 3. Dezember 2004
Toller Artikel!! Aber er zeigt auch ein rießengroßes deutsches Problem auf: Es geht nichts ohne Atmo (Umgebungsgeräusche)!! Man hat keinen Respekt vor den Sounddesignern des Originals und schaut sie scheinbar für unfähig und vergesslich an!! "Da hat noch gefehlt..." ""Atmo" dichter zu machen". Für was bekomm ich ein IT-Band mit den Geräuschen und der Musik, wenn ich dann noch hinzufüge?? Der Regisseur und der Sounddesigner werden sich schon was dabei gedacht haben, dass da eben keine Möwen zu hören sind!! Aber das lernen die Deutschen gerade erst ganz langsam, nicht alles mit Atmo zuzustopfen, weil weniger ist oft mehr!!
Ja, der Artikel ist klasse, zeigt uns das mal aus der Sicht eines Verleihers, der vorher ganz skeptisch gegenüber Synchros war und nun eines Besseren belehrt wurde. Jedenfalls scheint der sich bei seinen Synchros ja nun große Mühe zu geben, solche Verleiher sollte es öfter geben. Der Name sagt mir nun gar nix, ist wohl ein kleiner Filmverleih, oder? Achja, es beweist übrigens mal wieder: Klaus Sonnenschein ist nicht in Rente, wie Viele ja immer behaupten, aber es stimmt einfach nicht, denn er synchronisiert noch immer, wie man auch an diesem Artikel sieht! Was die Atmo-Kritik angeht, so ist diese natürlich teilweise berechtigt, doch das IT ist oft echt sooo schlecht abgemischt, total hinüber oder fehlt, sodass einfach aufbereitet werden muss. Hinzu kommen ebenso künstlerische Sachen, denn bei einem Fischerdorf wünsche ich mir auch deutliches Meeresrauschen und Möwengekreische. Synchronisation ist eben immer eine eigene künstlerische Fassung für sich, dazu zählt nicht nur das Synchronsprechern, sondern eben auch die Atmo. Insofern, wer originale Amto will, solle auch Filme im O-Ton sehen. Es sollte natürlich nicht zugestopft sein, stimmt schon, aber wenn man ein paar Sachen hinzufügt, find ich das gut.
In Antwort auf: Wenn die Synchro das Original überbieten würde, "hat sie was falsch gemacht".
Meinst du das wirklich oder entgeht mir der verborgene tiefere Sinn der Anrührungszeichen? Wenn du das meinst, dann FULL NACK! Laß doch eine Synchronisation besser sein als das Original, das ist gut und es ist vor allem möglich. Teilweise (IMO ist "Eine Nacht bei McCools" da ein gutes Beispiel, nur Katrin Fröhlich wurde unvorteilhaft besetzt, macht es aber dennoch sehr gut) werden Synchrofassungen durch comedy-erfahrenere Sprecher witziger oder besser, größtenteils ist die Mischung (speziell: Atmo-Geräusch und Stimme) in der Synchro wesentlich besser und angenehmer. Mir ist klar, dass eine mordsmäßig laute Explosionenkette im Hintergrund, schreiende Darsteller und so total für Atmosphäre sorgen, aber ich versteh eben kein Wort und das bringt keinem was. Also mal zwei Beispiele und da gibt es sicher noch zig mehr. Synchros können und sollen und dürfen IMO etwas "verbessern".