Da ich mir zur Zeit Die Waltons auf DVD ansehe, ist mir nochmal aufgefallen, was für eine wahnsinnig tolle und außergewöhnliche Sprecherin Ursula Krieg war. Diese etwas schräge und zittrige Stimme, die ja eigentlich nicht "schön" klingt, aber denoch eine wirklich eindringliche Wirkung erziehlt, sucht bei anderen, weiblichen Synchronsprecherinnen, vergebens nach ihresgleichen. Krieg`s Stimme ist wirklich als originell und ungewöhnlich zu bezeichnen (und wie bei so vielen Anderen, sucht man heutzutage vergeblich nach ähnlich herrausragenden und ungewöhnlichen Sprecherinnen).
Anbei möchte ich noch ein Zitat aus einer Fernsehzeitung bringen, daß ein einmalige Zeugniss dafür ist, wie sehr Arbeit und Leben eines Sprechers verschmeltzen können:
Aus der FUNKUHR, 23. April 1977:
"EIN PAAR TRÄNEN NOCH - DANN WAR SIE STILL!
Das Synchronatelier lag im Halbdunkel. Regiesseur Heinz Engelmann legte der älteren Frau führsorglich dn Arm um die Schulter. Seine Stimme klang sanft:"Ursula, du wirst heute einen harten Drehtag haben. Ich hoffe, du bist stark genug, nicht durchzudrehen. Es wird hart für Dich". Er sollte recht behalten, an diesem regnerischen Frühlingstag in Berlin-Ruhleben. Engelmann erklärte der 75jährigen Ursula Krieg die bevorstehnde Synchronszene. "Waltons"-Folge Nr. 28, Titel "Der Geburtstag": Der Großvater Sam Walton liegt nach einem schweren Herzanfall im Bett. Er hat John-Boy gebeten, für ihn einen Grabsten auszusuchen. Esther Walton sitzt neben dem Krankenlager-in dumpfer Verzweiflung wartet sie auf den Tod ihres gelieben Mannes. Esther Walton-gesprochen von Ursula Krieg. "wirst Du das durchstehen...?", fragt Engelmann besort. Ursula Krieg nickt heftig, ja geradezu stürmisch. Heinz-Theo Branding, der den Grosßvater sprach, führt die zitterne Frau zu dem Holzpult hinüber, auf dem die Texseite lag. Dann wird der Film gestartet, die Zahlen 4-3-2-1 blitzen auf der kleinen Leinwand auf. Engelmann steht neben Ursula Krieg,seine Hand ruht auf ihrer Schulter, als wolle er sie beschützen. Sie krampft die Finger zusammen, brüchig klingt ihre Stimme. Lippensynchron zu Esther Walton: "Wenn man 50 Jahre mit einem Mann zusammen war, sein Bett, seine Arbeit mit ihm geteilt hat-und dann sitzt man da und wartet auf seinen letzten Atemzug...". Ihre Stimme reißt ab, wird erstickt von einem Weinkrampf. Engelmann und Brandig fassen ihre Kolegin erschrocken unter die Arme, führen sie in eine Ecke, lassen sie behutsam auf einen Stuhl niedersinken. Ihr aufgestauter Schmerz bricht in Tränen aus ihr herraus. Stumm stehen die beiden Männer da. Sie fühlen, daß Worte jetzt nicht trösten können. Der Film wird gestoppt. Das Licht im Studio flammt auf. Eine Stunde später wird die Szene nochmal aufgenommen. Ursula Krieg spricht kaumm hörbar. Ihre Stimme vibriert unkontrollert, wie gelähmt vom Schock. Anschließend verstummt sie völlig. Aus. In den frühen Mittagsstunden dieses Tages wurde Ursula Krieg vor dem Arena-Studio in ein Taxi gesetzt und nach Hause gefahrewn. Nach Hause zu ihrem Mann, dem Oberstudienrat Albert Büsche (80). Zu ihrem Mann, mit dem sie 50 Jahre lang zusammenlebte, der gelähmt, unheilbar krank in den Kissen lag: Parkinsonsche Krankheit. Ursula Krieg blieb nur noh das Warten-das Warten auf seinen letzten Atemzug. Die Spielszene im Atelier war für sie die Tragödie ihres eigenen Lebens. Albert Büsche ist kürzlich gestorben. Großvater Walton lebt auf dem Bildschirm weiter. Doch für die deutschen Fernsehzuschauer spricht seine Frau Esther Walton nun mit einer anderen Stimme. Seit jenem Frühlingstag hat Ursula Krieg kein Studio mehr betreten. Die Simme, die einst auch "Miss Marpel", Margaret Rutherford sprach, ist seitdem verstummt.
Ich stehe vor ihrem Haus am Victoria-Luise-Platz in Berlin-Schöneberg. Ursula Krieg hatte mich gebeten, nicht in ihre Wohnung zu kommen. Wir treffen uns in einem Cafe, ein paar Straßen weiter. Ja, sie will wieder arbeiten. Erst allmählich, viele Wochen nach dem Tod ihres Mannes, kahm ihre Stimme wieder in voller Vitalität zurück. Sie erzählt von ihrer Karriere und plaudert von alten Zeiten. "Mein Berlin gibt es nicht mehr. Die große Familie ist auseinandergefallen". Denoch gibt es da eine Schauspieler-Familie, die ihr helfen will: Ihre Synchron-Partner aus der "Waltons"-Serie. Heinz Engelmann wird sich dafür einsetzen, daß man sie wieder beschäftig:"Eine wunderbare Kollegin und begnadete Schauspielerin". Auch Heinz-Theo Branding setzt sich für sie ein. Arena-Aufnahmeleiter Lutz Claus:"Nachdem sie die Kriese überwunden hat, suchen wir Synchronrollen für sie". auch Bettina Schön, die in der Serie Olivia Walton sprach, kümmert sich rührend um sie;häufig telefoniert sie mit ihr, häufig gehen beide miteinander spazieren. Die Schauspielerei war mein Leben, ich möcht es weiterleben", sagt Ursula Krieg entschlossen, "für meinen Mann und mich." "
Mal ganz abgesehen von dem schmaltzigen Schreibstil in bester BZ-Manier, der ja ganz bewußt auf die Tränendrüse drückt, hat diese Story doch wirklich etwas Bewegendes (vor allem, wenn man die Szene aus der Waltons-Folge gesehen bzw. gehört hat).
Fakt ist leider, daß Ursula Krieg tatsächlich nach dieser Episode den Part der Esther Walton nie wieder übernommen hat, genausowenig wie irgendeine andere Synchronrolle (oder weiß noch jemand etwas von einem Einsatz von ihr NACH 1977?).
Sie wird mir auf jeden Fall unvergeßlich bleiben. Und unersätzlich!
Ich hab sie letztens erst wieder in "Die Nacht des Jägers" gehört. Sie war eine auffallend wandlungsfähige Synchronsprecherin der alten Schule, für die es gar keinen wirklichen Typecast gab.
Zitat von JörnFakt ist leider, daß Ursula Krieg tatsächlich nach dieser Episode den Part der Esther Walton nie wieder übernommen hat, genausowenig wie irgendeine andere Synchronrolle (oder weiß noch jemand etwas von einem Einsatz von ihr NACH 1977?).
Kürzlich hab ich was gefunden: In Robert Altmanns EINE HOCHZEIT (1978) sprach sie Lillian Gish. Das müsste wohl später gewesen sein.
Der Artikel ist ja angeblich vom 23.04.1977. Allerdings lief die angesprochene Episode "Der Geburtstag" bereits am 21.11.1976 (!) im ZDF!
Offensichtlich wurde fürs ZDF doch in der US-Originalreihenfolge synchronisiert (natürlich bis auf die vorher ausgelassenen Episoden), dann jedoch im ZDF in anderer Reihenfolge ausgestrahlt. Wenn "Der Geburtstag" die letzte Synchro-Folge von Ursula Krieg war [US-Folge 63], hörte man in der Reihenfolge bei US-Folge 65 ("Eine Frau für Ike") schon eine andere Sprecherin - soweit korrekt.
"Der Geburtstag" war am 21.11.1976 die 48. ZDF-Folge. Jedoch wurde "Eine Frau für Ike" als 46. (!) Folge bereits vier Wochen früher - am 24.10.1976 im ZDF erst-ausgestrahlt - und somit hat man hier schon eine andere Sprecherin für "Grandma Walton" gehört.
Offensichtlich griff die FUNKUHR dieses Thema auf, da die Zuschauer wohl gefragt haben, warum plötzlich eine andere Stimme für "Grandma Walton" zu hören gewesen sei. Somit müsste die Begebenheit [im Synchronstudio] tatsächlich bereits an einem "verregneten Frühlingstag" 1976 (!) stattgefunden haben - und der Artikel dazu erst 1977 (!?) in der Zeitung abgedruckt worden sein.
Zitat Der Artikel ist ja angeblich vom 23.04.1977.
Hallo Griz,
der Artikel existiert, aber ob er aus dem Jahr 1977 stammt, möchte ich selber auch nicht beschreien. Möglicherweise hat man damals aus Gründen der Pietät mit der Veröffentlichung des ersten Teils des Artikels gewartet. Das eigentliche Treffen mit Frau Krieg wird ja im zweiten Teil beschrieben, nachdem ihr Ehemann bereits verstorben war, also ist es durchaus möglich, dass der Artikel erst 1977 erschien, denn sie hat danach ja noch ein paar Synchronrollen mit Leben erfüllt...
Eine gewisse Zeit lang war der gesamte Artikel übrigens auf Peter Lemmers Webseite