Zitat von fortinbras im Beitrag #44Mal direkt gefragt: hast du ein wenig Kenntnis darüber, wo Schellow in den Jahren vor 1945 war? Er brachte es ja auf keine "Gottbegnadetenliste"
Allerdings blieb ihm (laut "Schellow Holmes") wegen seines Knies eine Einberufung erspart.
Leider stand mir "Schellow Holmes" im Vorfeld nicht zur Verfügung - und es ist derzeit zumindest in Österreich so rar wie das "Necronomicon" und nicht mal als Fernleihe zu bekommen.
Ach je, ich würde Dir ja ein Exemplar schicken - habe aber selbst nur noch mein Belegexemplar. Letztes Jahr konnte man das Büchlein noch ganz regulär (und billig) bei Michael Ross kaufen, obwohl ja nur 100 Exemplare oder so gedruckt worden sind (zwei davon kaufte, das am Rande, Klaus Jepsen, der Schellow sehr verehrt hat).
Dass Schellow vergleichsweise querköpfig zum Regime gestanden hat, kann ich mir übrigens gut vorstellen. Er hat nie ein Blatt vor den Mund genommen, und sein Austritt aus der Berliner Akademie hat ja gezeigt, dass das auch bis ins hohe Alter so geblieben ist.
Die Veröffentlichung des Schillertheaters zu Schellows 75stem ist zwar leider biographisch eher unbefriedigend, teilt aber mit, dass er von 1940 bis 1945 beim Preussischen Staatstheater war ("Wegen Meniskusverletzung kein Soldat"). 1935 bis 1937 hat er dort an der Schausspielschule studiert (Lehrer u.a. Lothar Müthel und Hermine Körner) und von 1937 bis 1940 war er am Deutschen Volkstheater in Hamburg-Altona unter Vertrag.
"Virginia Woolf" wurde, wenn ich mich recht entsinne, von Henning Rischbieter in "Theater heute" ausgiebig rezensiert. Siegfried Melchinger schreibt in "Schauspieler" (1965, Friedrich Verlag, sehr schönes Buch mit Fotos von Rosemarie Clausen) ausgiebig über die Inszenierung.
Zur "Antigone" an der Burg hat der Residenzverlag damals ein schickes Begleitbuch mit Fotografien von Josef Dapra herausgebracht. Schellow kehrte z. B. 1963 an die Burg zurück und spielte dort den Ödipus, auch unter Sellner - eine definitiv dankbarere Rolle als die des Boten.
Leider hat meine Bestellung über Mazon Marketplace nichts gebracht, da kam immer nur, daß dieser Artikel nicht nach Österreich gesendet werden kann (was häufig bei Büchern der Fall ist, die es nicht mehr regulär gibt).
Das finde ich schön, dass Klaus Jepsen ein Verehrer von Schellow war.
Ich hab's nicht so mit Daten - dann hätte ich es schon früher gepostet: Erich Schellow wäre im Februar 100 Jahre alt geworden.
Der Ödipus wird ihm sicher mehr Freude bereitet haben, als es beim Boten der Fall war - trotz guter Rahmenbedingungen ist es für einen Schauspieler ja nicht sehr angenehm, wird man dann auf's Abstellgleis gestellt aus so idiotischen Gründen.
Die österreichische Kulturzeitschrift "Die Bühne" widmete Schellow damals auch viel Aufmerksamkeit, als er in Wien gastierte. 1995 wurde sogar in einigen Zeilen sein Tod vermerkt. Das sollte schon was heissen, denn zu dem Zeitpunkt waren Nachrufe nur mehr sehr selektiv und kein fixer Bestandteil mehr.
Jepsen war ja ein alter Kollege Schellows - der war auch am Schiller-Theater, bis das Herz ihn dazu zwang, von der Bühne Abschied zu nehmen.
Bezüglich "Schellow Holmes" - schreib doch mal Michael Ross und "Baskerville Bücher" direkt an - er hat einen Bücherladen in Köln und ist auch im Web. Vielleicht hat er noch ein paar Exemplare 'rumfliegen.
Ja, Schellows 100ster (gleicher Tag, anderes Jahr als Preiss). Ging hier auch still vorbei, die Berliner Zeitungen haben ihn ignoriert. Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze. Traurig. Ich hab es auch still passieren lassen, jedoch aus dem vorseitigen Clausen-Bild diesen Header gebastelt:
Und ich dachte, du wärst mit deinem Büchlein reich geworden...! Danke für den Tipp, ich werd es mal versuchen. Ehrlich gesagt, bis ich damals den Thread hier gemacht habe und im Vorfeld wieder auf dein Büchlein stieß, hatte ich dessen Existenz ganz vergessen...
Schauspieler, die primär auf der Theaterbühne stehen, werden natürlich noch schneller vergessen, als es bei anderen der Fall ist. Aber auch wenn ich mich jetzt anhöre wie meine Oma: in unserer schnellebigen Zeit geht das noch viel rapider. Sieht man ja auch daran, dass Stars schon ein Comeback haben, wenn sie mal ein Jahr lang keinen Film drehen.
Es herrscht zumindest im deutschsprachigen Raum aber auch ein besonderes Desinteresse daran, sich an solche Ereignisse oder Künstler von gestern zu erinnern, bzw werden selektiv eine Handvoll am Leben erhalten, die aber nicht unbedingt so bedeutsam waren.
In England, Frankreich oder auch in Ländern des ehemaligen Ostblocks läuft das ein wenig anders und differenzierter. Machen wir von Schellow einen Sprung zu Peter Cushing, dessen 100. Geburtstag etwa im deutschsprachigen Raum vollkommen ignoriert wurde. Bei Christopher Lee war es interessant, dass sogar der ORF zum 80. Geburtstag eine eigene Filmnacht zeigte mit drei Beiträgen, hinzu kamen noch unter der Woche nachts "Ich, Dr. Fu Man Chu" und Sonntag tagsüber "Der Mann mit dem goldenen Colt". Da war aber auch gerade der "Herr der Ringe"-Hype. Sein 85. und 90. Geburtstag wurden vollkommen ignoriert im Fernsehen, selbst in Printmedien kam kaum etwas vor.
Ein Schauspieler wie Schellow, der passt irgendwie nicht mehr ins heutige Schema. Ein Schauspieler hat, zumindest im Bereich der Hochkultur, keine tragende Rolle mehr - so populär er auch sein mag. Es ist der Regisseur, der aneckt und es ist der Regisseur, der den Ton angibt. Darum heisst es ja auch Regietheater - und wer dagegen ankämpft, ist schnell als konservativ verrufen. Es ist auch besonders im Künstlermilieu in den letzten Jahren deutlich verstärkt das weltoffene, liberale Mäntelchen umgehängt worden. Dabei sind viele Künstler im Grunde erschreckend konservativ und nicht selten gar rassistisch oder unsozial eingestellt. Privat eben, nach Aussem hin geht das ja nicht. Leute wie Schellow und seine Einstellung zu den Problemen der Berliner "Akademie", die gibt es immer seltener. Ich erinnere mich da auch noch, als sich manche über Günther Strack aufregten, als er auf die Frage, was das Schönste des vergangenen Jahres gewesen sei, nicht mit dem Fall der Berliner Mauer kam, sondern dass er Opa wurde. So wie die Kinder von Prominenten in Charity-Fernsehshows. "Was wünschst du dir vom Christkind?" "Dass es keine Kriege mehr gibt und niemand mehr Hunger haben muss!" Und jetzt bin ich schon wieder bei der typischen Eigendynamik vieler meiner Beiträge angekommen...
Zitat von fortinbras im Beitrag #51Es ist der Regisseur, der aneckt und es ist der Regisseur, der den Ton angibt. Darum heisst es ja auch Regietheater - und wer dagegen ankämpft, ist schnell als konservativ verrufen.
Das geht nicht mehr lange so, das angeblich avantgardistische Regietheater ist längst in seiner angeblichen Provokation so enorm konservativ geworden, dass viele Zuschauer, die verstehen und genießen wollen, sich davon abwenden. Nicht umsonst werden große Rezitatoren mit ihren alten Tonaufnahmen zunehmend wieder entdeckt.
Das gerade die Berliner Schellows 100sten vergessen oder ignoriert haben, fand ich aber schon etwas bitter. Vielleicht wollte da aber auch niemand an die kalte Abwicklung der Staatsbühnen erinnert werden (Vordruck-Entlassungen selbst an Leute wie Minetti und Schellow) - und dass die Akademie aufgrund seiner Proteste nicht erinnert werden will, leuchtet fast ein, auch wenn es schäbig ist.
Im Ausland ist es in der Tat anders. Cushing hat 2013 eine Briefmarke bekommen, es gab Bücher zum Jubiläum (das "Peter Cushing Scrapbook" ist ein unbedingtes Muß) und eine Ausstellung und Drumherum-Feierlichkeiten in Whitstable. Stephen Volk (Drehbuchautor von GOTHIC und THE AWAKENING) hat eine Novelle als Tribut an seinen Lieblingsschauspieler veröffentlicht, auf der World Fantasy Convention in Brighton gab es Cushing zu Ehren ein Panel geführt von Volk und mit Anne Billson, Nancy Kilpatrick, Kim Newman und John Llewellyn Probert (und Yours Truly) auf der Bühne. In Deutschland kann man sich das kaum vorstellen.
Damit der gute Erich Schellow eine weitere Synchronrolle erhält:
"Unsterbliche Liebe" -> Olavi Reimas
Das ist der finnische Spielfilm "Jumalan myrsky" aus 1940. Der Film kam im Sommer 1944 in die deutschen Kinos. Sicherlich keine Bildungslücke, wenn man weder den Film noch den Schauspieler Olavi Reimas kennt....
Danke, Peter! Diese Ergänzung weiss ich besonders zu schätzen. Dann hat Schellow auf jeden Fall nicht erst in der Nachkriegszeit mit Synchronarbeit begonnen.
Und mir wird gerade bewusst, dass Finnland so ein Land ist, an das ich nie denke, wenns ums Thema Film geht.
Zitat von Gast im Beitrag #2Viele seiner Fernsehauftritte waren auch Inszenierungen berühmter Theaterstücke (keine Bühnenaufzeichnungen, sondern Fernsehspiele-leider gibt's das heute nicht mehr).
Dazu gehörte auch dieses Fernsehspiel, dessen Besetzungsliste sich vielversprechend liest:http://www.imdb.com/title/tt1464266/ Neulich hat mir jemand einige Soundfiles daraus zukommen zu lassen, die (auch ohne Bild und trotz ihrer Kürze!) erahnen lassen, dass Schellow über ein großes komödiantisches Talent verfügte und auch etwas singen konnte. Mal sehen, ob es irgendwann zu einer DVD-Veröffentlichung kommt!
Da ich kürzlich Erich Schellow als Sherlock Holmes und Paul Edwin Roth als Dr. Watson für mich “entdeckt” habe, und beide absolut hinreißend in diesen Rollen finde, folgt an dieser Stelle ein kleiner Zusammenschnitt meinerseits mit den Beiden, die für mich auch durch ihre (bei Erich Schellow leider nicht allzu häufige) Tätigkeit im Synchronstudio zu meinen Favoriten zählen.
Hier ein Interview von Erich Schellow, dass er 1975 der Deutschen Welle gewährte, und das von mir mit Bildern untermalt wurde:
Danke für das Interview! Immer wieder schön, wenn solche Raritäten via Youtube verfügbar sind. Am Duktus der beiden Gesprächspartner kann man wieder die ungeheure Sprachkultur früherer Generationen erkennen. Übrigens ist mir hier erstmals eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Erich Schellow und Max Raabes Sprechstimme aufgefallen. Ob das wohl daran lag, dass Letzterer die Diktion älterer Aufnahmen verinnerlicht hat?