Was für ein schöner Thread - so schön, dass ich mich gleich hier angemeldet habe, obwohl Synchron definitiv nicht zu meinen Stärken gehört, sondern eher eine Mauerblümchen-Liebelei ist (was immerhin ausreicht, um - wie kürzlich geschehen - bei der Wiederansicht nach Jahrzehnten von PANIK IN NEW YORK begeistert zu jubeln, wenn völlig überraschend in einem Cameo Wolfgang Preiss aus dem Radio tönt). Für Schellow hab ich aber eine Schwäche, und weil er so wenig Synchro und vergleichsweise wenig Filme gemacht hat, freut es mich, wenn man sich mit ihm befasst. Andererseits ist ja heute Vieles einfacher - als ich Anfang der Neunziger "Schellow Holmes" plante, gab es noch kein Internet und jede Recherche war eine mühsame Sache und mit vielen Briefen verbunden.
Was soll's. Es wurde gefragt, was Schellow von Synchronarbeit hielt. Die Antwort ist einfach: Sehr wenig. Er war beispielsweise der festen Überzeugung, dass damit die Arbeit des synchronisierten Künstlers verfälscht wird. Es machte ihm einfach auch - das Gefühl hatte ich - wenig Spaß. Schoenfelder, im Vergleich, empfand es eher als Herausforderung und machte sich um die "echten" Schauspieler nur sehr begrenzt Sorgen. Tatsächlich meinte Schoenfelder, dass ein guter "Synchronisator" eine schwache Schauspielerleistung des Originals verbessern kann (was ja so falsch nicht ist).
Nicht zuletzt wegen der TV-Synchro von HAUS DER LANGEN SCHATTEN hatte ich Schoenfelder Jahre nach Schellows Tod auf seinen Kollegen angesprochen (Schoenfelder sprach da Vincent Price; bei der Video-Synchro sprach Thomas Reiner Price). Schoenfelder vertrat die Ansicht, Schellow sei ein wundervoller (Bühnen-)Schauspieler gewesen, kritisierte aber dessen Sprechen als "zu schön". Die Sprechweise müsse sich etwas "abschleifen", um natürlicher zu werden, und das hat er bei Schellow vermisst.
Übrigens fiel es mir damals auch schwer, Schellow im HAUS DER LANGEN SCHATTEN zu erkennen. Sicher, Cushing spielt seine Rolle als konstant betrunkenen Feigling, aber Schellow klang mir sehr fremd. Dass man ihn dafür angeheuert hat, kam m. E. freilich einer Sensation gleich!
Hier übrigens noch zwei Hörspiele mit Schellow, die bisher nicht genannt wurden: "Die Spurlosen" von Heinrich Böll, Regie: Fritz-Schröder Jahn, mit Erich Schellow, Wolfgang Lukschy, NDR, 8. November 1957 "1984" von George Orwell, Regie: Christoph Gahl, mit Ernst Jacobi, Angela Winkler, Dieter Borsche, Helmut Käutner, Erich Schellow, Deutschlandradio, 1977
Ich erinnere mich auch, ihn vor Jahren in einer Radiosatire gehört zu haben. Mit ist immer "Das Streichquartett" im Kopf, aber ich möchte ungern darauf schwören.
Mich persönlich freut es, dass Erich Schellow noch immer zumindest einigen Leuten ein Begriff ist - für mich ist er eine sehr interessante Persönlichkeit und ein Schauspieler von sehr eigenwilligem Reiz.
Friedrich Schoenfelder kann man in seiner Beurteilung von Schellow schwer widersprechen. Auch wenn ich ihn mir sehr gewünscht hätte für Peter Cushing in "Der Hund von Baskerville", in einem Gros der Cushing-Filme könnte ich mir seine Stimme nicht unbedingt vorstellen, aber in den drei Filmen der ausgehenden 50er-Jahre war er schlichtweg perfekt und gerade weil seine Stimme so unverbraucht war, erhöht sich auch der Reiz dieser Besetzung.
Wie schon zu Beginn erwähnt, halte ich Schellows Comeback in "Das Haus der langen Schatten" für eine echte Sensation in der Geschichte der deutschen Synchronisation. Aber ich bin trotzdem so offen zu sagen, dass ich mir nach wie vor schwer tue mit ihm und ich den noch unbekannten Sprecher der Videofassung vorziehe. Schellow schien für mich einfach auch den Bezug zur Materie verloren zu haben, auch wenn er es irgendwie schaffte.
Ich finde es auch etwas schade, dass es nur sechs Episoden mit ihm als Sherlock Holmes gab. Auch hätte ich ihn synchronmäßig gerne öfters als Erzähler gehört - hier hätte er ja auch freier sein können. In "Die Bibel" war er sehr beeindruckend und ich wiederhole meine diesbezügliche Äußerung: zu gerne hätte ich auf Dialoge verzichtet und mir John Hustons gesamtes Spektakel von Schellow erzählen lassen.
Er war in den Sechzigern auch der Erzähler der Wiederaufführung von PANZERKREUZER POTEMKIN (Text von Friedrich Luft).
Mir ist noch eine Äußerung von Dr. Bernt Rhotert, früherer Leiter Fernsehspiel beim Hessischen Rundfunk, zu Schellow eingefallen. Rhotert hatte ich beehrt, als ich zu Fritz Umgelters HUND VON BASKERVILLE mit Wolf Ackva recherchierte, und irgendwie kamen wir auf Schellow, der für den HR in z.B. DER APOLL VON BELLAC aufgetreten war. "Wundervoller Schauspieler," meinte Rhotert, "enorme Bühnenpräsenz. Aber leider war das vor der Kamera alles weg". Er meinte, das Charisma von Schellow hätte sich nicht übertragen, sprichwörtlich nicht ausstrahlen lassen.
Ich fand Schellow sehr wirkungsvoll in "Sherlock Holmes", aber diese Aufnahmen dürften wohl lange geprobt worden sein und dann sozusagen live aufgezeichnet. Da schwang etwas von Bühnenpräsenz mit. Auch wusste man ihn in der "Kommissar"-Folge sehr wirkungsvoll einzusetzen. Es bedurfte wohl etwas Einfallsreichtum, um bei ihm die Kamera etwas einfangen zu lassen.
In der kürzlich auf Dvd erschienen Serie "Das Jahrhundert der Chirurgen" (sehr, sehr sehenswert!) ist er in einer Episode als Robert Koch zu sehen. Hier kam er auch sehr gut rüber, mit dem struppigen Bart und dem beige-grauen Haar sah er fast wie ein Doppelgänger des älteren Patrick McGoohan aus. Amüsant fand ich es, daß er in der Episode ausgerechnet mit "Frau Kottan" Bibiane Zeller verheiratet war...
Von Schellows Auftritt als Tod im "Jedermann" waren die heimischen Kritiker etwas gespalten. Insgesamt wird diese Rolle ja genauso wie das Stück und auch die Titelfigur maßlos überbewertet - deswegen ist auch immer die Gefahr, sich in diesen medial breitgewalzten Auftritten zu produzieren.
Schellow war manchen zu lahm, zu leise, zu wenig mächtig. Andere wiederum lobten gerade das und meinten, es habe ein Hauch Ingmar Bergman Einzug gefunden am Salzburger Domplatz. Hinter einer Maske nahezu unkenntlich, habe Schellow einen sehr allmächtigen, aber nie strafenden Tod gegeben. Es wäre ihm gelungen, die gesamte Unergründlichkeit des Jenseits in die wenigen Worte zu legen.
Ich finde es bei SHERLOCK HOLMES sehr schade, dass man das Erzähltempo so erheblich gedrosselt hat, dass die Dialoge mitunter auf Kaffeeplauschniveau gebracht wurden. Schellow und Roth hätten es verdient gehabt, mehr Schärfe, mehr schnellen Scharfsinn, auch mehr "Verkommenheit" (wie Schellow sie sich wünschte) einbringen zu dürfen. Aber hier war eben der federführende Paul May offensichtlich ein echter Hemmschuh.
Der "Jedermann" war mit Lohner in der Titelrolle, nicht? Schellows Make-up war da in jedem Fall sehr effektiv und gruselig. Ich teile Deine Auffassung, dass das Stück überbewertet wird - Schellow war aber, glaube ich, ganz stolz, an die Burg geladen gewesen zu sein.
DAS JAHRHUNDERT DER CHIRURGEN muß ich mir mal zulegen - wie auch "1984". Das gibt's nämlich auf CD.
Ich bin gerade überfragt, ob Helmut Lohner damals der Jedermann war - und möchte nicht im Internet recherchieren, um mich mit Wissen zu brüsten.
1990 habe ich mich für das alles nur sehr am Rande interessiert. Ich habe viel später bei einer Ausstellung zur Geschichte der Salzburger Festspiele ein sehr hübsches Foto gesehen von den bereits in Kostümen stattfindenden Proben. Schellow stand im schwarzen Umhang da, die Maske mit einer Hans etwas an die Brust gedrückt. Ein schon gealterter Mann, aber mit einem ausdrucksstarken Gesicht und sichtlich in voller Konzentration. Das hatte etwas klassisch Antikes an sich - aber auch einen Hauch "Masters of the Universe".
Dass es für Schellow eine hohe Auszeichnung war, an die Burg geholt zu werden, das kann ich mir schon denken - damals war es ja eine Bühne von Weltruf und hatte so ein Gastspiel tatsächlich etwas zu bedeuten. Das war so eine Art Oscar der deutschen Bühnenwelt. Natürlich haben sich die Zeiten verändert - für viele ist das Burgtheater noch immer der Olymp, aber ich denke jetzt an einen tollen jungen Schauspieler in Wien, der nicht von seinem kleineren Theater an die Burg wollte und tatsächlich sagte: "Ich bleibe lieber Schauspieler."
Schade finde ich auch, dass man bei den sechs "Sherlock Holmes"-Episoden nicht schärfere Konturen zeigte und die Messer wetzte. Trotzdem habe ich die Serie sehr lieb gewonnen. Ich finde nur, dass die Art der Produktion Schellows Bühnenliebe entgegenkommt und er deshalb darin zur Wirkung kommt, was bei manch anderen seiner Auftritte vor der Kamera nicht der Fall war.
Die Melles und der Lohner. Armer Erich Schellow! Aber da lasse ich mich jetzt zu sehr von subjektiver Sympathieverteilung leiten...
Die beste Aufführung des "Jedermann" gab es in der Serie "Peter und Paul", wo Helmut Fischer die englische Übersetzung "Everyman" auf die Bühne brachte. An diese Qualität konnte Salzburg nie herankommen - leider!
Das von mir erwähnte Foto hat offenbar eine Probe mit provisorischen Kostümen gezeigt, denn Schellow trug darauf nur einen schwarzen Umhang und eine einfache Totenschädelmaske zum aufsetzen. Die endgültige Maske ist tatsächlich sehr effektiv.
Schade, dass er nie in einem Hammer-Film mitspielte...
Zitat von fortinbras im Beitrag #40Schade, dass er nie in einem Hammer-Film mitspielte...
Deutsche Hammer-Schauspieler sind ja überschaubar in ihrer Anzahl - Diffring, Marlè, Mayne, Janson, Kahler und Frankh sind die einzigen, die mir auf Anhieb einfallen (immerhin zwei Hessen dabei).
Bei "Tödliche Botschaft" nicht zu vergessen Uli Steigberg, der alte Bayer. Der wurde aber fremdsynchronisiert. Und Paul Hardtmut war auch Deutscher oder Österreicher - sein Prof. Bernstein ist im Original herrlcih anzuhören. Schellow hätte von der Art und Optik her gut für so eine Cushing-Rolle gepasst - unter passender Regie und Kameraführung natürlich.
Übrigens noch ein Ausflug in Schellows Theaterkarriere: ein absoluter Höhepunkt darin war sicher "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?".
Als das Stück 1963 unter Boleslaw Barlogs Regie bei den Berliner Festwochen Deutschland-Premiere feierte, war es durchaus schon andernorts in Europa mit Erfolg gespielt worden und Edward Albee konnte bereits deutsche Achtungserfolge vorweisen.
Dennoch war gerade dieses Stück damals ein ziemlich heisses Eisen und nicht einfach zu besetzen. Zahlreiche Schauspieler/innen hatten durchaus Interesse an der Mitwirkung, waren aber doch nicht mutig genug. Trotz anderer Problemstücke a la Tennessee Williams oder Ehekriege Marke Strindberg war der intensive sexuelle Unterton hier Neuland.
Wenn eine ältere Aussage von Barlog stimmt, dann war Schellow der einzige, der nicht überredet werden musste und von Beginn an dabei war. Maria Becker war etwas schwieriger, sagte aber ja. Für Rolf Schult und Heidemarie Theobald als junges Paar im Stück stand weniger auf dem Spiel, aber auch die beiden waren keine ursprüngliche Wunschbesetzung. Das Publikum in Berlin umjubelte das von Pinkas Braun großartig übersetzte Stück und es wurde ein sensationeller Erfolg. Dennoch galt es in breiten Kreisen als anrüchig und nicht opportun.
In Wien wurde es nur kurz später am "Theater in der Josefstadt" gespielt, wo man damals regelmäßig provokante und problematische Stücke spielte (so gab es hier lange vor dem Burgtheater Stücke wie "Publikumsbeschimpfungen", "Bitterer Honig" oder eben "Wer hat Angst...? Zu sehen). Hier wurden George und Martha von Hans Holt und Hilde Krahl gespielt. Es gab nur elf Vorstellungen, das Publikum blieb in Wien aus und der damals üppige konservative Künstlerkreis rümpfte die Nase. Hans Holt war sein Leben lang stolz auf diese Rolle, die auch vollkommen seinem Image widersprach und er soll hervorragend gewesen sein. Hilde Krahl entschuldigte sich öffentlich für ihre Mitwirkung und distanzierte sich noch über 30 Jahre später von dem Stück und seinem schmutzigen Inhalt.
Schade bei beiden Aufführungen ist es, dass es keine Fernsehaufzeichnung davon gibt. Nur drei Jahre später kam der berühmte Film mit Taylor/Burton in die Kinos. Schade, dass es dann nicht nochmals ein Bühnenrevival mit Schellow gab - samt Aufzeichnung.
Schellow schreckte scheinbar nie vor Herausforderungen zurück - ein anderes Beispiel ist ja John van Druten's "I Am A Camera", in dem er 1952 den Isherwood spielte.
Hier ein besonders schönes Foto aus "Virgina Woolf" - von Rosemarie Clausen, wem sonst?
Mal direkt gefragt: hast du ein wenig Kenntnis darüber, wo Schellow in den Jahren vor 1945 war? Er brachte es ja auf keine "Gottbegnadetenliste" und dürfte mit den Betreibern des tausendjährigen Reiches generell auf Kriegsfuss gestanden haben.
Woher die Information war, das kann ich leider nicht sagen - aber der Theater- und Musikwissenschaftler Martin Eßlin hat in einer Vorlesung über die ersten Trümmerfilme zu Helmut Käutners "In jenen Tagen" berichtet, dass Schellow so überzeugt war von seinem Text, dass er gar nicht erst spielen musste. Zudem hätte er zwischendurch wütend reagiert auf einige Mitwirkende des Filmes. Mit denen stand er zwar nicht gemeinsam vor der Kamera, da er ja nur in der Rahmenhandlung zu sehen war - aber scheinbar störte es ihn, dass in einem Film dieser Art auch einige sehr umstrittene Künstler mitwirken. Käutner wäre aber von der Direktheit Schellows sehr beeindruckt gewesen.
Er wird nur kurz weit unten erwähnt, der Artikel ist aber exemplarisch für die Burgtheaterquerelen, die sich nach fast dünfeinhalb Jahrzehnten kaum verändert haben. Schellows Gastspiel-Gage mit 24.000 Schilling pro Monat war übrigens damals in diesem Bereich der Top-Verdienst. Das waren damals ca 3500 DM - kein Vermögen, aber eine schöne Stange Geld zu jener Zeit. Hinzu kamen das Auftrittsgeld pro Vorstellung, Probenpauschale und eine kostenlose Unterkunft.
Einer wirklichen Kritik des Stückes entzog sich der Autor damals offensichtlich. Interessant, wie direkt erwähnt wird, dass sich Edward Albee seinen Haushalt mit einem angehenden Dramatiker teilt (das war Terence Mc Nally).
III) Das Problem mit der "Berliner Akademie" (1992)