Zitat von fortinbras im Beitrag #14 Nach geschätzten siebenhundertdreiundvierzig Büchern über Fassbinder, wäre es mal schön, auch eines über Alfred Vohrer lesen zu können. Ein geradliniges Buch und nicht das eines intellektuellen Cineasten, der sich Vohrers Werk geradebiegen muß. Leider wird Machern von Unterhaltungsfilmen meist nur dann ein Buch gewidmet, wenn sie gewisse Kriterien erfüllen (Hollywoodkarriere, Oscar, Vertriebener oder Täter der Zeit des Nationalsozialismus).
Das ist richtig. Bislang sind die Filme, die Vohrer gemacht hat, kaum als Bestandteil der deutschen Kulturgeschichte anerkannt. Aber das sieht bei allen anderen wie Reinl, Gottlieb, etc. auch nicht anders aus.
Bei Alfred Vohrer im Speziellen wird die Sache einer Biografie jedoch noch erschwert. Hinsichtlich sich selbst war er kein Mann der großen Worte. Über seine Kindheit und Jugend hat er kaum gesprochen, und wenn es da Menschen gab, die er ins Vertrauen zog, sind diese tot. Die Synchronzeit dann ist auch nicht gerade ein erheiternder Rechercheglücksfall. Bilder, die es zu Tausenden noch gibt, sind zwar hoch interessant für eine Biografie, jedoch zum Großteil nicht rechtefrei. Der Rechteinhaber bzw. dessen Rechtsnachfolger muss ermittelt werden. Und so weiter...
Wie man merkt, ich beschäftige mich mit genau diesem Thema, hab Zugang zu Vohrers Nachlass, etc. Dennoch ist da noch viel Arbeit dran. Wenn es denn überhaupt gelingt, das Leben ausführlich zusammenzusetzen. Denn eine simple Aneinanderreihung von Daten und Filmen, die jeder auch über imdb oder dergleichen finden kann, reicht mir persönlich für so ein Buch nicht aus. Das muss schon Mehrwert besitzen.
Enthält der Nachlass Unterlagen zur Synchrontätigkeit bzw ließe sich mit Hilfe des Nachlasses eine mehr oder weniger vollständige Synchron-Filmographie erstellen?
Und noch eine Frage: die Ultra wollte bereits 1956 ihren ersten eigenen Spielfilm realisieren, zu dem Vohrer das Drehbuch "Zum Leben verdammt" geschrieben hatte und bei dem er auch Regie führen sollte. Das Projekt zerschlug sich aber, so dass Vohrers Debüt als Spielfilmregisseur erst 1958 mit "Schmutziger Engel" erfolgte. Liegt dieses Drehbuch vor bzw wovon sollte dieser Film handeln? Gab es bereits Besetzungsvorschläge? Woran ist die Realisierung von "Zum Leben verdammt" letztlich gescheitert? Hat Vohrer möglicher Weise Elemente aus dem Stoff später in anderen Filmen verarbeitet?
Zitat von c.n.-tonfilm im Beitrag #17 Enthält der Nachlass Unterlagen zur Synchrontätigkeit bzw ließe sich mit Hilfe des Nachlasses eine mehr oder weniger vollständige Synchron-Filmographie erstellen?
Nein! Eine kleine Hoffnung bleibt mir allerdings noch insofern, als dass der Sohn von Josef Wolf u.U. weiterhelfen kann diesbezüglich. Es bleibt allerdings eine vage Hoffnung, da solche Unterlagen einfach zumeist weggeschmissen worden sein dürften. Und ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich bislang auch nicht geglaubt habe, dass an dem Synchrongeschäft ein größeres Interesse bestünde. Das habe ich erst nach einigen Stunden des Lesens hier im Forum begriffen.
Zitat von c.n.-tonfilm im Beitrag #17 Und noch eine Frage: die Ultra wollte bereits 1956 ihren ersten eigenen Spielfilm realisieren, zu dem Vohrer das Drehbuch "Zum Leben verdammt" geschrieben hatte und bei dem er auch Regie führen sollte. Das Projekt zerschlug sich aber, so dass Vohrers Debüt als Spielfilmregisseur erst 1958 mit "Schmutziger Engel" erfolgte. Liegt dieses Drehbuch vor bzw wovon sollte dieser Film handeln? Gab es bereits Besetzungsvorschläge? Woran ist die Realisierung von "Zum Leben verdammt" letztlich gescheitert? Hat Vohrer möglicher Weise Elemente aus dem Stoff später in anderen Filmen verarbeitet?
Bislang ist dieses Drehbuch, so es denn überhaupt je eines gegeben hat, nicht aufgetaucht. Vielmehr halte ich auch für wahrscheinlich, dass Vohrer eher eine Art Treatment geschrieben haben dürfte. Gerade aus seinen Anfangszeiten als Filmregisseur ist eine Menge Zeug inkl. der Originaldrehbücher erhalten. Da hat er vieles gesammelt und dass da nun gerade sein erstes Drehbuch verschwunden sein soll, erscheint mir wenig wahrscheinlich. Ich habe allerdings auch noch nicht alles zu 100% durchsehen können, zumal das auch nicht alles an einem Ort liegt, sondern bei mehreren Personen, die auch noch über halb Europa verstreut leben.
Zitat Und ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich bislang auch nicht geglaubt habe, dass an dem Synchrongeschäft ein größeres Interesse bestünde. Das habe ich erst nach einigen Stunden des Lesens hier im Forum begriffen.
Dann war es ja sehr sinnvoll hier eine Brücke zwischen Synchron- und Wallace-Forum zu bauen.
Zitat Und ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich bislang auch nicht geglaubt habe, dass an dem Synchrongeschäft ein größeres Interesse bestünde.
...doch, doch es gibt sie! Es ist zwar nur eine relativ kleine (besonders was klassische Synchros betrifft) Gemeinde, die aber sehr großes Interesse an der Thematik hat.
Und da Herr Vohrer ja nun wirklich sehr umfangreich in der Synchronisation gearbeitet hat, ist man froh über jede Information, die man bekommen kann.
Der Herr Neumann ("Klaus und Klaus") hat ja eine Biographie über Siegfried Schürenberg geschrieben- wobei das Thema Synchronisation praktisch nur auf drei Seiten zusammengeschrieben wurde. Und die aufgeführte Synchron-Filmographie führt -bis auf zwei Ausnahmen- nur Filme auf, die er nach 1950 synchronisiert hat. Sehr bedauerlich und für mich eine vertane Chance!
Die omnipräsente Angabe, dass Vohrer über eintausend Spielfilme als Synchronautor und Dialogregisseur bearbeitet haben soll, ist wohl auf Rüdiger Koschnitzki zurückzuführen, der diese Zahl in seiner Vohrer-Biographie für Cinegraph nennt. Ich gehe heute davon aus, dass es sich um eine mehr oder weniger willkürliche Schätzung handelt.
Ansonsten kann ich mich Peters Worten nur anschließen. Der Fehler aus dem Schürenberg-Buch sollte nicht wiederholt werden. Ich denke, die klassische Synchronisation findet deshalb so stiefmütterliche Beachtung, weil auch durch die schlechte Quellenlage eben nur geringes oder gar kein Bewußtsein dafür besteht. Ansatz wäre also zu fragen, wodurch dieses Bewußtsein wachgerufen werden kann.
Im Gegensatz zu den 80er Jahren, als es kaum ohne weiteres möglich war, sich einen umfassenden Überblick über das nationale und internationale Filmschaffen zu machen, ist diese Lücke durch das Internet heute gut geschlossen worden. Jedermann kann über die entsprechenden Datenbanken Filmographien nach allen möglichen Kriterien zusammenstellen und sich auch ein Bild über die Filme verschaffen, die nie auf den deutschen Markt kamen und hierzulande völlig unbekannt sind. Eine Stelle im Film wirkt irgendwie seltsam - kein Problem, oft genügt schon ein Blick auf youtube um sofort herauszufinden, was da geschnitten oder verändert wurde. Im Prinzip ist die Filmgeschichte - zumindest was Daten und Fakten betrifft - inzwischen doch recht transparent geworden.
Die Synchrongeschichte wird deshalb besonders spannend, weil es imho heute der einzige Bereich der Filmgeschichte ist, in der es jederzeit noch echte, verblüffende Überraschungen geben kann, von denen bis gestern noch niemand etwas wußte.
So kann der Ansatz für den Wallace-Fan z.B. lauten: stell Dir vor, da gibt es einen Film von Alfred Vohrer mit Martin Held, Siegfried Schürenberg, Heinz Drache, Werner Peters, Wolfgang Lukschy und Harry Wüstenhagen, von dem ich noch nie etwas gehört habe. Gemeint ist hiermit natürlich die deutsche Tonspur zu einem beliebigen inmternationalen Film. Oft können die Schauspieler beim Synchron Rollen gestalten, die sie im Kino oder auf der Bühne nie bekommen hätten. Andererseits kann auch ein schwacher B-Film, der durch Besetzung, Handlung, Gestaltung im Original vermutlich kaum interessant oder überhaupt ansehbar wäre, durch eine Besetzung wie oben plötzlich doch noch zu einer guten Unterhaltung werden.
Mit einem solchen Denkansatz wird auch deutlich, warum man die Synchronfassungen sinnvoller Weise als Bestandteil der deutschen Filmgeschichte sehen sollte. Ebenso läßt sich die Abneigung gegen Neusynchronisationen leicht plausibel machen: als mehr oder weniger "zeitgenössisches altes deutsches Hörspiel" funktionieren die Neusynchros nun einmal nicht.