mir stellt sich die Frage, ob deutsche Synchronfassungen, die stark vom Original abweichen, Urheberrechtsverletzungen darstellen können. Da fällt mir beispielsweise aus der Kultserie „Raumschiff Enterprise“ die Episode „Weltraumfieber“ ein. Das ZDF hat die Episode damals in den 70er-Jahren gekürzt und inhaltsverfälschend synchronisiert, sodass sie eine völlig neue Handlung bekam. Weitere Beispiele wären die Erstfassung von „Casablanca“ und „Berüchtigt“ (unter dem Titel „Weißes Gift“).
Zitat von Koboldsky im Beitrag #1Weitere Beispiele wären die Erstfassung von „Casablanca“ und „Berüchtigt“ (unter dem Titel „Weißes Gift“).
Bei "Casablanca" dürfte es sich nicht um einen solchen Fall gehandelt haben, da die verfälscht synchronisierte und geschnittene Fassung in diesem Fall vom amerikanischen Verleih (und damit vom Rechteinhaber) in Auftrag gegeben wurde. Und bei "Berüchtigt" (bzw. "Weißes Gift") könnte es ähnlich gewesen sein.
Die gleiche Frage stelle ich mir auch schon eine Weile, denn das kann man sich bei Kürzungen der Filme ebenso fragen. Vermutlich hat der deutsche Verleiher, der die Verwertungsrechte kauft, oftmals - je nach Vertrag - entsprechende Freiheiten. Im Sinne von "Veröffentliche den Film wie du willst". Klingt unplausibel, aber betrachtet die Fakten.
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02.03.2015 21:38
#4 RE: Zensierte deutsche Fassungen - Urheberrechtsverletzungen?
In Anbetracht der Tatsache, dass es den Filmfirmen bekannt sein muss, dass es teilweise abenteuerliche Fassungen ihrer Filme und Serien gibt (sie mussten immerhin diverse Nachsynchros in Auftrag geben um Kürzungen und/oder Umdichtungen zu beheben), scheint es nicht (mehr) justiziabel zu sein. Sonst wären die Prozesse längst geführt worden. Ich nehme an diese Rechteverletzungen sind entweder verjährt oder für die Firmen finanziell nicht lohnend. Vielleicht waren auch die Verträge in den 60ern noch andere und erlaubten mehr Freiheiten. Heutzutage wäre das wahrscheinlich alles nicht mehr möglich. Damals ließ man den Leuten offenbar freie Hand: "Seht zu, dass der Film ein Erfolg wird! Wie ist uns egal."
(Rainer Brandt bemängelte mal, dass aufgrund der schlecht nachgemachten Schnoddersynchros, die seiner Meinung nach zahlreiche Filme ruinierten, die Firmen zunehmend unter Aufsicht von amerikanischen Beobachtern gestellt wurden, die verhinderten, dass man zu frei mit ihren Filmen umging.)
Zitat von Koboldsky im Beitrag #1Weitere Beispiele wären die Erstfassung von „Casablanca“ und „Berüchtigt“ (unter dem Titel „Weißes Gift“).
Kann man im Falle von "Notorious" nicht sagen - auch wenn aus den Nazis Rauschgiftschmuggler wurden, gab es keine Kürzungen und die Substanz des Films blieb unangetastet; Hitchcock selbst hat das angemerkt und sah es als Bestätigung dafür, dass der "MacGuffin" für die Handlung unwichtig ist, auch wenn er sie in Gang bringt.
Brandt hat mal in einem Interview erwähnt, dass er bei einigen Filmen (hier ging es wohl um "Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh") alle Freiheuten hatte (Schnitte, geänderte Dialoge) aber sowas ist bestimmt speziell vereinbart worden und nicht die Regel. Urheberverletzungen glaube ich treten hier aber nie auf, weil die Synchro ja (ggf. unterstützt durch Schnitte) direkt in Auftrag gegeben wurde und wird und somit die individuellen Freiheiten irgendwie geklärt sind. Kann man irgendwo ein historisches Dokument zu einem Synchronauftrag einsehen ?!
Das mit dem Um- oder Neuschnitt beim "Großen Blonden" ist totaler Quatsch - die DEFA-Synchro ist genauso lang und auch exakt so geschnitten. Ein Märchen von Baron von Brandthausen.
In Deutschland ist - zum Glück! - alles erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist. Wenn also im Lizenzvertrag nicht ausdrücklich etwas vereinbart wurde, ist eine Veränderung durch unangemessene Synchro - so fragwürdig sie auch sein mag - juristisch ganz gewiss nicht anfechtbar.
Dann müssten die Rechteinhaber ja auch die TV-Sender und DVD-Anbieter verklagen können, weil die Filme durch Werbeunterbrechungen, falsches Bildformat oder fehlenden Abspann entstellt werden. Auch das hat keine Aussicht auf Erfolg, wenn nichts ausdrücklich vertraglich vereinbart wurde.
Ich erinnere mich, dass in den 80er Jahren eine große Kinokette von einem großen US-Verleiher verklagt wurde, weil die Kinos die Filme willkürlich mit einer Pause zum Eisverkauf unterbrochen hatten. Die Klage wurde mangels Rechtsgrundlage abgewiesen, der Verleih nahm darauf den Passus 'keine Unterbrechung' mit in die Verleihbedingungen auf, um künftig eine Handhabe wegen Vertragsbruch zu haben. Nur für Jugendvorstellungen liess man das zu, um den Kindern auch den letzten Groschen aus der Tasche zu ziehen.
Verklagen kann man nur jemanden, der gegen klar formuliertes in Paragraphen gefasstes geltendes Recht oder gegen vertraglich vereinbarte Pflichten verstößt; nicht aber jemanden, der rein subjektiv ein unerwünschtes Verhalten an den Tag legt. Das mag für den Filmfan unbefriedigend klingen, ist aus juristischer Sicht aber richtig, da die Klagewelle sonst eskalieren würde. Der Rechtsstaat lässt grüßen!