Das Thema >ausgetauschte Musiken in Synchronisationen< haben wir ja schon ebenso im Forum wie Zensur durch Schnitte, aber da handelt es sich um (willkürliche) Entscheidungen der Bearbeiter oder technische Unzulänglichkeiten (fehlende ITs/unvollständige Master). Mitunter aber kommt es auch vor, dass bei Co-Produktionen die vorliegenden Originalfassungen sich leicht bis deutlich voneinander unterscheiden.
"Das rote Zelt" eine sowjetisch-italienische Co-Produktion. Im Gegensatz zu "Waterloo" weichen die Fassungen deutlich ab - die sowjetische ist eine halbe Stunde länger und wurde von Aleksandr Zatsepin untermalt - so wurde sie auch im Ostblock vertrieben, weshalb die DEFA-Synchronisation ihr zugrunde liegt, während die westdeutsche aufgrund der westlichen Schnittfassung Originalmusik von Ennio Morricone enthält.
Zwar ist in der rumänischen Kinofassung (mit DEFA-Synchro) von "Tom Sawyers Abenteuer" die gleiche Musik von Vladimir Cosma zu hören wie in der ZDF-Fassung, aber an anderen Stellen - vor allem aber gibt es hier mindestens eine alternative Einstellung: Nach Toms Abfahrt zwinkert Huck in die Kamera und gibt so dem Film einen herrlich ironischen Abschluss (der in der Langfassung fehlt, sie hört wesentlich später einfach auf).
Ganz kurios ist es bei "Jagd den Fuchs" - hier gibt es nur eine Synchronfassung und die basiert (natürlich) auf der internationalen Fassung mit Musik von Burt Bacharach. Die italienische Fassung dieser De Sica-Komödie wurde jedoch inklusive Vorspann von Armando Trovaioli komponiert, ganz im Stile der italienischen Comedias und extrem weit von Bacharach entfernt. Die Mediterraner zogen solche Musik offenbar vor, denn auch in der spanischen Fassung hört man Trovaioli - mit einer Ausnahme: der Titelsong; zumindest hier hört man auch in Spanien Bacharach.
Ähnlich bei "Die Ratte von Soho" - auch hier nur eine Synchro auf dem amerikanischen Master mit Musik von Franz Waxman. Anders geschnitten, mit anderem Ende versehen und neuer Musik von Benjamin Frankel war der Film in Großbritannien zu sehen.
Und Nummer 3 aus dieser Reihe: "Legende" - ein eher missglückter Film, aber diesen Kahlschlag hat er nicht verdient. In der amerikanischen Fassung verstümmelt bis zur Unkenntlichkeit und mit neuer Musik der deutschen Gruppe Tangerine Dream versehen. Diese zumindest blieb ausgerechnet den deutschen (und überhaupt europäischen) Zuschauern erspart, denn deren Fassung (die nicht ganz SO arg verschnitten ist) enthält die ursprüngliche Musik des Amerikaners Jerry Goldsmith. Ob man sie in der Synchronfassung hört, ist allerdings Ermessensfrage ...
"Der Mann ohne Gesicht" ist so ein Fall. Dem Film ging ein in klassischem Muster gedrehtes "Serial" nach Art der 20er-Jahre voraus, aus dem dann ein Film geschnitten wurde. Das Serial war in Deutschland nie zu sehen.
Georges Franju führte Regie, Gert Fröbe spielte in der extravaganten Sache sozusagen einen Pariser Kollegen seiner Mabuse-Kommissare.
Franju selbst machte die französische Kinoversion. Die deutsche beinhaltet im Großen und Ganzen die selben Szenen, auch wenn es Abweichungen gibt.
Nur sind einige der Unterschiede sehr markant, weil das selbe Filmmaterial in der deutschen Fassung teilweise an ganz anderen Stellen des Filmes montiert wurde.
In der deutschen Fassung gibt es zu Beginn eine Jagd auf den Mann ohne Gesicht, das kommt im Original erst gegen Ende. In der deutschen Fassung wird der zwischen Fantomas und Mabuse liegende Bösewicht am Ende von den Templern sozusagen hingerichtet, während er in der französischen Fassung entkommt und in einer Maskerade zu sehen ist, die in der deutschen Fassung zu Beginn des Filmes zu sehen ist.
Seltsamerweise sind beide Fassungen in sich schlüssig, wobei die französische aber deutlich besser abschneidet - sie ist sauberer geschnitten und hat eine sehr elegante Atmosphäre, während die deutsche Fassung eher roh wirkt und sprunghaft im Schnitt (aber ohne Logiklöcher!). Zudem hat die OF durchgängig eine andere Filmmusik und auch einen prachtvollen Vorspann, der einen richtig einstimmt. Die klavierlastige Musik hat viel von Debussy. Deutsch hört man fast nur rockige Instrumentalnummern, die in erster Linie laut sind und der Vorspann besteht aus einem einzigen Standfoto - und das wirkt recht billig.
"Der Mann mit den tausend Masken" habe ich mal OmU gesehen vor einigen Jahren. Der Schnitt war in etwa ähnlich, signifikant fiel mir aber die Anwendung der Musik von Bruno Nicolai auf. In der OF, sofern man von einer solchen sprechen kann, gibt es viel mehr Musik und sie sorgt für besonderen Reiz. In der deutschen Fassung wurde einiges von der Musik entfernt - und das Finale, in dem Nicolai herrliches "Mickeymousing" treibt, kommt in der DF gänzlich ohne Musik aus.
Paradebeispiele wären natürlich auch die co-produzierten Dr. Fu Man Chu-Filme mit Christopher Lee. Seit ich die in den originalen, bzw internationalen Fassungen kenne, gefallen sie mir in den deutschen Versionen gar nicht mehr. Die meisten sind länger, logischer, atmosphärischer und nicht so sprunghaft. Abgesehen davon, dass sie richtige durchkomponierte Filmmusiken haben, die viel zur Atmosphäre beitragen. Aber darüber wurde ja auch schon viel diskutiert.
Da fällt mir gleich selbst noch ein Beispiel ein: "Tolldreiste Kerle in rasselnden Raketen". Die deutsche Fassung enthält so extrem viele zusätzliche Szenen, die in der englischen Fassung fehlen (eigenartig, wie es dazu gekommen ist, da Constantin ja in diesem Fall NICHT beteiligt war), dass man fast von einer zweiten Originalfassung sprechen kann. Da wiederum in der deutschen Synchro eine Menge Szenen fehlen, holpern beide Fassungen an verschiedenen Stellen. Und - na so was - seit ich beide Fassungen zu einem ursprünglichen Ganzen zusammen gefügt habe, gefällt mir der Film auf einmal viel, viel besser als vorher: Auf einmal ist er nämlich logisch und er hat Rhythmus - etwas, das beide Fassungen vermissen lassen. (Wie z.B. kommt man auf die idiotische Idee, eine herrliche Comedy-Szene von Terry-Thomas - der beliebteste Star des Films - in der englischen (!!!) Fassung heraus zu schneiden?) Die Musik von John Scott ist (abgesehen vom deutschen Titelvorspann) natürlich die gleiche, aber - was richtig krass ist - in einer Szene der deutschen Fassung bricht sie urplötzlich ab, in einer Szene der englischen dagegen setzt sie urplötzlich ein; fügt man beide zusammen, läuft sie ganz sauber durch - es gab also tatsächlich bis nach der Endvertonung eine Urfassung, von der beide abstammen.
Man kann darüber streiten, ob die tschechischen Serien "Pan Tau" und "Die Märchenbraut" nur wegen des Geldes, das der WDR mit dazu gegeben hat, wirklich deutsche Co-Produktionen sind, in jedem Falle haben einige Staffeln deutlich abweichende Titel-/Schlussmusiken. Bei "Pan Tau" wurden generell die Abspannmusiken etwas (oder heftig) verkürzt, die der 2. Staffel ist in beiden Fassungen komplett unterschiedlich! "Die Märchenbraut" hört sich im ersten Moment kürzer, aber gleich an, aber hört man genauer hin, handelt es sich um zwei verschiedene Aufnahmen oder zumindest Abmischungen, denn in den Schlusstönen fehlen einige Instrumente, die in der tschechischen Fassung zu hören sind (und in der DEFA-Synchro - das ist mir schon als Kind aufgefallen). Wer vergleichen möchte, braucht nicht einmal das Original, denn in Folge 8 ist diese Alternativfassung (wenngleich ebenfalls verkürzt) seltsamerweise zu hören.