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Dieses Thema hat 12 Antworten
und wurde 809 mal aufgerufen
 Filme: Klassiker
Stefan der DEFA-Fan



Beiträge: 15.302

25.02.2021 23:13
Ein König in New York (GB 1957) Zitat · antworten

Ein König in New York (A King In New York)

Kino: 27.8. 1976

Die mitunter avantgardistisch getextete Synchronisation war mir schon lange ein Rätsel – zwar war Franz-Otto Krüger in den 50ern Exklusivexperte für Chaplin-Filme (erstaunlich angesichts seiner sonst reichlich ungezügelten Dialogbücher, doch hier riss er sich ordentlich am Riemen), aber obwohl oder weil er hier selbst Chaplin synchronisierte, hatte ich immer Bedenken, ihm auch die Oberherrschaft zuzuordnen – in den anderen Filmen hatte er fast schon betont immer nur Cameo-Auftritte.
Rainer Brandt wäre anhand des Tobis-Verleihs naheliegend gewesen, aber auch die Interopa stellte ja Synchronisationen für Tobis her. Und weder stilistisch noch in der Besetzung passt Brandt.
Nach dem ich-weiß-nicht-wievielten Ansehen fiel mir plötzlich etwas auf: Ottokar Runze sprach eine Rolle. Ein Blick in die Synchrondatenbank bestätigt: Runze war in den 70ern (und später) nur noch in eigenen Synchronarbeiten zu hören. Keine Ausnahme bekannt. Sollte hier eine vorliegen? Das glaube ich nicht.
Und allein schon diese äußerst eigenwillige Neuübersetzung des Hamlet-Monologs („Weitermachen oder sich aufgeben“?? „der Produzenten Raffgier“???) passt doch ins Bild, das sich mir von Runze gebildet hat.
Fast erstaunlich, dass die ungekürzte Fassung synchronisiert wurde, obwohl die Originalfassung schon bald von Chaplin verkürzt wurde.


König Shadov Charles Chaplin Franz-Otto Krüger
Ann Kaye Dawn Addams Almut Eggert
Jaume Oliver Johnston Siegfried Schürenberg
Rupert Michael Chaplin Oliver Rohrbeck
Königin Irene Maxine Audley Inken Sommer
Premier Voudel Jerry Desmonde Joachim Nottke
Johnson Sidney James Eric Vaessen
Mrs. Cromwell Joan Ingram Inge Wolffberg
Betrunkener Gast Hugh McDermott Ottokar Runze
TV-Ansager Billy Nagy Joachim Cadenbach
Johnny ? Gerd Holtenau
seine Frau ? Edith Hancke
Schulleiter Phil Brown Christian Rode
Superintendent Alan Gifforf Christian Rode (!)
Schönheitschirurg ? Claus Jurichs
Rezeptionist ? Hans-Jürgen Dittberner
Hausdetektiv ? Hans W. Hamacher
Atomkommissionär ? Heinz Giese
Hoteldiener ? Thomas Keck
Ankläger ? Heinz Petruo
Marshall Ulrich Robert Cawdron Otto Czarski
Anwalt Harry Green Gerd Duwner
Liftboy Robert Arden Manfred Lehmann

Gruß
Stefan

Silenzio
Moderator

Beiträge: 21.481

25.02.2021 23:48
#2 RE: Ein König in New York (GB 1957) Zitat · antworten

Wäre für Runze natürlich eine sehr sehr koventionelle Besetzung. Bei den bisherigen Synchros, die ich so von ihm kenne, waren immer ein paar seltenere Sprecher dabei. Ansonsten vielleicht Thomas Keck?

Stefan der DEFA-Fan



Beiträge: 15.302

26.02.2021 08:01
#3 RE: Ein König in New York (GB 1957) Zitat · antworten

Früher war ich sehr schnell damit, Keck als Regisseur zu vermuten, wenn ich ihn in einer kleinen Rolle hörte (Hauptrollen suche ich - außer Pancho - von ihm bisher vergebens), aber da mit "Mann mit der eisernen Maske" mindestens ein belegtes Gegenbeispiel vorliegt, bin ich davon abgekommen. Für Keck vermisse ich seine offensichtlichen Lieblinge - kein Ott, kein Branding, kein Mannkopff. Da würde ich letzten Endes doch noch eher zu Krüger selbst tendieren.
Aber wenn du von selteneren Sprechern schreibst - in die Kategorie dürfte man zu dieser Zeit Franz-Otto Krüger durchaus zählen.

Gruß
Stefan

Lord Peter



Beiträge: 5.015

26.02.2021 08:26
#4 RE: Ein König in New York (GB 1957) Zitat · antworten

Runze sprach in den 70ern allerdings auch ein paar Gastrollen bei den "Leuten von der Shiloh Ranch" (in München bei der Beta), und da wird er wohl kaum die Bearbeitung gemacht haben.

dlh


Beiträge: 15.312

26.02.2021 17:14
#5 RE: Ein König in New York (GB 1957) Zitat · antworten

In einem Interview ist Runze mal auf seine Arbeit an Polanskis "Macbeth"-Verfilmung von 1971 eingegangen und hat gesagt, dass er mit der Schlegel-Übersetzung gearbeitet hat, die in diesem Fall größtenteils lippensynchron aufs Bild gepasst hat. Ohne jetzt viele (bewusste) Arbeiten von Runze zu kennen, scheint mir das doch ein sehr gründliches Vorgehen zu sein, Originale heranzuziehen; irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass er Passagen aus "Hamlet" dann sehr eigenwillig neu interpretiert.

berti


Beiträge: 17.876

06.03.2021 09:14
#6 RE: Ein König in New York (GB 1957) Zitat · antworten

Zitat von Stefan der DEFA-Fan im Beitrag #1
Und allein schon diese äußerst eigenwillige Neuübersetzung des Hamlet-Monologs („Weitermachen oder sich aufgeben“?? „der Produzenten Raffgier“???) passt doch ins Bild, das sich mir von Runze gebildet hat.

Empfindest du seine Synchros als ähnlich "streitbar" , wie du es mal in Bezug auf Joachim Kunzendorf geschrieben hast?

berti


Beiträge: 17.876

10.03.2021 11:06
#7 RE: Ein König in New York (GB 1957) Zitat · antworten

Vor ein paar Tagen habe ich den "König" erstmals gesehen. Ein teilweise seltsamer Film mit teilweise seltsamer Synchro!
Stefan meinte einmal, dass er selbst für seine Entstehungszeit "schon recht altmodisch" wirke. Ich weiß nicht, ob das gemeint war, aber viele Szenen erinnern in ihrer theaterhaften Art an frühe Tonfilme. Und die Sache mit dem Feuerlöscher gegen Ende könnte 1:1 auch aus einem Stummfilm sein. Daneben braucht der Film ziemlich lange, um auf den Punkt zu kommen; in den ersten zwei Dritteln gibt es keine wirklich zusammenhängende Handlung, weshalb ich bei den beiden ersten Sichtungen zwischendurch sogar eingeschlafen bin.
Dass die deutsche Premiere erst 1976 stattfand, ist auch komisch: Sicher erschienen die Kritik am Antikommunismus und die Darstellung mancher Elemente der amerikanischen Gesellschaft 1957 heikel; aber einige Jahre später wäre das wahrscheinlich kein Problem mehr gewesen. Oder war da vielleicht eher die anachronistische Inszenierung und die gemächliche, spannungsarme Art des Films das Hindernis? Ebenfalls komisch, dass man ihn in der DDR nicht herausbrachte. Sicher, die Hauptfigur ist ein gestürzter Monarch; aber wären die Kritik an der amerikanischen Gesellschaft, am Antikommunismus, Chaplins pro-sowjetische Haltung im Zweiten Weltkrieg, seine Verbindung mit linken Künstlern sowie seine Sicht auf den Kapitalismus in "Moderne Zeiten" nicht eigentlich Pluspunkte gewesen, einen im Westen verschmähten Film herauszubringen? Oder waren hier die Devisen ein Hindernis?
Franz-Otto Krüger in der Hauptrolle ist teilweise gewöhnungsbedürftig, weil er mir ansonsten bisher noch nie in einem so großen Part untergekommen ist. Wäre zu dieser Zeit nicht Friedrich W. Bauschulte naheliegender gewesen, der Chaplin in der ominösen (da anscheinend von der Bildfläche verschwundenen) Zweitsynchro von "Rampenlicht" sprach? Oder Siegmar Schneider, der mit sehr vielen Schauspielern harmonierte? Oder der im Film sehr untypisch besetzte Eric Vaessen?
Das Dialogbuch ist auch etwas komisch; dass es relativ viele englische Ausdrücke enthält, die überwiegend hätten übersetzt werden können, wurde ja schon öfter erwähnt. Wenn es sich um Wörter handelt, die einzeln und besonders akzentuiert ausgesprochen wurden, war das natürlich ein Problem. Aber "turtle soup" ist einfach zu sperrig und auffällig, ebenso "Money". In anderen Fällen wäre bei Letzterem "Mäuse" oder "Moneten" denkbar, aber nicht aus dem Mund eines Königs. Vielleicht hätte man es (neben den von Stefan vorgeschlagenen "Finanzen") mit "Monetäres" probieren können?
Daneben gibt es aber auch viele englische Ausdrücke, die mitten im Dialog vorkommen und problemlos hätten übersetzt werden können, etwa "Boarding ticket", "federal building" oder das in relativ vielen Szenen vorkommende Kosewort "honey". Das erinnert unangenehm an die Synchro von "Citizen Kane"; aber Manfred R. Köhler kann man hier wohl ausschließen. Sollte der Film dadurch etwa besonders "amerikanisch" wirken?
Daneben gibt es zwei kapitale Böcke, die einem routinierten Dialogautor eigentlich nicht passieren dürften: Ein Angestellter der Einwanderungsbehörde wird nicht etwa als "Beamter", sondern als "Offizier" bezeichnet, und "How do you do" bei der Vorstellung wird tatsächlich mit "Wie geht es Ihnen?" übersetzt!
Die teilweise extrem freie Übersetzung des Hamlet-Monologs wirkt auch merkwürdig. Wollte man dadurch die satirischen Elemente des Films betonen, obwohl Chaplin sich im Original 1:1 an Shakespeare hielt?
Wer hinter dieser Synchro stecken könnte ist wirklich eine gute Frage! Der von Stefan vor vielen Jahren mal vermutete Rainer Brandt kann wohl ausgeschlossen werden, allein weil er im Film (trotz relativ vieler Sprechrollen) nirgendwo zu hören ist. Und wenn er mal einen Chaplin-Film bearbeitet haben sollte, hätte er das sicher nicht für sich behalten. Wenn zu dieser Zeit bei der Brandtfilm keine anderen Regisseure aktiv waren, dürfte die Bearbeitung kaum dort entstanden sein. Thomas Keck und Ottokar Runze wären wegen ihrer Cameos beide Kandidaten, zumindest Keck hat ab und an auch für de Interopa gearbeitet, bei Runze habe ich im Moment keine Ahnung. Aber wenn Letzterer bei Shakespeare-Zeilen so viel Wert auf "klassische" Übersetzungen legte, wäre das ein Gegenargument. Die Frage wäre, ob Keck zu dieser Zeit schon so stark auf bestimmte Sprecher festgelegt war. Und ob er sich bei Spielfilmen solche Freiheiten im Dialog nahm. Bisher sind mir seine Arbeiten in diesem Bereich eher solide vorgekommen; "Spruchweistümer" leistete er sich eher woanders.

Stefan der DEFA-Fan



Beiträge: 15.302

10.03.2021 19:42
#8 RE: Ein König in New York (GB 1957) Zitat · antworten

Chaplin war Ende der 50er in den USA eine persona non grata - sein Film wurde nicht in den USA gezeigt und war damit auch für den groß angelegten internationalen Verleih unten durch. Die Chaplin-Wiederaufführungen waren hingegen ein Aushängeschild und offenbar auch einträglich für den Tobis-Verleih (die Verleih-Fanfare stammt ja sogar aus "Moderne Zeiten") - nicht überraschend, dass man sich darauf besann.
Du unterschätzt
a) welch Tiefschlag die Grundprämisse für sozialistische Ansichten war: ein royaler Machthaber als Sympathiefigur, der von (in aller Kürze) dümmlich dargestellten Revolutionären vertrieben wurde - soviel Humor besaßen die Oberen nicht. Erst zur Zeit seiner DDR-TV-Premiere war die Sicht ein wenig entspannter, auch im Hinblick auf die dem DDR-TV wegschaltenden Zuschauer. Ohne Chaplins progressive Haltung aber wäre der Film wohl nie und nimmer gezeigt worden - übrigens war sein Werk in mehreren Büchern erstaunlich detailliert dokumentiert und selbst einem jungen Leser wie mir damals wäre das Weglassen dieses Films, als es eine Retrospektive gab, verdächtig aufgefallen.
b) wie teuer Chaplin-Filme (und viele andere) waren - mit den Devisen wurde sparsam gehaushaltet - deshalb auch so viele Neusynchronisationen.

Gruß
Stefan

berti


Beiträge: 17.876

10.03.2021 19:55
#9 RE: Ein König in New York (GB 1957) Zitat · antworten

Dass an eine Premiere in der Bundesrepublik der Adenauer-Zeit nicht zu denken war, ist mir bewusst. Aber ob diese Hindernis ab Mitte der 60er noch so gravierend waren, als seine Autobiographie erschien und rezipiert wurde? Und gab es zu dieser Zeit keine Wiederaufführungen seiner Werke (also bevor sie bei Tobis landeten)?
Sicher war die Darstellung der der Revolutionäre zu Beginn ein Problem. Aber hätte man hier nicht auch die Schere ansetzen können, so dass der Film erst mit der Ankunft in New York begann? Dass er nicht durch einen Volksaufstand, sondern z. B. durch einen missgünstigen Verwandten entmachtet worden wäre, hätte an der "eigentlichen" Geschichte nichts geändert.
Dass die Monarchie ein Problem war, ist klar; nicht umsonst machte man bei "Sherlock Holmes: Gefährliche Mission" aus dem Thronfolger den Sohn eines Wissenschaftlers, obwohl dadurch eine Szene am Ende grotesk wirkte.
Devisen als mögliches Hindernis hatte ich in meinem vorherigen Beitrag ja schon angesprochen.

berti


Beiträge: 17.876

19.03.2021 15:54
#10 RE: Ein König in New York (GB 1957) Zitat · antworten

Zitat von dlh im Beitrag #5
In einem Interview ist Runze mal auf seine Arbeit an Polanskis "Macbeth"-Verfilmung von 1971 eingegangen und hat gesagt, dass er mit der Schlegel-Übersetzung gearbeitet hat, die in diesem Fall größtenteils lippensynchron aufs Bild gepasst hat. Ohne jetzt viele (bewusste) Arbeiten von Runze zu kennen, scheint mir das doch ein sehr gründliches Vorgehen zu sein, Originale heranzuziehen; irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass er Passagen aus "Hamlet" dann sehr eigenwillig neu interpretiert.

Und wäre der "König" nicht in dem Interview mit Massengeschmack TV erwähnt worden, wenn er diesen bearbeitet hat? Es handelt sich immerhin um ein Werk von Chaplin und um einen Film, der fast zwanzig Jahre nach seinem Dreh synchronisiert wurde - jedoch nicht fürs Fernsehen, sondern für eine Kinoaufführung, was 1976 ungewöhnlich genug gewesen sein dürfte. Wäre ihm das nicht im Gedächtnis geblieben und angesprochen worden?

Stefan der DEFA-Fan



Beiträge: 15.302

22.04.2021 08:52
#11 RE: Ein König in New York (GB 1957) Zitat · antworten

"Die Nervensäge" hat mich auf eine neue Idee gebracht, allerdings mehrfach um die Ecke gedacht.
Hermann Gressieker arbeitete "auch" als Theaterautor und hatte mit ziemlicher Sicherheit Verbindung zur berliner Kabarettszene - er dürfte nicht umsonst Pfitzmann für Kirk Douglas besetzt haben.
Dass er mitunter für MGM tätig war, ist belegt. Mehrere selten besetzte Synchronsprecher, die mit den "Stachelschweinen" in Verbindung standen (Pfitzmann, Strietzel, Lier), lassen mich vermuten, dass er auch für "Die Nervensäge" verantwortlich zeichnete. Unter den großen Rollen finden wir auch wieder mal Ottokar Runze. Gut, er war häufig für MGM zu hören, aber könnte nicht trotzdem Gressieker mindestens für die Regie beim "König" in Frage kommen?
Ich muss einräumen, dass auch er wahrscheinlich so einen Film in seinen Memoiren erwähnt hätte ...

Gruß
Stefan

berti


Beiträge: 17.876

22.04.2021 10:23
#12 RE: Ein König in New York (GB 1957) Zitat · antworten

Hat er denn um diese Zeit überhaupt noch Filme bearbeitet? In der Synchronkartei sind bei ihm nur Arbeiten aus den 50ern/60ern verzeichnet (die angeführte Drittsynchro von "Frau Diavolo" zählt nicht unbedingt, da Wolfgang Schick wohl schlicht sein Dialogbuch übernommen hat):https://www.synchronkartei.de/suche?q=hermann%20gressieker

Stefan der DEFA-Fan



Beiträge: 15.302

22.04.2021 11:46
#13 RE: Ein König in New York (GB 1957) Zitat · antworten

Ja, das ist ein Wackelpunkt meiner Theorie. Erwiesen ist weder das Eine noch das Andere.

Gruß
Stefan

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