Skurril war eher, dass man mir mit Vehemenz erklären wollte, dass ich mich irre, weil keiner was von der Neufassung wusste. Der ORF startete damals etwas später, so dass man die selben zeitversetzt, aber mit verschiedenen Dialogen sehen konnte. Ja, Schneider klang in Vertigo 1983 noch sehr passend, für Cocktail für eine Leiche (jüngeres Gesicht) schon weniger. 1985 bei der Nachsynchro für Glenn Miller war das leider schon ganz anders.
Cocktail für eine Leiche-ja, da muss ich dir ein wenig recht geben. Aber in "Vertigo" und "Fenster zum Hof" fand ich ihn sehr passend-da hatte er aber auch andere Rollen. In "Rope" musste er ja eine gewisse Dynamik haben, die allerdings zu Stewart selbst nicht so ganz passte. Zu gerne hätte ich hier Laurence Olivier gesehen oder auch Cary Grant. Das hätte dem Trio eine ganz andere Dynamik gebracht.
Wer weiß? Bei den wahrscheinlich kurz danach synchronisierten "Boys from Brazil" besetzte man Siegmar Schneider nicht auf Laurence Olivier, obwohl dieser nach (dem bereits anderweitig "vergebenen") Wilhelm Borchert naheliegend gewesen wäre. Und Olivier hätte (im Unterschied zu James Stewart) 1948 wahrscheinlich auch noch keine angegrauten Haare gehabt. Ob sich der Altersunterschied im Falle von Schneiders Besetzung da nicht doch bemerkbar gemacht hätte?
Hier wird ja mehr spekuliert als in der Finanzwelt!!! Olivier war ja-wie auch bei "Der Fall Paradin"-Hitchcocks eigentlicher Wunschkandidat für die Hauptrolle, aber er galt nicht als kassentauglich genug. Gemäß der Theatervorlage wäre so die homoerotische Komponente auf alle drei ausgedehnt gewesen und der Professor ein wesentlich zwielichtigerer Geselle. Bei Stewart hätte das Publikum das sicher, sofern verständlich, nicht akzeptiert. Wer auch immer Olivier gesprochen hätte, das ist einer der ganz wenigen Filme, wo ich mir wen anderen als James Stewart vorstellen könnte. Muss mal den alten Spaß-Thread über nie gedrehte Filme reaktivieren und besetzen. Oder will wer?
Ein inoffizieller James Stewart/Siegmar Schneider-Thread? Wunderbar!
Für mich funktioniert COCKTAIL FÜR EINE LEICHE in allererster Linie als grandioses formales Experiment, das als solches noch heute sehenswert ist. Die Besetzung ebenso wie die Thematik sind da vergleichsweise eher von nachrangiger Bedeutung (Ich hatte allerdings mal einen Mitschüler, der mit Filmen im Allgemeinen und älteren Filmen im Besonderen so rein gar nichts am Hut hatte, nach Ansicht des Films aber noch Wochen lang von der existentialistischen Philosophie des Films schwärmte – was ich aber nach wie vor reichlich überzogen finde). Das Thema ist – wie häufig bei Hitchcock – eher Mittel zum Zweck: die Ausgangsposition musste so ungewöhnlich und stark sein, um das Interesse des Kinopublikums trotz der extremen Dialoglastigkeit des plots wach zu halten.
Ebenfalls aus diesem Grunde musste Hitchcock selbstverständlich für die Hauptrolle einen Starschaupieler engagieren. Insofern ist Stewart schon eine sehr passende Besetzung, obwohl er hier seine mit Abstand schwächste Hitchcock-Performance abliefert. Cary Grant als Intellektueller und Akademiker? Das hätte m.E. überhaupt nicht funktioniert – nicht, dass dieser wohl am meisten unterschätzte Schauspieler der des klassischen Hollywood-Kinos die Rolle nicht hätte meistern können, aber sie wäre mit seiner damaligen Leinwandpersona nicht vereinbar gewesen – und er somit unglaubwürdig (ganz anders als in VERDACHT beispielsweise, wo Hitchcock gezielt mit Grants Image spielt, was in der Handlung auch exakt widergespiegelt wird).
Olivier als Typenbesetzung wäre sicher eine denkbare Alternative gewesen, aber mal unter uns: Olivier als Kinoschauspieler (als Theatermime habe ich ihn seltsamerweise nie begutachten können ) überzeugt mich erst ab den 1960ern – als gereifter Charakterdarsteller; ihn als Schauspiellegende zu titulieren ist eine maßlose Übertreibung und wird wohl für ewig zu den unausrottbaren Mythen er Filmgeschichtsschreibung gehören. Wie dem auch sei: die für das Projekt nötige Starpower hätte Olivier gewiss nicht mitgebracht. Leider würde auch dieser Faktor gegen meine absolute Wunschbesetzung für die Rolle sprechen: Orson Welles! Und zwar in Kombination mit Paul Klinger! Das wär’s gewesen!
Noch ein Wort zu den beiden Synchronfassungen von COCKTAIL. Ich ziehe die 1984er Zweitsynchro ohne Zögern der Erstfassung eindeutig vor. Zum einen finde ich Ernst Jacobi für Farley Granger in der Erstsynchro enorm nervig, Dittberner dagegen viel überzeugender und obendrein noch geradezu phantastisch. Aber der eigentliche Hauptgrund für meine Wahl ist Siegmar Schneider. Ich liebe seinen Stimmklang in den Spätsynchros –und zwar in sämtlichen Nachbearbeitungen! Diese leicht heisere Brüchigkeit in seiner Stimme in der Spätphase – sie passt nicht nur perfekt zu den (jüngeren) Rollen, sondern sie klingt in dieser Phase auch viel sympathischer, viel wärmer. In den 50ern klang sie mir noch zu glatt und irgendwie auch nölend. Wann immer ich mir DAS FENSTER ZUM HOF und VERTIGO jedenfalls anschaue (mindestens einmal im Jahr), ich schaue sie mir immer und gerne in den 80er-Synchronfassungen an.
Laurence Oliviers Ruf beruht auch primär auf seiner Bühnenarbeit. Allerdings kann ich ihm als Filmschauspieler viel abgewinnen, auch wenn er fallweise mal etwas übertreiben konnte. Viele seiner Interpretationen haben mir Gänsehaut verursacht. Im Prinzip konnte aber auch der Film erst spät wirklich was mit ihm anfangen, aber in "Sturmhöhe", "Carrie" und natürlich "Hamlet" war er schon ausgezeichnet. "Rebecca" ist sowohl über- als auch unterschätzt. Überschätzt, weil er nicht so großartig darin spielt, wie oft getan wird. Unterschätzt, weil es eine Leistung ist, zwischen so dominierenden Rollen wie seiner jungen Ehefrau und Mrs. Danvers überhaupt aufzufallen.
Zurück zum Thema: Ich schätze "Cocktail für eine Leiche" trotz meiner "Kritik" sehr und schaue ihn relativ oft an, ohne dass er mich langweilt. Die Kinosynchronisation kenne ich nicht. Ein Kapitel für sich, was man bei Hitchcock alles so reininterpretieren kann und auch schon getan hat. Ist oft amüsant-er hätte sich sicher darüber lustig gemacht. Siegmar Schneider und James Stewart haben eine der fruchtbarsten, intensivsten und einzigartigsten "Synchronpartnerschaften" überhaupt, für mich so genial wie Walter Bluhm/Stan Laurel oder Sean Connery/GGH. Ich habe Schneider nur ein einziges mal selbst als Schauspieler gesehen- in der Folge "Der Pelikan" aus "Der Alte", noch mit Siegfried Lowitz. Da wurde er ermordet, trat aber in Rückblenden auf. Er spielte einen ehemaligen Luftwaffe-Oberst, der trotz Frau und Sohn ein ausschweifend schwules Leben führt und mit alten Kriegskameraden Sexparties veranstaltet. War eine tolle Rolle, allerdings lenkte mich die Stimme zunächst sehr ab...
Zitat von John Connor im Beitrag #21Noch ein Wort zu den beiden Synchronfassungen von COCKTAIL. Ich ziehe die 1984er Zweitsynchro ohne Zögern der Erstfassung eindeutig vor.
Was Schneider angeht, so passt er meiner Meinung nach in beiden Fassungen perfekt. Und das ist so außergewöhnlich, finde ich. Denn sowohl in den zeitgenössischen Synchros der Hitchcockfilme als auch den ganzen Western, die er so gedreht hat: Siegmar Schneider passte über 30 Jahre lang immer perfekt zu James Stewart. Und eben auch absolut in den Neusynchros - sei es nun "Cocktail für eine Leiche", "Vertigo" oder auch "Das Fenster zum Hof" (gerade in letzterem).
Was die Restbesetzung von "COCKTAIL" angeht, so finde ich beide Fassungen sehr gut muss ich sagen - mir gefällt der nich so sterile Klang der Erstfassung aber besser. Was bei "Vertigo" und vor allem "Das Fenster zum Hof" gelungen ist von der Mischung her, das hat bei "Cocktail" irgendwie nicht so ganz geklappt - die Atmosphäre der Neusynchro ist mir da wie gesagt zu steril.
Zitat von John Connor im Beitrag #21 Aber der eigentliche Hauptgrund für meine Wahl ist Siegmar Schneider. Ich liebe seinen Stimmklang in den Spätsynchros –und zwar in sämtlichen Nachbearbeitungen! Diese leicht heisere Brüchigkeit in seiner Stimme in der Spätphase – sie passt nicht nur perfekt zu den (jüngeren) Rollen, sondern sie klingt in dieser Phase auch viel sympathischer, viel wärmer. In den 50ern klang sie mir noch zu glatt und irgendwie auch nölend. Wann immer ich mir DAS FENSTER ZUM HOF und VERTIGO jedenfalls anschaue (mindestens einmal im Jahr), ich schaue sie mir immer und gerne in den 80er-Synchronfassungen an.
Ich stimme dem von der Seite her zu, dass Schneider in den "Neufassungen" (kann man nun fast garnicht mehr sagen ) wirklich TOP passt. Das er in den 50ern aber zu glatt klang finde ich nicht - ich würde eher sagen, dass die von dir beschriebene leichte Heiserkeit ihm auf keinen Fall schadete - es ändert nichts daran, dass Schneider die Leinwand-Performance von James Stewart passte wie ein perfekt sitzender, eingelaufener Hausschuh.
Was die Hitchcock-Zweitsynchros angeht, so finde ich bei "Vertigo" z.B. eine Mischung aus der Erstfassung und der 84er Fassung eigentlich perfekt (hier aufgrund der Besetzungen von Kim Novak - Schneider ist in beiden Fassungen großartig) und bei "Das Fenster zum Hof" bevorzuge ich eindeutig die Zweitfassung. Dies hier vor allem wegen der meiner Meinung nach etwas besser gelungenen Dialoge und ganz besonders wegen Ingeborg Wellmann für Stella (wie an anderer Stelle schon geschrieben gefällt mir Ursula Krieg nicht so gut in dieser Rolle). Ohne Siegmar Schneider aber hätte bei mir keine der Zweitfassungen eine Chance - es ist ein solcher Glücksfall, dass er diese Filme in den 80ern noch hat so toll einsprechen können. Und ich bin sogar sehr froh, dass man die Erstfassungen Anfang der 80er für verschollen hielt. Aus heutiger Sicht wäre es schön, wenn auch auf offiziellen Medien ALLE Fassungen dieser Filme komplett aufgespielt wären - das wäre genial. Dass es in der Geschäftswelt aufgrund von Rechteproblemen halt oft nicht so ist wie sich "Fans" das so wünschen ist halt einfach so.
Zitat von fortinbras im Beitrag #22Siegmar Schneider und James Stewart haben eine der fruchtbarsten, intensivsten und einzigartigsten "Synchronpartnerschaften" überhaupt, für mich so genial wie Walter Bluhm/Stan Laurel oder Sean Connery/GGH.
Dem ist nichts hinzuzufügen - das sehe ich auch absolut so. Besser ging's nicht.
Zitat von John Connor im Beitrag #21Noch ein Wort zu den beiden Synchronfassungen von COCKTAIL. Ich ziehe die 1984er Zweitsynchro ohne Zögern der Erstfassung eindeutig vor. Zum einen finde ich Ernst Jacobi für Farley Granger in der Erstsynchro enorm nervig, Dittberner dagegen viel überzeugender und obendrein noch geradezu phantastisch.
Und Helmut Gauß würdest du auch Joachim Pukaß vorziehen? Mir gefällt Pukaß deutlich besser, während Gauß eher übertrieben klingt.
Zitat von John Connor im Beitrag #21Für mich funktioniert COCKTAIL FÜR EINE LEICHE in allererster Linie als grandioses formales Experiment, das als solches noch heute sehenswert ist. Die Besetzung ebenso wie die Thematik sind da vergleichsweise eher von nachrangiger Bedeutung.
Die Idee eines Films ohne sichtbare Schnitte erscheint zunächst reizvoll, in der Ausführung ist sie es leider nicht durchgehend. Warum? Einmal, weil sie nicht konsequent durchgehalten wird (an einigen Stellen gibt es Schnitte, ohne dass die Kamera auf den Rücken eines Schauspielers oder ein Objekt gerichtet wäre), aber vor allem, weil die Idee sich irgendwann abgenutzt hat und die langen Kamerafahrten dann eher eitel wirken.
Na ja, das Experimentelle an ROPE liegt ja nicht darin, dass die Produktionsbedingungen die formale Gestaltung des Films erzwungen hätten (wie dies bei frühen Live-Fernsehspielen der Fall war), sondern dass Hitchcock sich bei einer Großproduktion innerhalb des Hollywood-Studiosystems eine derartige Extravaganz leisten konnte.
Und man muss hier schon präziser formulieren und argumentieren, wenn man ROPE seine filmgeschichtlich avantgardistische Leistung absprechen will: es ist gerade NICHT der Verzicht auf sichtbare Schnitte, der die Besonderheit dieses Films ausmacht – der Imperativ des unsichtbaren Schnitt ist sogar im Gegenteil eines der charakteristischen Merkmale des Klassischen Hollywood-Kinos bis Ende der 1950er. Und es war gerade Hitchcock, der immer wieder gegen diese stillschweigende filmästhetische Übereinkunft verstoßen hat, und zwar bewusst verstoßen hat: das im Kontext des klassischen Erzählkinos verpönte Lenken der Aufmerksamkeit auf das Formale, auf das Gemachtsein ist ja eines der typischen Kennzeichen des Hitchcock-Stils überhaupt, zusammen mit der entfesselten Kameraführung.
Das Besondere an ROPE ist zum einen die überdurchschnittliche Länge der Einstellungen –das muss die Sehgewohnheiten des zeitgenössischen Kinopublikums enorm herausgefordert haben -, zum anderen der Versuch, die doch recht überdeutlichen Übergänge mit der inhaltlichen Ebene zu korrespondieren, mit Wendepunkten, mit Retardierungen, mit Höhepunkten (und dass einige Übergänge, die mittels konventionellen Schnitts erfolgen, entsprechend ein Fingerzeig darauf sein soll, dass es hier keine inhaltliche Markanz gibt).
Dieser ganze Kram ist freilich nur eine cineastische Spielerei, der Film funktioniert auch prächtig als Suspense-Thriller.
Zitat von fortinbras im Beitrag #15Das muss ja skurril gewesen sein, auf zwei Versionen gleichzeitig zurückgreifen zu können-ehe man via Dvd Tonspurwechsel machen konnte. Schneider klang für mich in den 80er-Fassungen der Hitchcock-Stewart-Filme erstaunlich frisch von der Stimme her. Leider habe ich von allen niemals die originale Kinoversion gesehen. Dafür von Glenn Miller die neue Fassung nicht. A so a Pech aber auch...!
Die Erstfassung von "Cocktail" ist ja inzwischen über Blu Ray und TV-Ausstrahlungen erreichbar.
Und die Neusynchro der Glenn Miller Story findet sich
Zitat von Markus im Beitrag #7auf dem Video, das es antiquarisch noch zu kaufen gibt.
Im Juli 2014 bringt Koch Media "Die Glenn Miller Story" als DVD und BD. Enthalten sein sollen "als Hauptfilm die 80er Jahre-Fassung mit der zugehörigen 80s-Synchro und im Bonusmaterial die alte 50er Jahre Fassung ... mit der alten Synchro. "Die Hauptfassung [kommt im Format] 1.33:1, die Bonusfassung 1.85:1."
Koch Media ist für deutsche Filmfans wirklich eine Wohltat. Erst IM ZEICHEN DES BÖSEN vorbildlich veröffentlicht und jetzt GLENN MILLER. Ich bin begeistert.