ich bin vor kurzem auf diese russische Verfilmung des Agatha-Christie-Klassikers "Zehn kleine Negerlein" gestoßen. Sie soll ganz grandios sein, werkgetreu, atmosphärisch düster und spannend - Meinungen zufolge, die auf der amerikanischen DVD-Ausgabe (in Om engl. U) beruhen.
Ich hatte von dieser Verfilmung noch nie etwas gehört und war umso erstaunter, als ich in der OFBD einen Eintrag zum Film entdeckte. Leider gibt es keinerlei Angaben zu einem deutschen Kinostart, einer Videoveröffentlichung oder Fernsehausstrahlung. Allerdings ist der Film unter dem deutschen Titel "Das letzte Weekend" gelistet. Das könnte schlicht eine Übersetzung des Originaltitels sein oder eine Anlehnung an die Erstverfilmung "Das letzte Wochenende", aber ich würde hoffen, er beruht auf Fakten.
Hat jemand den Film in deutscher Synchronisation schon einmal gesehen oder weiß zumindest, dass er hierzulande gezeigt wurde? Die Filmbeschreibung etwa bei http://www.mondo-digital.com/tenlittle.html klingt sehr interessant, ich würde ihn gerne einmal sehen...
Zitat von MarkusEs gibt also vermutlich eine (Defa-)Synchronisation des Films.
"Desyat Negrityat" (RUS 1987) Deutsche Fassung: "Das letzte Weekend" (1989)
DEFA Studio für Synchronisation Dialog: Gudrun Ickler Regie: Klaus Zippel Schnitt: Christina Fischer Ton: Ralph Kollowa
Richter Wargrave (Wladimir Seldin) Walter Niklaus Vera Claythorne (Tatjana Drubitsch) Elke Schuhrk Mr. Lombard (Alexander Kaidanowski) Hans-Dieter Leinhos Mr. Blore (Alexej Sharkow) Ralf Dittrich Dr. Armstrong (Anatoli Romaschin) Siegfried Voss General MacArthur (Michail Glusski) Günter Grabbert Miss Brent (Ljudmila Maksakowa) Ruth Friemel Mr. Marston (Alexander Abdulow) Bernd Stübner Mrs. Rogers (Irina Tereschtschenko) Monika Pietsch Mr. Rogers (Alexej Solotnizki) Matthias Hummitzsch
Die deutsche Fassung ist an mindestens einer Stelle geschnitten:
Nachdem Rogers am Abend nach der Ermordung des Generals die Negerfiguren eingeschlossen hat, folgen im Original zwei Alptraumsequenzen. Lombard träumt, daß er in sumpfigem Gebiet von einem Zombie attackiert wird, und Miss Brent glaubt, ihr totes Dienstmädchen vor dem Fenster zu sehen, das sie anfleht, sie hereinzulassen, woraufhin sie ihre Bibel durch die Scheibe wirft.
Die deutsche Fassung setzt direkt am nächsten Tag ein.
Bei der mir vorliegenden Fassung ist auch Miss Claythornes Selbstmord am Ende leicht abgehackt, was aber an einem Filmriss liegen kann.
Leider legt sich die (ansonsten gelungene) Synchro selbst ein Ei, indem sie den Ankläger von der Schallplatte ebenfalls von Walter Niklaus sprechen läßt, der seine Stimme zwar verstellt, aber trotzdem eindeutig zu erkennen ist. So kommt selbst der buchunkundige Zuschauer (zu) schnell auf den Täter.
Sehr gute Verfilmung von "Zehn kleine Negerlein". Aus synchrontechnischer Sicht aber auch nicht die Beste. Neben der Sache im Spoiler beschrieben, gibt's einige sehr gewöhnungsbedürftige Besetzungen wie Elke Schuhrk und Berndt Stübner, die mir einfach zu farblos agieren.
Elke Schuhrk finde ich gar nicht übel, viel mehr stört mich Leinhos - viel zu alt für Kaidanowski (ich habe ewig gebraucht, bis ich Tarkowskis "Stalker" in ihm erkannte). Obwohl ich Justus Fritzsche nicht so schätze, hätte ich ihn hier weit bevorzugt ... oder Dieter Bellmann, trotz der Klischeehaftigkeit.
Weitere geschnittene Sequenzen neben den bereits erwähnten: Die Erzählung des Richters zu Anfang wurde merklich gekürzt. Blores Erläuterung, dass Rogers seine Frau umgebracht haben könnte, sind ebenfalls deutlich geschnitten. Nach der Entdeckung der nur noch 7 Negerlein endet eigentlich der erste Teil mit einem düsteren C (in der deutschen Fassung endet die Musik offen - klingt auch nicht schlecht) und der russische Titel wird eingeblendet. Das darauf folgende Gespräch wurde um die Hälfte gekürzt.
Mit Ausnahme vielleicht des ersten Schnittes diente alle wohl vor allem dazu, den ursprünglichen Fernsehfilm auf zwei Stunden Kinolaufzeit zu bringen. Immerhin hat es ihn nicht so stark getroffen wie Goworuchins hervorragende "Tom Sawyer"-Verfilmung.
Zitat von Stefan der DEFA-Fan im Beitrag #5 Obwohl ich Justus Fritzsche nicht so schätze, hätte ich ihn hier weit bevorzugt ... oder Dieter Bellmann, trotz der Klischeehaftigkeit.
Oder um einen dritten Namen zu nennen (der stimmlich ein Mittelding zwischen Bellmann und Fritzsche ist): Gottfried Richter. Ideal wäre natürlich auch Siebenschuh gewesen (wie eben in "Stalker"). Aber in Leipzig war er ja sonst kaum zu hören, zumindest wüsste ich außer "Sherlock Holmes in New York" kein Beispiel.
Die im Spoiler kritisierte Entscheidung der Synchronregie ist ebenso unsinnig wie albern: Unsinnig, weil im Original (laut einer Besetzungsliste) natürlich nicht Wladimir Seldin, sondern ein nicht zur "eigentlichen" Besetzung gehörender Schauspieler zu hören ist. Albern, weil Walter Niklaus seine Stimme zwar verstellt, dies aber so tut, dass man die Verstellung bemerkt und ihn auch relativ schnell heraushört. Und der zitterig-krächzende Klang will auch nicht zu der bedrohlichen Stimmung passen, die durch die Musik und die betroffenen Gesichter der "Angeklagten" erzeugt wird. Zum Vergleich gibt es hier (05:26-06:56) die Anklage im Original:http://www.youtube.com/watch?v=B04FiLu3Xtg
Allerdings nach der angebenen Länge zu urteilen in der gekürzten deutschen Fassung. Immerhin wird die Bildqualität wahrscheinlich besser sein als die bisher verfügbaren Versionen.
Da scheint man sich bei Pidax langsam um sehr seltene Ostsynchros zu bemühen. Vor kurzen wurde ja auch noch die tschechische Version von "Der unheimliche Mönch" veröffentlicht: http://www.pidax-film.de/product_info.php?products_id=731
Sie suchen auch "Der Fall der verängstigten Lady" (BBC 1984), eine Verfilmung von "Das indische Tuch". Leider scheint die DDR-Synchro aber nicht mehr aufzutreiben zu sein. Wenn jemand hier sie also im Archiv hat - Pidax bescheid sagen!
Jep, ist die ungeschnittene Fassung. Die nicht synchronisierten Stellen sind im OmU, allerdings auch Marstons Ankunft am Hafen (die ersten 2-3 Sätze, die im Film überhaupt gesprochen werden), deutschen Ton gibt's erst nach der Ankunft auf der Insel. Da hat Pidax geschlampt (oder nur eine beschädigte/unvollständige Kopie der DEFA-Fassung erhalten), denn die Szene wurde synchronisiert.
fortinbras
(
gelöscht
)
Beiträge:
15.10.2015 21:19
#15 RE: "Das letzte Weekend"/"Desyat Negrityat" (RUS 1987/DF 1989)
Möglicherweise war meine Erwartungshaltung zu hoch, aber ich fand diese Verfilmung nicht wirklich so gelungen. Auch wenn sie sich enger als die anderen an den Roman hält und die Bühnenfassung ignoriert, bleiben die Charaktere großteils seltsam flach, farblos und fremd.
Die Synchronfassung tut ihr übriges, um einen schalen Gesamteindruck zu hinterlassen. Mit Ausnahme von Niklaus konnte mich keine Stimme wirklich überzeugen, die Synchronisation fand ich generell etwas uninspiriert und heruntergespult. Dabei hätte man da etwas aus dem langatmigen Film herausholen können.
Der weit verbreiteten Begeisterung für diese Verfilmung kann ich mich nicht anschließen. Keinesfalls so schwach und dämlich wie "Tödliche Safari", aber so leblos und blutleer wie es teilweise bei "Ein Unbekannter rechnet ab" der Fall ist.