zufällig fand ich die unten stehende Annonce für Lichtspieltheater-Besitzer aus dem Jahre 1949 wieder. (Ich glaube, die Branchen-Zeitschrift hieß „Film-Post“, ein Pendant zum späteren „film-echo/FILMWOCHE“.) Neben dem rührend anbiedernden Stil fällt besonders auf, dass die (männlichen!) Kinobetreiber anno 1949 recht deutlich auf die deutsche Synchronisation des „Streifens“ als Werbeargument hingewiesen werden. (Die politisch-satirische Parabel des Iren Jonathan Swift, veröffentlicht 1726, war natürlich kein „Volksmärchen.“)
SEHR GEEHERTER HERR THEATERBESITZER: Nun ist es endlich soweit,
daß Sie den immer lauter werdenden Wunsch des kinofreudigen Publikums nach den beliebten Zeichentrickfilmen stillen können: Paramount’s abendfüllender Zeichentrickfilm G U L L I V E R S R E I S E N (GULLIVER’S TRAVELS) ist eine herzerfrischende Köstlichkeit für Jung und Alt – ein filmisches Trickspiel voller amüsanter und stets überraschender Einfälle in bunten Bildern von Gulliver unter den Zwergen! Geht dem Film „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ schon ein gewisser Ruf voraus, so kann man ohne Zögern sagen, daß dieser farbige Streifen eine Steigerung des berühmten ‚Schneewittchen-Wunders’ darstellt. Durch hunderttausend Trickzeichnungen vieler hervorragender Künstler entstand hier unter der Regie von DAVID FLEISCHER’S ein prächtiges Farbenbild nach Jonathan Swifts berühmter und vielgelesener Erzählung. Diese märchenhafte Verfilmung eines wohlbekannten Volksmärchens ist ganz ohne Gruseln eine wohltuende Erbauung und gerade in unserer heutigen, sorgenvollen Zeit eine wahre Freude für alle – ganz gleich welchen Alters – die Phantasie haben und sich gern in ein funkelndes Märchenland entführen lassen. Durch eine außergewöhnliche Synchronisation wurde der Film noch mehr als bisher der deutschen Mentalität angepaßt: Die Umschreibung bzw. Neufassung der deutschen Texte besorgte der bekannte Münchner Dichter Ernst Petzold, der auf Grund seines dichterischen Schaffens hierfür besonders ereignet erschien. Die Regie führte Herbert Kroll von den Münchner Kammerspielen, dessen Märcheninszenierungen berechtigtes Aufsehen erregten, gemeinsam mit dem Schriftsteller Max Michel. Die Sprech- und Gesangsrollen übernahmen u.a. drei durch den Rundfunk allerorts bekannte und äußerst populäre Künstler: Magda Hain, Will Höhne und Franz Klarwein von der Münchner Staatsoper. Stellen Sie in Ihrer Werbung, um jegliche Mißverständnisse zu vermeiden, klar heraus, daß es sich um einen abendfüllenden Zeichentrickfilm und die hervorragende Verfilmung der bekannten Erzählung „Gullivers Reisen“ handelt. Neben der außergewöhnlichen Synchronisation, der Popularität dieses Märchens, den bezaubernden Trickzeichnungen und einer Fülle beschwingter Melodien, bietet allein schon die Tatsache, daß sich Zeichentrickfilme – besonders die im Technicolor-Verfahren hergestellten – bei uns größter Publikumsbeliebtheit erfreuen. 100% Sicherheit für den Riesenerfolg des Films GULLIVERS REISEN.
(Die US-Premiere fand übrigens am 18.11.1939 in Miami, Florida statt, weil die Max-Fleischer-Studios dort ansässig waren. Imdb bezeichnet den Film als: “The first American animated feature from a studio other than Disney.” In Deutschland brachte MPEA - Motion Picture Export Assiciation ihn heraus – siehe auch „Synchronisation in Deutschland“ v. Peter Hoffmann)