Diese Synchronisation vermag mehr Rätsel aufzugeben, als sie auf den ersten Blick vermuten lässt. Der Film wurde in der BRD am 14.03.1951 geprüft, lief aber bereits am 06.01.1950, möglicher Weise auch schon im Dezember 1949, in unseren Kinos an. Die Synchronisation, deren Hauptrollensprecher mir seit jeher schleierhaft waren, hätte ich insoweit auf 1949 datiert.
In Österreich lief der Film jedoch bereits im Juli 1937 im Verleih der MGM in Originalfassung mit deutschen Untertiteln an. Am 27.09.1937 wurde dann die deutsche Synchronfassung von "Die gute Erde" in Wien zur Vorführung freigegeben und ab Oktober 1937 in Österreich gezeigt.
Nachdem ich den Film nun wieder kurz eingesehen habe, war die Verblüffung groß. Während es sich bei der Synchro um eine Bearbeitung aus Berlin zu handeln scheint, in der Sprecher wie Erich Ponto, Walter Bluhm und Hans Quest zu hören sind, hat Luise Rainer hörbar eine österreichische Sprecherin. Und ich meine, da für Luise Rainer die Stimme zu erkennen, die auch als Schneewittchen in der vorliegenden, bislang auf 1938 datierten Synchronfassung zu hören ist. Das wäre nach neueren Erkenntnissen also Hortense Raky; wenn hier auch ein großes Fragezeichen stehen bleiben muss.
Sollte es sich hier also um die Vorkriegsfassung handeln, die dann nach dem Krieg erneut eingesetzt wurde? Oder gab es zwei Synchros und die Vorliegende stammt von 1949? Ich muss sie mir erst in Gänze und in Ruhe ansehen, um hier eine Beurteilung zu wagen.
Hortense Raky in einer 1937 in Berlin hergestellten Synchro - wäre das theoretisch überhaupt denkbar? Die deutsche MGM könnte den Film wohl vor dem Krieg in Berlin synchronisiert haben - sei es in der Hoffnung auf eine deutsche Freigabe, sei es nur im Hinblick auf den deutschsprachigen Auslandsmarkt. Und man könnte bewußt eine österreichisch anmutende Stimme ausgewählt haben im Hinblick auf Luise Rainer. Das alles würde sich im Sommer 1937 abgespielt haben und also gerade in jene Phase fallen, als Raky laut Weniger in Deutschland in Ungnade fiel. Es wäre demnach nicht völlig unmöglich, dass Raky noch im Frühjahr/Sommer 1937 die Aufnahmen in Berlin gemacht hat. Der Film lief vor dem Krieg auch in deutscher Fassung in der Schweiz.
Falls die Synchronisation aber von 1949 stammt wäre es eher unwahrscheinlich, dass Raky in Berlin synchronisiert hat zumal sie sich nach dem Krieg in Wien aufhielt.
Sind die Stimmen von Schneewittchen und Luise Rainer identisch?
Wenn sie identisch sind und Hortense Raky sich definitiv verifizieren ließe, muß die Synchro von "Die gute Erde" die Vorkriegsfassung sein.
Sind sie identisch und Raky scheidet aus: könnte das darauf hindeuten, das beide Filme um 1948/49 bearbeitet wurden? Das würde dann im Umkehrschluss aber heißen, dass es von "Schneewittchen" vier Synchros gibt: 1938, 1948, 1966 und 1994. Als österreichischer Starttermin für "Schneewittchen" nach dem Krieg ist der 25.06.1948 verbürgt; in der BRD lief es erst ab März 1950.
Dann bliebe noch die Variante: Sprecherin ist identisch aber einen der beiden Filme hat sie vor, den anderen nach dem Krieg synchronisiert.
Fragen über Fragen...
Unten nochmal drei Samples: Paul Muni und Luise Rainer, Schneewittchen und Hortense Raky.
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Hortense Raky 1937.mp3
Paul Muni - Luise Rainer.mp3
Schneewittchen 1938.mp3
Rein subjektiv würde ich das eher verneinen, daß Hortenese Raky zu hören ist. So eine spezielle Sprachfärbung höre ich bei Schneewittchen und Raky - das ist für mich dieselbe Stimme, nicht aber bei Luise Rainer. Diese Stimme erinnert mich allerdings sehr stark an die jüngere Vilma Degischer, die nahezu ohne Wiener Einklang sprechen konnte.
Die nach dem Krieg in der BRD eingesetzte Synchro von "Die gute Erde" war gekürzt; die österreichische Vorkriegsfassung jedoch ungeschnitten. Die TV-Kopie ist vollständig. Entweder wurde nach dem Krieg die VK-Synchro runtergeschnitten oder eben gekürzt neu synchronisiert. Falls letzteres der Fall war wäre es nur naheliegend, dass man - soweit vorhanden - für TV auf die vollständigste Synchro zurückgreift und das wäre dann die Vorkriegssynchro.
Britische Länge (09.03.1937) 3770 Meter = 137’47 (24 B/S) bzw 132’17 (24 B/S) Österr. Länge (27.09.1937) 3750 Meter = 137’04 (24 B/S) bzw 131’35 (25 B/S) Deutsche Länge (14.03.1951) 3294 Meter = 120’24 (24 B/S) bzw 115’35 (25 B/S) Deutsche Länge TV 3773 Meter = 137’54 (24 B/S) bzw 132’23 (25 B/S) Dt. Kürzung Kino 1949/50 zu TV 479 Meter = 17’30 (24 B/S) bzw 16’48 (25 B/S)
Vilma Degischer würde wohl weder 1937 noch 1949 gut in eine Synchro mit Berliner Sprechern passen. Andererseits wissen wir, dass sie 1937 Ann Sheridan in "Flucht nach San Quentin" für Warner Bros. in Wien synchronisierte Flucht aus San Quentin (USA 1937 - DF 1937)
Hier nochmal ein kurzes Sample von Luise Rainer, das mich sehr an Schneewittchen erinnert.
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Luise Rainer 2.mp3
Ich glaube, dass MGM "The Good Earth" bereits 1937 in Berlin hat synchronisieren lassen. Der Film wurde jedenfalls von MGM in Deutschland zur Prüfung vorgelegt und von der Kontingentstelle verboten- was angesichts der jüdischstämmigen Hauptdarsteller nicht verwunderlich war. Das gleiche Schicksal erlitt der auch bei Paimann angesprochene "Eine Dame der Gesellschaft" mit William Powell und Joan Crawford. Auch hier Verbot der Kontingentstelle (vermutlich wg. Joan Crawford, die sich 1936 einer Anti-NS-Organisation angeschlossen hatte). "Eine Dame der Gesellschaft" wurde jedenfalls in Berlin eingedeutscht- angesichts der Sprecher Siegfried Schürenberg, Lu Säuberlich, Harry Liedtke, Margarete Kupfer und Will Dohm, die man wohl kaum alle nach Wien gebracht hätte. Einzig Erich Nikowitz (für Robert Montgomery) passt da nicht hinein- aber vielleicht war der mal kurz in Berlin?
Ein weiteres Indiz für Berlin ergibt sich für mich aus den Paimann-Listen. Dort wird ja immer das jeweilige Tonsystem angegeben. Bei synchronisierten Filmen jener Jahre findet man dort immer "System Tobis-Klangfilm", was damals standartmäßig bei in Deutschland synchronisierten Filmen im Vorspann angegeben wurde. Bei den in Wien synchronisierten Filmen "Flucht aus San Quentin" oder "Drei süße Mädels" findet man bei Paimann hingegen das österreichische "Selenophon"...
"Tobis-Klangfilm" findet man sowohl bei "Die gute Erde", als auch bei "Eine Dame der Gesellschaft"...und auch beim Marx-Brothers Film "Skandal auf der Rennbahn". Bei dem Letzteren kann man davon ausgehen, dass MGM wohl keinen Deutschland-Einsatz geplant hatte- verboten wurde er jedenfalls nicht.
"Flucht aus San Quentin":
"Skandal auf der Rennbahn":
Damit ist natürlich noch nicht beantwortet, welche Fassung von "Die gute Erde" da 1949/50 in den deutschen Kinos lief...ich würde ja fast auf die Vorkriegsfassung tippen...
Zu den Samples: ich kann da durchaus eine Ähnlichkeit zwischen Raky und Rainer heraushören, aber mit den Damen ist das ja so eine Sache. Paul Munis Stimme kommt mir auch bekannt vor, aber da tappe ich noch im dunkeln.
Die Samples zu Schneewittchen und Hortense Raky sind für mich stimmlich ident, auch wenn bei ersterem die Sprachfärbung leicht unterdrückt ist.
Die Stimme Luise Rainers in "Die gute Erde" ist sicher so verwandt wie jene von Eleonore Noelle mit der Marianne Kehlaus. Aber persönlich fehlt mir hier die spezifische Spracheinfärbung. Mich erinnert die Stimme an due junge Degischer, aber daß sie es ist, würde ich nicht behaupten wollen.
Nach Sichtung und heutigem Wissensstand würde ich die Synchro auf 1937 datieren. Die Ausbeute ist entsprechend gering:
DIE GUTE ERDE
(The Good Earth)
USA 1937
Erst-Verleih Österreich MGM, Wien Erst-Verleih BRD MGM, Berlin Österreichische Erstaufführung 16.07.1937 (OmU) / Oktober 1937 (Synchronfassung) Deutsche Erstaufführung Dezember 1949 / 06.01.1950 TV-Erstausstrahlung 16.08.1970, ARD
Deutsche Bearbeitung MGM, Berlin (1937) Dialogregie Deutsches Buch
Rolle Darsteller Deutsche Sprecher
Wang Lung Paul Muni O-Lan Luise Rainer Onkel Walter Connolly Franz Weber Lotus Tilly Losch Alter Vater Charley Grapewin Erich Ponto Cuckoo Jessie Ralph Tante Soo Yong Der ältere Sohn Keye Luke Der jüngere Sohn Roland Lui Hans Quest Die kleine Närrin Suzanna Kim Ching Ching Wah Lee Walter Bluhm Cousin Harold Huber Liu, Getreidehändler Olaf Hytten Torwächter William Law Die kleine Braut Mary Wong Hauptmann d. Revolutionsarmee Philip Ahn Bankier Charles Middleton Pfirsichhändler ?? Wilfried Seyferth
"Die gute Erde" dürfte damit, soweit bekannt, der einzige Hollywood-Film sein, der mit Vorkriegs-Synchro im Fernsehen gezeigt wird. Leider hat man auf die bei TCM gesendete Fassung einen üblen Filter losgelassen. Das Rauschen wurde zwar belassen, der Filter regelt aber permanent hoch- und runter. So ist die Tonspur von Pegelschwankungen durchzogen; wenn es still wird, regelt der Filter ganz ab. Das fällt bein Ansehen auf Dauer gehörig auf die Nerven.