Zitat von Slartibartfast im Beitrag #13Akademiker werden oft als praxisfern oder auch gefühlskalt dargestellt
Bei vielen meiner Profs kann ich das bestätigen. Weiß nicht, ob es die Mehrheit ist, sind aber jedenfalls die, die einen am meisten nerven. Liegt aber vielleicht auch daran, dass ich mein Studium leider generell als eher praxisfern wahrnehme, auch wenn es da sicherlich noch schlimmere Beispiele gibt.
Der Vorwurf ist ja auch ein globaler geworden und wird auch z.B. den Gymnasien vorgeworfen. (Thema letztens bei "Hart aber fair": Zu wenig Google, zu viel Goethe? - Zum Glück waren zwei sehr souveräne Experten da, die die schulische Allgemeinbildung sehr nachvollziehbar versteidigt haben.) Aber ein Studium muss schon zuerst die Theorie vermitteln, Praxis sammelt man in der Berufsausbildung.
Zitat von Isch im Beitrag #14Politikern wird fast alles vorgeworfen. Inwieweit sich da der Vorwurf des "Professor-Seins" an einen Herrn Lucke von dem des "Taxifahrers" an einen Joschka Fischer heraushebt sei mal dahingestellt, zumal die meisten in den vorderen Reihen Akademiker sind. Der Ruf von Akademikern allgemein wird von Politikern vermutlich am ehesten durch unsaubere Doktorarbeiten in Schmutz gezogen, leider auch, weil die Medien über positiv ausgegangene Prüfverfahren, wie etwa im Falle Steinmeier, weniger berichten.
Wobei man sagen muss, dass diese Dissertationen m.W. alle "nur" geisteswisenschaftliche Inhalte hatten. Oder ein wenig chauvinistisch ausgedrückt: In einem naturwissenschaftlichen Fach wäre das nie passiert, schon deshalb, weil Betrügereien dort sofort auffallen...)
Zitat von Isch im Beitrag #14Studien in den "humanities" hinken meines Erachtens gegenüber naturwissenschaftlichen: Was ist, wenn Sabine eigentlich Behaarte mag, aber bei Erik und Jochen gerade das Glatte attraktiv findet? Oder was ist, wenn sie Behaarung ab einem gewissen Grad unattraktiv findet? Für solche Dinge gibt es in den üblichen Ja/Nein-Fragebögen keinen Platz. Auch die inzwischen beliebten "eher ja" oder "eher nein" Abstufungen können dies nur unzureichend wiedergeben.
Zumindest hier sind wir uns einig.
@forti: Emotional an ein Them ran zu gehen ist völlig legitim, nur ist der Ansatz der Akademiker es genauso. Viele - damit meine ich nicht dich persönlich - schaffen es aber nicht, zu differenzieren oder auch nur ansatzweise über den Tellerrand zu kucken.
Wobei aber auch naturwissenschaftliche Forschung über Frage, ob sie die Realität abbildet, nicht erhaben ist. Grundlage jeder Messung ist eine Theorie, deren Belastbarkeit von der Messung bestätigt oder widerlegt wird. Wenn ich wissen will, warum Dinge auf den Boden fallen, werde ich zuerst eine Theorie über so etwas wie Gravitation entwickeln und dann in die Empirie gehen. Wenn sich dann meine Annahmen bestätigen, weiß ich nicht, ob es deswegen tatsächlich eine Erdanziehungskraft gibt, sondern nur, dass meine Gravitationstheorie in der Lage ist eine adequate Beschreibung für das Phänomen zu liefern, dass Dinge herunterfallen. Geisteswissenschaftliche Theorien lassen sich bloß schwerer verifizieren und daher leichter anfechten, weil sie zu viele Faktoren beinhalten. Das größere Problem, dass die Geisteswissenschaften haben ist aber die Rechtfertigungsfrage. Ich persönlich neige daher auch dazu, den Sinn in den Geisteswissenschaften eher in der Schulung von Kompetenzen, als im Erhalten von "Ergebnissen" zu sehen. Die Psychologie, in deren Bereich die hier diskutierte Studie fällt, scheint mir manchmal eine Art "Zwischenwesen" zu sein. Ein IQ zum Beispiel lässt sich sehr leicht messen, die Aussagekraft der Messung ist jedoch abhängig vom jeweilig zugrunde liegendem Intelligenzmodell. Von diesen gibt es mehrere konkurrierende und vermutlich wird das auch immer so sein (Im Gegensatz zu naturwissenschaftlichen Theorien). Denn letztlich ist die Frage "Wann ist jemand intelligent?" immer abhängig von der eher philosophischen Frage "Was ist Intelligenz überhaupt?", deren Beantwortung nicht eindeutig möglich ist.
Zitat von E.v.G. im Beitrag #18tiefe Männer sind nicht immer sexy, sage ich als Frau. Bsp: die US Trailer-Sprecher, zu übertrieben cool=nervtötend
Ob die US-Trailer-Stimmen nun auf Frauen sexy wirken oder nicht kann ich zwar nicht beurteilen, teile aber deine Meinung dazu: Das wirkt auf mich auch immer dermaßern aufgesetzt - wobei ich das teilweise hierzulande (da fast jeder zweite Trailer irgendwie von Joachim Kerzel gesprochen wird :-)) auch manchmal so empfinde. Irgendwie wie Werbung aus den 50ern. "TRINKEN SIE MILCH, DENN MILCH MACHT SIE GESUND. DIESE MILCH - ES IST DAS, WAS SIE BRAUCHEN UND NICHT MEHR" - so wird ein Film meinem Empfinden nach oft beworben.
Teilweise wirklich total bekloppte Texte im Trailer und dermaßen aufgesetzt, das man sich fast veraxxxx vorkommt "The GREATEST adventure EVER seen! Watch PICTURE X - a thrill ride like NO OTHER"
Zitat von Slartibartfast im Beitrag #16Wobei man sagen muss, dass diese Dissertationen m.W. alle "nur" geisteswisenschaftliche Inhalte hatten. Oder ein wenig chauvinistisch ausgedrückt: In einem naturwissenschaftlichen Fach wäre das nie passiert, schon deshalb, weil Betrügereien dort sofort auffallen...)
Ja, das mag in der öffentlichen Wahrnehmung so wirken. Viele medial exponierte Menschen aus dem Politikbereich haben ja auch einen geisteswissenschaftlichen Hintergrund. Ich glaube aber (ohne eine Statistik zu kennen), daß durchaus auch die Naturwissenschaften in signifikanter Zahl betroffen sind. Ich erinnere z. B. an den berühmten Fall Jan Hendrik Schön, der 2002 sehr hohe Wellen geschlagen hat, vgl. z. B. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-25396545.html). Zudem gibt es meiner Einschätzung nach viele Fälle in den medizinischen Fachbereichen (hier gibt es generell viele Promotionen, und es wird auch viel digital publiziert - sehr praktisch für die vielen selbsternannten Plagiatsjäger und ihre diversen Programme).
Aufgrund inhaltlicher Überschneidungen packe ich es einfach mal in diesen Thread, ohne einen eigenen aufzumachen: Die aktuelle "Zeit" enthält einen Essay von Martin Hecht ("Von Piepsmäusen und kernigen Bässen"), der eine ganze Seite (33) ausfüllt und sich damit beschäftigt, was die Verbreitung bestimmter männlicher und weiblicher Stimmen in Werbung, Synchronisation und Schauspiel aussagen könnte. "Squeaky (quietschende) weibliche Stimmen, die hochemotional oder erotisch klingen", seien "derzeit extrem angesagt", als Beispiel dafür werden Gabrielle Pietermann und Mayke Dähn genannt. Umgekehrt würden männliche Off-Stimmen wieder "möglichst tief und kernig klingen, wie der "Knödelsound" von Jens Thelen, der in der ARD-Sportschau so klänge, "als würde er in der Autowerbung ein neues Premium-SUV anpreisen". Laut dem Stimmforscher Michael Fuchs von der Uni-Klinik Leipzig seien männliche und weibliche Stimme während der letzten Jahrzehnte "eigentlich dabei" gewesen, "sich stimmlich anzunähern". Und gerade in den stark feministische geprägten skandinavischen Ländern würden "Frauen besonders tief" sprechen. Auch in der Politik sei der Kontrast zwischen männlichen und weiblichen Stimmen geringer "als noch vor fünfzig Jahren". Die Linguistin Susanne Günther von der Universität Münster sehe in der Rückkehr höherer Frauen- und kerniger Männerstimmen in Film und Werbung ein Zeichen für eine "Sehnsucht nach der traditionellen binären Ordnung zwischen den Geschlechtern, dem starken, kraftvollen und auch stimmlich markanten Mannsbild und dem süßen, schutzbedürftigen Weibchen". Diesen Wechsel hätten auch Hartwig Eckert von der Universität Flensburg oder die Liguistin Helga Kotthoff aus Freiburg bemerkt. Die Sprachwissenschaftlerin Ulrike Kaunzner aus Modena würde derzeit an einer Arbeit mit dem Titel "Die Stimme als Zeitzeuge" schreiben, in der es darum ginge, "wie sich weibliche und männliche Stimmen in der Radiowerbung seit den 1950er-Jahren verändert haben". Ines Bose und Clara Luise Finke von der Universität Halle hätten 2016 in einer Untersuchung die Frage untersucht, wie sehr das Nachlassen einer klassischen Sprechausbildung im Rundfunkt bemerkbar mache und bestimmte Stimmtypen fördere. Gert Rabanus wird mit den Worten zitiert: "Wer diesen neuen, frisch gepressten Sound beherrschen will, darf seine Worte nicht mehr natürlich aus dem Bauch- oder Brustraum herausbefördern, sondern muss sie aus Hals und Kehle drücken". Diese "Unsitte" habe Don LaFontaine durch die von ihm gesprochenen amerikanischen Trailer gefördert. "Und je mehr die Männer kräftig drücken, umso mehr machen sich die Frauen klein und scheu". Danach schreibt Hecht, in früheren Jahrhunderten hätten die Pfarrer auf der Kanzel den Sprachgebrauch der einfachen Menschen am stärksten geprägt. Mit der Einführung des Tonfilms habe im deutschen Sprachraum "die Berliner und die Wiener Schule" dominiert, in denen die Schauspieler viel "schnarrten". Um 1960 sei an deren Stelle eine "neue, oft launige Modulationsform" getreten, "die weniger geschult daherkam, mehr die Persönlichkeit des Akteurs ausdrückte, eine Art neuer Realismus, politisch und, ganz wie die Zeit, irgendwie anti". Die heutige Entwicklung dagegen sei "eine regelrechte Geschlechter-Restauration".
Natürlich muss man diese Interpretation des Autors (und teilweise der von ihm zitierten Fachleute) nicht teilen; aber da er sich offensichtlich intensiv mit der Materie befasst und dabei verschiedene Bereiche (Werbung, Synchronisation, Schauspiel, Moderation) einbezogen hat, wollte ich sie hier erwähnen. Zumal es auch in diesem Forum immer mal wieder zur Sprache kam, wie sich die Sprechkultur und Diktion im Laufe der Jahrzehnte verändert hat.
Passt vielleicht nicht ganz hier rein, aber ich hatte gestern einen Gedankengang, den ich mal so loswerden wollte:
Mir ist ehrlich gesagt ein wenig schleierhaft, wieso die meisten Leute anscheinend dazu tendieren, die rauchigen und kratzigen/"kaputten" Stimmen als "wohlklingender" zu empfinden als die glatten. Dabei sind doch gerade die rauen Stimmen diejenigen, die nicht wirklich "gesund" klingen. Das Phänomen habe ich übrigens nicht nur bei Synchronsprechern/-schauspielern beobachtet, sondern insbesondere auch bei Sängern.
Fragt man die Leute, welche Sänger aus ihrer Sicht eine "geile Stimme" besitzen, werden als erstes meistens Leute wie Bonnie Tyler oder Joe Cocker erwähnt.
Wie kommt es eigentlich, dass man einen Arnold Marquis z. B. als "wohlklingender" empfindet als - keine Ahnung - Wanja Gerick? Irgendwie ein wenig irrational, der Gedanke - findet ihr nicht? Dass heutige Sprecher durchschnittlich eher glattere Stimmen haben: Ist das nicht eigentlich eher "löblich"?
Zitat von Koboldsky im Beitrag #25Dass heutige Sprecher durchschnittlich eher glattere Stimmen haben: Ist das nicht eigentlich eher "löblich"?
Zumindest dann, wenn man raue und kratzige Stimmen mit starkem Rauchen oder Alkoholkonsum assoziiert - Dingen, die inzwischen deutlich negativer gesehen werden als vor einigen Jahrzehnten.
Ist jedenfalls ein interessantes Phänomen. Ich würde sagen, dass einem solch rauchige Stimmen markanter und damit auch interessanter erscheinen. Wenn ich an meine Lieblingsstimmen so denke dann ist das bei mir auch so. Nicht nur im Synchron, wo ich etwa vor allem Joachim Kemmer wegen seiner tiefen und rauchigen Stimme vergöttere (und natürlich seinem Gesangstalent). Zu meiner Schulzeit gab es etwa auch einen älteren Lehrer mit einer überaus markant-rauchigen Stimme. Passend dazu steckte in seiner oberen linken Hemdtasche immer eine Zigarettenschachtel. Sobald er den Mund aufmachte wurde es im Klassenzimmer immer ganz still und man konnte nicht anders als ihm gebannt zuzuhören. Er wusste aber auch mit seiner Stimme umzugehen und hatte auch sonst ein selbstbewusstes lässiges Charisma.
Natürlich sollte das nicht zu extrem werden. Leute, die hörbar eine richtig üble Raucherlunge haben, die zur Hälfte ihre Sätze rauskeuchen, findet meinem Eindruck nach auch kaum einer attraktiv. Hab aber ehrlich gesagt auch noch von niemanden gehört, dass sie entsprechend rauchige, kratzige Stimmen "wohlklingender" finden. Sie klingen einfach (ausgehend meiner bisherigen Lebenserfahrung) charismatischer und eindrucksvoller.
Zitat von Koboldsky im Beitrag #25Wie kommt es eigentlich, dass man einen Arnold Marquis z. B. als "wohlklingender" empfindet als - keine Ahnung - Wanja Gerick?
Weil Wanja Gerick nölt wie ein nerviger Teenager. Arnold Marquis konnte, wenn er nicht chargierte, eine enorme Souveränität ausstrahlen. Das hat nicht nur mit seiner tieferen Stimme zu tun, sondern auch mit einer gewissen Ruhe. Trotz des Jugendwahns seit mehreren Jahrzehnten - der schützende Patriarch ist noch nicht ganz aus unserem Denken verschwunden. Auch die Matriarchin übrigens nicht, weshalb Gisela Fritsch wahrscheinlich auch als "wohlklingender" empfunden wird als ... nein, hier möchte ich keinen Namen nennen, aber es gibt genug weibliche Stimmen, die an quietschende Kreide an einer Tafel erinnern. Gerade diese Piepstimmen haben allerdings auch ihre Fans ...
Stimmen, die etwas mitgenommen klingen, strahlen mehr Reife, Souveränität, Lebenserfahrung und Güte aus. Ich denke grad an Joachim Höppner.
Die besten Geschichtenerzähler sind nunmal nicht die Leute, die früh angefangen haben Kreide zu fressen. Hans Paetsch ist noch ein Beispiel für einen grandiosen Hörbuchinterpreten.