Warum bitte sollte die französische Sprache als regimefeindlich gelten? Ich bin immer wieder erstaunt, was für seltsame Theorien entwickelt werden ... Französisch dürfte bis in die 70er als Fremdsprache sogar weiter verbreitet gewesen sein als Englisch, also auf Platz 2 nach Russisch. Im Zweifelsfalle war Frankreich das kapitalistische Land, aus dem die meisten Filme in der DDR liefen, es gab in den 50er Jahren sogar eine Periode der kontinuierlichen Zusammenarbeit beider Filmindustrien. Ungefähr (aber das kann man immer nur grob schätzen) zwei Drittel der französischen Filme sind in der westdeutschen Synchronisation gelaufen, ca. ein Drittel wurde aus lizenzrechtlichen oder künstlerischen Gründen oder aber weil es keine westdeutsche Fassung gab von der DEFA synchronisiert - bei Serien dürfte der Prozentsatz höher gelegen haben.
Zitat von c.n.-tonfilmTheorie 5: Die DDR fertigte eine Synchronisation mit Deutsch untertitelten Liedern an – kann ich nicht beurteilen, wie wahrscheinlich so etwas wäre.
Nicht sehr wahrscheinlich - der einzige mir bekannte Fall ist "Cabaret" - wobei ich auch nicht mit Sicherheit sagen kann, ob die Untertitelung der Songs nicht sogar erst fürs Fernsehen angefertigt wurde.
Zitat von c.n.-tonfilmTheorie 6: Die DDR fertigte eine vollständige Gesangssynchronisation an. Hier kann ich ebenfalls nicht beurteilen, ob in der DDR zu der Zeit das künstlerische Potential und Know-How vorhanden gewesen wäre, eine Synchronisation auf dem Niveau von Filmen wie „My Fair Lady“, „Mary Poppins“ oder „Dr. Dolittle“ herzustellen? Gibt es Beispiele für andere zeitgenössische Musical-Synchronisationen, die in der DDR angefertigt wurden?
Ähem ... welches künstlerische Potential sollte fehlen? Keine gesangsfähigen Schauspieler? Keine fähigen Versdichter? Ich halte solche Theorien für sehr problematisch. Abseits davon gibt es einige russische Märchenfilme, deren Gesangsszenen als Präzedenzfälle gelten können - allerdings sind es eben die russischen Filme, die häufig eine Gesangssynchronisation unmöglich machten - hier wurden nämlich seit 1963 keine gesonderten Musikbänder für Lieder geliefert, so dass man nur die Wahl hatte, die Musikbegleitung komplett neu einzuspielen, die Lieder zu untertiteln oder deutsch zu übersprechen; leider wurde meist auf die letzte, preiswerteste Variante zurückgegriffen, obwohl viele Musicals aus der Sowjetunion gezeigt wurden (auch "Der blaue Vogel" als amerikanisch-sowjetische Co-Produktion läuft in diesem Fall als sowjetischer Film).
Zitat Ähem ... welches künstlerische Potential sollte fehlen? Keine gesangsfähigen Schauspieler? Keine fähigen Versdichter? Ich halte solche Theorien für sehr problematisch.
Hallo Stefan,
das war keine Theorie sondern eine Frage, da ich mich auf dem Gebiet der DDR-Synchronisationen und der osteuropäischen Filme weniger gut auskenne. Was mich interessieren würde sind Beispiele für Synchros aus der DDR die so bearbeitet wurden wie etwa "My Fair Lady" im Westen. Dabei ist freilich egal, aus welchem Land der entsprechende Film stammt. Das es keine US-Musicalsynchronisationen aus der DDR geben wird, ist mir schon klar. Aber wenn ich richtig verstanden habe gibt es also keinen Film mit DEFA-Synchro, der solch eine aufwendige Art der Bearbeitung erhielt?
Auf die Schnelle fällt mir da der sowjetische Film WAS IHR WOLLT (1956) ein, wo Mitglieder der Staatsoper Berlin die dt. Gesangsparts übernahmen. Willy A. Kleinau und Norbert Christian "sangen" ihre Zech-Lieder selbst. Gruß, Rolf
Ich möchte lösen. Nach Informationen der DEFA-Stiftung erwarb der DEFA-Außenhandel während einer Ankaufsreise in Paris im Dezember 1967 zwei 70mm-Kopien des Films in Originalfassung. Laut des offiziellen Zulassungsprotokolls des Ministeriums für Kultur ist der Film "für den Einsatz in den öffentlichen Lichtspieltheatern zugelassen (2 Kopien 70mm im Original)".
Der Außenhandel empfahl dem Progress-Filmverleih im Juli 1968, die beiden Kopien in Bratislava deutsch untertiteln zu lassen. Diese deutsche Untertitelung hat auch tatsächlich stattgefunden, denn bei den Einsatzhinweisen von Progress (Abteilung Filmpolitik/Filmeinsatz) vom 23.12.1968 findet sich folgender Vermerk: "Der Film kommt mit zwei deutsch untertitelten Kopien nur in der 70mm-Fassung zum Einsatz."
Der Film wurde in der DDR also nur in der französischen Originalfassung mit deutschen Untertiteln gezeigt. Wie viele Kinos gab es denn 1968 in der DDR, die 70mm spielen konnten und wo befanden sich diese? Selbst wenn es mehr als zwei waren mußten sich diese also zwei Kopien in der Nutzung teilen. Somit dürfte der Film auch in der DDR nur einen sehr eingeschränkten Zuschauerkreis gefunden haben.
EDIT: April, April! Die gesamte Geschichte ist frei erfunden; das Fragment eine Fälschung!
Die deutsche Gesangssynchronisation aus Westdeutschland hätte es 1968 um ein Haar tatsächlich gegeben. Durch Informationen eines Insiders sind nun nicht nur neue Hintergrundinformationen zum damals geplanten, aber verworfenen deutschen Kinostart ans Licht gekommen, sondern auch eine Deutsch gesungene Demo-Tonrolle. Setzt man das Puzzle zusammen, ergibt sich in etwa folgendes Bild:
Bereits im Herbst 1966 schloß die Centfox mit den Produzenten Gilbert de Goldschmidt und Mag Bodard eine Europa-Verleihoption über „Les Demoiselles de Rochefort“ für Italien, Spanien und Westdeutschland. Zu diesem Zeitpunkt waren über die Co-Produktion der parallel herzustellenden englischen Fassung die Verleihrechte für die USA und Großbritannien bereits an Warner Bros / Seven Arts bzw Warner Pathé vergeben. Nach dem gigantischen Erfolg von „Sound of Music“ standen bei Fox Musicals ganz im Trend: „Doctor Doolittle“ mit Rex Harrison, „Star!“ mit Julie Andrews und „Hello, Dolly!“ mit Barbra Streisand waren in Planung. Bei der Fox sah man in den „Demoiselles“ eine Art französisches „Sound of Music“, mit dem Potential, den Welterfolg von „Les Parapluies de Cherbourg“ noch um ein Vielfaches zu übertreffen. Außerdem ärgerte man sich darüber, dass Warner sich schon die Rechte für den englischsprachigen Markt geschnappt hatte.
Die französische Premiere des Films war im März; die Britische im Juni 1967. Laut einer kurzen Notiz im „Filmecho“ vom September 1967 war ein Deutschlandstart für Frühjahr 1968 vorgesehen. Bei der deutschen Fox in Frankfurt war man im Hinblick auf die verheerenden Einspielergebnisse von „Sound of Music“ zunächst skeptisch. Außerdem waren „Les Parapluies de Cherbourg“ bei uns im November 1965 nur untertitelt und als bescheidener Arthouse-Film im Kleinstverleih Accon herausgekommen. Der amerikanische Mutterkonzern sah nun genau darin eine vertane Chance und hatte das Scheitern von „Sound of Music“ auf dem deutschen Markt längst mit der ungeeigneten Nazi-Thematik abgehakt. Die „Demoiselles“ aber konnten bei entsprechender Vermarktung ein ganz großes Filmereignis wie „My Fair Lady“ oder „Mary Poppins“ werden. So gab man auch bei uns grünes Licht für eine aufwendige Gesangssynchronisation. Mit der deutschen Bearbeitung wurde die BSG beauftragt; Fritz A. Koeniger sollte die deutschen Dialoge und Liedertexte verfassen; Dietmar Behnke Regie führen. Da Koeniger mit den Texten auf Basis einer Rohübersetzung nur schleppend vorankam, stellte man ihm schließlich Eberhard Cronshagen zur Seite, der damit auch gleichzeitig Behnke als Regisseur ablösen sollte.
Bei der Besetzung der Sprech- und Gesangsrollen war der Fox das Beste und Teuerste gerade gut genug. Für adäquate Gesangsdoubles durchforstete man sowohl die zeitgenössischen Bühnenbesetzungen erfolgreicher Berliner Musical- und Operetteninszenierungen als auch die aktuelle Hitparaden- und Schlagerlandschaft. Dialogbuch und Liedertexte waren jedoch Anfang 1968 erst in unterschiedlich ausgereiftem Stadium fertiggestellt. Die vorgesehene finale Wunschbesetzung stand wie folgt fest (zusammengestellt nach internen Unterlagen und diversem Schriftverkehr); nunmehr strebte man einen Start im Herbst 1968 an:
Deutsche Bearbeitung Berliner Synchron GmbH Wenzel Lüdecke, Berlin/West (Sommer 1968) Dialogregie Eberhard Cronshagen Buch und Liedertexte Fritz A. Koeniger und Eberhard Cronshagen Produktionsleitung Günther Kulakowski
Rolle Darsteller Französische Sänger Deutsche Sprecher Deutsche Sänger
Delphine Garnier Catherine Deneuve Anne Germain Uta Hallant Heidi Brühl Etienne George Chakiris Romuald Figuier Herbert Stass Rex Gildo Dialoge: Jacques Thébault Solange Garnier Françoise Dorléac Claude Parent Marianne Lutz Karin Hübner Maxence Jacques Perrin Jacques Revaux Christian Wolff Reinhard Mey Simon Dame Michel Piccoli Georges Blaness Wolfgang Kieling Udo Jürgens Guillaume Lancien Jacques Riberolles Jean Stout Michael Chevalier Rainer Bertram Bill Grover Dale José Bartel Ulrich Lommel Peter Kraus Dialoge: Dominique Tirmont Josette Geneviève Thénier Alice Herald Ingeborg Wellmann Ingeborg Wellmann Subtil Dutrouz Henri Crémieux kein Gesang Klaus W. Krause -- Judith Pamela Hart Christiane Legrand Ursula Herwig Alice Kessler Esther Leslie North Claudine Meunier Ilse Pagé Ellen Kessler Boubou Garnier Patrick Jeantet Olivier Bonnet Stefan Sczodrok Stefan Sczodrok Andy Miller Gene Kelly Donald Burke Erik Ode Horst Winter Yvonne Garnier Danielle Darrieux Danielle Darrieux Edith Schneider Monika Dahlberg
Sprecher und Sänger wurden imho wirklich so gekonnt gewählt, dass der Film bei allen denkbaren Hürden, ihn adäquat einzudeutschen, im inneren Ohr doch eine konkrete Gestalt annimmt. Offene Brüche in Dialog/Gesang hätte es wohl kaum gegeben. Eine clevere Kombi sehe ich auch in der Paarung Ode/Winter (offenbar war sich zum Zeitpunkt der Besetzung niemand bewusst, dass Gene Kelly im Film gar keine Dialoge hat). Ode hätte diese Partien mit seiner Naturstimme niemals gemeistert; Winter kommt im Timbre der etwas kreidigen Stimme Odes und Donald Burke sehr nahe. Die Kessler-Zwillinge waren zunächst auch für die Hauptrollen Germain und Parent im Gespräch. Letztlich hatte man Bedenken, dass die Partien gesanglich zu schwierig wären. Auch bei Hübner und Brühl war man sich unschlüssig, wer nun für welche Schwester singen sollte. Glaubt man einer Anekdote, orientierte man sich für ihre deutschen Pendants letztlich dann an der Haarfarbe (!) der jeweiligen Hauptdarstellerin. Den Part von Jacques Revaux sollte ursprünglich Peter Beil übernehmen. Ein mit Kulakowski befreundeter Mitarbeiter des Plattenlabels Intercord brachte dann aber Reinhard Mey ins Gespräch, der gerade mit seinem ersten Album Triumphe gefeiert hatte - und rannte offene Türen ein. Da Beil schon einen Vertrag mit der BSG hatte, durfte er als Ausgleich im selben Jahr in der BSG-Bearbeitung (Buch: Koeniger; Regie: Behnke) des Paramount-Films „Half a Sixpence“ den deutschen Synchrongesang für Tommy Steele übernehmen, Conny Froboess sang darin für dessen Partnerin Julia Foster.
Im Frühjahr 1968 kam das bisher mit so viel Enthusiasmus und Kreativität vorangetriebene Projekt dann plötzlich ins Stocken. Es zeichnete sich ab, dass der Film in Frankreich und England längst nicht die Erwartungen erfüllte, die man in ihn gesetzt hatte. In den USA war er zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht angelaufen. In Spanien hatte die Fox bereits die Reißleine gezogen und die fertiggestellte Gesangssynchronisation unter Vereinbarung eines Sharings an den einheimischen Verleiher Bengala Films weitergereicht, der den Film dort am 12.02.1968 startete. In Italien legte man Synchronisation und Kinostart ganz auf Eis. Für Deutschland wollte die Fox unter diesen Umständen trotz der bereits geleisteten umfangreichen Vorarbeiten nun auf jeden Fall den amerikanischen Kinostart am 11.04.1968 abwarten. Mit zunehmendem Unbehagen dämmerte es den Verantwortlichen, dass man aufs falsche Pferd gesetzt hatte. Nach wenigen Wochen zeichnete sich in den USA ein Totalflop ab. Damit wurde das Projekt vermutlich irgendwann Mitte/Ende Sommer 1968 für Deutschland endgültig beerdigt. In Italien hatte Fox seine Option zwischenzeitlich an den kleineren Verleiher Generalcines weitergegeben. Dieser bescherte dem Film dort schließlich im Dezember 1968 in einer um 30 Minuten gekürzten und inhaltlich entstellten Synchronfassung mit untertitelten französischen Liedern unter dem nichtsagenden Titel „Josephine“ noch einen völlig glanz- und erfolglosen Kinoeinsatz.
Das deutsche Dialogbuch und die damals erstellten deutschen Textbearbeitungen sind heute nicht mehr auffindbar. Damit wäre die Geschichte hier eigentlich zu Ende, wäre nicht völlig unerwartet ein deutsch synchronisiertes Fragment auf merkwürdige Weise aufgetaucht. Ein Filmfan und langjähriger Mitarbeiter eines Berliner Kopierwerks sammelte über viele Jahre hinweg Fehlkopierer und Muster aus dem Tagesbetrieb, die eigentlich zur Vernichtung bestimmt waren. Er war insbesondere immer auf der Suche nach Schlager- und Musiknummern, die er sich zu Hause auf seinem Filmprojektor ansehen konnte. So trug er über die Jahre einen stattlichen Bestand an Teilen aus Arbeitskopien von Film- und TV-Produktionen der 60er und 70er Jahre zusammen. Nach seinem Tod lagerte das Material viele Jahre mehr oder weniger unzugänglich in einem von oben bis unten vollgestopften Keller. Unter den auf Rollen zusammengeklebten Ausschnitten befanden sich auch einige auf s/w-Material kopierte Musiknummern aus den „Demoiselles“ im französischen Original. Ein Karton mit dem knappen Vermerk „Maxente (sic) Test 14/03 Johanssen“ aber enthielt eine Lichttonrolle die das Lied von Jacques Revaux auf Deutsch gesungen enthält.
Wer sich bisher immer gefragt hat, ob und wie man für diese Lieder überhaupt eine stimmige deutsche Übersetzung finden kann – es geht! Der Text überträgt den Gehalt des Liedes imho gelungen ins Deutsche ohne sich starr ans Original zu klammern. Schwach hingegen ist der deutsche Sänger, der mit den anspruchsvollen Harmonien spürbar zu kämpfen hat und doch recht überfordert wirkt. Über ihn war nicht viel mehr herauszubekommen, als dass es sich um einen holländischen Entertainer und Schauspieler handeln soll, der sich Joos Harry Johansson nannte und in den 60er Jahren zeitweilig in Berlin als Sänger und Pianist in diversen Nachtlokalen auftrat. Vermutlich also ein reiner Test mit jemandem, der gerade eben dafür greifbar war. Ich habe versucht, die Aufnahme synchron unter das Filmbild zu legen. Das gelingt nur bedingt und liegt schon an der Aufnahme selbst. Das Hörerlebnis ist klanglich ziemlich eingeschränkt, vermittelt trotz aller Eigentümlichkeit aber einen schönen Eindruck, wie eine deutsche Synchro hätte aussehen können. Weitere deutsche Gesangsteile haben sich trotz intensiver Suche bislang nicht finden lassen.
Hier im Synchronforum nun also nach 47 Jahren erstmals zu hören und zu sehen - eine echte Weltpremiere - Joos Harry Johansson und „Das Lied von Maxence“:
EDIT: April, April! Die gesamte Geschichte ist frei erfunden; das Fragment eine Fälschung!
April, April! Auch wenn der Film hier keine allzu große Anhängerschaft zu haben scheint muss ich natürlich lösen. Die ganze Geschichte ist natürlich komplett frei erfunden; das Fragment eine - F.A. Koeniger möge mir verzeihen - selbstgetextete Fälschung.