So extravant diese Synchro auch besetzt sein mag, muss ich sagen, dass ich ihr nicht viel abgewinnen konnte. Zwar wartet sie mit vielen rauhen Stimmen auf, die eigentlich nett für einen Western sind, was aber nichts daran ändert, dass die Entwicklung der beiden Hauptfiguren zueinander wegen der Synchro nicht wirklich funktioniert, was absurderweise noch nichtmal wirklich am ewigen Bad Guy, Heinz Petruo, liegt, der hier einen ganz guten Job gemacht hat, sondern viel mehr an dem düsteren Fehlgriff für Milian.
Auch Besetzungen wie der Sprecher von Rick Boyd sind mir ein absolutes Rätsel. Jemanden wie Paco Sanz, der sonst Stimmen wie Hugo Schrader hatte, mit Heinz Klevenow zu besetzen, ist gleichermaßen überraschend und eigenartig. Wenn ich heute Gerd Martienzen besetze, besetze ich ja auch nicht morgen Eduard Wandrey...
Inmitten all dieser schon geradezu pseudo-rauhen Stimmen - was bei Milian anfängt und bei Boyd aufhört - für William Berger ausgerechnet den viel zu jungen Hartmut Neugebauer zu besetzen, ist umso sonderbarer, da man sich spätestens dann auch nach der Logik des Ganzen fragt.
Und wie findest du - unabhängig von der Synchro - den Film im Allgemeinen? Ich halte ihn nach wie vor für einen der besten Italo Western und sehe ihn weitaus höher an als einen gewissen Leone-Western.
Ich sag's mal so...wenn man alle wirklich guten eher unbekannten Italowestern gegen Leone aufwiegt, wird man da viele finden, die Leone toppen. Leone hat zwar was, wird aber trotzdem böse überschätzt ("Todesmelodie" war eine Katastrophe und "Spiel mir das Lied vom Tod" ist für ein Epos letztlich auf zu wenige Figuren fixiert, für das Gegenteil aber wiederum zu sehr um eine möglichst epische Wirkung bemüht).
Den hier fand ich nicht so schlecht, aber wenn Top 10, dann allenfalls im hinteren Drittel. Ist aber Geschmackssache. Der Film war mir nen Tick zu sehr Tragödie.
Das Problem mit Leone ist einfach, dass er allgemein zu hoch gehandelt wird - zu großer Hype um seine Filme. Mit dem überall so hoch gelobten "Spiel mir das Lied vom Tod" konnte ich z.B. noch nie was anfangen. "Todesmelodie" ist da natürlich auch nicht besser.
Silenzio hat recht: Der Film gehört auch für mich eindeutig zu den Top-Filmen des Genres.
Allein schon wegen Gian Maria Volonte, der die 'Genre-Größen' wie Eastwood, Van Cleef, Nero, Garko etc. (von Steffen, Hilton und Konsorten will ich gar nicht reden) locker an die Wand spielt. Schon deshalb ist der Film immer wieder ein Genuß! Und dann auch noch synchronisiert von Heinz Petruo, der für mich keineswegs der ewige Bad-Guy ist, wie oben behauptet wird, sondern seine besten Leistungen in ganz anderen Rollen gebracht hat (z.B. 'High Chaparral').
Und zu Sergio Leone: Dass es das Italo-Western-Genre überhaupt gibt, ist allein ihm zu verdanken! Zu sagen, er wird überbewertet, halte ich deshalb für ziemlich daneben ...
Nachahmer (selbst Leute wie Sergio Corbucci haben ja vor Leone nichts Nennenswertes zustande gebracht) konnten dann vergleichsweise leicht Leones Innovationen weiterentwickeln (um nicht zu sagen 'ausschlachten'). Klar kamen da auch einige sehr gute Filme bei raus; aber von mir bekommt der Nachahmer immer nur recht müden Applaus, selbst wenn er es 'tarantino-mäßig' noch so perfekt macht.
Zitat von kogentaUnd zu Sergio Leone: Dass es das Italo-Western-Genre überhaupt gibt, ist allein ihm zu verdanken! Zu sagen, er wird überbewertet, halte ich deshalb für ziemlich daneben ...
Das ist genauso, als würdest du sagen, dass man sich für "Star Wars" bei Fritz Lang oder gar gleich bei Méliès bedanken müsse. Sicher war Leone der Gründervater des Genres, aber deswegen heißt das nicht, dass nach ihm nicht wesentlich bessere Filme kamen, so bin ich z.B. der Meinung, dass sowohl Sollima als auch Corbucci allein in den 60ern schon jeweils mehr gute Italowestern als Leone gedreht haben. Petroni eigentlich auch. Colizzi im Grunde ebenfalls. Das ist natürlich Geschmackssache, aber immer so zu tun, als hätte ohne Leone niemand was auf die Reihe gekriegt, ist total vermessen. Leone hat das Genre erfunden, aber ist mit seinen Inszenierungen dann doch ziemlich auf der Stelle getreten. Sein mit Abstand bester Film wird für mich immer "Es war einmal in Amerika" bleiben. Was ich noch viel schlimmer finde, ist, dass wirklich gute Schauspieler, die mal mit Leone gedreht haben, dann auch noch auf diese Rollen reduziert werden, selbst wenn sie anderswo viel größere und bessere Parts hatten. Ein gutes Beispiel ist Frank Wolff, der in "Spiel mir das Lied vom Tod" nur etwa 5 Minuten zu sehen ist, aber, wenn sein Name mal fällt, dauernd ausgerechnet mit diesem Film in Zusammenhang gebracht werden muss. Wolff hat selbst im Italowestern bessere Filme gedreht, wo er auch größere Rollen hatte. Was einfach nervt, ist die Art, mit der Leone dauernd in den Vordergrund gespielt wird und alles andere überdeckt, was da im Genre noch so passiert ist. Schließlich wird Edwin S. Porter heute auch nicht mehr als DER US-Western-Regisseur gefeiert... Vor allem aber haben gerade Corbuccis Filme absolut nichts mit Leone-Nachahmerei zu tun. Corbuccis beste Filme strotzen vor Humor und gesellschaftskritischer Ambivalenz, wovon du bei Leone nur träumen kannst. Corbucci ist der Gründervater des Revoluzzer-Westerns. Verglichen damit wirken Leones Filme teilweise stocksteif und geradezu selbstgerecht artifiziell.
Es ist restlos übertrieben, im Prinzip alles, was auf den ersten Regisseur eines Genres folgte, als Nachahmerei darzustellen. Ich finde sogar, dass im Italowestern wesentlich weniger konkrete Bezugnahmen zu Leone sichtbar sind, als z.B. beim Giallo, wo Argentos Stilmittel in vielen späteren Filmen beinahe unmittelbar wiederzuerkennen sind.
Zitat von kogentaUnd dann auch noch synchronisiert von Heinz Petruo, der für mich keineswegs der ewige Bad-Guy ist, wie oben behauptet wird, sondern seine besten Leistungen in ganz anderen Rollen gebracht hat (z.B. 'High Chaparral').
Eben. Folgerichtig genau dann, wenn er mal gegen den Strich besetzt wurde. Petruo hat viel zu selten positive Rollen synchronisiert. Eine viel zu sehr auf böse Rollen besetzte Stimme, ähnlich wie heute Udo Schenk. Dass der, wenn auch selten, wenigstens auch mal jemanden wie z.B. Charlton Heston sprechen durfte, ist schon fast um des Faktes selbst Willen richtig, mal unabhängig davon, wie gut es nun im konkreten Fall passte oder nicht. Wie gut Petruo sein konnte, hat er ja z.B. für Lee Van Cleef gezeigt, dem er schauspielerisch durchaus noch etliches mit auf den Weg gab, was im Original nicht ganz so da ist.
Zu Leone: TODESMELODIE, der hier offenbar nicht sehr geschätzt wird, wimmelt ebenso von politischen Allegorien (und (Vietnam-)Kriegs-Bezugnahmen.
Gerade Sollima hat da eher seine sozio-politischen Fabeln und Parabeln gesponnen, die er ins Westerngewand kleidete - mit den ästhetischen Qualitäten des Italo-Western hat das m. E. nach aber nur am Rande zu tun. Genau dafür wurde Leone aber berühmt, die zeitgeistigen Bezugnahmen sind da in der Regel nur modischer Schnickschnack, der sich heute gut im Uniseminar auseinander nehmen läßt, aber die zeitlosen Eindrücke, die Leones Ästhetik transportiert, haben ihn zurecht berühmter gemacht, als seine Zeitgenossen im Genre.
Zitat von marginalGerade Sollima hat da eher seine sozio-politischen Fabeln und Parabeln gesponnen, die er ins Westerngewand kleidete
Nichtsdestotrotz waren Sollima und vor allem auch Corbucci aber fähig, gute Actionszenen zu inszenieren, ohne sie in einer artifiziellen Inszenierung zu ersticken, bei der das Zur-Schau-Stellen epischer Breite so gut wie jegliches Tempo vernichtet, was bei Leone leider oft passierte. Gerade da scheitert es für mich bei Leone eben, da er den Italowestern zwar erfunden hat, aber zum Italowestern aus heutiger Sicht gehören auch gute Actionmomente und die sind bei Leone sehr rar. Du wirst pro Film sicher ein bis zwei finden, aber da hab ich trotzdem schon besseres gesehen. Was entscheidend hinzukommt, ist, dass der vor allem in puncto künstlerische Handschrift stets erhobene Zeigefinger bei Leone einfach sehr stark nachwirkt, ohne dass gute Actionszenen das wirklich auflockern wüden - selbst wenn sie da sind. Das Gesamtbild ist ein anderes und wesentlich opernhafter als gerade bei Corbucci und überhaupt so gut wie allen anderen Italowestern, weswegen ich auch vorsichtig damit wäre, wie viel Leone wirklich in anderen Italowestern steckt. Leone fällt extrem stark aus dem Rahmen. Zwar haben viele Italowestern Leone-Details, aber deswegen wirken sie trotzdem nicht annähernd genauso. Bei Leone liegt der Fokus darauf, Situationen langsam auszuspielen, beinahe schon zu sezieren. Allzu charakteristisch für den Italowestern ist das aber nicht, da viele Italowestern - gerade die Revoluzzer-Filme - im Gegenteil, sogar sehr schnell sind und nur die wenigsten die Langsamkeit so krass ausgespielt haben, wie Leone (Colizzi wäre einer, den man da nennen könnte). Wenn du mal vergleichst, wie viel unmittelbaren Einfluss "Der Dieb von Bagdad" auf das "1001 Nacht"-Subgenre hatte, sind die Parallelen zu späteren Filmen z.B. auf das Allerdeutlichste krasser, als bei Leone im Vergleich mit späteren Italowestern. Von Leone wurden Details übernommen, wie bestimmte Charaktere und Handlungsorte (wobei selbst "Spiel mir das Lied vom Tod" mit seiner "Birth of a Nation"-Botschaft da eigentlich schon völlig aus dem Rahmen fällt) und eine Tendenz epische Breiten zu nutzen. Das war es aber eigentlich auch. Leone hat vielleicht das Universum kreiert, aber die stilistischen Ausformungen, die sich dann daraus entwickelten, nur relativ marginal beeinflusst. Sein Stil, seine Kameraarbeit und sein Schnitt sind nicht repräsentativ für das Italowestern-Gesamtwerk und das hat auch nicht nur damit zu tun, dass andere vergeblich versuchten, ihn zu imitieren.
Ich finde, dass es Colizzi schlussendlich besser gelungen ist, Atmosphäre und Spannung zu verknüpfen. Leone ist zwar atmosphärisch, aber weder wirklich spannend noch wirklich gepfeffert. Corbucci hat mehr Pepp, Colizzi ist konsequenter düster, Sollima driftet nie ins Belehrende ab (was Leone vor allem mit seiner überzogen artifiziellen Machart permanent tut - künstlerisch mit dem Zeigefinger zu wedeln, ohne dabei mit Action oder Spannung wirklich zu unterhalten, finde ich ggf. sogar noch viel penetranter, als eine Parabel zu spinnen), sondern hat treibende Scores und recht bewegliche Szenen - was schon allein durch Milian kommt. "Von Angesicht zu Angesicht" ist da natürlich eine Ausnahme. Der Film ist mir zu "Leone-like". Petroni wiederum ist politisch und stylisch - auch wieder was anderes, das nichts mit Leone zu tun hat. Corbucci steht m.E. für peppige Filme mit Aufbruchstimmung einerseits und düstere Varianten ("Navajo Joe", "Grande Silenzio"), die aber gerade durch ein relativ reales Tempo fesseln (und nicht wie bei Leone zeitlupenhaft wirken). Petroni steht auch für kritische bis revolutionäre Themen, ist mit seinen Revoluzzer-Anspielungen aber pessimistischer als Corbucci, was die Filme etwas "reifer" wirken lässt, aber trotzdem nicht abgehoben wirkt. Sollima ist ähnlich wie Petroni, aber wiederum sogar noch etwas forscher, also eigentlich zwischen Corbucci und Petroni. Der einzige, bei dem ich wirklich starke Parallelen zu Leone sehe, ist Colizzi, der seine Filme aber komprimierter und dadurch spannender erzählte. Wenn man mal weiterguckt, wird man feststellen, dass auch Kramer und Ascott vor allem stark bewegliche Filme gemacht haben, Kramer sogar regelrecht Feel-Good-Western, die die Herangehensweise von Corbuccis Western schon fast auf ne Art Teenie-Level ziehen, wohinegen Ascott die Kamera so viel bewegt, dass es Leone im Grunde völlig widerspricht und ansonsten auch nicht viel zu bieten hat. Castellari wiederum hat auch nur vereinzelt versucht, Leone nachzueifern und ist insgesamt eher zwischen Petroni und Leuten wie Ascott anzusiedeln. Wobei er meist ins Seichte abdriftete. Wo war Leone da so maßgeblich, dass es ausgerechnet bei diesem Genre immer so hervorgehoben wird? M.E. vermessen. Selbst zu den ersten Edgar-Wallace-Filmen gibt es erheblich mehr unmittelbare Entsprechungen im Deutsch-Krimi, als es Italowestern gibt, die derart viel mit Leone gemein hätten.
Mücke, Deine Ausführungen zu einzelnen Regisseuren in Ehren, auch wenn ich nicht in jedem Detail zustimmen möchte (Petroni ein politischer Regisseur?), nur gehen sie am entscheidenden Punkt vorbei:
Während alle späteren Regisseure - Corbucci (den ich sehr schätze!), Sollima, Colizzi, Petroni - auf der Grundlage eines existierenden und populären Genres ihre Filme relativ leicht realisieren konnten, hatte Leone 1964 nichts dergleichen im Rücken und mußte seinen ersten Film nicht nur fast ohne Budget, sondern gegen Widerstände von vermutlich allen Seiten durchsetzen. Hut ab vor solchen Leuten! Nochmal: HUT AB!
Das ist halt der entscheidende Unterschied: Tummle ich mich auf etablierten Pfaden, habe ich es wesentlich leichter. Und diesen Vorteil hatten die späteren Regisseure im Gegensatz zu Leone allesamt. Da ist's natürlich relativ einfach, bestehende Ideen aufzugreifen, ein bißchen was dazuzuerfinden und dann sogar 'bessere' Filme als Leone zu drehen. Was einige sicher gemacht haben, den Hut ziehe ich da aber nur noch selten.
1968 dann nochmals: Leone dreht mit 'Spiel mir das Lied vom Tod' wieder seine eigene Vision, anstatt einen vierten Dollar-Film zu drehen, was gewiß leichter und vermutlich sogar lukrativer gewesen wäre. Und einige Fans verzeihen es ihm bis heute anscheinend nicht, daß er ihnen nicht das gegeben hat, was sie wollten. Das er nicht das Opfer von dem werden wollte, was die Fans mit Beifall beklatschen.
Reine Geschmacksache, ob man's lieber opernhaft langsam mag oder temporeich spritzig; ob atmosphärisch dicht oder politisch brisant. Daraus möchte ich keine Wertung ableiten. Ich behaupte ja auch nicht, daß man Leones Filme zwingend mehr mögen muß als die anderer Regisseure, aber die überragende Bedeutung, die er als Initiator im Gegensatz zu den anderen Genre-Regisseuren hatte, sollte man doch zumindest als solche wahrnehmen. Ob ein Film mir persönlich gefällt, hat damit nichts zu tun.
Ehre wem Ehre gebührt: Immer dem Erfinder, der gegen den Strom schwimmen muß, niemals dem, der mit der Vervollkommenung oder Weiterentwicklung im Fahrwasser der Vorreiter dann relativ leichtes Spiel hat.
Gruß, kogenta
PS: Noch meine persönliche Meinung zu 'Todesmelodie', den ich kürzlich nochmals gesehen habe. Der wird zu Unrecht abqualifiziert und steht den anderen Leones in der ersten Hälfte in nichts nach. Leider verläuft er in der zweiten Hälfte dann etwas im Sande (das Gleiche empfinde ich auch bei 'Es war einmal in Amerika'). Trotzdem: Allemal noch sehenswert, neben brillanter Inszenierung und Darsteller vor allem wiederum kein Plagiat von schon Dagewesenem - es wird wieder was Neues versucht - und von daher jedem Petroni oder Valerii klar überlegen (von Carnimeos und Parolinis kopfschmerzerzeugenden in der Kiesgrube gedrehten Machwerken will ich lieber nicht reden).
Ich würde dem hinzufügen, dass man persönliche Geschmäcker doch auch als solche kennzeichnen und bewerten sollte - ob eine Actionszene "brilliant", handwerklich versiert oder einfach nur mittelmäßig umgesetzt wurde, liegt halt meist im Auge des Betrachters. Leone spielt da (nicht nur für mich) in einer anderen Liga als die meisten seiner Epigonen. Das hat vor allem etwas mit seinem unbedingten ästhetischen (weniger inhaltlichem) Stilwillen zu tun - ein Leone ist halt immer ein Leone und klar als solcher erkennbar. Die anderen sind in der Summe "nur" sehr gute bis gute Handwerker (was ja auch schon mal was ist), einen Fingerprint wie Leone hat keiner von ihnen geschaffen (inhaltlich vllt. Corbucci mit seinen Revolutionswestern, von denen nun aber beileibe nicht alle gut gealtert sind).
Bei den anderen genannten Herrschaften ist das doch deutlich schwieriger, egal ob sie in der 35. Minute halt mal eine Leone-charakteristische Blende oder einen Morricone-Score mit ätherischen Frauenstimmen einsetzen (überhaupt oft das Bindeglied zwischen verschiedenen Italowestern). Bestimmte modische Begleiterscheinungen im Inhalt - Politik, Soziologie - halte ich wie gesagt für interessante Diskurssubjekte für einen Hauptsemesterkurs an der Uni, ob das 30 Jahre später alles noch so brisant wirkt, sei dahingestellt.
Zitat von kogentaPetroni ein politischer Regisseur?
Wie man's nimmt..."Tepepa" ist m.E. einer der politischsten Italowestern überhaupt. Dass sich das durch Petronis Gesamtwerk zieht, muss das deswegen natürlich nicht heißen.
Was mir heute übrigens noch auffiel, als ich "Vier für ein Ave Maria" sah - kurios dass du gerade das jetzt hier auch thematisiert hast, denn darüber kann man streiten: Aus heutiger Sicht ist Leone ja vor allem für den "Spiel mir das Lied vom Tod"-Stil bekannt. Absurderweise hat Colizzi den aber in vielen wichtigen Punkten mit seinen ersten beiden Filmen eigentlich vorweggenommen. Ich finde, dass diese Filme im Grunde mehr von "Spiel mir das Lied vom Tod" haben, als Leones eigene Vorgänger, die Dollar-Trilogie (du erwähnst völlig zurecht, dass er nach der Trilogie mit "Spiel mir das Lied vom Tod" was ganz anderes gemacht hat, nur wäre ich vorsichtig damit, ob es deswegen auch was absolut Neues war). Colizzi hatte bereits vor "Spiel mir das Lied vom Tod" einen starken Mut zur Langsamkeit, wenngleich Leone das noch weitertrieb und Colizzi hatte auch vor Leone einen wirklich extremen Hang zum Zeigen verschwitzter Gesichter usw. usf. Überhaupt: Dieses zeichnen des dreckigen Westens in einer gewissen epischen Breite ist Colizzi m.E. vor Leone geglückt. Wollte man jedem Italowestern, der das Motiv der Clint-Eastwood-Figur aufgreift einen Leone-Stempel geben, müsste man "Spiel mir das Lied vom Tod" wiederum auch einen Colizzi-Stempel geben, denn Leone erfand sich hier zwar vielleicht selbst neu, aber dafür hatte diese "Neuerfindung" halt ein anderer zum Teil schon vorher vollzogen.
Dass Leone hier die Pfade ausgetreten hat und andere dann nur noch darin wandelten, halte ich für falsch. Mit der Dollar-Trilogie sicherlich, aber mit "Spiel mir das Lied vom Tod" nicht wirklich. Und selbst bei der Dollar-Trilogie ist das Ausmaß des Einflusses vergleichsweise begrenzt (siehe "1001 Nacht"-Vergleich).
Ehre gebührt m.E. denen, die gute Filme drehen und nicht denen, die zwar schönen Fußball spielen, aber trotzdem nicht gewinnen. Soll aber alles nicht heißen, dass ich Leone für einen schlechten Regisseur halte. Ich habe fast alle seiner Filme auf DVD da. Trotzdem ist es völlig absurd, wie er hochgejubelt wird. Es gibt kein einziges Genre, was derart massiv mit einem einzigen Regisseur verknüpft wird, obwohl es etliche Genres gibt, bei denen das Erstlingswerk viel mehr ähnliche Filme nach sich zog, als es beim Italowestern der Fall ist. Warum ist ausgerechnet Leone für den Italowestern denn SO wichtig, dass es in einem andere Genre nie einen derartigen Vorreiter gab, nur hier zufällig? Der einzige Regisseur, der je derart exklusiv gefeiert wurde, war D.W. Griffith, für den Film als Gesamten (und nicht für ein Genre)...da passt irgendwas nicht, beim Verhältnis, wie Leone da gesehen wird.
Leone war in meinen Augen ein Paradiesvogel, der viele Impulse lieferte, aber um nachgemacht zu werden im Gesamten einfach zu abgehoben war. Und für Filme wie "Mercenario" verdient er, sorry, keinen Credit. Das ist ein ganz anderes Kaliber. Im Gegenteil: Im Grunde hat Leone den Stil ja dann ein Stück weit mit "Todesmelodie" aufgegriffen. Mit der Dollar-Trilogie hat "Mercenario" allenfalls zu tun, dass es zwei Protagonisten gibt, ansonsten sind die Parallelen nicht größer als zwischen "Bullitt" und "Stirb langsam".
Es gibt genügend Italo-Elemente, die Leone nicht erfunden hat und teilweise sogar aufgriff. Wer den Grundstein legt, ist deswegen nicht für den Bau des ganzen Hauses verantwortlich. Vor allem nicht dafür, wie viele Etagen es letztlich bekommt, mit denen er bei der Grundsteinlegung nie gerechnet hätte und die ihn dann am Ende selber inspirierten.
Was man Leone viel eher zugute halten muss, ist, dass er einer der ersten Regisseure war, die einen wirklichen Bogen zwischen unabhängiger Regie-Kunst und Genre-Kino geschlagen haben und auf diese Weise Erfolgsfilme drehten. Aber auch da gab es schon lange vorher andere, wie z.B. Howard Hawks. Ein "auteur" wiederum war Leone auch nicht, denn dafür hatte er genügend Hilfe von Leuten wie Argento oder Bertolucci. Angeblich hat ihm sogar mal Rainer Brandt unter die Arme gegriffen (bei "Nobody"), aber das kann eine Sage sein...