Ob es sich um ältere oder neuere Synchronisationen handelt, viele Stimmen und ihre Spender haben unterschiedlich große "Fans". Bei manchen entsteht ein regelrechter Kult, oftmals geht es sogar meines Erachtens schon in Götzenanbetung und leiseste Kritik wird regelrecht mit dem Ausgraben eines Kriegsbeiles beantwortet (von einigen Wenigen natürlich). Und doch gibt es vielbeschäftigte, vielen bekannte Synchronsprecher/innen, denen es nie gelingt, eine wirkliche Anhängerschaft hervorzubringen.
Ich würde hier gerne über jene Schauspieler diskutieren, die Gründe für ihr "Aussenseitertum" und eure eigenen Kandidaten für dieses Eck präsentiert bekommen.
Zwangsläufig muß ich jetzt meinen Obolus leisten:
Ich höre ihn sehr, sehr gerne und stelle doch fest, daß er kaum viele Fans hat:
Wolf(gang) Eichberger
Er war meines Erachtens ein ziemlicher Profi und hat in den 50er und frühen 60er-Jahren eine Rolle eingenommen, die später bevorzugt Helmo Kindermann perfekt beherrschte: nüchterne, kaum die Ruhe verlierende Charaktere, deren Emotionen oft nur unterschwellig erkennbar sind. Eichberger ist nicht besonders alt geworden und somit verebbten seine Synchronarbeiten zwangsläufig in der ersten Hälfte der 60er-Jahre. Er sprach nur wenige "romantische" Rollen und konnte sich auch nie dauerhaft auf einem Star etablieren. Er schien sowohl in Berlin als auch München häufig eher "Ersatz" zu sein für andere Sprecher. Das mag sicher mit ein Grund sein, warum er von vielen nur am Rande wahrgenommen wurde. Am Häufigsten war er in den 50ern auf Peter Finch zu hören, dem er ausgezeichnet zu Gesicht stand und dessen fein britischem "Underacting" die ideale Stimme gab. Er konnte trotz aller Nüchternheit sanfte Töne haben und Wärme ausstrahlen. In dem sehr fair gehaltenen Kriegsfilm "Panzerschiff Graf Spee" etwa ordnet er sich Finchs nuanciertem Spiel vollkommen unter und wirkt auf deutsch ebenso kultiviert wie als Kriegstaktiker gefährlich, aber eben auch durch und durch menschlich. Ich persönlich erlebte ihn nie fehlbesetzt. Vielleicht war seine Art, sich nie in den Vordergrund zu dröhnen, sondern sich dem Spiel der Leinwand-Darsteller unterzuordnen mit ein Grund für seine nicht besondere Popularität. Bereits nach seinem Tod scheint ihn im Grunde kaum jemand vermisst zu haben. Er sprach eine erstaunlich breite Palette von Schauspielern. Peter Cushings sachlich-ernsthaften Van Helsing setzte er in "Dracula und seine Bräute" ähnlich professionell um, wie es im Vorgängerfilm Erich Schellow tat. Seinem britischen Kapitän in "Beherrscher der Meere" verlieh er Würde und Authorität. Im Gegensatz zum hageren Cushing lag er auch perfekt auf dem voluminöseren Francis de Wolff im "Hund von Baskerville" oder auf dem bulligen Lino Ventura. Selbst auf Peter Ustinov in "Spione am Werk" funktionierte er wunderbar. Eine unterschätzte Leistung ist seine Synchronarbeit für Christopher Lee in "Dracula". Nicht, daß die Stimme sehr ähnlich wäre. Was das Publikum damals erstaunte, war u.a. die fast betont menschliche Interpretation des Grafen. Ein höflicher, kultivierter Aristokrat ohne große Gestiken oder bedrohlichem Äusseren eines Paradebösewichtes. Erst durch die nächtliche Aggressionsszene wurde das Unmenschliche dieser Figur schockierend bewußt. Lee spricht seine wenigen Sätze nüchtern und höflich, allerdings teilweise mit spöttischem Anklang. Das bringt Eichberger 1:1 zur Geltung und spricht Lee deutsch ohne jegliche "Bösewichterei"-Stimmklischees. Und seine deutsche Verabschiedung und letzte Dialogzeile-eine Höflichkeitsfloskel mit vielsagendem Unterton, transportiert er ident der Vorlage entsprechend. Trotz der guten Leistungen etwa von Martienzen oder Weicker auf Lees Dracula, sollte erst wieder Helmo Kindermann Lee original nüchtern synchronisieren wie Eichberger. Stanley Baker stand er zweimal zu Diensten. Auch Lex Barker war mit seiner Stimme zu hören-das ist gewöhnungsbedürftig, ist man auf GGH fixiert-aber es funktioniert! Nicht zu vergessen, seine vollkommen ungewöhnliche Besetzung auf Gregory Peck in "Flammen über Fernost". Er liegt ideal auf Pecks gewohnt zurückhaltender, fein nuancierter Schauspielkunst. Warum hat Wolf Eichberger keine wirkliche Fangemeinde??? Und auf wen trifft das eurer Meinung nach noch zu?
Weitere Kandidaten wären: *Erich Ebert, der vielen vor allem als Synchronregisseur/-autor etwas sagen dürfte und auch in vielen Zeichentrickfilmchen zu hören war. In Filmen und Serien sprach er zumeist kleine bis mittlere Rollen. Immerhin gab es ihn einmal auf Humphrey Bogart zu hören, auf Lionel Jeffries und sogar James Mason. Hauptrollen hatte er wenige-zu den Prägnantesten gehört der von Michael Coles dargestellte Inspector in "Dracula jagt Minimädchen", wo er dieser Figur eine sachlich-beherrschte Note gibt und viel seriöser wirkt, als im Nachfolgefilm Thomas Danneberg. Wie in einem anderen Thread zu lesen war, merken sich manche seine Stimme auch nicht. Fällt man in Kleinrollen so wenig auf oder ist es die Art der Kleinrollen? Bei Hugo Schrader etwa, der auch überdurchschnittlich viele Kleinrollen synchronisierte, ist die Wirkung auf Hörer doch anders. Kandidaten für mein Thema wären noch Harry Kalenberg, Cordula Trantow oder Jan Hendriks. Aber wer würde noch dazu passen-und warum?
Dann würde ich gerne zwei meiner heimlichen Helden loben und preisen: Erich Kestin (1885 - 1969), für mich unvergessen und unerreicht als Schlange Kaa in Disneys "Dschungelbuch", gleichzeitig auch eine seiner letzten Rollen. Arnes Synchrondatenbank weist nur 30 Einträge auf. Immer waren es Nebenrollen, aber immer waren es Highlights. Und dann wäre da noch Ernst Kuhr (1912 - 1999). Er war die Stimme Jesu in den ersten vier von fünf "Don Camillo und Peppone"-Filmen, und ich war und bin fasziniert von der Milde, Wärme und Strahlkraft. 39 Einsätze sind verzeichnet, viele Filme davon kenne ich nicht. 1975/76 scheint er sich komplett von Theaterregie, Schauspielerei und Synchron-Arbeit zurückgezogen zu haben, um noch über 20 Jahre in einem alten Turm bei Würzburg zu leben. Ein Lebenslauf, der perfekt zu dieser Stimme passt!
Erich Kestin/Ernst Kuhr ------------------------------------- Kaa, die Schlange-das ist eine der schönsten Sprecherleistungen in allen Disney-Klassikern! Aber ansonsten habe ich Kestin nur in sehr kleinen Rollen zur Kenntnis genommen und finde das eigentlich schade. Ernst Kuhr stimmlich zu identifizieren tue ich mit oft schwer. Wenn's dann "klick" macht, dann eben weil ich die Stimme als die von Jesus erkenne. Das empfand ich schon als einen Bruch, als im letzten "Don Camillo" E. W. Borchert zu hören war-so großartig er's auch macht. Das mit dem Turm find ich spannend! Ich freue mich, daß es Leute gibt, die auch manchen "Aussenseiter" sehr zu schätzen wissen!
Bei "Don Camillo" ist die mangelhafte Kontinuität sowieso ein Wermutstropfen. Fernandel wechselte von Balthoff zu Krause und zurück, Cervi bekam dann im letzten Film absurderweise Krause, nachdem es zuvor viermal Lieven war, und auch die "Genossen" werden munter ausgewechselt, obwohl es größtenteils immer dieselben Schauspieler sind.
Aber Kestin für Kaa war in der Tat eine absolute Sternstunde, gut, daß "Das Dschungelbuch" nicht neu synchronisiert wurde!
Lord Peter, das wäre bestimmt vollkommen überflüssig gewesen, aber bei Dschungelbuch zwei ist dann halt nichts anderes übrig geblieben. Aber mit Wolfgang Spier hat man wunderbar an Kestin anknüpfen können (und nicht zuletzt mit Kluckert senior nach Edgar Ott).
@fortinbras: Eine in meinen Ohren und Augen bemerkenswerte Synchro mit Wolfgang Eichberger kann ich an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen: Die mit seiner für mich großartige Leistung auf jim Backus in "...Denn sie wissen nicht was sie tun". er hat seinen Charakter des gutmütigen, nachgiebigen Vaters von "Jim Stark", der unter der Fuchtel seiner Gattin steht, kongenial hörbar gemacht und er passte mindestens ebenso hervorragend auf Backus. Hier habe ich eigentlich von Nüchternheit und unterschwelligen Emotionen kaum etwas bemerkt. wenn mir (vor allem im Netz) bei weiterem Filmen seine Stimme unterkommen sollte und weitere Facetten seines Könnens, dann wird er für mich erst recht nicht zu den Außenseitern unter den synchronisierenden Schauspielern zählen.
wolf eichberger/jim backus --------------------------------------
Da hast du ein sehr schönes Beispiel dafür genannt, daß es auch gegen Klischeemeinungen etwas entgegenzusetzen gibt. Ich weiß nicht ob "Aussenseiter" ganz pauschal die richtige Wortwahl von mir war, dafür war Eichberger vielleicht doch einige Jahre zu präsent. Innerhalb des Forums und auch ausserhalb möchte ich ihn aber doch so benennen, da er eher öfters als farblos oder nüchtern bezeichnet wird als umgekehrt. Mich freut es immer, ihn zu hören-und auch daß ein Forumsmitglied ihn stets als persönliches Erkennungzeichen anführt.
Zitat von fortinbras im Beitrag #7Antwort auf Beitrag #6 von iron:
Ich weiß nicht ob "Aussenseiter" ganz pauschal die richtige Wortwahl von mir war, dafür war Eichberger vielleicht doch einige Jahre zu präsent.
Wie bekannt und prominent für uns Stimmeninteressierte eine Sychronstimme ist und ob sie ein Schatten- bzw. Außenseiterdasein führt, was bekannt- und Beliebtheit angeht, ist meiner Ansicht nach vorwiegend subjektiv. Also für einen selbst kann eine Synchron-Stimme bekannt und vertrautsein, für andere wieder nicht. Es kommt darauf an, wie sehr man eine solche Stimme bewusst mit dazugehörigem Namen und mit DarstellerInnen verbindet. Außer wenn jemand wirklich selten vor dem Mikrophon war.
Grundsätzlich hast du vollkommen recht, daß die Wahrnehmung wer ein Aussenseiterdasein hat, sehr subjektiv ist. Schauspieler, die generell im Synchrongewerbe "Aussenseiter" sind durch wenige Berührungspunkte (das inkludiert Stars wie Gisela Uhlen, Johanna von Koczian, Hans Söhnker oder Rudolf Fernau), die zähle ich definitiv nicht dazu. Ich habe einfach festgestellt, daß es einige Synchronsprecher/innen gibt, die obwohl sie vielen geläufig sind und einzelne (Erich Kestin) oder viele (Eichberger) herausragende Rollen hatten, einfach nie zu grösserer Beliebtheit innerhalb der Forumsteilnehmer/Synchronfangemeinde kamen. Recht häufig werden sie als "nicht erkennbar" eingestuft oder eher kritisiert als gelobt. Das ist natürlich alles subjektiv, aber während viele Synchronsprecher scharenweise Fans anziehen oder sogar polarisieren, zumindest dauernd irgendwo diskutiert werden, fallen viele durch's Netz. Obwohl sie deutliche Spuren hinterließen. Darum nannte ich diesen Thread ja auch "SynchronPROFIS ohne grössere Anhängerschaft". Leider scheint das Thema nicht allzuviele zu interessieren. Objektiv (falls möglich) würde ich als "Aussenseiter" oder etwas klarer definiert: "nicht wirklich kultverdächtig" (ausser eben bei Einzelnen) neben den genannten Leuten auch unbedingt dazuzählen:
*Horst Naumann *Peter Fitz *Franz Otto Krüger *Eva Eras *Gisela Reissmann *Sigrid Lagemann *Claudia Brodzinska *Marianne Mosa *Michael Cramer *Günther Ungeheuer -um ein paar ins "Rennen" zu schicken
Was Horst Naumann und Michael Cramer betrifft, würde ich deine Ansicht zumindest relativieren wollen. Naumann war des Öfteren in "Unsere Kleine Farm" zu hören und ich würde sagen, dass sich eine lange Fernsehserie für die Bekanntheit einer Stimme recht vorteilhaft auswirken könnte. Ausserdem wird Vielen seine Stimme an sich abseits der Synchronisation spätestens seit der "Schwarzwaldklinkik" und "Traumschiff" geläufig sein, für manche war beides vielleicht sogar der Erstkontakt. Michael Cramers stimme kannte ich vor Allem für jack Warden aus der Serie "Die Bären sind los" und hat sich damals weigstens mir sehr eingeprägt. Vor längerer zeit habe ich mir einige Szenen bei "youtube angeschaut bzw. -gehört. Es ist zugegeben schon sehr lange her, dass die Serie in Österreich lief, bzw. ich sie zuletzt gesehen habe.
Übrigens: Hoffentlich leisten uns in diesem Thread bald wieder Reineck und Lord Peter Gesellschaft, damit er sich nicht noch zu einem reinen Zwiegespräch zwischen uns beiden entwickelt, andere sind ebenso willkommen!
Hallo Iron! Michael Cramer sprach Jack Warden??? Stelle ich mir seltsam vor! Ich verbinde ihn mit George Peppard. Horst Naumann ist sicher durch seine Fernseh- und Filmauftritte erner der bekanntesten Synchronprofis und bei manchen auch als solcher sehr beliebt. Aber meiner Meinung nach wurde auch sein Gesamtschaffen hier im Forum nie ausreichend gewürdigt. Ausser von Fans der Serie "Nummer 6" oder der "Käfig voller Narren"-Trilogie. Da ist er unantastbar, aber ansonsten wird er oft sehr weit an den Rand geschoben. Ich würde mich auch über mehr Teilnehmer hier freuen, aber so wirklich scheints mal nicht auf großes Interesse zu stoßen!
Bei Youtube sind noch viele Weitere ganze Folgen zu sehen. Wolfgang Völz fand ich ebenfalls ganz passend, aber schade, dass ihn Michael Cramer nicht öfter synchronisiert hat. Als einziger Film mit seiner Stimme in der Synchronkartei "Während du schliefst.." eingetragen. Vielleicht kennt jemand noch andere Filme. Gruß @iron
Hallo Iron! Danke für den Link, kann vom Handy aus nicht reinhören, werd's aber mal von einem Freund aus machen. Bin sehr gespannt darauf! Jack Warden (einer dieser unglaublichen Nebenrollen-Profis, die's mal gab-seine Fernsehhauptrollen mal beiseite gelassen) kenne ich mit Völz, Hess, Branding, Marquis und Niendorf. Da ist Michael Cramer sehr konträr, was manchmal ja gut funktioniert. Ich bin gespannt!
ich hab Jack Warden auch als Kind in der Rolle Buttermakers in "Die Bären sind los" mit der Stimme von Michael Cramer kennengelernt - das passte meiner Meinung nach ausgezeichnet. Und ich hab mich dann auch sehr gefreut, als die Kombination nach Jahren in "Während Du schliefst" wieder aufgenommen wurde...
Hallo Frank! Erinnern kann ich mich an die Serie auch noch, die lief im ORF im Herbst 82 an, als ich gerade meine Premiere in Sachen Schulpflicht hatte. Und wurde später auch wiederholt in den Sommerferien. Vormittags kam mal eine "Carmen"-Aufzeichnung, da hörte ich die für die Serie verwendete Musik in der Vorschau und dachte, das hätte was mit den "Bären" zu tun. Und war dann sehr enttäuscht. Aber seither hab ich nichts mehr davon gesehen-ausser den Kinofilm mit Walter Matthau. Jack Warden fand ich als Bub auch toll, aber an die Stimme erinnere ich mich nicht mehr. Und Cramers späteres Comeback kenne ich auch nicht. Michael Cramer mochte ich immer sehr gerne, für George Peppard fand ich ihn den besten Sprecher. Er war nicht so "lässig" wie GGH, aber irgendwie hatte er etwas Abgeklärtes. Das hatte Eckart Dux auch ein wenig, aber Cramer/Peppard war für mich ideal, besonders in "Der Vollstrecker". Da waren beide so in schön manisch-depressiver Stimmung. Ansonsten mochte ich ihn auch für Michael Jayston in "Nikolaus und Alexandra" als Zar-das war eine superbe Leistung. Für Connery wirkte er seltsam, aber das tat-ausser Heinz Drache-beinah jeder. Als ich aber "Die Uhr läuft ab" wieder sah, fand ich's ganz interessant und auf eigenartige Weise passend. Für manche vielleicht ein Skandal, aber mir gefiel er auch für Clint Eastwood, da durfte er auch etwas rauher sein. Ähnlich wie Claus Biederstaett hat er im Kino ja auch nahezu nur die netten Liebhaber-Rollen in Heimat- und Schlagerfilmen spielen dürfen. Im Unterschied zu Biederstaett konnte er sich später im Fernsehen aber kaum in ernsteren Rollen etablieren, er sah doch sehr lange wie der nette Schwiegersohn aus. In einem Nachruf stand, daß er sein gutes Aussehen oft als hinderlich betrachtete und froh war, wenigstens als Synchronsprecher schauspielerisch vielseitiger sein zu können. Als er in einer Folge von "Kommissar Freytag" einen unschönen Charakter spielte (mit "Else Kling" Annemarie Wendl als Übermutter), soll er ja einiges an garstiger Post von vorwurfsvollen Verehrerinnen bekommen haben. Viele Synchronfans hat er ja auch nicht unbedingt und sein filmischer Ruf ist wohl auch schon sehr verblasst.