Es stimmt definitiv, dass Lex Barker kein guter Schauspieler war. Aber er wusste das auch, was für ihn spricht. Aber es war diese gewisse Ausstrahlung, die er auf der Leinwand hatte, sein spezieller Charme und genau damit konnte er einen Film tragen. Ich habe einen großen Hang zu den "Selbstdarstellern", auch wenn mir diese Bezeichnung nicht 100% gefällt, weil nicht selten zwischen der Kunstfigur und dem Privatmenschen ein gewaltiger Unterschied liegt. Diese Persönlichkeiten (Cary Grant, Gary Cooper, Rex Harrison, Vincent Price, etc) sind es, die dem heutigen Kino so fehlen - mögen diese noch so (positiv) gleichfrömig gewesen sein, nur sie konnten eine Rolle genau in dem Film spielen. Heute ist das viel austauschbarer, man schreibt höchst selten ein Drehbuch für einen gewissen Schauspieler.
Brice hatte sicher bis zu einem gewissen Grad Star-Appeal. Aber für mich wäre er der ideale Nebendarsteller mit gelegentlicher Hauptrolle gewesen. Als gewitzter Liebhaber, der die Heldin nie bekommt, als sympathischer Ganove, etc. Er hatte viel Sinn für komödiantisches, ironisches Spiel und darin war er sehr gut. Auch "Die Puppe des Gangsters" fällt in diese Kategorie (leider passt Horst Naumann überhaupt nicht zu ihm). In einem Film wie "Die Mühle der versteinerten Frauen" war er auch gut - der Film lebt von der Atmosphäre mehr als vom Schauspiel und mit einer gewissen verträumten Präsenz, die nicht viel Spiel verlangte, war Brice goldrichtig.
Ein Problem war wohl, dass er immer ein neuer oder besserer Alain Delon werden wollte. Ich glaube, sein Bestreben war es eigentlich immer, ein A-Star in A-Filmen zu werden. Vielleicht war er auf jeden Filmerfolg Delons eifersüchtig, zumindest in jüngeren Jahren. Und sicher wäre er gerne ein französischer Filmstar geworden, das mehr zählte als ein deutscher zu sein.
Um ein ernsthafter Delon-Rivale zu sein, fehlte Brice aber einiges. Nicht zuletzt der unterschwellig laszive Erotikappeal, der einen Gutteil von Delons Anziehungskraft ausmachte. Auch fehlte Brice stark die dunkle Seite der Seele. Bei Delon dürfte das seiner Persönlichkeit entsprechen und gerade deshalb wirkungsvoller sein, aber sich diese dunkle Seite zu erspielen, konnte dem glatten Schönling Brice nicht gelingen.
Mitunter wirkte er verkrampft und spielte selbst in Genrefilmen zuviel. Er selbst sagte mal ganz offen, dass er diese Filme nicht mochte und viel zu sehr übertrieb, nur um zu zeigen, er wäre für Besseres geeignet. Leider machte dann gerade das Übertreiben seine Auftritte unglaubwürdig.
Selbst das Potential des "Winnetou" hat er lange nicht erkannt und sich über die wenigen Szenen und Dialoge beschwert, wie hinlänglich bekannt ist. Dass er sein Leben lang damit haderte, war ja kein Wunder - bestimmte Rollen sind nun mal ein Fluch für den Schauspieler. Dass er sich später besser mit dem Apachen arrangierte, dürfte einen guten Grund gehabt haben: Winnetou verhalf ihm zu einem Einkommen, dank ihm war er zumindest in Deutschland ein Weltstar und das Publikum dort liebte und bewunderte ihn. Dass er in seiner Heimat nahezu unbekannt blieb, dürfte ihn sehr getroffen haben. Die Anerkennung seines Heimatlandes hätte er sicher ohne Zögern eingetauscht gegen den Winnetou-Ruhm. Brice, so sympathisch er auch auftrat, war im Grunde wohl doch genau jener Klischeefranzose, der nur arrogant das Lob aus den eigenen eiltären Reihen anerkennen und erreichen wollte. Das war unter seiner Generation noch weit verbreitet, dieses elitäre Gedankengut innerhalb der französischen Künstler. Zumindest bei den Männern, Frauen waren da meist lockerer.
In gewisser Hinsicht kann man Pierre Brice wohl als tragische Figur und Opfer seines Ruhmes bezeichnen. Wieder im besseren französisch-italienischen Film Fuss zu fassen gelang ihm nicht. Und wenn man sich die Filme ansieht, die er ab Mitte der 70er machte: er ging darin unmotiviert herum und sagte seinen Text auf. Häufig wirkte er fast lächerlich, vor allem in deutschen Fernsehproduktionen a la "Klinik unter Palmen". Er spielte den Franzosen vom Dienst, mal gut, mal leicht böse, aber nie mit viel Einsatz. Dem Publikum genügte es scheinbar. Sein spätes Winnetou-Comeback kam wohl eher einer Verzweiflungstat gleich. Zuviel Text, zuwenig Magie, Banalitäten und Untiefen, die sich die klassische Karl May-Reihe nicht mal erlaubt hätte. Schauspieler war Brice hier schon lange keiner mehr, er war im Grunde spätestens seit Mitte der 70er-Jahre nur mehr "Der Mann, der mal Winnetou war". Eine schwierige Situation, aber vermutlich lag sein Scheitern bis zu einem gewissen Grad auch darin, dass er seine Ziele und Erwartungen zu hoch schraubte und einfach auf der Nase landen musste.
Pierre Brice hat 1971 sogar einen Italo-Western gedreht, der trotz ihm und Fernando Sancho in den Hauptrollen in Deutschland komischerweise (womöglich wegen ihm??) nie gelaufen ist:
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Pierre Brice ist ein extremes Beispiel, wie jemand das Opfer seines Ruhmes geworden ist. Er hätte es machen müssen wie Sean Connery, der nach 5 Bond-Filmen gesagt hat: Schluss damit! Auch Connery hat ja ein Leben lang von seinem 007-Ruhm gezehrt, jedoch ohne dass dieser ihm im Wege gestanden hätte.