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Dieses Thema hat 28 Antworten
und wurde 3.417 mal aufgerufen
 Synchronschaffende
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fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

31.08.2013 13:11
Hans Nielsen Zitat · antworten

Hans Nielsen zählte zu den beliebtesten deutschen Schauspielern, auch wenn er in den wenigsten Fällen der ganz große Star war. Von 1948-65 war er zudem ein vielbeschäftigter Synchronsprecher.

Nielsen gehörte einer Generation an, die es nicht einfach hatte vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund. Er ist diesbezüglich sicher eine jener vielen widersprüchlichen Figuren, von denen es damals nur so wimmelte. Ich werde versuchen, das ein wenig darzustellen, indem ich schlicht und einfach bekannte Fakten aufzähle und es jedem selbst überlasse, sich eine Meinung zu bilden.

LEBEN/WERK-Ein Einblick

Geboren wurde Nielsen am 30. November 1911 in Hamburg als Sohn einer gutbürgerlichen Familie. Er machte eine kaufmännische Lehre, hatte aber großen Drang zur Bühne zu gehen. Privat nahm er Unterricht, so beim bekannten Schauspieler Albrecht Schoenhals.
1932 hatte Nielsen sein Bühnendebut an den Hamburger Kammerspielen. Wenn er auch in den nächsten Jahren mehrfach die Häuser wechselte, spielte er dennoch immer an ersten Bühnen in großen Städten. Er trat 1934 der NSDAP bei (wie sehr viele Künstler und Menschen, denn in vielen Bereicher war ohne dem kein Weiterkommen möglich). Er spielte meist aufrechte, heroische Charaktere.
1937 kam der Film und hier begann eine erfolgreiche Karriere, auch wenn es meist nur Nebenrollen waren. Bekannte Filme jener Zeit waren "Kautschuk", "Rote Orchideen" (38) und "Aufruhr in Damaskus" von 1939-dies war sein erster Propagandafilm. 1940 war er neben Hans Albers in "Trenck, der Pandur" zu sehen und im "Geniefilm" "Friedrich Schiller" neben Horst Caspar-die Aussage des Filmes ist heutzutage natürlich nur mehr erkennbar, wenn man sich damit befasst.
1941 spielte Nielsen in Wolfgang Liebeneiners "Ich klage an", einem heute noch verbotenen Film, der die Morde an Behinderten ("unwertes Leben") als Akt der Gnade zu schildern versucht. (auf wikipedia ist hierzu ein interessanter Beitrag)
1942 wirkte er in Veit Harlans "Der große König" mit. Mit dem Regisseur verband ihn auch eine Freundschaft.
1943 war er im Anti-England Film "Titanic" dabei, der allerdings letzten Endes von Goebbels selbst aus dem Verkehr gezogen wurde (hierzu gibt es einen guten Wikipedia-Artikel). Bis Kriegsende war er in vielen Unterhaltungsfilmen zu sehen (u.a. Der Engel mit dem Saitenspiel).
Nielsen stand nie auf der Gottbegnadetenliste, war aber dennoch großteils vom Kriegsdienst freigestellt, um für Filmarbeit zur Verfügung zu sein. Er wirkte in einer Reihe von NS-Prestigefilmen mit und war mit einigen der Top-Regisseure (Harlan, Liebeneiner, Ucicky) befreundet. Im Propagandaministerium wurde er als "tadellos und unverdächtig" geführt.
Nach dem Krieg gründete Nielsen in Hamburg das Kabarett "Die Aussenseiter", in dem nicht nur die Trümmerzeit aufs Korn genommen wurde, sondern auch die jüngste Vergangenheit. Er trat auch in vielen Unterhaltungsrevuen auf und war ein vielseitiger Künstler.
1947 spielte er in Käutners "In jenen Tagen" eine Rolle. Der Regisseur selbst zählte Nielsen neben Raddatz und Hermann Speelmanns zu jenen Schauspielern, die er mit ein wenig "Bauchweh" notgedrungen mangels Alternative besetzte, da sie nicht ganz unbelastet waren. Der junge und etwas rebellische Erich Schellow war ein wenig erbost über die Situation.
Ab 1948 begann Nielsen mit Synchronarbeiten, dein Debut war vermutlich Melvyn Douglas in "Ninotschka".
1949 hatte er als Pfarrer, der mit dem Sterben eines Kindes nicht klarkommen kann, in "Nachtwache" einen großen Filmerfolg und spielte fortan in zahlreichen Kinohits.
1949 war er jedoch auch Zeuge im Prozess um Veit Harlan. Nielsen sagte aus, daß der Regisseur gezwungen gewesen wäre, gewisse Sachen zu tun und über jeden Verdacht erhaben sei. Nielsen drehte auch nach dem Krieg noch dreimal mit Harlan, darunter den berüchtigten "Anders als du und ich".
Ärzte, Geistliche, Anwälte, Richter, Kommissare, Gutsherren-Nielsen spielte meist sympathische, gerechte und ehrliche Menschen. Allerdings waren sehr wohl auch ein paar Schurkenrollen dabei, die er mit Bravour meisterte. Nielsen war bei sämtlichen bekannten Filmreihen dabei: Edgar Wallace, Bryan E. Wallace, Karl May, Teutonen-Western, Schlagerfilmen, etc.
Unter seinen Filmen tauchen aber auch zwei Besonderheiten auf:
"Ich kann nicht länger schweigen" von 1962-in diesem Film wurde die menschliche Seite der Abtreibungen deutlich gezeigt und er stellt sich klar auf die Seite einer humanen Lösung für alle Beteiligten.
"Herrenpartie" von 1963/64 war ein Wolfgang Staudte-Film, der sich auf fast boshafte Weise mit Alt-Nazis befasste. Der Film war ein ziemlicher Eklat damals.
Nielsen starb am 13. Oktober 1965 an den Folgen einer zu spät erkannten Leukämie.
Nielsen wurde von vielen Berufskollegen professionell wie privat sehr geschätzt-von liberalen und konservativen Künstlern.

Quellen: Bücher von Felix Moeller, Bärbel Schrader, Kay Weniger, Ernst Klee, Internetrecherchen, Bücher zum Nachkriegs- und Propagandafilm)

fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

31.08.2013 13:19
#2 RE: Hans Nielsen Zitat · antworten

Hans Nielsen-Filmerfolge nach 1945
(Eine Auswahl)

* Fünf unter Verdacht (1950)
* Die Spur führt nach Berlin (1952)
* Hokuspokus (1953)
* Zwischenlandung in Paris (1955)
* Meine Kinder und ich
* Teufel in Seide
* Vor Sonnenuntergang (1956)
* Hochzeit auf Immenhof
* Königin Louise (1957)
* Anders als du und ich
* Nachts im grünen Kakadu
* Gestehen Sie, Dr. Corda! (1958)
* Der Mann im Strom
* Der lachende Vagabund
* Kriegsgericht (1959)
* Und ewig singen die Wälder
* Herrin der Welt (1960)
* Gustav Adolfs Page
* Stadt ohne Mitleid (1961)
* Ich kann nicht länger schweigen (1962)
* Die Tür mit den sieben Schlössern
* Ein Toter sucht seinen Mörder
* Sherlock Holmes und das Halsband des Todes
* Das indische Tuch (1963)
* Scotland Yard jagt Dr. Mabuse
* Das Phantom von Soho (1964)
* Herrenpartie
* Das Ungeheuer von London City
* Das siebte Opfer
* Verhör am Nachmittag (1965)
* Der Schatz der Azteken
* Die Pyramide des Sonnengottes
* Hotel der toten Gäste
* Die Hölle von Manitoba
* Exil

fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

31.08.2013 13:44
#3 RE: Hans Nielsen Zitat · antworten

HANS NIELSEN im SYNCHRONSTUDIO

Hans Nielsen hat eine ganze Reihe bekannter Stars und hervorragender Schauspieler synchronisiert-in vielerlei Hinsicht wesentliche Vertreter der obersten Liga. Allerdings hat er ebenso B-Movies mit derselben Qualität veredelt.
Er war prädestiniert für Draufgänger und Helden, solche die edelmütig waren und solche, die auch etwas zwiespältiger wirkten. Nielsen war in Synchronrollen wesentlich dynamischer als selbst vor der Kamera-denn da wirkte er meist älter, als er war und durch die gedrungene Figur oft eher inaktiv.
Häufig waren Nielsens Synchronrollen aber auch getragen von Macht, Arroganz, Heimtücke. Einige seiner besten Synchronrollen waren Schurken oder überhebliche Zeitgenossen, die ihrer Selbstherrlichkeit zum Opfer fielen.
Nielsen war aber auch ein ausgezeichneter Erzähler ("Don Camillo und Peppone", "Irma la Douce" oder "Schlagende Wetter").
Am Häufigsten synchronisierte er Tyrone Power in zumindest acht Filmen (es können mehr sein!), James Stewart in sechs Filmen, Errol Flynn in bisher gezählten fünf (auch hier können es mehr sein!)
Flynns Rolle als "Robin Hood" zählt sicher auch zu Nielsens bekanntesten Synchronrollen. Ebenso "kultverdächtig" ist Nielsens einziger Ausflug in den Zeichentrickfilm: 1963/64 lieh er dem Zauberer Merlin seine Stimme in Disneys "Die Hexe und der Zauberer". Nielsens Arbeit darin ist ein absolutes Highlight seiner Karriere und aller Disney-Filme überhaupt (aus meiner Sicht).

Er synchronisierte mehrfach Cornel Wilde und Michael Wilding, Rex Harrison, Cary Grant, Walter Pidgeon (allerdings nicht in "Schlagende Wetter", das ist ein Irrtum!), Trevor Howard, Louis Jourdan, Robert Taylor, Orson Welles, Mel Ferrer, Ray Milland, Melvyn Douglas, uva

Meine Top-Rollen sind auf jeden Fall Ray Milland in "Bei Anruf Mord"-die Arroganz und eiskalte Präzision des Tony Wendice bringt er vorzüglich rüber.
Victor Sjöström als alter, nicht immer einfacher Professor, der über sein Leben und seine Mitmenschen reflektiert in Ingmar Bergmans berührendem Film "Wilde Erdbeeren".
Peter Cushing gab er im ersten Hammer-Horrorfilm "Frankensteins Fluch" eine tolle deutsche Greifbarkeit: arrogant, selbsherllich, narzisstisch, eiskalt und letztendlich feige winselnd und uneinsichtig.
Mel Ferrer in "Scaramouche" ist einer seiner charmantesten Bösewichter, der er mit Leidenschaft und Leichtigkeit spricht.
Ich mochte Nielsen sehr für Louis Jourdan in "Briefe einer Unbekannten", obwohl er etwas kräftig für den schlanken Mann scheint.
Für James Stewart war er nicht immer ganz optimal, aber eine durchaus hervorragende Alternative zu Siegmar Schneider. Stewart in "Geliebte Brigitte" dürfte Nielsens letzte Synchronrolle gewesen sein.

Wo mir Nielsen weniger gefiel, war für Fred Astaire. Er war viel zu voluminös für den sehnigen Kerl, neben dem selbst James Stewart wie ein Kasten wirkte.
Auch für Robert Taylor schien er mir in "Quo Vadis" sehr outrierend, fast nervig. Ebenso hat er mir auch Orson Welles in "Citizen Kane" ein wenig zu einseitig herrisch synchronisiert-da ist Welles selbst oft gebrochener.

Für Cary Grant, Gary Cooper und David Niven kenne ich ihn nicht-kann ihn mir aber teils sehr gut vorstellen.

Das war nun ein kleiner Abriss für den Anfang-mehr dann im Laufe der Diskussion!

berti


Beiträge: 17.884

31.08.2013 17:49
#4 RE: Hans Nielsen Zitat · antworten

Zitat von Gast im Beitrag #3
Er war prädestiniert für Draufgänger und Helden, solche die edelmütig waren und solche, die auch etwas zwiespältiger wirkten. Nielsen war in Synchronrollen wesentlich dynamischer als selbst vor der Kamera-denn da wirkte er meist älter, als er war und durch die gedrungene Figur oft eher inaktiv.
Häufig waren Nielsens Synchronrollen aber auch getragen von Macht, Arroganz, Heimtücke. Einige seiner besten Synchronrollen waren Schurken oder überhebliche Zeitgenossen, die ihrer Selbstherrlichkeit zum Opfer fielen.

Früher kannte ich ihn in erster Linie als Schauspieler (von Rollen aus seinen späteren Jahren, in denen er auch auf mich deutlich älter wirkte) und als Synchronsprecher auch eher aus "späteren" Parts, in denen seine Stimme schon deutlich schwerer klang. Deswegen konnte ich ihn mir schwer als passend für dynamische Stars wie Errol Flynn oder Tyrone Power vorstellen (um 1950 synchronisierte Filme kannte ich damals kaum). Erst durch Sichtung wurde ich eines Besseren belehrt und war überrascht, wie "frech" er zu dieser Zeit klang.
Trotzdem finde ich ihn (gerade in späteren Jahren) als Sprecher negativer oder zumindest unsympathischer Figuren besonders interessant. Als Beispiele dafür wüsste ich gerade aber "nur" Ray Milland in "Bei Anruf Mord" ("Können Sie das Gegenteil beweisen? Sie können jedenfalls nicht beweisen, dass ich es war!"), Mel Ferrer in "Scaramouche", wo er den O-Ton an Abgefeimtheit noch übertraf, dem Marquis aber zusätzlich in einigen Szenen auch wieder eine menschliche Seite verlieh, so dass die Figur etwas komplexer wirkte, und Peter Cushing in "Frankensteins Fluch".
Sind dir noch weitere Beispiele für Nielsen als Fiesling bekannt?

berti


Beiträge: 17.884

31.08.2013 18:25
#5 RE: Hans Nielsen Zitat · antworten

Zitat von Gast im Beitrag #3
Peter Cushing gab er im ersten Hammer-Horrorfilm "Frankensteins Fluch" eine tolle deutsche Greifbarkeit: arrogant, selbsherllich, narzisstisch, eiskalt und letztendlich feige winselnd und uneinsichtig.

Gerade sein trotzig-wütendes "Das spielt keine Rolle!" (als er mit dem Vorwurf konfrontiert wird, ein Ungeheuer erschaffen zu haben) und das verzweifelt gekreischte "Paul, du musst mich retten!" ganz am Ende habe ich noch nach vielen Jahren im Ohr. Ein interessanter Kontrast zu seinen ansonsten sehr selbstbewussten Rollen!
Apropos: Noch weniger typisch fand ich ihn für Arthur O´Connell in "Picknick", wo er sehr schüchtern (geradezu kleinlaut) klingt und auf die Versuche einer Frau, ihn zur Heirat zu drängen, mit Verlegenheit reagiert.
Synchronstimmen, die man eigentlich ganz anders kennt (13)
Kennst du den Film auch?

PeeWee


Beiträge: 1.718

31.08.2013 20:12
#6 RE: Hans Nielsen Zitat · antworten

Auch wenn bei mir nichts über Friedrich Schoenfelder für David Niven geht, fand ich Hans Nielsen bei seinen Einsätzen, die ich gesehen habe, eine sehr gute und passende Alternative. Neben Paul Klinger ist er eigentlich der einzige, den ich auf Niven "dulde".

fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

31.08.2013 23:39
#7 RE: Hans Nielsen Zitat · antworten

Erstmals danke für eure Beiträge-ich hoffe, es werden noch mehr. Schließlich war Nielsen schon einer der oberen Liga, wenn er auch leider viel zu früh verstorben ist.

Heute habe ich die Dvd "Im Geheimdienst" mit Gary Cooper gekauft, synchronisiert von Nielsen. Ein guter, spannender Thriller, der als solcher bestehen kann, auch wenn man nicht krampfhaft Fritz Lang-Geniezutaten hineininterpretiert. Nielsen gefiel mir ausgezeichnet in der Rolle-das richtige Mittelding zwischen Bedächtigkeit und Draufgängertum.

Nun aber mal zu den Beiträgen:

@ Berti:

Ich habe Nielsen zuallererst bewusst für Flynn wahrgenommen. Jahrelang lief Nielsen für mich immer als "Flynn-Stimme". Seltsamerweise konnte ich die Stimme so absolut gar nicht dem älteren Herrn zuordnen, den ich in den alten Krimis sah. Erst "Anatomie eines Mordes" löste mein Rätsel-das sah ich in einer Retrospektive zu Preminger und nach dem Filmende gab es Sprecherangaben (wie auch bei "Plötzlich im letzten Sommer"). Das war für mich eine immense Überraschung!
Ray Milland ist sicherlich eine seiner großartigsten "Bösewichter"-Rollen. Die Arroganz und Eiseskälte trifft er ganz wunderbar. Wie eingangs erwähnt zählt auch Mel Ferrer in "Scaramouche" dazu-Nielsen übertrifft hier tatsächlich das Original und ist von einer fast beängstigenden Dekadenz.

Nach dem Erfolg von "Frankensteins Fluch" wunderte ich mich, warum Nielsen Cushing nicht nochmal sprach-obwohl ich ihn mir nicht als Dauerlösung hätte vorstellen können. Frankensteins allererster Satz legt seinen Charakter fest und den Ton des Filmes. Wenn er zum Priester sagt: "Sparen Sie sich Ihren Zuspruch für jene, die ihn brauchen!", dann weiß man eigentlich schon, daß es nicht Reue und Einsicht eines Verurteilten sind, deretwegen er den Beistand erflehte. Das macht Nielsen ganz wunderbar!

In gewisser Hinsicht gehört auch "Citizen Kane" zu den harten Rollen Nielsens. Es dürfte vermutlich am Synchronregisseur gelegen haben, daß er die Rolle doch gegenüber dem Original deutlich vergröbert sprach.

Für Rex Harrison in "Cleopatra" ist er ein großartiger Rollencast. Er verströmt stimmlich die ganze Macht und auch Ohnmacht des römischen Imperiums.

Wie andernorts diskutiert, war Nielsen ja der erste Synchronsprecher (und vermutlich deutsche Schauspieler generell) der in einem Film Worte wie "Sperma" und "Orgasmus" aussprach-in "Anatomie eines Mordes". Mir klingt er hier zwar fallweise zu schwer für Stewart, aber er gefiel mir wegen der jungenhaften Frechheit, die er auch immer wieder einbrachte.

Eine meiner Lieblingsrollen ist auch Victor Sjöström in "Wilde Erdbeeren". Den Altersunterschied, wie ja auch Bräutigam schrieb, machte er spielend wett. Diese facettenreiche Rolle ist einfach großartig gespielt und großartig synchronisiert-sie deckt eine immense Breite an Emotionen ab und ist sehr komplex. Wenn man denkt, wie vergleichsweise wenig Zeit ein Synchronsprecher hat, sich diese Rolle zu erarbeiten, ist die Leistung beachtlich. Authorität, Altersstarrsinn, Verletzlichkeit, Güte, Traurigkeit, Kindlichkeit-Nielsen bringt die kleinste Nuance der Rolle perfekt rüber.
Ähnlich beeindruckend fand ich ihn für Franchot Tone in "Sturm über Washington"-auch hier bringt er sehr schön Macht, Ohnmacht und Verantwortung eines hohen Amtes vollendet zum Ausdruck.

Für Errol Flynn fand ich ihn ganz wunderbar. Er hat sogar einen kleinen Hauch Vorsprung bei mir gegenüber Axel Monje. Vor allem in "Robin Hood" war er einfach so erfrischend frech und dynamisch. Von seinen Arbeiten für Tyrone Power kenne ich (leider) nur den "Zorro"-Film. Da war er ganz wunderbar-so stellt man sich eine Heldenstimme aus dem Bilderbuch vor!

fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

31.08.2013 23:43
#8 RE: Hans Nielsen Zitat · antworten

@ PeeWee:

Da ich die Filme nicht kenne mit Nielsen für Niven-was für Charaktere sind das? Typische Engländer oder auch so ein wenig "Draufgänger"?
Ich hätte mir Nielsen auch sehr gut bei "In 80 Tagen um die Welt" vorstellen können.

Silenzio
Moderator

Beiträge: 21.483

31.08.2013 23:59
#9 RE: Hans Nielsen Zitat · antworten

Hans Nielsen ... da gehe ich bei zwei meiner Lieblingsrollen mit dir konform, fortinbras. "Bei Anruf Mord" und "Cleopatra". Perfekter Rollencast bei zweiteren und tolle Schurkenrolle bei ersterem.

Bei meiner Lieblingsrolle wird's schon schwieriger. Denn die polarisiert. Nicht so schlimm wie Erik Ode/Cary Grant, aber doch ein wenig macht es den Eindruck. Und diese scheint außer mir und Lammers keiner so richtig gut zu finden und sei es nur aufgrund der Tatsache weil Siegmar Schneider in einer Nebenrolle zu hören war: James Stewart in "Anatomie eines Mordes". Absolute Sternstunde in meinen Augen. Finde ihn auch überhaupt nicht "zu schwer" oder ähnliches wie manchesmal geschrieben wird. Auch die Tatsache, dass Stewart-Stammsprecher Siegmar Schneider statt für ihn nur eine Nebenrolle sprach, stört mich kein bisschen. Im Gegenteil. Nielsen trifft die teilweise ironischen Untertöne der Rolle perfekt.

Etwas schwach hingegen fand ich Nielsen für Cornel Wilde in "Todsünde". Vor allem in den Gerichtsszenen am Ende, da zieht er leider eindeutig den Kürzeren gegenüber Peter Pasetti (Vincent Price).

Für Robert Taylor in "Quo Vadis" dagegen fand ich ihn gar nicht mal schlecht, wüsste auch keine passende Alternative, allenfalls vielleicht Paul Klinger.

berti


Beiträge: 17.884

01.09.2013 09:27
#10 RE: Hans Nielsen Zitat · antworten

Zitat von fortinbras im Beitrag #7
In gewisser Hinsicht gehört auch "Citizen Kane" zu den harten Rollen Nielsens. Es dürfte vermutlich am Synchronregisseur gelegen haben, daß er die Rolle doch gegenüber dem Original deutlich vergröbert sprach.

Für Rex Harrison in "Cleopatra" ist er ein großartiger Rollencast. Er verströmt stimmlich die ganze Macht und auch Ohnmacht des römischen Imperiums.

Beide Rollen kenne ich. In "Cleopatra" hat Nielsen mich beeindruckt und ich könnte mir hier niemanden besser vorstellen, obwohl ich Rex Harrison beim ersten Sehen dieses Filmes nur mit Friedrich Schoenfelder kannte (der zum Zeitpunkt der Synchronisation aber eh noch kein Thema war).
Gerade die sarkastischen Dialogstellen traf Nielsen genial! Ob er zu den Sprechern gehörte, die dafür ein besonderes Talent hatten?
Bei "Citizen Kane" bin ich zwiegespalten: Er passte dort eigentlich nur zu dem auf älter geschminkten Orson Welles mit Schnurrbart. Für den jüngeren und glattrasierten Kane klang er damals schon zu alt. Schade, dass man ihn in den Fünfzigern/Sechzigern nie auf den damals "aktuellen" Welles besetzt hat!
Dass er der Figur nicht immer gerecht wurde, dürfte an der Regie gelegen haben. Harry Bittkowski wirft der deutschen Fassung in seinem Buch über Filmfehler bekanntlich vor, Charles Foster Kanes Charakter durch vom Original abweichende Textstellen und teilweise andere Tonfälle zu verzerren. Man muss seine Kritik nicht in allen Punkten teilen, aber die deutsche Fassung dieses Klassikers ist auch so schlimm genug durch die teilweise grausam unpassende Musik, den sterilen Klang, das alberne Einbauen englischer Floskeln in den deutschen Dialog ("How do you do", "Well, "all right") und manche Sprecher, die relativ unmotiviert klingen.
Siehe hier:Citizen Kane

John Connor



Beiträge: 4.883

01.09.2013 11:15
#11 RE: Hans Nielsen Zitat · antworten

Die Verblüffung, als ich Nielsen selbst später in einem Film gesehen habe, war auch bei mir groß – irgendwie konnte ich diese meist sehr ironische und manchmal auch sardonische Stimme gar nicht in Einklang bringen mit dem Mann, der wie der Zwillingsbruder von Nigel Bruces trotteligem Watson aussah.
Nielsen schafft es zwar bei weitem nicht in die Top Ten meiner Favoriten, dennoch gehört seine großartige Leistung auf Ray Milland in BEI ANRUF MORD definitiv zu den besten und herausragendsten der klassischen Ära. Nielsen verschmilzt durch sein nuancenreiches Spiel, mit punktgenauen Betonungen und Modulationen so sehr mit der Rolle, dass die Synchro für mich einen nicht unerheblichen Anteil am Genuss von ANRUF ausmacht.
Auch auf Rex Harrison in CLEOPATRA gefiel er mir ziemlich gut (obwohl ich hier doch lieber Ackermann gehört hätte).

Seinen anderen Rollen kann ich allerdings nicht so viel abgewinnen. Bei Flynn geht für mich nichts über Monjé, ganz furchtbar fand ich ihn auf Cary Grant in DU UND KEINE ANDERE (in HEXENKESSEL dagegen zog er sich ganz achtbar aus der Affäre), auf Tyrone Power hat er keinen Eindruck bei mir hinterlassen.

Gaaanz, ganz schlimm finde ich ihn dagegen auf James Stewart in ANATOMIE EINES MORDES! Im Gegensatz zu der Ode/Grant-Paarung in DER UNSICHTBARE DRITTE, die mir als Rollencast nach der erstmaliger Irritation schon immer sehr gut gefallen hat, finde ich dieses Ausscheren von einer etablierten Kombi ziemlich fragwürdig. Gut, ANATOMIE ist als Film schon ziemlich langweilig, er gehört zu den schwächsten von Preminger, von Stewart sowieso, aber Nielsens Interpretation macht den mittelbmäßigen Film noch ungenießbarer. Er legt die Rolle – sorry für den unhöflichen Ausdruck – sehr eunuchenhaft an, seine Stimme überschlägt sich mehrmals zu oft des Guten, nie kann ich dabei den Eindruck verdrängen, dass hier jemand sein Schauspiel ausstellt.
Auch sonst und generell passte er zu Stewart überhaupt nicht. Was ein bisschen erstaunlich ist, weil Stewarts Physiognomie entfernte Ähnlichkeit mit MIlland hat (noch heute hält meine Mutter Milland in ANRUF übrigens für Stewart), aber Nielsen kann Stewarts Mienenspiel stimmlich halt nicht so genial interpretieren wie Schneider.

fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

01.09.2013 11:39
#12 RE: Hans Nielsen Zitat · antworten

@ Silenzio:

Cornel Wilde ist für mich in erster Linie ein typischer Filmheld. In "Todsünde" wirkt er auf mich recht hölzern und zieht auch im Original deutlich den Kürzeren gegenüber Vincent Price. Der hat schlichtweg die bessere Rolle-Pasetti ist hier wirklich ganz erstklassig!

Ich kann Nielsens Arbeit in "Anatomie eines Mordes" durchaus viel abgewinnen-vor allem wenn es um den Sarkasmus geht. Er wird der Rolle selbst auch absolut gerecht und daß man Siegmar Schneider in einer Nebenrolle hört, das war nicht so störend für mich-das kommt ja öfters vor. Es sind so einzelne Passagen, wo er mir einfach "zu schwer" ist. Wenn Stewart so in halb an sich selbst gerichteten Reflexionen gerät, wird mir Nielsen manchesmal zu "tief und schwer". Ich lehne die Besetzung keinesfalls ab, vermutlich ist es auch Nielsens schauspielerisch hervorragendste Leistung für Stewart. Die Kinosynchronisation von "Kennwort 777" dürfte ja verschollen sein, "Stärker als Ketten" kenne ich auch nicht. In "Anatomie..." ist das natürlich auch ganz was anderes als in den restlichen Nielsen/Stewart-Rollen, die doch rein komödiantisch sind. Ganz zuletzt, in "Geliebte Brigitte", was ja seine letzte Synchronrolle war (abgesehen vermutlich von der Selbstsynchronisation einiger Filme), hatte sich Nielsen Stimme aber nochmal deutlich verändert-da empfand ich ihn wirklich fast unpassend. Der Film selbst ist ja auch nicht unbedingt ein Meilenstein...! Verglichen mit dem war er in "Anatomie..." federleicht.

Ich hätte mir Nielsen nicht unbedingt als regelmäßige Stimme für Rex Harrison vorstellen können, aber als Rollencast ist er schlichtweg wunderbar-so stellt man sich Julius Cäsar irgendwie schon vor. Da ist bei der rekonstruierten Fassung der Bruch zu Randolf Kronberg in den ergänzten Szenen heftig-der kann zwar auch schön kühl und gebieterisch sein ("Pharao"), aber auf ganz andere Art und gefällt mir hier gar nicht.

Bei "Quo Vadis" ist Nielsen nicht schlecht-er outriert nur zwischendurch etwas und hört sich phasenweise so an, als wüsste er nicht, wie er das sprechen soll. Geht aber perfekt zusammen mit Taylors Spiel-der auch oft unbeholfen wirkt und scheinbar manchesmal nicht weiß, was er mit der Rolle machen soll. Klinger und Raddatz oder Lukschy wären vielleicht auch etwas gescheitert-Taylor hat einfach die uninteressanteste der Hauptrollen. Mir kommt nur vor, als würde Nielsen ab und an zu sehr aufdrehen, als wolle er (oder die Regie) mehr Farbe (=Theatralik) in die Figur bringen.

@ Berti:

Das habe ich mir auch schon gedacht, daß Nielsen gut auf den zeitgenössischen Welles gepasst hätte. Gerne gehört hätte ich ihn in "Jane Eyre", weil er beide Aspekte der Rolle abgedeckt hätte-auch die romantische Seite. Da war Süssenguth nicht gerade überzeugend.
Die gesamte "Citizen Kane" Synchronisation ist tatsächlich eigentümlich, das Original wirkt ganz anders-vor allem auch wegen Bernard Herrmanns raffinierter Musik.
Je älter Kane wird, umso besser passt Nielsen-seltsamerweise bemüht er sich nie um eine sich verändernde Stimme, obwohl er das sehr gut beherrschte. Wobei hier ja generell der Synchronregisseur die Hauptverantwortung hat.

fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

01.09.2013 11:51
#13 RE: Hans Nielsen Zitat · antworten

@ John Connor:

Danke für deine interessanten Einblicke! Der Vergleich mit Nigel Bruce ist nicht übel!!!
Für mich war das schon ein wenig erstaunlich, als ich Stimme und Gesicht erstmals zusammenbrachte.
"Anatomie eines Mordes" gehört für mich zu Premingers eindeutig besten Filmen (sein absoluter Tiefpunkt ist "Exodus", da ist sogar "Unternehmen Rosebud" noch meisterhafter im Vergleich)-auch wenn ich ihn erst nach "Sturm über Washington" und "Laura" aufs Stockerl stellen würde. Aber Geschmack ist ja bekanntlich etwas, über das man nicht streiten kann...

Curt Ackermann in "Cleopatra" wäre die einzige glaubwürdige Alternative gewesen-der kann auch so schön "imperial" klingen. Mit Schoenfelder täte ich mir in der Theorie sehr schwer...

Ich kenne relativ wenige Filme mit Flynn, in denen Nielsen und Monje die Sprecher sind-bei mir ist Nielsen aber einen kleinen Hauch weiter vorn. Monje ist sicher etwas jugendlicher und "leichter", aber Nielsens fein nuancierter Sinn für Ironie und Sarkasmus ist einfach unübertrefflich.

fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

01.09.2013 15:23
#14 RE: Hans Nielsen Zitat · antworten

Ein Nachtrag zu Flynn-Nielsen-Monje:

eigentlich tue ich mir sehr schwer, einen als Favoriten auszuwählen-ich mag sie ja doch gleich gerne. Mit beiden kenne ich jeweils zwei Filme und Monje kann das Ironisch-lausbubenhaft-sarkastische auch sehr gut (Paradebeispiel: Stewart Granger in "Scaramouche"-kongenial mit Hans Nielsen für Mel Ferrer).
Daß ich Nielsen aber doch 0,01 mm Vorsprung gebe ist, weil sein Sarkasmus zwischendrin manchesmal sehr "erwachsen" klingt und messerscharf eine gewisse Bedeutsamkeit zum Ausdruck bringt.
Das musste ich jetzt noch los werden-das schlechte Gewissen drückte, weil ich Monje sehr schätze.

Seltsam eigentlich, daß man Nielsen nie für Stewart Granger ausprobierte-das wäre auch sehr naheliegend gewesen. In Anbetracht dessen, daß er in den frühen 50ern doch schon mehrfach für Flynn, Power und andere Helden zu hören war, ist es beinahe erstaunlich, daß Nielsen nicht Granger bekam. Allerdings eine großartige Besetzung so, wie sie ist-die Synchronisation mit Monje und Nielsen als Rivalen ist wirklich sehr stark!

Silenzio
Moderator

Beiträge: 21.483

02.09.2013 04:53
#15 RE: Hans Nielsen Zitat · antworten

Zitat von fortinbras im Beitrag #12
Da ist bei der rekonstruierten Fassung der Bruch zu Randolf Kronberg in den ergänzten Szenen heftig-der kann zwar auch schön kühl und gebieterisch sein ("Pharao"), aber auf ganz andere Art und gefällt mir hier gar nicht.


Da stimme ich dir voll und ganz zu. Kronberg aber auch die anderen wie Ekkehardt Belle verlieren eindeutig gegenüber ihren "Originalsprechern". Abwegig, aber vielleicht hätte man die Reko an die STL (Synchron- und Tonstudio Leipzig) vergeben sollen. So hat z.B. Georg Solga eine entfernte Stimmenähnlichkeit mit Hans Nielsen finde ich.

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