ich bin kurz davor, meine Bachelorarbeit in Englisch im Bereich Linguistik zu schreiben und habe mir gedacht - da ich ein großer Synchron-Fan bin - Synchronisieren als Thema zu wählen. Es gibt sehr interessante Artikel und Bücher darüber und ich habe mich auch schon ein bisschen eingelesen, weiß aber noch nicht ganz sicher, wohin ich thementechnisch tendiere, daher meine Fragen an euch:
Kennt ihr Filme, bei denen es zwischen Originalversion (Englisch oder Französisch) und synchronisierter Fassung (Deutsch) große (die Story verändernde) Unterschiede gibt? oder Sind euch ansonsten Filme (oder auch Serien) bekannt, bei denen es lohnenswert wäre, sie in einer Bachelorarbeit zu thematisieren (außer Inglourious Basterds (2009), darüber gibt es bereits einen fantastischen Artikel).
Ich wäre wirklich für jeden Themenvorschlag und/oder Hilfe und/oder Anregungen dankbar!
Bitte kein "Casablanca", kein "Citizen Kane" oder sonst ein solches Meisterstück des Kinos, zu dem es schon soviele Dinge gibt, daß man es kaum mehr aushält. Wie wäre es einmal mit etwas Unbekannterem, das zu entdecken es sich wirklich lohnt? Ein paar tolle B-Movies oder schon halb vergessene Filme.
...und auch nicht "Stirb langsam", da dieses Thema bekanntlich schon vor über fünfzehn Jahren in einer Arbeit (und später in einem Schnittbericht) ausgebreitet wurde!
Zitat von ShadowFuzzy im Beitrag #1Hallo ihr Lieben,
ich bin kurz davor, meine Bachelorarbeit in Englisch im Bereich Linguistik zu schreiben und habe mir gedacht - da ich ein großer Synchron-Fan bin - Synchronisieren als Thema zu wählen. Es gibt sehr interessante Artikel und Bücher darüber und ich habe mich auch schon ein bisschen eingelesen, weiß aber noch nicht ganz sicher, wohin ich thementechnisch tendiere, daher meine Fragen an euch:
Kennt ihr Filme, bei denen es zwischen Originalversion (Englisch oder Französisch) und synchronisierter Fassung (Deutsch) große (die Story verändernde) Unterschiede gibt? oder Sind euch ansonsten Filme (oder auch Serien) bekannt, bei denen es lohnenswert wäre, sie in einer Bachelorarbeit zu thematisieren (außer Inglourious Basterds (2009), darüber gibt es bereits einen fantastischen Artikel). Ich wäre wirklich für jeden Themenvorschlag und/oder Hilfe und/oder Anregungen dankbar!
Ein Vorschlag, der zwar nichts mit Verfälschungen zu tun hätte, aber andererseits sicher noch nicht breitgreten wurde, da die entsprechenden Fassungen lange als verschollen galten: Als 1984 mehrere Hitchcock-Filme wiederaufgeführt wurden, liefen diese in Deutschland (bis auf den "Mann, der zuviel wusste") in neuen Synchronfassungen. Die Erstsynchros von "Das Fenster zum Hof", "Cocktail für eine Leiche" und "Vertigo" galten lange als verschollen, aber die von "Cocktail" lief vpr einigen Jahren erstmals im Fernsehen und wurde mittlerweile auch veröffentlicht. Die alten Fassungen vom "Fenster" und "Vertigo" haben zumindest einige Mitglieder (die per PM kontaktiert werden könnten) griffbereit. Man könnte hier vergleichen, wie bestimmte Dialoge 1955, 1959 und 1963 (dem jeweiligen Jahr der deutschen Premiere) synchronisiert wurden und wie man das 1984 tat. Gravierend sind die Unterschiede nicht unbedingt, aber man könnte so auf sehen, wo man sich jeweils in den Fassungen leichte Freiheiten nahm und wo 1:1 übersetzt wurde.
Im Falle von "Vertigo" gibt es auch noch eine dritte Synchro, die vom Dialog her mit der zweiten aber fast völlig identisch ist, weswegen sich ein Vergleich hier nicht lohnen würde. Bei den Zweitsynchros dürfte es allerdings so gewesen sein, dass den Machern diese nicht vorlagen, weshalb sie bei der Dialogübersetzung und den Rollenbesetzungen (abgesehen davon, dass man erneut Siegmar Schneider für James Stewart nahm) nicht von den älteren Arbeiten beeinflusst waren.
Als Fachidiot mit minimalem Einblick in die Materie eine kleine Anregung: bisher gibt es zu den hier bereits erwähnten Hitchcock-Mehrfachsynchronisationen dreier Filme noch keine umfassende Arbeit, da sie erst vergleichsweise kurz verfügbar sind. Eine Arbeit über Hitchcocks Berüchtigt oder andere Filme mit NS-Bezügen würde ich als nicht sehr ratsam bezeichnen. Das stösst in etwa auf soviel Begeisterung bei den Profs wie der Hamlet-Monolog oder das Gretchen beim Vorsprechen an Schauspielschulen.
Wobei ich find, daß es auch auf die Qualität der Arbeit ankommt. Der Hamlet ist ja auch ne gute Rolle und wer wer nen anderen Zugang findet, etwas Neues bringt, kann das ja die Leute begeistern, oder?
Vielleicht wären CASABLANCA oder BERÜCHTIGT echt schon abgedroschen, aber sicher kann man zu vielen Filmen ne tolle Arbeit schreiben wegen dem persönlichen Blick drauf. Und auf den kommts ja an, nicht? Was die Professoren erwarten ist doch kein Kriterium. Ausser bei jenen, die nur drauf wert legen, daß man sich ihrer Meinung unterwirft.
Auch wenn das Thema abgenudelt ist, die größten Veränderungen gab es dann, wenn in Filmen das Thema um den Nationalsozialismus kreiste.
Der italienische Filmklassiker "Rom – offene Stadt" zum Beispiel zeigt das tragische Schicksal einer italienischen Widerstandsgruppe zur Zeit der deutschen Besatzung Roms im Jahr 1944. Das Drehbuch war von Roberto Rossellini und Federico Fellini noch während des Zweiten Weltkriegs geschrieben worden. Der Film gilt noch heute als ein eindrucksvolles Zeugnis der Zeitgeschichte und als ein Meilenstein der Filmgeschichte.
Die FSK verweigerte jedoch dem Film 1950 generell eine Freigabe. Es hieß, der Film zeige "die historische Wahrheit überdreht". Weiter wurde begründet: "Heute jedoch, in einer neuen europäischen Situation, müssen von einer öffentlichen Vorführung 'völkerverhetzende' Wirkungen befürchtet werden, die im Interesse einer allgemeinen, besonders einer europäischen Völkerverständigung, unbedingt zu vermeiden sind." Ein mehr als zynisches Argument. Als die FSK-Begründung mit den Worten schloss, eine Freigabe sei "auch im Interesse des Herstellungslandes nicht zu verantworten", schlug das schon regelrecht dem Fass den Boden aus. Erst elf Jahre später durfte der Film – allerdings in einer massiv entschärften und in den Dialogen bewusst veränderten – Version in Deutschland gezeigt werden. Außerdem knüpfte die FSK an die Freigabe die Bedingung, dem Film einen "klaren, leicht fasslichen und langsam abrollenden" Text voranzustellen. So bekam der deutsche Zuschauer zu Beginn des Streifens zu lesen: "Dieser Film richtet sich nicht gegen das deutsche Volk. Er klagt nicht den deutschen Soldaten an. Er schildert den Kampf freiheitsliebender Menschen gegen Willkür und Tyrannei."
Der Film "Stalag 17" von Billy Wilder spielt 1944 in einem deutschen Gefangenenlager. Die dort herrschende Lagergemeinschaft wird von einem deutschen Spion unterlaufen. Als die Paramount-Studios den Film in Deutschland herausbringen wollten, beschloss man, für die deutsche Fassung aus dem Verräter einen Polen zu machen. Billy Wilder, der fast seine ganze Familie im Holocaust verloren hatte, protestierte entschieden und konnte dies letztlich verhindern. Dennoch drehte er nie wieder für Paramount einen Film.
Der französische Film "Eva und der Priester" aus dem Jahr 1961 kam 1963 in die deutschen Kinos. Die Handlung des Films spielte zur Zeit der deutschen Besatzung in Frankreich. Der Verleih selbst entfernte alle Szenen, die darauf verwiesen. Von ursprünglich 130 Minuten waren am Ende nur noch 91 Minuten übrig geblieben. Der Verleih rechtfertigte dies mit der Begründung, er habe den Film auf "abendfüllende" 90 Minuten bringen wollen und nur "handlungsarme" Szenen entfernt.
Der italienische Film "Die Eingeschlossenen" von Vittorio de Sica, der auf einem Theaterstück von Jean-Paul Sartre beruht, sollte 1963 in die deutschen Kinos kommen. Er spielte in der damaligen Gegenwart und zeigte eine reiche Industriellenfamilie, die während des Krieges im Rüstungsgeschäft tätig war. An einer Stelle hieß es in der deutschen Fassung: "Glaubst du, ich schätze, wonach Vater strebt? Und ich bewunderte Flick, Krupp und Vater? Jedes Mal wenn ich einen Mercedes-Benz sehe, rieche ich den Gestank eines Gasofens." Die FSK verlangte eine Neufassung (bzw. Neusynchro) dieser Stelle, bei der die Namen Flick, Krupp und Mercedes-Benz nicht mehr auftauchen. "Der Ausschuss war der Auffassung, es sei nicht tragbar, Namen wie Krupp, Flick und Mercedes-Benz, die heute in der ganzen Welt durch eindrucksvolle Leistungen auch in den unterentwickelten Ländern hochangesehen seien und einen guten Klang hätten, in die fatale Assoziation zu den unmenschlichen und verbrecherischen Geschehnissen der Nazi-Zeit zu bringen." An einer anderen Stelle wurde ein Satz unterbunden, der sich gegen die Rüstungspolitik in Deutschland aussprach.
Zitat von S.T.O.F.F.E.L. im Beitrag #13Vielleicht wären CASABLANCA oder BERÜCHTIGT echt schon abgedroschen, aber sicher kann man zu vielen Filmen ne tolle Arbeit schreiben wegen dem persönlichen Blick drauf. Und auf den kommts ja an, nicht?
Allerdings wäre die Frage, ob der "persönliche Blick drauf" hier so viel ausmachen würde. Abgesehen davon, dass beide Fälle in der Sekundärliteratur oft pauschal genannt werden, liegt eine ausführlichere Analyse der Erstsynchro von "Casablanca" in dem von John Connor nuelich erwähnten Sammelband "Filmübersetzung. Probleme bei Synchronisation, Untertitelung, Audiodeskription" von 2012 vor. Bei "Berüchtigt" (der dort auch abgehandelt wird) ist die Situation etwas anders, da Nazis und Uran in diesem Fall sowieso (wie auch hier schon öfter betont) nur der MacGuffin sind und die "eigentliche" Story auch mit verändertem Inhalt funktioniert.