Wolfgang Büttner wurde am 1. Juni 1912 als Sohn eines Göttinger Arztes geboren. Nach dem Abitur studierte er in Rostock u.a. Theaterwissenschaften. Am Universitätstheater entdeckte er die Liebe zur Schauspielerei. Er sprach in Berlin bei Max Reinhardt vor, der ihn an seiner Schule aufnahm. 1934 machte Büttner sein Examen und nach kürzeren Engagements wurde er 1937 fix nach Frankfurt engagiert. Büttner war nie Mitglied der NSDAP, stand auf keiner Gottbegnadetenliste, aber dennoch gelang es ihm, bis 1944 der Einberufung zu entgehen. Dies lag primär daran, dass er ein kleines Amt in der Reichstheaterkammer inne hatte - und sich auf ein paar Gönner verlassen konnte. Er war kein Star, aber ein begehrter Charakterdarsteller, dessen eindringlichen Arbeiten bereits von der zeitgenössischen Kritik hoch gelobt wurden. 1945 kam er in französische Kriegsgefangenschaft, aus der er 1946 zurückkam. Wie Annemarie Düringer, die oft mit ihm gespielt hatte, zu erzählen wußte, waren ihm die "braunen Relikte" unter den Kollegen stets ein Dorn im Auge und nicht selten reagierte er abweisend auf sie und beehrte sie mit Sarkasmus.
Büttner ging nach München, wo er ab 1948 am "Bayrischen Staatsschauspiel" zum Ensemble gehörte. Dort blieb er bis 1960, als er im Streit das Haus verließ. Hans Schweikart nannte ihn einen hochsensiblen, mit Hang zum Perfektionismus ausgestatteten Künstler, in dem ständig etwas brodelte und der cholerisch werden konnte oder sich in Tiraden aus Hass und Selbstmitleid erbrach, wenn ihm etwas gegen den Strich ging. Nicht selten sei er spurlos bei Proben verschwunden.
Nach 1960 blieb er ständig an großen Theatern beschäftigt, schloß sich aber keinem Ensemble mehr an. Seine eindringlichen Portraits unterschiedlichster Menschen begeisterten über Jahrzehnte die Theaterbesucher.
In München lernte er auch Eleonore Noelle kennen, die er heiratete. Das Paar hatte zwei Kinder.
Büttner erkrankte während der 50er-Jahre an einem chronischen, mitunter schmerzhaften neurologischen Leiden, das Lähmungserscheinungen im Gesicht und sporadisch auch am Körper verursachte. Einige seiner Weggefährten sind der Meinung, daß diese Krankheit einen wesentlichen Anteil daran gehabt haben dürfte, daß er mitunter unausstehlich und feindselig war.
In den frühen 50er-Jahren begann Büttner mit Synchron - und Hörfunk-Arbeiten.
1950 stand er erstmals vor der Kamera im Film "Kronjuwelen". Der gefragte Schauspieler war u.a. zu sehen in teils wichtigen Rollen in "Der 20. Juli", "Teufel in Seide", "Hunde, wollt ihr ewig leben", "So weit die Füße tragen", "Am grünen Strand der Spree", "Das Rätsel der roten Orchidee", "Das Leben des Galilei", "Dantons Tod", "Die fünfte Kolonne", "Der Kommissar", "Goya", "Das Rätsel von Piskov", "Die Powenzbande", "Tatort" oder "Die Schwarzwaldklinik".
Nicht selten spielte er bedeutende oder historische Figuren, wobei insbesondere "Goya" (gibt's auf Dvd) ein Glanzstück ist. Es waren aber auch intrigante oder eiskalte Menschen, die ihm sehr lagen und deren Gestaltung in Erinnerung blieb.
Jutta Kammann erzählt im Interview auf der Dvd zu "Der Monddiamant" auch vom schwierigen Umgang mit Büttner während der Arbeit an "Goya".
1971 verstarb der Sohn des Paares Büttner-Noelle durch einen Unfall. Danach soll Büttner ruhiger geworden sein, aber sehr introvertiert und noch unnahbarer als vorher. Bis zuletzt sei er immer wieder in Depressionen verfallen, die Familie war sein Rückhalt und wie Ellen Schwiers einmal erzählte, war er zuhause ein ganz anderer Mensch, relativ fröhlich und gutmütig, seine Kinder wickelten ihn ständig um die Finger.
Büttner schätzte immer sehr politisch brisante Stoffe, modernes Theater und gewagte Figuren. Er eckte auch gerne an mit seinen Darstellungen.
In den 80er-Jahren Stand er seltener vor der Kamera und so in etwa ab 1983/84 beendete er seine Synchrontätigkeit. Er starb am 18. November 1990 und liegt in Rosenheim begraben.
Im Synchronbereich hinterließ er deutliche Spuren:
er sprach Donald Pleasence in drei bekannten, sehr unterschiedlichen Rollen. Blofeld in "Man lebt nur zweimal" ist ein klassisch-schmieriger Schurke, aber die Rolle in "Gesprengte Ketten" ist doch komplexer und schöner. Seltsamerweise kam er nie häufiger mit Pleasence in Berührung.
Büttner war mit seiner charakteristischen Stimme, die eine gewisse Überlegenheit ausstrahlte, u.a. zu hören für Alan Badel (auch als "Richard Wagner"), für Peter Lorre (sehr passend!) in der ersten Fassung von "Arsen und Spitzenhäubchen", John Gielgud stand er prächtig zu Gesicht in "Becket" (gefiel mir sogar besser als Schoenfelder und Borchert). Eine superbe Leistung bot er für Keenan Wynn als psychisch kranken Soldaten in "Plädoyer für einen Mörder". Hervorragend als paranoider Richard III. (Vincent Price) in "Der Massenmörder von London".
Ralph Richardson sprach er in "Time Bandits", man hörte ihn auch für Barry Jones, Lee Van Cleef, Fred Clark oder Peter Cushing. Seine Stimme ließ stets sofort aufhorchen, sie verlangte nach Aufmerksamkeit und konnte sich richtig schön ins Ohr Bohren. Oft wirkte sie gnadenlos, konnte aber auch herzliche Töne haben.
Nach dem Überblick noch eine ganz persönliche Liste:
Büttner war für mich eine unglaubliche Bereicherung in einer an ausdrucksvollen Stimmen nicht gerade armen Ära der Synchrongeschichte. Ich freue mich immer, ihn zu hören.
Für Vincent Price in "Der Massenmörder von London" gefiel er mir ausgezeichnet, vor allem weil hier Büttners Theaterkunst von Vorteil war. Auch wenn nicht im Versmaß gesprochen wurde und die Dialoge teils gekünstelt "alt" wirkten, er verlieh dem eine "Bedeutung", als wäre es wirklich von Shakespeare, was da gesprochen wurde. Schauspielerisch gelang ihm ein facettenreiches Porträt, abgefeimt und eiskalt, ehrgeizig und wehleideig - besonders genial aber in den Passagen, wo Richard III. mehr und mehr paranoid wird. Fast zu bedauern, daß Büttner nicht öfters für Price zum Einsatz kam.
Donald Pleasence als Blofeld ist nicht unbedingt so fantastisch und eine Notlösung gewesen, aber sie setzte einiges los (u.a. "Austin Powers"). Büttner für Pleasence ist schon sehr stark. Er spricht ihn durchaus affektiert, manchesmal fast tuntig und ist Pleasence teils voraus. Wenn Büttner sagt: "Es wird mir ein Vergnügen sein, Sie persönlich zu beseitigen, Mr. Bond!", dann klingt das wie der Abschiedsgruß einer Gottesanbeterin an ihren Paarungsgenossen. In "Die Nacht der Generale" ist Pleasence sehr ironisch zwischendurch und Büttner setzt das auch hervorragend um. In "Gesprengte Ketten", eine meiner Lieblingsrollen von Pleasence, ist dieser als Fälscher auch so ein kleiner Wicht, der aber nicht zu unterschätzen ist. Besonders berührend aber die Szenen, in denen Pleasence seine Erblindung verstecken will - hier ist auch Büttner sehr überzeugend. Schade auch hier, daß es nur bei drei Synchron-Treffen bleiben mußte.
Für John Gielgud als französischen König in "Becket" war Büttner kongenial und es ist eine Schande, daß die beiden nie mehr aufeinandertrafen. Weltgewandt, affektiert, überlegen, diplomatisch, verschmitzt, boshaft und von sich überzeugt - wie Gielgud gelingt Büttner ein hervorragendes Kabinettstück.
"Frauen um Richard Wagner" ist ein ausgesprochen seichter Film, in dem Wagner nicht gerade differenziert gezeigt wird. Alan Badel ist in der Rolle besser als sein Ruf, aber in der deutschen Fassung ist Büttner deutlich überzeugender, vor allem in jenen Passagen, wo Wagner um Anerkennung seines Genies rang. Szenen von fortschreitendem Fanatismus, da konnte Büttner immer richtig aus sich heraus gehen.
Cyril Cusack in "Der Spion, der aus der Kälte kam" ist auch einer meiner Favoriten unter Büttners Arbeiten. Keine große, aber eine nachhaltige Rolle, die durch Büttners eindringliche Umsetzung lange im Hinterstübchen bleibt (zusammen mit Cusacks Erscheinung natürlich).
In einer "Simon Templar"-Folge sagte mir Büttner aber auch sehr zu für einen alten, vom Leben gebeutelten Diamantenschleifer, der das große Glück sucht.
Mir fällt nur eine einzige Rolle ein, in der mir Büttner wirklich nicht gefällt: für Peter Cushing in "Die Bucht der Schmuggler". Er spielte die Rolle zwar sehr gut, aber wirkte irgendwie zu schneidend-hart für Cushing, er drehte mir zuviel auf. Bis heute kann ich mich nicht ganz an diese Besetzung gewöhnen.
Zitat von fortinbras im Beitrag #2Cyril Cusack in "Der Spion, der aus der Kälte kam" ist auch einer meiner Favoriten unter Büttners Arbeiten. Keine große, aber eine nachhaltige Rolle, die durch Büttners eindringliche Umsetzung lange im Hinterstübchen bleibt (zusammen mit Cusacks Erscheinung natürlich).
Diese kleine, aber feine Rolle ist mir auch im Gedächtnis geblieben: Wenn der Geheimdienstchef darüber philosophiert, dass der Kalte Krieg den Westen dazu zwinge, dieselben schmutzigen Tricks wie die Gegenseite anzuwenden, lässt sich nicht entscheiden, ob er es ehrlich bedauert oder nur heuchelt. Cusack spielt diesen Monolog faszinierend doppeldeutig, und Büttner bringt genau das perfekt rüber. Dass er als Münchner diese Rolle bei der BSG jenseits aller Kontinuität sprach (gleiches dürfte wohl auch auf den mir bisher unbekannten "Becket" zutreffen) war ein absoluter Glücksfall! Wolfgang Büttner für Donald Pleasence ist für mich ein ähnlicher Fall wie Friedrich Joloff für James Mason: Eine Kombination, die so gut passt, dass man sich fragt, warum sie nicht öfter zustande kam.Wenn Büttner tatsächlich so "schwierig" war, würde das natürlich einiges erklären. Trotzdem kann ich es nur bedauern, dass er nicht öfter zu hören war!
Zitat von fortinbras im Beitrag #1so in etwa ab 1983/84 beendete er seine Synchrontätigkeit
In dem im Dezember 1986 erstmals im deutschen Fernsehen gezeigten Mehrteiler "Peter der Große" war er allerdings nochmal (aus dem Mund von Laurence Olivier) zu hören. Das wäre seine letzte mir bekannte Synchronrolle.
Zitat von fortinbras im Beitrag #1Seine Stimme ließ stets sofort aufhorchen, sie verlangte nach Aufmerksamkeit und konnte sich richtig schön ins Ohr Bohren. Oft wirkte sie gnadenlos, konnte aber auch herzliche Töne haben.
Für mich persönlich hatte seine Stimme eine starke Ähnlichkeit mit der von F. G. Beckhaus, aber das muss nicht jeder so sehen/hören. Jenseits von der Synchronarbeit fand ich besonders seine Interpretation des "Meister Hora" im um 1976 produzierten "Momo"-Hörspiel beachtlich. Seine Leistung als Sprecher dieser Rolle stand der von Wilhelm Borchert in der zehn Jahre später entstandenen Filmversion in nichts nach. Und da Borchert bekanntlich einer der ganz Großen der Branche war, will das etwas heißen!
Zitat von fortinbras im Beitrag #1so in etwa ab 1983/84 beendete er seine Synchrontätigkeit
In dem im Dezember 1986 erstmals im deutschen Fernsehen gezeigten Mehrteiler "Peter der Große" war er allerdings nochmal (aus dem Mund von Laurence Olivier) zu hören. Das wäre seine letzte mir bekannte Synchronrolle.
Das habe ich wohl übersehen. Jedenfalls dünnten sich seine Synchronauftritte so um 83/84 deutlich aus. Vor der Kamera stand er jedenfalls doch noch länmger, als er im Synchronstudio war.
Ich hätte ihn übrigens gerne öfters für Donald Pleasence gehört und auch wenn Wolfgang Spier das sehr gut machte, aber in "Der Hausmeister" oder "Wenn Katelbach kommt" hätte ich mir durch Büttner wahre Synchronsternstunden vorstellen können.
Wolfgang Spier war in der Tat eine großartige Besetzung für Pleasence und "Katelbach" ist auch ein Paradebeispiel dafür. Spier hatte viel Gespür für's Absurde und Groteske, vor allem wenn es einer Art Traumwelt entsprang. Büttner hatte das auch, allerdings von einer anderen Warte aus. Spier, eine Stimme gemalt von Dali. Büttner kommt aus Breugels grotesk-wahnsinnigen Höllenbildern, die einen belustigen und irritieren.
Zitat von fortinbras im Beitrag #2Für John Gielgud als französischen König in "Becket" war Büttner kongenial und es ist eine Schande, daß die beiden nie mehr aufeinandertrafen. Weltgewandt, affektiert, überlegen, diplomatisch, verschmitzt, boshaft und von sich überzeugt - wie Gielgud gelingt Büttner ein hervorragendes Kabinettstück.
Nachdem ich den Film neulich gesehen habe, fällt mein Urteil im Grunde auch so aus. Allerdings bin ich im Zweifel, ob Büttner ansonsten ebenfalls funktioniert hätte. Zu dieser Rolle passt er wohl deswegen besonders gut, da Gielgud hier sowohl äüßerlich (ohne Vorwissen hätte ich ihn gar nicht erkannt) als auch vom Spiel ungewohnt "schmierig" wirkte, was Büttner stimmlich ebenfalls rüberbringen konnte. Ein hervorragender Rollencast, aber bei Gilguds "üblichen" Rollen waren andere Sprecher zwar klischeehafter, aber trotzdem naheliegender.
Gielgud stand ja dem Film generell sehr skeptisch gegenüber und hatte einige schlechte Erfahrungen gemacht. Das typische Gielgud-Klischee entstand erst so in den 70er-Jahren, als er immer mehr Spaß am Filmen fand, wobei er hier ganz unverhohlen zugab, daß es ums Geld ging.
So sind es schon eher die Rollen vor dieser Zeit, in denen ich mir Büttner sehr gut hätte vorstellen können, auch wenn sie nicht alle so waren wie in "Becket".
In Orson Welles "Falstaff" hätte er sehr gut gepaßt. Marquis war hier sehr gut, aber auch etwas austauschbar in einer herrischen Rollen. Auch in "Angriff der leichten Brigade" hätte ich ihn mir gut vorstellen können, hier war Schürenberg zwar durchaus typgerecht besetzt, aber auch ein wenig zu routiniert und glatt.
Beispielsweise in "Mord im Orientexpress" kann ich ihn mir gar nicht wirklich vorstellen.
Kleine Randnotiz: Büttner spielte auch in einer Folge von "Raumpatrouille - Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion" (um den Titel mal vollständig zu nennen), womit iich in der Serie zwei deutsche Stimmen von Blofeld die Ehre geben (Friedrich Joloff ist in fast allen Folgen als Oberst Villa zu sehen). Irgendwie schade, dass man allgemein offenbar auf diese wunderbare Serie herabzublicken scheint.
Also ich persönlich blicke als Fan der Serie sicher nicht auf sie herab - sie macht ziemlichen Spaß und ich genieße sie immer wieder.
Das ist wirklich ein netter Zufall, zwei Blofelds im Orion-Universum zu wissen. Nebenbei ist ja Dr. No zwangsläufig auch dabei, ebenso wie Felix Leiter (Glemnitz).
Oh, ich meinte damit auch nicht dich, aber irgendwie hab ich das Gefühl, dass sich gern über die Serie lustig gemacht wird - unverdienteraßen.
Ja, Glemnitz ist dabei - und synchronisiert kurioserweise auch einen Kollegen, weiß nicht, warum.
Niels Clausnitzer hört man nur, ich glaube in der letzten Folge. Wolfgang Hess und Erich Ebert sind ebenfalls rein stimmlich vertreten, aber Norbert Gastell hat drei Auftritte. Und Thomas Reiner sieht ein bisschen so aus wie Ralph Fiennes... vielleicht sollte man ihn für M besetzen?
Zitat von PeeWee im Beitrag #14Oh, ich meinte damit auch nicht dich, aber irgendwie hab ich das Gefühl, dass sich gern über die Serie lustig gemacht wird - unverdientermaßen.
Das stimmt!!! Und auch wenn sie vorkommen, es ist nicht gerade ausreichend, die Serie auf die Bügeleisen zu reduzieren.