im Endeffekt hat man das eigentliche Problem, dass Kunst im Allgemeinen und die Qualität einer Synchronisation im Speziellen nur eingeschränkt objektiven Bewertungsmaßstäben unterzogen werden kann, verlagert: wenn ich das Interview richtig verstehe, wird das Siegel an Film von Synchronfirmen / Produzenten vergeben, die in der Gilde organisiert sind. Grund: „Da wir in der Gilde an uns selbst hohe Ansprüche stellen, werden unsere qualitativen Mindestanforderungen erfüllt.“ Da stellt sich mir die Frage, wer diese festlegt, sie laufend prüft und wie das Vorgehen ist, wenn ein Mitglied sie nicht einhält. Sehr schwierig finde ich, dass man sich hier quasi selbst prüft, was aus Compliance-Gesichtspunkten kritisch ist. Ich bin mal gespannt, wie lange es dauert, bis hier im Forum der erste Film diskutiert wird, der aus Synchrongesichtspunkten eher kritisch ist, der aber dennoch das Siegel erhalten hat.
Auf der Habenseite: Aufmerksamkeit für die Wichtigkeit einer Synchronisation kann nicht verkehrt sein.
Von daher: der Weg ist meines Erachtens der richtige, aber er ist noch lang und steinig. Ich bin gespannt, wo die Reise des „Synchronsiegels“ hingehen wird.
Was ist eigentlich dann mit Promi-Synchros? Die Arbeitsbedinungen dürften aus Gilde-Sicht ja die Anforderungen erfüllen. Kriegt der Film dann ein Siegel, nur weil der Film bei FFS aufgenommen wurde, obwohl man davon ausgehen kann, dass die Synchro eben nicht den hohen Ansprüchen genügt? Andersherum gefragt: Wie reagiert eigentlich ein Verleih, wenn ein hochwertiger Kinofilm, der beispielsweise bei FFS aufgenommen wird, kein Siegel bekommt? Oder kriegen alle Filme von FFS, Interopa, RC etc. automatisch das Siegel? Das hätte dann was von Selbstbeweihräucherung.
Was ist eigentlich, wenn einer der angesprochenen Filmfreunde irgendwo liest, dass ein Kinofilm (aus welchen Gründen auch immer) kein Gütesiegel hat und sich dann bewusst entscheidet, den Film im Originalton zu sehen? Schaufelt man sich da nicht das eigene Grab, wenn die Leute bewusst dazu gebracht werden sollen, zu überlegen, ob sie den Film synchronisiert gucken oder nicht?
Bei der Frage ob Filme vor 2017 rückwirkend auch ein Siegel bekämen, hab ich mich gefragt, ob Vaiana eins bekommen hätte. Das ist so ein Animationsfall mit Promis. Wäre da die schlechte Darbietung oder Fehlbesetzung durchgewunken oder wie wäre das gehandhabt worden?
Der im Interview gezogene Vergleich mit dem Bio-Siegel bei Lebensmitteln trifft es doch perfekt:
Eine qualitative Aussage ist mit dem Gütesiegel NICHT verbunden, das wird nur fälschlich (aber ganz bewusst!) suggeriert. Das Gütesiegel bezieht sich einzig auf den Herstellungs-Prozess: das eine Studio hält sich an die Regeln, das andere nicht. Insofern gehen filmbezogene Diskussionen, warum der eine Film das Siegel bekommt und der andere nicht, am Thema vorbei.
Zitat von ElEf im Beitrag #12Synchron als Kunst zu bewerten finde ich sowieso schon ein Streitthema. Ich finde, es ist weniger Kunst und mehr Handwerk.
Ich finde, man kann eine Synchronfassung durchaus als eigenes Kunstwerk betrachten, da es doch weit über ein reines Nachahmen einer Vorlage hinausgeht (so sollte es zumindest im Idealfall sein). Sicherlich ist eine Synchronarbeit nicht so schöpferisch wie z. B. eine Hörspielarbeit oder ein Filmdreh, da man sich an einer Vorlage orientiert, aber "Handwerk" ist es für mich auch nicht.
(Wobei Handwerk trotzdem eine sehr wichtige, notwendige Arbeit ist.)
Nebenbei finde ich ein Gütesiegel für Synchros auch völlig unsinnig...