Auch wenn das manchen Fan vor den Kopf stoßen wird, muss ich jetzt mal mit einer Geschichte rausrücken, die mir vor Jahren ein alter Insider erzählte. Manchem werden mehrere Lichter aufgehen, weil bisher Rätselhaftes so eine gewisse Logik bekommt.
Bekanntermaßen war nach dem Krieg die Synchronindustrie nicht mehr ganz neu, trotzdem mangelte es an erfahrenen Kräften und nicht wenige Profis besaßen auch als Filmschauspieler durchaus Rang und Namen und waren nicht preiswert. Als sich der explosionsartige Ausbau der Synchronisation abzeichnete, begann man also über Alternativen nachzudenken (von wem genau das ausging, habe ich nicht herausbekommen und möchte auch nicht spekulieren, das kann jeder selbst tun). Der im ersten Moment absurdeste Gedanke war schließlich der, der auch realisiert wurde: ein Stimmverzerrer. Kurzer Schlenker: In "Diamantenfieber" bedienen sich sowohl Bond als auch Blofeld eines solchen Gerätes, das die Stimmfrequenzen so verzerrt, wenn man hindurch spricht, dass sie die Stimme eines anderen Menschen täuschend echt imitiert. Es ist also kein Automat, der selbst spricht, sondern nur eine Art Filter. Das ist der Knackpunkt. Der Schauspieler war nach wie vor unabdingbar, aber charakteristische Stimmen ersetzbar. Soweit die Theorie. Praktisch erwies sich jedoch die Konstruktion eines solchen Apparates sehr schwierig. Und teuer. Außerdem war die Feinjustierung der "Stimme" so kompliziert, dass sie nachträglich nicht reproduzierbar war. Wenn man nicht mehrere Geräte gleichzeitig herstellte und auf die absolut gleiche Feineinstellung brachte, konnte man die selbe Stimme nicht wieder erzeugen. Immerhin erwies sich der GGH (fragt mich nicht, wofür das die Abkürzung ist, irgendwas Technisches) als Volltreffer, nach anfänglichem Misstrauen von Seiten der Regisseure wurde er immer häufiger, fast inflationär eingesetzt. Unerfahrene Sprecher, von deren Stimmen man nicht gleich überzeugt war, wurden in Nebenrollen mit dem GGH ausprobiert. Zeitweise machten sich aber auch bekannte Sprecher das Vergnügen, kleinere Rollen durch den GGH zu sprechen. Von Horst Gentzen ist überliefert, es wäre ein "Riesenspaß gewesen, einen Polizeibeamten mit dicker Brille wie Old Shatterhand klingen zu lassen" (das dürfte wohl André Maranne in "Ein Schuss im Dunkeln" gewesen sein). Das Gerät befand sich übrigens im Besitz der Ultra und musste angemietet werden. Wie unmöglich eine berechenbare Justierung der Stimmfarbe war, zeigt das zweite Gerät (oder war es das erste? Darüber schweigt sich meine Quelle aus...), der MQ - allgemein mit dem Spitznamen "Marquis" bezeichnet (es soll wohl jemand gesagt haben, dass die Stimme ihn an Marquis de Sade erinnere). Auch sehr markant, aber keine Gemeinsamkeiten mit dem GGH. Die internationalen Stars - soweit sie sich überhaupt für das fremdsprachige Dubbing interessierten - nahmen teilweise unterschiedliche Positionen ein. Kirk Douglas war nicht erfreut, von einem Automaten gedubbt zu werden (dass es trotzdem erfahrene Schauspieler waren, hatte er wohl nicht verstanden) und unterband es einige Male - so kamen Schauspieler wie Hansjörg Felmy (die vorher schon Einsätze durch den MQ hatten) mit ihren "natürlichen" Stimmen zum Tragen. John Wayne dagegen gefiel die Stimme, besonders nachdem durch einen unachtsamen Transport des Gerätes die Justierung leicht verschoben wurde und nun deutlich nach unte gepitcht klang. Sean Connery akzeptierte, dass die deutschen Zuschauer ihn mit einer bestimmten Stimmfarbe verbanden, bestand aber darauf, dass immer der gleiche Schauspieler hinter dem GGH stehen sollte (wer es war, habe ich leider leider leider nicht heraus bekommen, aber es soll ein recht namhafter Theaterschauspieler gewesen sein, der so zu einem dringend benötigten Verdienst kam, aber seinen Namen nicht durch die profane Tätigkeit diskreditieren wollte - es wurde ein großes Geheimnis daraus gemacht). Manchmal kam es auch zu merkwürdigen Auswüchsen: Der GGH sollte ursprünglich für Franco Nero (wie vorher schon) bei "Mercenario" eingesetzt werden, aber die Ultra hatte den Apparat wieder einmal an Brunnemann verliehen (es soll sogar schon Proteste von anderen Studios gegen diese Bevorzugung gegeben haben) und nur den MQ zur Verfügung. Also verlegte man Felmy von Musante auf Nero und ließ ihn durch den MQ auch Musante sprechen (da er sich auf diese Rolle sehr gefreut hatte). Mit den Jahren zeigte sich, wie verhängnisvoll es gewesen war, nicht gleich mehrere Geräte gleichzeitg herzustellen und auf die selbe Stimme zu justieren. Der enorme Verschleiß (auch wenn man seit den 70ern immer vorsichtiger mit den Apparaten umging) veränderte immer stärker die Stimmfärbung, so dass besonders der GGH immer weniger Ähnlichkeit mit "sich" hatte. Bei Neubauten war man deshalb etwas weitsichtiger, der TDB (hergestellt im niedersächsichen Dannenberg!) wurde parallel in mehreren Ausführungen produziert, was die Einsatzmöglichkeiten deutschlandweit erhöhte und den Verschleiß reduzierte. Auch hat die Feinjustierung enorme Fortschritte gemacht, weshalb der TNW (die neueste Ausführung) schon überzeugende Veränderungen in Richtung anderer Stimmen erlaubt (was hier im Forum schon mehrfach als der Elsholtz-Modus bezeichnet wurde).
In der DDR blieben übrigens Konstruktionsversuche eines ähnlichen Gerätes (zu gern hätte man die auch dem Publikum vertrauten westdeutschen Stimmen auch mal bei der DEFA eingesetzt) in den Anfangsschwierigkeiten stecken, auch hätte man die Rohstoffe gegen teure Devisen importieren müssen, was den Kostenfaktor nicht nach unten, sondern nach oben getrieben hätte.
Zitat von Stefan der DEFA-Fan im Beitrag #1John Wayne dagegen gefiel die Stimme, besonders nachdem durch einen unachtsamen Transport des Gerätes die Justierung leicht verschoben wurde und nun deutlich nach unte gepitcht klang.
Sehr beruhigend! Sonst hätte ich noch befürchtet, der Stimmverzerrer wäre starker Raucher gewesen.
Ach, das waren noch Zeiten. Schade, dass heute nur noch der Flechtner in Betrieb ist, der leider nicht so viele Jutierungsmöglichkeiten zu haben scheint wie der großartige GGH. Dafür scheint aber so ziemlich jedes Studio einen zu besitzen, was die Sache ein wenig... einfarbig macht.
Zitat von PeeWee im Beitrag #5Ach, das waren noch Zeiten. Schade, dass heute nur noch der Flechtner in Betrieb ist, [...]
Soweit mir bekannt ist, sind derzeit auch noch der SR und der TK (der übrigens nichts mit der Krankenkasse zu tun hat) im Einsatz. Kann natürlich sein, dass sich einer der beiden derzeit in der Wartung befindet, so genau habe ich das jetzt nicht mehr verfolgt.
Was wurde eigentlich aus dem "Superverkalauator", den die Firma "Brandt" hergestellt hat ? Da scheint irgendwann irgendwann in den 80ern die Nachfrage stark zurückgegangen zu sein. Das Ding war ja in den 70ern der Renner und wurde von vielen Synchronstudios eingesetzt, wenn auch nicht immer optimal.
Vergesst nicht den MK-Verzerrer. Diesem Ding bediente man sich in den 90ern sogar für größere Rollen wie den nylistischen Danny in "Chicago Hope". Top ist dieses Gerät natürlich für zahlreiche Ensemble-Rollen. Ohne ihn wären "Mann #5" und "Mitarbeiter #9" und "Typ #23" nicht dasselbe.
Zitat von Lammers im Beitrag #8Was wurde eigentlich aus dem "Superverkalauator", den die Firma "Brandt" hergestellt hat ? Da scheint irgendwann irgendwann in den 80ern die Nachfrage stark zurückgegangen zu sein. Das Ding war ja in den 70ern der Renner und wurde von vielen Synchronstudios eingesetzt, wenn auch nicht immer optimal.
Mir wurde erzählt, dass die letzten übriggebliebenen Apparate irgendwann in den 90ern den Geist aufgaben, nachdem sie bei einigen eher zweifelhaften Synchros der Brandtfilm oder DS zum Einsatz kamen.
Übrigens wurde damals im Raum in NRW versucht, ein ähnliches Gerät herzustellen, allerdings sollen die Ergebnisse haarsträubend gewesen sein. Der MGS kam erst bei Arbeiten des Herstellers aus Düsseldorf zum Einsatz. Später erwarb die Splendid-Gruppe den MGS und 'veredelte' einige asiatische Actionfilme, die bei uns auf VHS erschienen.
Zitat von Silenzio im Beitrag #9Vergesst nicht den MK-Verzerrer. Diesem Ding bediente man sich in den 90ern sogar für größere Rollen wie den nylistischen Danny in "Chicago Hope". Top ist dieses Gerät natürlich für zahlreiche Ensemble-Rollen. Ohne ihn wären "Mann #5" und "Mitarbeiter #9" und "Typ #23" nicht dasselbe.
Ein ähnlicher Renner ist der in Hamburg gebaute LS, der seit 1999 von allen Berliner Studios für größere und kleinere Rollen im Einsatz ist. Viele korpulentere und humorvolle Schauspieler würden ohne den LS einiges an Witz und Charisma einbüßen.
Der Stimmverzerrer wurde inzwischen natürlich weiter entwickelt, um ihn vielfältiger einsetzbar machen zu können. Eine offizielle Vorstellung dieser Vorrichtung wurde vor einigen Jahren offiziell vorgenommen. Natürlich wurde so getan, als hätte man hier eine gänzlich neue Idee gehabt.
Soweit ich gehört habe, wurde der legendäre GGH zwischenzeitlich im Deutschen Museum in München ausgestellt und kann dort in der Technikabteilung besichtigt werden. Es besteht dort sogar die Möglichkeit, eine kurze "Asbach Uralt"-Demo selbst einzusprechen. Wer also heute noch spontan Lust hat ...