Warum wurden in der DDR so viele Filme, die schon von der DEFA fürs Kino synchronisiert worden waren, später "für den Bildschirm" nochmals neu synchronisiert? Alles war staatlich; vergleichbare Lizenz- und Rechtsprobleme (Verleiherwechsel usw.) wie in der BRD bisweilen, konnte es da nicht geben. Die DDR war im Hinblick auf Archivierung des Filmmaterials grundsätzlich vorbildlich und sorgte bis auf wenige Ausnahmen für eine hohe Überlieferungsquote. Und heute wissen wir ja auch, dass in der Regel die DEFA-Kinosynchros von den fürs Fernsehen neu synchronisierten Filmen vorhanden sind und in der DDR auch immer vorhanden waren.
Der einzige Grund den ich mir gerade noch denken kann sind die hier schon öfters angesprochenen fehlenden Musikrechte, so dass man für die auch in der Synchro verwendete Originalmusik hätte nachzahlen müssen. Trotzdem ist das irgendwie unsinnig, da die DDR bei diesen Filmen die Option ja schon mal hatte. Auch erscheint es schwer vorstellbar dass die Anfertigung einer komplett neuen Synchronisation wirklich so sehr viel günstiger gewesen sein mag, als ein paar Lizenzgebühren nachzubezahlen. Auch konnte ja die DDR in gewisser Weise machen was sie wollte - wer hätte das überhaupt mitbekommen, wenn da eine 20-30 Jahre alte Synchro nochmal im TV läuft - die Filmrechte an sich mußte man ja sowieso haben bzw falls man die nicht hatte, konnte man auf die Musik auch pfeifen. Die wenigen Ausnahmen, in denen russische Filme offenbar später vom Negativ neu geschnitten wurden und somit eine vorhandene Synchro ggf. nicht mehr passte, kann man hier vernachlässigen.
Es gab auch immer wieder Vermutungen, dass Filme neu synchronisiert wurden, weil in den Ursynchros inzwischen mißliebige oder in Ungnade gefallene Schauspieler mitwirkten. Aber auch das erscheint mir etwas weit hergeholt und es hätte auch seinen Zweck erfüllt, auf die Namensnennung der Sprecher zu verzichten bzw die Sprecher einfach aus dem Vorspann zu entfernen.
Kann man eine ungefähre Schätzung abgeben: für wieviel Prozent der Filme, zu denen es klassische zeitgenössische DDR-Kinosynchros gab, wurden später nochmals TV-Neusynchros angefertigt?
Zitat von c.n.-tonfilm im Beitrag #1Und heute wissen wir ja auch, dass in der Regel die DEFA-Kinosynchros von den fürs Fernsehen neu synchronisierten Filmen vorhanden sind und in der DDR auch immer vorhanden waren.
Wissen wir das? Welche sind das genau? Ich könnte vor allem Beispiele bringen von Filmen, deren DEFA-Kinosynchros eben nicht mehr vorhanden sind.
Zitat von c.n.-tonfilm im Beitrag #1die hier schon öfters angesprochenen fehlenden Musikrechte, so dass man für die auch in der Synchro verwendete Originalmusik hätte nachzahlen müssen.
Wer hat das wann angesprochen? Ich für meinen Teil habe immer nur von den ITs geschrieben, die nicht angekauft wurden, und zwar zum Zeitpunkt der Synchronisation. Dass eine deutsche Fassung blockiert wurde wegen abgelaufener Musikrechte, das habe ich bisher nur von DVD-Veröffentlichungen und dergleichen gehört.
Zitat von c.n.-tonfilm im Beitrag #1Alles war staatlich; vergleichbare Lizenz- und Rechtsprobleme (Verleiherwechsel usw.) wie in der BRD bisweilen, konnte es da nicht geben.
Das ist ein Irrtum - auch die DDR war an internationale Rechte gebunden und der Progress-Verleih/das DDR-Fernsehen musste nach Lizenzablauf Kopien wieder abliefern, wenn das vom Lizenzgeber gefordert wurde. Deshalb ist (direkte Auskunft der DEFA-Stiftung) eine Kopie von "Das Geständnis eines Polizeikommissars vor dem Staatsanwalt der Republik" bspw. nicht mehr (offiziell) vorhanden.
Ich nehme an dass in der DDR nicht immer die Synchros aus Westdeutschland vorgesetzt bekommen, sondern für den eigenen Gebrauch eigenständig bearbeiten wollte. Wie ich etwa über das ostdeutschen "Tatort"-Pendant "Polizeiruf 110" gelesen habe, sollten dort, im Westen auch bei deutschen Filmen später durchaus gebräuchliche Anglizismen ("okay"...) vewrmieden werden. Logischerweise wurde diese Linie bei Synchronisationen wohl konsequent fortgesetzt. Wahrscheinlich waren in den Augen der DDR-Verantwortlichen auch die Brandt/Brunnemann-Kalauer beispielweise im Falle von "Des Widerspenstigen Zähmug zu oberflächlich bzw verfälschend - ich glaube, mich daran zu erinnern, dass hier im Forum mal eine so ähnliche Äußerung gab. Könnte es nicht außerdem sein, dass manchmal sogar die Zensur "zugeschlagen" hat und manche Texstellen für die "eigene" SF systemkonform "zurechtgebogen" worden sind?
Zweifellos, nur ging es, wenn ich Tonfilms Beitrag richtig verstanden habe, darum, warum bereits existierende OSTdeutsche Kinosynchros von ebensolchen TV-Synchros ersetzt wurden. Und da gibt es nach meinem Kenntnisstand relativ wenige, die schlicht verloren gingen.
Zitat von Stefan der DEFA-Fan im Beitrag #2... auch die DDR war an internationale Rechte gebunden und der Progress-Verleih/das DDR-Fernsehen musste nach Lizenzablauf Kopien wieder abliefern, wenn das vom Lizenzgeber gefordert wurde. Deshalb ist (direkte Auskunft der DEFA-Stiftung) eine Kopie von "Das Geständnis eines Polizeikommissars vor dem Staatsanwalt der Republik" bspw. nicht mehr (offiziell) vorhanden.
Das Abliefern der Film-Kopien beinhaltet aber doch nicht das Abliefern der deutschen Tonaufnahmen, die bei der Sorgfalt, mit der archiviert wurde, eigentlich immer noch vorhanden sein müssten und es in den meisten Fällen gewiss auch noch sind.
Dass man bei Ausstrahlungen heutzutage der Einfachheit wegen nun überwiegend die Westfassung sendet, ist nachvollziehbar, wäre aber zumeist nicht zwingend.
Dafür spricht auch, dass von Filmen, von denen es NUR eine Ost-Synchro gibt, diese trotz lange zurückliegendem Lizenzablauf verfügbar ist und auch noch genutzt wird.
Zitat von kogenta im Beitrag #6Das Abliefern der Film-Kopien beinhaltet aber doch nicht das Abliefern der deutschen Tonaufnahmen, die bei der Sorgfalt, mit der archiviert wurde, eigentlich immer noch vorhanden sein müssten und es in den meisten Fällen gewiss auch noch sind.
Meinst du tatsächlich die Sprachaufnahmen? Die wurden natürlich nicht aufgehoben - wer soll denn diese Unmenge von Bändern lagern. Das Abliefern der Kopien beinhaltet, wenn es streng gehandhabt wird, tatsächlich ALLES - auch das Kopiernegativ. Ihr dürft hier nicht westliche und östliche Auftraggeber verwechseln - Filme, von denen nur eine ostdeutsche Synchro existiert, sind mit erdrückender Mehrheit solche aus dem ehemals sozialistischen Ausland. Filme aber wie der von mir genannte stammten nicht nur aus dem westlichen, sondern wurden international auch von einem großen Verleih vertrieben. Wenn man nun solche Filme wie z.B. "Unter der Flagge des Tigers" oder "Sieben Mann und ein Luder" als Argument heranzieht: Ersterer wurde weltweit von der münchner Omnia vertrieben, der zweite war eine rumänische Co-Produktion - auch wieder andere rechtliche Verhältnisse.
Die Ost-Fassungen der Filme 'Goodbye & Amen', 'Recht und Leidenschaft', 'Mordanklage gegen...', 'Weg der Arbeiterklasse...', 'Mafia-Story' (um nur einige wenige Beispiele zu nennen) dürften dann analog dem von Dir genannten 'Geständnisse eines Polizeikommissars...' auch nicht mehr existieren. Sind alles italienische Filme der 60er/70er Jahre, die den gleichen Regeln unterworfen waren.
Die gibt's aber noch - weil es davon keine West-Fassungen gibt. Das ist für mich ein starkes Indiz, dass auch die meisten der anderen in der Versenkung verschwundenen Ost-Fassungen noch irgendwo lagern.
Die eingangs gestellte Frage: 'Warum Neusynchro für's DDR-TV?' hat also durchaus ihre Berechtigung. In welchem Umfang das geschah, weiß ich nicht - die Antwort auf die Frage nach dem Warum ist aber vermutlich eher banaler Natur ohne tiefere Bedeutung: Man hat nicht ausreichend nach der bestehenden Fassung gesucht. Das gab's ja im Westen in den 80er/90er Jahren auch, dass für TV und Video unnötigerweise neu synchronisiert wurde.
Zitat von kogenta im Beitrag #8Die Ost-Fassungen der Filme 'Goodbye & Amen', 'Recht und Leidenschaft', 'Mordanklage gegen...', 'Weg der Arbeiterklasse...', 'Mafia-Story' (um nur einige wenige Beispiele zu nennen) dürften dann analog dem von Dir genannten 'Geständnisse eines Polizeikommissars...' auch nicht mehr existieren. Sind alles italienische Filme der 60er/70er Jahre, die den gleichen Regeln unterworfen waren.
Nein, sind sie nicht, denn "Geständnis" wurde international von der MGM verliehen, von der Progress auch die Lizenzen usw. bekam. Die anderen Filme kamen von kleineren Verleihern und die deutsche Fassung wurde überdies (mit Sicherheit noch in der Lizenzzeit) von westlichen TV-Sendern bzw. Videofirmen übernommen. Wenn, dann ist der ebenfalls von MGM verliehene "Der aus dem Regen kam" ein analoges zweites Beispiel - hier ist die DEFA-Fassung ebenfalls verschwunden. Entscheidend ist nicht, aus welchem Land der Film kommt, sondern welche Firma die Rechte vergibt. (Sonst hätte bspw. "Vier für ein Ave Maria" wie sein Vorgänger und sein Nachfolger von der Aventin synchronisiert werden müssen, aber es war beide Male die BSG, da Paramount ihn international verleiht.)
Zitat von kogenta im Beitrag #8Die eingangs gestellte Frage: 'Warum Neusynchro für's DDR-TV?' hat also durchaus ihre Berechtigung. In welchem Umfang das geschah, weiß ich nicht
Wie schon gesagt - in sehr geringem Umfang. Die Fälle, in denen die DEFA doppelt synchronisierte, kann man nach meiner Schätzung an Fingern und Zehen abzählen * - denn dass DEFA-TV-Synchros die westlichen Kinosynchros ersetzten, geht ja völlig an der Ursprungsfrage vorbei. Ebenso, dass manchmal Westsynchros eingesetzt wurden, obwohl seinerzeit DEFA-Fassungen existierten.
Gruß Stefan
* Lasse mich gern eines Besseren belehren, aber dann bitte nur mit konkreter Titelnennung und nicht nur mit Vermutung.
Wir können ja gern sammeln:
Robin Hood und die Piraten (Kino 1962/TV 1981) Die steinerne Blume (Kino 1947/Kino ca. 1977 - Grund wahrscheinlich anders geschnittene Vorlage) Ilija Muronez (Kino 1958/Kino 1980 - Grund unterschiedliches Filmformat, Synchro nicht übertragbar) Die Kreuzritter (Kino 1961/Kino ca. 1980) Pharao (Kino 1966/Kino 1980) Papa, Mama, Katrin und ich (Kino 1955/TV 1986) Papa, Mama, meine Frau und ich (Kino 1956/TV 1986) Iwan der Schreckliche Teil 2 (Kino 1959/TV 1973) Alexander Newski (Kino 1963/TV 1974 - Grund entstellende Kürzungen der Kinofassung) Tschapajew (Kino 1946/Kino 1977) Die wilden Schwäne (Kino 1969/Kino 1984 - Grund starke Kürzungen der alten Fassung) Der Mann im Straßenkreuzer (TV 1970/TV 1989 - Grund wahrscheinlich Verlust der alten Fassung) Jackie, wo bist du? (TV 1971/TV 1988 - Grund wahrscheinlich Verlust der alten Fassung) Der Unbesiegbare (Existenz einer alten Fassung von 1976 nicht erwiesen, im Nachschlagewerk steht nur Teil 2/TV 1987)
Zitat von Stefan der DEFA-Fan im Beitrag #9... die deutsche Fassung wurde überdies (mit Sicherheit noch in der Lizenzzeit) von westlichen TV-Sendern bzw. Videofirmen übernommen.
Dass man einerseits bei Lizenzablauf alles incl. Synchro abliefern muss, andererseits aber die Synchro unterlizensieren bzw. weiterverkaufen darf, klingt nicht sonderlich überzeugend...
Bezogen auf europäische Filme der 60er bis 80er Jahre ist für mich der sich aufdrängende Zufall, dass ausgerechnet die DDR-Fassungen überlebt haben, wenn es keine Westfassungen gibt, und ausgerechnet die DDR-Fassungen verloren sein sollen, wenn es auch Westfassungen gibt, schlichtweg unglaubhaft und wie gesagt ein starkes Indiz, dass noch so manches in den Archiven liegt.
Dass vieles nicht greifbar ist, liegt mehr an der Trägheit der Verantwortlichen als daran, dass die Dinge wirklich unwiderbringlich verloren sind. Siehe 'Geständnis eines Polizeikommissars...', DDR-Synchro wurde lokalisiert, lässt sich aber nicht loseisen...
Zitat von kogenta im Beitrag #10Siehe 'Geständnis eines Polizeikommissars...', DDR-Synchro wurde lokalisiert, lässt sich aber nicht loseisen...
Wer hat sie wo lokalisiert?
Zitat von kogenta im Beitrag #10Dass man einerseits bei Lizenzablauf alles incl. Synchro abliefern muss, andererseits aber die Synchro unterlizensieren bzw. weiterverkaufen darf, klingt nicht sonderlich überzeugend...
Ich habe das Gefühl, du willst einfach nicht richtig verstehen, was ich schreibe - Lizenz ist nicht gleich Lizenz, es hängt immer davon ab, wer für welchen Zeitraum (oder für eine unbegrenzte Zeit) und für welche Medien lizenziert hat. Aber das kann ich dann wohl nicht ändern.
Von den den meisten Holmes-Filmen mit Basil Rathbone gab es ja auch Zweitsynchros (allerdings waren beides TV-Synchros). Hier soll ja der Grund für die zweiten Fassungen der Verkauf der Erstsynchros ans Westfernsehen gewesen sein.
Stimmt, die hatte ich übersehen. Hier aber dürfte der Grund eher in den Kürzungen liegen, die man zum großen Teil vorgenommen hatte. Der Verkauf an (wahrscheinlich) den SWR erfolgte, wenn man sich an den Sendedaten orientiert, erst 1 - 2 Jahre später. Und dass es die alte Fassung war, könnte vielleicht sogar darin begründet sein, dass man auf diese Weise kurzerhand die alten Sendekopien weiter geben konnte. Vielleicht!
Zitat von Stefan der DEFA-Fan im Beitrag #11Ich habe das Gefühl, du willst einfach nicht richtig verstehen, was ich schreibe - Lizenz ist nicht gleich Lizenz, es hängt immer davon ab, wer für welchen Zeitraum (oder für eine unbegrenzte Zeit) und für welche Medien lizenziert hat.
Stefan, eine Lizenz für die Kinoauswertung beinhaltet NUR DIESE (in der Regel für 7 Jahre mit Option für weitere 3 Jahre) und lässt dem Lizenznehmer keinerlei Freiheiten für andere Aktivitäten (TV, DVD, etc.), nichtmal unentgeltlich. Das wird sehr präzise und strikt formuliert, der Verhandlungsspielraum ist minimal; ich hatte während meiner Verleih-Tätigkeit selbst mit solchen Verträgen zu tun. Allround-Verträge, die alles mögliche zulassen und zudem noch unbegrenzt gültig sind, gibt es seit Jahrzehnten nicht mehr. - Ob Verträge mit der DDR anders aussahen, weiss ich zwar nicht, bezweifle es aber.
Eine Synchro ist nach meinen Erfahrungen aber nicht Bestandteil eines solchen Vertrages, sondern ein eigenständiges Werk und kann weiterverkauft werden. Sie muss nach Lizenzablauf demzufolge auch nicht abgeliefert oder vernichtet werden. Wird sie in der Regel auch nicht, sonst hätten wir das Problem der verlorenen Synchros nämlich - im Osten wie im Westen - in wesentlich massiverer Form und nicht nur sporadisch.
Die Ostsynchro vom 'Polizeikommissar...' liegt im Bundesarchiv, wird aus irgendwelchen bürokratischen Gründen aber nicht herausgerückt (laut filmArt, die sich derzeit um eine DVD-Veröffentlichung bemühen). Man hat noch eine zweite - noch unsichere - Hoffnung, also verloren ist diese Synchro gewiss nicht!
Aber ehe wir uns hier in abschweifende Details verbeissen: Auf die Eingangsfrage nach dem Grund für DDR-TV-Synchros sage ich nochmals: das hat keinen tieferen ideologischen Grund, sondern dürfte zumeist ganz banaler Natur sein.
Nun gut, das muss ich erst mal so akzeptieren. Obwohl ich von der DEFA-Stiftung die eindeutige Auskunft bekam, dass nach Lizenzablauf (also nach dem festgelegten Zeitraum für den Kinoeinsatz und einer bestimmten Anzahl an Fernsehausstrahlungen - ich glaube, es waren zwei) sämtliche Kopien an den Lizenzgeber zurück gingen. Dieses Verfahren ist ganz konkret auch vom Kinofilm "Emma Peel - Meine tollsten Abenteuer mit John Steed" bekannt, weshalb diese Synchro verloren ist, wenn nicht noch irgendwo eine Kopie auftaucht, die damals durchrutschte.