Man sollte das auch nicht isoliert betrachten, sondern im Zusammenhang mit anderen Details:
Die vielen Mexikaner sehen bei 'Mercenario' nahezu alle gleich aus (unrasiert, Strohut, zerlumpte Kleidung). Musante war damals auch kein Gesicht, daß beim Publikum bekannt war. Man brauchte also einen Sprecher mit unverwechselbarem Wiedererkennungswert, damit das Publikum überhaupt wußte, wer da gerade spricht. Sicher war Marquis nicht zwingend, gehörte aber genau aus dem genannten Grund zur ersten Wahl. Die Frage, ob er zum Charakter paßt, kam da gewiß erst an zweiter Stelle.
Solche - nicht unwichtigen! - Überlegungen hat man früher angestellt, das ist heutigen Synchron-Regisseuren weitgehend fremd, wodurch viele heutige Synchros ungeachtet der Qualität 'unübersichtlich' wirken. Die 'Kontraste' zwischen den einzelnen Charakteren wurden früher deutlicher betont.
Aber vom Gesicht kam Marquis überhaupt nicht. Gut, Musante ist sowieso schwer zu besetzen (wirklich überzeugt haben mich bisher nur Gunter Schoss und Michael Cramer), aber Marquis war weitestmöglich entfernt - da hätte ich lieber Wüstenhagen gehört (obwohl der natürlich für Ressel ideal besetzt war).
Harry Wüstenhagen hat doch mehr was Ängstliches, Unsicheres. Den kann ich mir für den Draufgänger Musante nun überhaupt nicht vorstellen. Dann schon eher Wolfgang Draeger, was im ersten Monment auch unpassend erscheinen mag, dem nervösen wie auch dem selbstsicheren Impetus von Musantes Charakter aber durchaus entsprechen würde (Nicht an Woody Allen denken, sondern eher an James Cagney!). Wenn ich's mir jetzt recht überlege: das hätte sogar genial werden können!
Gunter Schoss für Musante (Goodbye & Amen) finde ich auch perfekt. Aber Erik Schumann (Der Denunziant) ist auch nicht schlecht, oder? (Beim 'Denunzianten' finde ich Seipold für Nero - in einer ansonsten überzeugenden Synchro - allerdings gräßlich...)
Schumann kann ich mir nicht recht vorstellen - Draeger,hm, unerwartet, aber könnte funktionieren. Wüstenhagen hat aber weit mehr drauf gehabt als das Brüchige-Schüchterne. Da ich gerade an Joachim Kemmer dachte (der aber erst später mit dem Synchronisieren anfing, soweit ich weiß), komme ich auf Jürgen Goslar, der vielleicht sogar auch funktioniert hätte.
Schumann hatte ich neben Schoss als passende Musante-Stimme beim 'Denunzianten' gemeint, nicht für Mercenario; hab mich wohl etwas mißverständlich ausgedrückt, sorry.
Kemmer und Goslar mögen passen, erfüllten aber 1969 gewiß nicht das oben genannte Kriterium der unbedingten Unverwechselbarkeit. Draeger (und auch Wüstenhagen, den ich mir allerdings wirklich nicht in einer leicht cholerischen Anführer-Rolle vorstellen kann) dagegen schon.
Noch ein Vorschlag, der auch brillant hätte werden können: der damals noch ganz junge Christian Brückner hätte die Mischung aus Naivität und großspuriger Aufmüpfigkeit gewiß auch prima hinbekommen, vor allem auch im Kontrast zu Felmys betont ruhiger Stimme.
Gruß, kogenta
Mücke
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10.10.2011 11:33
#22 RE: Knie nieder und friss Staub (ITA/SPA 1971)
Zitat von kogentaUnd Arnold Marquis fehlbesetzt? Das gibt's ja gar nicht!
Doch, weil sein extrem rauchiger und vom Alk gegerbter Tonfall einfach nicht auf jeden passt. Was relativ logisch ist. Ansonsten könnte man auch behaupten, dass eine markante Röhre wie Udo Lindenberg nicht fehlbesetzt werden könne, nur weil sie markant ist. Und Marquis HAT jeden Mal gesprochen. Zumindest ausnahmslos jede Art von Schauspielertyp - angefangen bei Gewichtsdifferenz bis hin zum Altersunterschied. Und du willst behaupten, er habe da immer drauf gelegen? Gewagt, gewagt.
Der Unterschied zwischen GGH und Marquis ist, dass GGH meist innerhalb eines festgelegten Images besetzt wurde, dass er immer und immer wieder auswalzen musste, wohingegen Marquis nach einigen Jahren, aufgrund seiner extremen Überpräsenz, im Grunde eine Klischeebesetzung für fast alle Kategorien Schauspieler war, die er machte - und bei den restlichen, wo er mal überraschend besetzt war, lag er daneben, wie eben z.B. bei Musante. Es gibt eigentlich keine Kategorie Rolle, die bei Marquis wirklich als überpräsent ins Auge sticht, da er insgesamt zu oft zu hören war und einfach auf jeder - jeder! - Hochzeit tanzte, egal wie groß welche Differenz zum Original auch immer war.
Zitat Selbst für Gianni Garko als Sartana find ich ihn nach der ersten Schrecksekunde (!) passender als Claus Jurichs. Er unterstreicht doch prima, daß es ein nicht ernstzunehmender Film ist, diese Ironie paßt doch perfekt!
Zitat von MückePetruo wirkte auf mich nie bedrückend, da er dafür zu dünn klingt - er war als Schurke immer nur ganz einfach böse und manchmal zynisch oder sarkastisch, aber nie ein Felsen, von dem eine manifeste Gefahr ausging.
Petruo klingt für dich "dünn"? Für mich hatte er eine sehr voluminöse, volltönende Stimme, die er gerade in "gebieterischen" Rollen (Darth Vader ist nur das bekannteste Beispiel dafür) hervorragend einsetzen konnte.
Zitat von MückePetruo wirkte auf mich nie bedrückend, da er dafür zu dünn klingt - er war als Schurke immer nur ganz einfach böse und manchmal zynisch oder sarkastisch, aber nie ein Felsen, von dem eine manifeste Gefahr ausging.
Ich würde seine Stimme auch nicht als dünn bezeichnen. Er hatte durchaus eine markante und volltönende Stimme, die er durchaus auch vielseitig einsetzen konnte (siehe auch hier: topic-threaded.php?forum=11776730&threaded=1&id=511603&message=7119775), wenn er ab und zu auch mal etwas stereotyp klang, wie du ja schon geschrieben hast. Das lag aber einfach auch zum Teil an der Besetzung.
Mücke
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10.10.2011 17:11
#25 RE: Knie nieder und friss Staub (ITA/SPA 1971)
Zitat von MailmanWesentlich schlimmer war er, meiner Meinung nach, auf George Hilton in "Django - sein Gesangbuch war der Colt". Da konnte ich mich gar nicht dran gewöhnen. Bei Musante stört er mich überhaupt nicht und bei Garko geht es nach ein paar Minuten.
Aber Hallo! Einer der schlimmsten Fehlbesetzungen, da war ja selbst Brunnemann passender ("Der schöne Körper der Deborah"). Aber wen hätte man hier besetzen sollen, vielleicht Michael Chevalier?
Noch kurz zu Eduardo Fajardo: Der hatte eigentlich viele passende Sprecher, selbst Gerald Paradies in "Shangos letzter Kampf" passte ziemlich gut. Bemerkenswert fand ich auch Wolfgang Amerbacher in "Eine Bahre für den Sheriff". Nur Arnold Marquis und Martin Hirthe waren m.E. völlig daneben.
Mücke
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11.10.2011 00:18
#29 RE: Knie nieder und friss Staub (ITA/SPA 1971)
Amerbacher hat mir ebenfalls gut gefallen. Genau wie auch Walter Niklaus.
Für Tony Musante in "Mercenario" wäre m.E. Thomas Braut genial gewesen, aber der war halt "leider" (überwiegend) Münchner... Im übrigen war das zwar eine wirklich extrem abwegige bzw. kuriose Besetzung, aber trotzdem mit Sicherheit nicht eine der 50 schlimmsten Fehlbesetzungen von Marquis, da er zumindest auf den mexikanischen Revoluzzer an sich ziemlich gut passte und den - mit Augen zu - an sich auch gut sprach, wenngleich er nicht auf einen jungen Mexikaner und schon gar nicht auf Musante passte, aber das ist trotzdem immerhin mehr als in wirklich allen Belangen daneben zu liegen... Marquis hatte hier zumindest einen gewissen Charme, wenn auch einen absurd-urigen. Es gibt einige Rollen, wo Marquis auf den ersten Blick näher lag als hier, aber unterm Strich wesentlich schlimmer daneben war. Z.B. bei seinen Einsätzen für Jeff Chandler, um was zu nehmen, was mir jetzt ganz auf Anhieb einfällt. Sein Einsatz für Musante ist einfach zu absurd, um überhaupt im Einheitsbrei versinken zu können und dadurch bezeichnenderweise unter Umständen sogar prägnant. Ich habe Marquis sehr oft beliebiger besetzt erlebt, wodurch er deutlich farbloser wirkte als in diesem Film. Nichtsdestotrotz meine ich mich zu erinnern, dass er auch in "Mercenario" manchmal grenzlastig am Chargieren war, was genauso nerven kann wie eine x-beliebige Besetzung in Rollen, die Marquis zu Hunderten sprach, wozu eine Besetzung wie die in "Mercenario" nun mal gerade nicht gehörte. Ich weiß, er sprach oft Mexikaner, aber das waren völlig andere Typen als Musante.
John F. Kennedy soll in einer Rede mal gesagt haben: "Ich bin ein Berliner!" In Wahrheit lautet der komplette Satz: "Wir werden dafür sorgen, daß jeder Einwohner von Berlin mit Stolz von sich sagen kann: Ich bin ein Berliner!"
Ein bemerkenswerter Unterschied.
Ich bin erstaunt, weil ich gesagt haben soll: "Arnold Marquis fehlbesetzt? Das gibt's ja gar nicht!" In Wahrheit lautet der komplette Absatz (innerhalb eines noch längeren Beitrages zum Thema): "Und Arnold Marquis fehlbesetzt? Das gibt's ja gar nicht! Selbst für Gianni Garko als Sartana find ich ihn nach der ersten Schrecksekunde (!) passender als Claus Jurichs. Er unterstreicht doch prima, daß es ein nicht ernstzunehmender Film ist, diese Ironie paßt doch perfekt! Man ist dadurch schlagartig in der richtigen Stimmung, um den Film überhaupt durchzustehen. Aber gut: auch hier vermutlich reine Nostalgie meinerseits ... Immer argumentativ sachlich zu bleiben ist ja auch nicht das Gelbe vom Ei!"
Ohne anmaßend sein zu wollen: Auch hier sehe ich einen klaren Unterschied zwischen dem aus dem Zusammenhang gerissenen Teil-Zitat und dem kompletten Absatz.
Soviel zum Thema ZITIEREN.
Der Regisseur Lars von Trier will künftig keine Interwies mehr geben, da er "nicht über die Fähigkeit verfügt, sich unmißverständlich auszudrücken". Da ich das offenbar auch nicht kann und als Schreiber die Verantwortung trage, richtig verstanden zu werden, überlege ich, künftig auf Statements lieber zu verzichten und nur noch sachliche neutrale Infos abzuliefern ...