Aufgrund verschiedener Meinungen in anderen Threads möchte ich diese Frage mal in den Raum stellen:
Synchron-Sprecher - Ist das ein begnadetes Talent einer winzigen Minderheit oder ein erlernbares Handwerk (wie z.B. Tischler oder Buchhalter), das bei entsprechender Ausbildung prinzipiell von vielen ausgeübt werden könnte?
Gemeint ist hier nicht das Dutzend Titanen der Branche a la Christian Brückner, sondern der 'durchschnittliche' Sprecher, der sein Metier beherrscht ohne gleich ein Genie zu sein.
Und als zweite Frage:
Sollte man nur Profis vor's Mikrophon lassen, oder auch häufiger mal - ähnlich wie bei Schauspielern, wo oft Laien-Darsteller neben Profi-Schauspielern mit verblüffend erfrischenden Leistungen zu sehen sind - Laien einsetzen, um die Uniformität vieler Synchros aufzubrechen, auch wenn diese Laien nicht 'perfekt' sind (Bei Kinder-Rollen macht man das - gezwungenermaßen! - ja manchmal).
Schließlich ist man im 'wirklichen Leben' auch nicht nur von Leuten umgeben, die makellos sprechen. Oder ist beim Film das oft gelackte und realitätsfremde Synchron-deutsch vorzuziehen?
Synchronisieren ist meiner Meinung nach sowohl Handwerk, als auch Talent. Trifft beides zu. Der Beruf kann aber dennoch nicht "von vielen ausgeübt" werden. Du hast da leider wirklich eine ziemlich naive und realitätsfremde Ansicht zu diesem Berufsfeld.
Sollte man nur Profis vor's Mikrophon lassen, oder auch häufiger mal - ähnlich wie bei Schauspielern, wo oft Laien-Darsteller neben Profi-Schauspielern mit verblüffend erfrischenden Leistungen zu sehen sind - Laien einsetzen
Will man Scheiße hören, soll man Laien nehmen. Will man hingegen ein gutes und rundes Endprodukt, sollte man auf professionelle Leute zurückgreifen. Wo genau gibt es denn eigentlich diesen von Dir auch im anderen Thread angesprochenen Mix aus Laien und Schauspielern? Mir will da irgendwie nix einfallen.
(Bei Kinder-Rollen macht man das - gezwungenermaßen! - ja manchmal)
Ja, es gibt mitunter auch entsprechend grauenvolle Kindersprecher. Als Beispiel fällt mir da spontan "Der Nebel" ein, wo sich einem die Fingernägel aufrollen, wenn man das hört. Andererseits gibt's da aber auch wirkliche Talente.
Oder ist beim Film das oft gelackte und realitätsfremde Synchron-deutsch vorzuziehen?
Definitiv JA. Ich meine, ich mag's mitunter auch mal eher verschliffen und nicht unbedingt über-artikuliert, aber dennoch einfach PROFESSIONELL. Der völlig unbedarfte Laie ohne jede schauspielerische/sprecherische Ausbildung oder Erfahrung und entsprechende Begabung kann das einfach nicht leisten. Und die Synchronfirma kann es sich nicht leisten, jemanden durch einen mit entsprechender Engelsgeduld ausgestatteten Regisseur im Atelier so lange zu quälen, bis man vielleicht nach einer Stunde mal einen halbwegs brauchbaren Take im Kasten hat - wenn überhaupt. Wie schon oft gesagt, gibt es sogar Schauspieler, die in ihrem Fach vor der Kamera oder am Theater möglicherweise super sind, im Synchronatelier aber hoffnungslos versagen, weil sie es eben nicht können, trotz schauspielerischer Ausbildung.
Schauspielerisches Talent, egal in welchem Bereich, ist einem zutreffenden Bonmot zufolge zu 10 % Inspiration und 90 % Transpiration. Es gibt (auch Synchron-)Schauspieler, die haben eine übergroße natürliche Begabung, die man vielleicht als Genie bezeichnet werden kann (wobei ich diesen Begriff meist für übertrieben halte), alle anderen müssen diesen Beruf erlernen - egal wie und egal wo. Musikalität ist gerade im Synchronbereich eine wichtige Voraussetzung (musikalisch kann man auch sein, wenn man wie Rolf Schult absolut nicht singen kann - hier kommt es auf das Hören an und auf das Erfassen von Sprachmelodien und Rhythmen), ebenso muss man beobachten können. Diverse Billigsynchros (Stichwort Kai Wulff) geben ein erschreckendes Negativbeispiel, wie es klingt, wenn Synchro tatsächlich GESPROCHEN werden und nicht GESPIELT.
Zitat von Donnie DarkoWill man Scheiße hören, soll man Laien nehmen. Will man hingegen ein gutes und rundes Endprodukt, sollte man auf professionelle Leute zurückgreifen.
Das kann ich so allerdings nicht stehen lassen, denn kogentas Beispiel mit den Kindersprechern ist ein gutes. Es gibt eine Menge solcher, die sich selbst Profis nennen und von Tuten und Blasen keine Ahnung haben (siehe obiges Beispiel) und Laien, die gutes Gespür besitzen. Genau solche Verallgemeinerung führen mitunter zu grottenschlechten Synchros, weil Protagonisten engagiert werden, die über genügend Reputation verfügen, aber kein Talent besitzen (und sich auch keines erwerben wollen).
"Oder ist beim Film das oft gelackte und realitätsfremde Synchron-deutsch vorzuziehen?" _________________________________________________________________________________________________________________
Nein, auf keinen Fall. Nur klingt das etwas "schludrige" Sprechen erst dann gut, wenn man es bewusst einsetzt und nicht etwa weil man es nicht anders kann. Es spielen auch noch andere Faktoren eine Rolle, der Stimmsitz beispielsweise. Ein Mikrofon ist wie eine Lupe für die Stimme, das heisst, es werden Unebenheiten hörbar, die beim normalen Sprechen vielleicht gar nicht auffallen. Nicht nur "Plopper" oder "Schmatzer", manchmal sitzt eine Stimme auch zu sehr in der Kehle oder in der Nase oder sonstwo. Das ist mehr oder weniger bei fast jedem der Fall, der keine Sprechausbildung oder zumindest lange Sprechpraxis hat. Die meisten Synchronsprecher haben ja deshalb auch eine Schauspielausbildung. Nicht nur, weil es leichter fällt, sich schnell in unterschiedliche Rollen hineinzuversetzen, sondern eben auch wegen der Stimmbildung, die Teil der Schauspielausbildung ist. Aber auch nicht jeder Schauspieler kann Synchronisieren. Ein Grund dafür ist der Zeitdruck, der viele nervös macht. Man hat ja nicht ewig und drei Tage Zeit, um einen Take in den Kasten zu bekommen, sondern normalerweise höchstens eine Minute. Schnelle Auffassungsgabe, Rhythmusgefühl, Flexibilität sind also Grundvoraussetzung. Bei längeren Takes auch gern ein fotografisches Gedächtnis. Diejenigen Sprecher, die keine Schauspielschule besucht haben, verfügen über diese Eigenschaften. Dann kommt noch jahrelange Übung dazu, die wie man so schön sagt, den Meister macht.
Ich denke mal, es ist wie bei allen anderen Berufen: "Nur" Talent reicht nicht, das Handwerk gehört immer dazu, um das Talent eben auch sichtbar zu machen.
Ich setze Synchronsprechen mit Schauspielen gleich. Und als Schauspieler braucht man Talent um den Beruf ausüben zu können. Wenn man gar kein Talent hat ist es auch nicht erlernbar. Wenn man Talent hat kann man durch Übung vielleicht besser werden, aber ich glaube so eine Grundbegabung dafür muss man schon haben.
Nur klingt das etwas "schludrige" Sprechen erst dann gut, wenn man es bewusst einsetzt und nicht etwa weil man es nicht anders kann.
Genau das meine ich mit Professionalität, die einfach nötig ist. Und ein Laie, der weder schauspielerische Fähigkeiten hat, noch über den richtigen Stimmsitz verfügt, noch ein Gefühl für Timing hat, ist einfach... tja, fehl am Platz.
Ich bin natürlich absolut für Nachwuchsförderung, das ist auf jeden Fall eine wichtige Sache und sollte noch viel mehr und in stärkerem Maße betrieben werden. Nur darf dieser Nachwuchs eben auch kein blutiger Laie sein, sondern sollte schon einen entsprechenden Background - in welcher Form auch immer - mitbringen, mit dem man arbeiten kann. Das muss kein Schauspieldiplom sein, aber auf jeden Fall die Fähigkeit und das Verständnis dafür, diese Arbeit auf schauspielerischer Ebene anzugehen.
Zitat begnadetes Talent einer winzigen Minderheit oder ein erlernbares Handwerk
Womöglich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Die Frage finde ich allgemein schwer, bei vielen Berufen. Es mag etwas merkwürdig klingen, aber meine Gedanken landeten auf ihren Pfaden über dieses Thema nachzudenken irgendwann bei der Frage: wie wird man Tätowierer? Ich liebäugle ein wenig mit der romantischen Antwort, dass es womöglich Berufe gibt, bei denen diejenigen, die sich dazu berufen fühlen, schon irgendwie landen.
Aber was Handwerk VS Talent betrifft: ich denke, dass jedes Handwerk mehr oder weniger Talent voraussetzt. Sonst wird es einfach extrem schwer, jemandem das Handwerk beizubringen. Beim Synchron ist halt das "Problem", dass du keine dreijährige Lehre darin machen kannst. Natürlich gibt es Schauspielausbildung und/oder Workshops, aber dass das nicht per se zu den Fähigkeiten verhilft, die das Synchron verlangt, wurde ja schon mehrfach geäußert. Und dem stimme ich auch rückhaltlos zu.
Zitat von Donnie DarkoWill man Scheiße hören, soll man Laien nehmen. Will man hingegen ein gutes und rundes Endprodukt, sollte man auf professionelle Leute zurückgreifen. Wo genau gibt es denn eigentlich diesen von Dir auch im anderen Thread angesprochenen Mix aus Laien und Schauspielern? Mir will da irgendwie nix einfallen.
Der Regisseur Damiano Damiani ('Allein gegen die Mafia') setzt in allen seinen Filmen neben Profis wie Franco Nero seine Freunde und Bekannten und am Drehort angeheuerte Laien in kleineren Rollen ein (richtige Rollen, keine Statisten! Franco Nero im Interview: "Bei Damiani ist Jeder ein Schauspieler"). Auch Stab-Mitglieder bekommen hier und da eine kleine Rolle, wenn es paßt. Und das funktioniert prächtig, Du kannst die Profis nicht von den Laien unterscheiden! Daß es sich um hochprofessionelle Thriller handelt, die keine Spur von Dilettantismus aufweisen, möchte ich ausdrücklich erwähnen!
Andere Italiener wie Pier Paolo Pasolini und Vittorio De Sica haben es oft abgelehnt, mit berühmten Stars zu drehen und sich ihre Darsteller lieber von der Straße geholt. Dabei sind zumeist Ergebnisse zu bewundern, die man gerade mit Profis niemals hinbekommen hätte. In Deutschland Fassbinder, in den USA John Cassavetes, in Frankreich Jacques Doillon - da gibt's wirklich unzählige Beispiele! Robert Bresson hat sogar ausschließlich mit Laien gedreht und sie gar zu einer emotionslosen Sprechweise animiert, weil ein Film nach seiner Ansicht auf andere Weise funktionieren sollte. Und sogar im Sergio-Leone-Western sieht man in kleinen Rollen unzählige Laien, weil Leone deren Gesichter haben wollte.
Der Hollywood-Blockbuster ist dagegen zumeist sicher das von Dir erwähnte 'runde' Endprodukt, von A bis Z durchgestylt von versierten Profis, aber leider völlig unpersönlich, der Regisseur ist austauschbar. Gewiß ist das der Hauptgrund, daß mir diese Filme eher unsympathisch sind und ich etwas 'weniger runde' Autorenfilme vorziehe. - Um nicht mißverstanden zu werden: ein dilettantischer Eindruck darf NICHT entstehen! (Wobei für den Einen oder Anderen offenbar alles, was nicht dem genormten Hollywood-Schema entspricht, voreilig und pauschal als dilettantisch angesehen wird)
Es ist schon ein Unterschied, ob ich jetzt einen Film mit Laien drehe oder mit Laien synchronisiere. Das kann man einfach nicht miteinander vergleichen. Will ich als Filmregisseur eine Szene so autentisch wie möglich haben, ist das Arbeiten mit Laien keine schlechte Idee. Beispiel: Ich drehe einen Film über einen Drogensüchtigen. Will ich ein realitätnahes Werk, versuche ich aus dem Milieu einen Darsteller zu finden, der gleiches durchlebt hat. Beim Film geht es auch um Gestik, Mimik. Beim Synchron hat man nur die Stimme. Kauf dir mal ein Mikro und treib irgendeinen von der Straße auf und bitte ihn darum, eine Szene aus einem Bressonfilm zu synchronisieren. Laie auf Laie. Dir wird auffallen, dass der Synchronlaie schlechter abschneiden wird.
Bei Blockbustern gilt die gleiche Regel. Guck dir mal District 9 an. Der Hauptdarsteller hatte davor keinerlei Schauspielerfahrung, hat aber eine sehr gute Arbeit abgeliefert.
Zu dem Drehen mit Laien bei den erwähnten italienischen Regisseuren: Ich hab mal gehört, daß in Italien die meisten Leute synchronisiert werden und im Film nicht ihre eigene Stimme haben. Falls das bei den erwähnten Regisseuren auch so war, hat man dann möglicherweise auf der einen Seite mit Laien gedreht, aber dann evtl. mit Profis nachvertont - was die Laien evtl. wieder aufwertet, so wie hervorragende deutsche Sprecher mittelmäßige Schauspieler aufgewertet haben.
Teddy Stauffer
(
gelöscht
)
Beiträge:
16.02.2012 09:39
#11 RE: Synchron-Sprecher - Begnadetes Talent oder erlernbares Handwerk?
Es täte auch gut, mal einen Thread ohne Pöbeleien und Beleidigungen um der Beleidigungen willen zu lesen, bei denen dann mitunter hinterher wieder so getan wird, als habe man es ja gar nicht so gemeint. Da du aber offenbar, im Gegensatz zu demjenigen, auf den du offenbar nachtretend anspielst, nicht freiwillig gehst, muss dem Manne eben nachgeholfen werden.
Zitat von SandokanIch denke mal, es ist wie bei allen anderen Berufen: "Nur" Talent reicht nicht, das Handwerk gehört immer dazu, um das Talent eben auch sichtbar zu machen.
Das denke ich auch. Man braucht auf jeden Fall eine Schauspielausbildung und auch möglichst auch -erfahrung um das Ganze transportieren zu können. Ohne Schauspielausbildung kommt man da bekanntlich nicht weit, es sei denn man hat jmd. aus der Familie, aus seinem Bekannten- und/oder Freundeskreis o.ä., der in einem Synchronstudio arbeitet oder jmd. kennt. Allerdings reicht es, wie man ab und an hört, auch nicht aus, wenn man Schauspieler ist und in ein Synchronstudio geht. Ich denke aber auch, wenn man dieses Talent noch nicht hat, dass es für den ein oder anderen durchaus erlernbar ist.
Zitat von LammersIch denke mal, es ist wie bei allen anderen Berufen: "Nur" Talent reicht nicht, das Handwerk gehört immer dazu, um das Talent eben auch sichtbar zu machen.
Das denke ich auch.
Altaaaa, ist das jetzt nicht etwas zu dreist!? Bist du mit deinen ganzen Mehrfach-Nicks durcheinander gekommen und hast dich falsch eingeloggt? Ich sag's nur - VanTobias ist in letzter Zeit so richtig in Account-Lösch-Laune!
Damit ein Laie vor der Kamera eine überzeugende Leistung bietet, braucht es vor allem eines: einen aufgeschlossenen Regisseur, der im Dienste eines unkonventionellen Eregebnisses die Geduld mitbringt, sich überhaupt auf sowas einzulassen. Und uneitle Schauspieler-Kollegen, die nicht sofort die Nase rümpfen, sondern das als Bereicherung sehen, sind sicher auch sehr förderlich.
Das stelle ich mir beim Synchronisieren ganz ähnlich vor, und genau daran scheitert es: Im Allgemeinen hat man weder die Zeit noch die Geduld noch das Geld, sich auf solche Experimente einzulassen. Mit Profis geht's halt schnell, reibungslos und kostengünstig. - Nicht jeder kann Dachdecker werden, dazu muß man zumindest schwindelfrei sein. So kann auch nicht jeder Synchron-Sprecher werden, gewisse Grundfähigkeiten sind natürlich erforderlich. Ganz bestimmt sind die aber bei mehr Leute vorhanden, als man denkt!
Ein Hemmschuh ist vermutlich auch die 'Konkurrenz-Angst' der bereits etablierten Sprecher. Schon die sind nicht alle ausgelastet und haben kein Interesse daran, daß weitere Sprecher in die Branche drängen. Der Kuchen kann halt nur einmal verteilt werden. Deshalb hängt man die Meßlatte übertrieben hoch (unbedingt Schauspieler-Ausbildung erforderlich etc.), um den eigentlich dringend erforderlichen Nachwuchs zurückzudrängen.