Zitat von kogentaWenn man früher über Filme sprach, hieß es: spannend! lustig! anspruchsvoll! unterhaltsam! langweilig! tolle Schauspieler! usw. Wenn man heute über Filme spricht, heißt es: nicht anamorph! 4:3 Format! Pixelbildung beim Bild! kein 5.1 Stereo-Ton! keine Extras! usw.
Was ist bloß mit den Zuschauern passiert ??? Hört sich oft an wie eine Gehirnwäsche der Unterhaltungs-Elektronik-Industrie ... Klar, auch ich sehe Filme am liebsten in guter Bildqualität, im richtigen Format, ungekürzt, usw. Trotzdem steht das alles erst an zweiter Stelle und ist niemals wichtiger als der Film selbst.
Ein Film kann mich niemals wegen der perfekten Bild- und Ton-Qualität begeistern. Die wirklich sehenswerten Filme sind meistens schon etwas älter und in mono, oft sogar in schwarzweiß. Den ganzen technischen Firlefanz von HD bis 5.1-Ton brauche ich nicht wirklich. Das lenkt nur vom Wesentlichen ab und dient vor allem dazu, daß wir uns dauernd neue Geräte kaufen müssen.
Erschreckend, wie die Mehrheit der Filmfreunde nach nur wenigen Jahren technischer Innovationen dieser 'technischen Schiene' hinterherhechelt. Ein fataler Irrweg!
Gruß, kogenta
Hier pflichte ich dir bis auf das Wort "ungekürzt" vollkommen bei. Es geht um den Inhalt des Filmes. Da gehört allerdings die Vollständigkeit dazu. Wenn man einfach draufloskürzt ist bald kein Film mehr übrig. Ansonsten schön gesagt. Muss aber zugeben, dass ich natürlich auch ein großes Bild und fetten Surround-Sound geil finde.
Zitat Ein Russ Meyer-Film könnte in 3D vielleicht ganz interessant sein. Sozusagen eine runde Sache...
Es ist natürlich Unsinn, einen Film NICHT nach seinem Inhalt zu bewerten. Trotzdem ist es ebenso unsinnig, einem Film die Wichtigkeit seiner Optik abzuerkennen. Film ist nunmal ein optisches Medium, das vom jeweiligen Macher bewusst gewählt wurde, und dementsprechend sollte er auch so perfekt (sprich: so nah am Original) wie möglich präsentiert werden. Und wenn Kogenta hier einen S/W-Film mit Mono-Ton als GEGENbeispiel zu einer HD-Präsentation aufführt, dann ist er wohl noch nie in den Genuss einer ordentlichen S/W-Resaturation mit glasklarem (Mono-)Ton gekommen. High Definition (sei es beim Bild oder beim Ton) seinen Nutzen FÜR einen Film abzusprechen, ist ebenso albern wie engstirnig. Früher hat uns auch VHS gereicht, aber war das Filmerlebnis deshalb besser? Es gibt durchaus Leute, denen ein Film als Gesamtwerk wichtig ist, und das deckt nunmal neben dem Inhalt auch die Präsentation ab.
Zitat von JanBingEs ist natürlich Unsinn, einen Film NICHT nach seinem Inhalt zu bewerten. Trotzdem ist es ebenso unsinnig, einem Film die Wichtigkeit seiner Optik abzuerkennen. Film ist nunmal ein optisches Medium, das vom jeweiligen Macher bewusst gewählt wurde, und dementsprechend sollte er auch so perfekt (sprich: so nah am Original) wie möglich präsentiert werden. Und wenn Kogenta hier einen S/W-Film mit Mono-Ton als GEGENbeispiel zu einer HD-Präsentation aufführt, dann ist er wohl noch nie in den Genuss einer ordentlichen S/W-Resaturation mit glasklarem (Mono-)Ton gekommen. High Definition (sei es beim Bild oder beim Ton) seinen Nutzen FÜR einen Film abzusprechen, ist ebenso albern wie engstirnig. Früher hat uns auch VHS gereicht, aber war das Filmerlebnis deshalb besser? Es gibt durchaus Leute, denen ein Film als Gesamtwerk wichtig ist, und das deckt nunmal neben dem Inhalt auch die Präsentation ab.
Im Prinzip stimme ich Dir durchaus zu.
Wenn die verbesserte Technik genutzt wird, um einen Hitchcock-Film in besserer Qualität anzubieten: Bravo, gerne! Da bin ich auch begeistert!
Wenn die verbesserte Technik aber mißbraucht wird, um sinnlos-dumme Filme attraktiver zu machen; und wenn dann vorwiegend ausgerechnet diese Filme bejubelt werden von Zuschauern, die einen Hitchcock-Film nach 5 min gelangweilt abschalten würden, mache ich mir doch Sorgen ...
Leider ist in beängstigend zunehmender Weise zumeist Letzteres der Fall. Hundert Jahre Filmgeschichte alsbald zu 99% im tiefsten Keller, weil die Filme den Präsentations-Ansprüchen nicht mehr genügen? Sicher der Traum jedes aktuellen Produzenten, aber der Alptraum jedes Film-Liebhabers.
Und ja: Früher war das Filmerlebnis intensiver, trotz VHS oder schlechter Kinoprojektion abgeleierter Kopien mit schepperndem Ton. Weil die Technik nicht die Sinne benebelte und man sich wirklich auf den FILM einlassen konnte.
Zitat von kogentaUnd ja: Früher war das Filmerlebnis intensiver, trotz VHS oder schlechter Kinoprojektion abgeleierter Kopien mit schepperndem Ton. Weil die Technik nicht die Sinne benebelte und man sich wirklich auf den FILM einlassen konnte.
Das nenne ich aber eine merkwürdige Argumentation... ich behaupte mal das Gegenteil, wenn wir vom Idealfall ausgehen: Weil heutzutage eben KEINE "Verunstaltungen", wie scheppernder Ton, schlechtes Bild, Band-Aussetzer, usw. vorhanden sind, kann man sich viel mehr auf den Film einlassen. Es ist ja nicht so, dass ich vor einem HD-Bild sitze und die ganze Zeit von der hohen Auflösung "abgelenkt" bin, aber genau das scheint ja dein Argument zu sein. Jeder Filmemacher wird froh sein, dass sein Werk endlich so gezeigt werden kann, wie er es damals konzipiert hat. Nehmen wir mal an, du sitzt im Kino, siehst gerade einen richtig guten Film, der auch noch von einer nagelneuen Filmrolle, mit dem besten Projektor des Kinos gezeigt wird. Bist du da etwa die ganze Zeit von der tollen Bildqualität "benebelt" und kannst dich nicht mehr auf den Film konzentrieren? (die richtige Antwort auf diese Frage lautet natürlich "nein", denn es gibt viel weniger Problemchen, die dich vom Film ablenken, jetzt mal vom Popcorn-knisternden Sitznachbarn abgesehen).
Zitat Ein Film kann mich niemals wegen der perfekten Bild- und Ton-Qualität begeistern.
Das kann ich so unterschreiben - aber eine gute Präsentation kann das Filmerlebnis selbst solcher Filme noch deutlich steigern. Beispiel: "Das Fenster zum Hof". Im Kino lebst du quasi wirklich mit in Jeffs Hinterhof - das Ziel und der Zweck Hitchcocks (den Zuschauer selbst zum Voyeur zu machen z.B.) wird dabei wirklich durch und durch erlebbar für den Kinozuschauer.
Zu Hause habe ich das Glück, eine 2m breite Leinwand mit einem HD Beamer zu besitzen. Eine gute DVD und noch besser eine gute BluRay vorausgesetzt, kommt das Erlebnis dann dem im "echten" Kino schon sehr nahe. Aber liegt nur eine DVD wie die hierzulande erhältliche vor (von "Das Fenster zum Hof" meine ich), dann trübt es das Erlebnis durch die vorhandene Unschärfe usw. doch sehr - es geht halt einiges verloren, da man die Probleme des Quellmediums dort dreifach vergrößert erkennt und abgelenkt wird. Hier ergibt es vollkommen Sinn, eine Version mit deutlich höherer Auflösung vorliegen zu haben. Wie schon genannt kommt die BluRay von "Über den Dächern von Nizza" nochmal besser als die (auch auf der Leinwand vorher) schon sehr sehr gute DVD - die Riviera ist noch schöner, Grace Kelly noch bezaubernder (falls das überhaupt geht).
Bei kleineren Bilddiagonalen sehe ich das persönlich nicht so wild. Auf einem FlatTV in heutiger "Standard"-Größe (ich sage jetzt mal 42") überzeugt das schon eher und wenn eine DVD so gut ist wie z.B. die von "Über den Dächern von Nizza", dann gibt es da weniger Grund (aus meiner Sicht) für ein Upgrade. Daher kaufe ich fast nur von Klassikern BluRays, da ich diese fast ausschließlich auf der Leinwand ansehe. Und wie gesagt - da macht eine BluRay vollkommen Sinn, sofern es kein billiges Upscaling ist, dass der Player auch selber von einer DVD hinbekommt.
Das schließt (für mich) aber nicht erzwungenen 5.1+ Ton ein. Es ist toll, wenn es GUTE Upmixe (ich nenne jetzt mal die DTS-Tonspuren der Connery-Bonds in der Ultimate Edition) gibt und es zum Film passt (bei den Bonds finde ich es persönlich gut, vor allem wegen der Musik). Aber mir ist jede Monotonspur mit alter Synchro in guter Qualität lieber als ein Liebloser und oft unsinniger Upmix (wer braucht 5.1 bei RomComs oder der Feuerzangenbowle mit Rühmann? Manchmal klingt es so, als ob das für einige Leute ein Makel wäre sowas "nur" in Mono zu haben)
Und abschließend: VHS war der Teufel. Dort hat man doch ständig ausgenudelte Bänder und damit Ton- und Bildschwierigkeiten gehabt. DAS kann nicht das Ziel gewesen sein. War "Das Fenster zum Hof" oder "Über den Dächern von Nizza" (um bei meinen Beispielen zu bleiben) deshalb schlechter oder haben mich weniger begeistert? Nein, natürlich nicht (weshalb ich die oben zitierte Aussage auch voll unterschreiben kann). Aber es war furchtbar, diese Filme "so" sehen zu müssen und es ist gut, dass wir heute über deutlich bessere Technik verfügen. Der Sprung von VHS zu DVD waren sieben Meilen - der von DVD zu BluRay aber für mich dann im Vergleich nur eine.
Die "Früher war alles besser"-Argumentation ist auch jenseits der technischen Details fahrlässig. Revisionisten neigen dazu, sich sehr stark auf die herausragenden Filme der vergangenen Jahrzehnte zu konzentrieren und in liebender Wahrheitsferne so zu tun, als seien diese Legion. Sind sie nicht. Der Prozentsatz an irrelevanter Ausschussware ist heute proportional nicht/kaum höher als damals. Es kommt einem lediglich angesichts der extrem aufgefächerten Verbreitungswege und des x-fach potentierten Ausstoßes nur so vor.
Damals wie heute gilt, dass "99% in den tiefsten Keller" gehören. Obwohl ich die Zahl für übertrieben halte.
Medienkonsum war in den "guten alten Zeiten" isolierter, auch schwererer erarbeitet. All das führt zu einer rührenden, aber verklärenden Aufwertung. Kino ist heute ein starkes Medium. Ein wirklicher Film-Liebhaber findet gerade in den letzten Jahren grandiose Strömungen vor, die begeistern. Die Blüte des dänisch-schwedischen Kinos, das seine Depression abstreift. Die Reife und das Selbstbewusstsein des französischen Kinos, das alle Genres gekonnt melkt. Die Verlagerung der britischen Erzählkunst auf das kleine Kino, serielles Fernsehen. Etc., pi-pa-po.
Wenn man nur Balla-Balla-Filme als Argumentation heranzieht, na ja, wird man schon wissen, warum man das tut.
Aus Euren Antworten - die ich mehr oder weniger unterschreiben würde, die Begeisterung von Cineasten über die jetzigen Möglichkeiten teile ich gerne - entnehme ich, daß ich meine obige Aussage "Früher war das Filmerlebnis intensiver" nicht richtig herüberbringen konnte.
Ich versuch's nochmal: Früher war der gesamte technische Aspekt (Bild, Ton) überhaupt kein Thema, fast alle Unzulänglichkeiten wurden als gegeben hingenommen. Das Interesse des Zuschauers lag nahezu ausschließlich beim Film und wurde nur durch gravierende Vorfälle (Film gerissen, Licht im Kino geht an) ganz kurz auf die Technik gelenkt. Heute hat sich der Blickwinkel dramatisch verschoben. Ein gehöriger Anteil (oft übertrieben hoch) wird allein der technischen Präsentation gewidmet, nicht selten tritt der Film selbst dahinter zurück. Anders gesagt: Fragte man sich früher: "Wird der Film wohl spannend/lustig/originell sein?", fragt man sich heute primär: "Ist die Abtastung perfekt/der Ton richtig abgemischt/die Extras ausführlich?" Da findet man gewiß viel schneller als früher das 'Haar in der Suppe', und das Filmerlebnis wird oft bereits durch 'Bagatellen' (gemessen an früheren Mankos) empfindlich getrübt.
Diese Verschiebung der Prioritäten empfinde ich nicht nur als unangemessen, sondern vor allem auch als Quelle ständiger Unzufriedenheit. Bei jüngeren Zuschauern mit geringem filmhistorischen Erfahrungshorizont ganz besonders schade, denn die neigen - durch die Unterhaltungs-Elektronik-Industrie entsprechend konditioniert - zum Glauben, das Wichtigste beim Film sei die technische Perfektion, die älteren Filmen fahrlässig pauschal abgesprochen wird. Hitchcock? Nein, danke. Versucht mal, einem 17jährigen Hitchcock/Leone/Kurosawa schmackhaft zu machen - früher klappte das sehr oft, heute leider so gut wie nicht mehr. Da ist doch irgendwas schiefgelaufen ...
Deine Definition würde ich aber auf wirklich Interessierte einschränken. Die sind zwar zahlenmäßig heute möglicherweise mehr als früher, aber der Otto-Normal-Zuschauer interessiert heute genausowenig wie früher weder für das künstlerische noch für die technische Darbietung (oder zumindest nicht dauerhaft) sondern immer noch am meisten für den schlichten Unterhaltungswert (Erklärt auch den ganzen Müll im Fernsehen). Würde ich zumindest so einschätzen ohne mir länger Gedanken darüber zu machen.
Und um dir einen Lichtblick zu geben: Bei meinem ersten Hitchcock war ich sogar erst 16 ;-)