Es war ja zu erwarten, dass ich zu Herrn Giese irgendwann einmal einen Thread eröffnen werde. Nachdem ich in den letzten Wochen einige Synchronrollen aus der Frühzeit der Synchronisation gepostet habe, nun also etwas zur Person von Harry Giese.
Zunächst einmal meine Kurzbio, die ich auf meiner Homepage gepostet hatte:
Harry Gieses Vater ist der Ingenieur Otto Giese, seine Mutter Margarete Giese, geb. Jaenecke. Nach Abschluß des Real-Gymnasiums beginnt Harry Giese eine Ausbildung als Schauspieler. Über die Stationen Magdeburg (1923-1925), Meiningen (1924/25), Aachen (1926-1928) und [Hamburg-] Altona (1928-1933) kommt Giese 1933 nach Berlin. Hier spielt er am Theater am Nollendorf-Platz und am Komödienhaus. Sein Rollenfach ist das des jugendlichen Liebhabers; als er später dafür zu alt wird, zieht er sich von der Bühne zurück. Ein Wechsel in andere Rollenfächer liegt ihm nicht. Nach 1945 spielt er nur noch kurzzeitig Theater; auf einer Provinzbühne in einem unbedeutendem Stück. Ab 1933 ist er auch als Synchronschauspieler vielbeschäftigt. Giese arbeitet u.a. für die Deutsche Fox Film, dieTobis Melo Film, MGM, Paramount oder für Lüdtke, Rohnstein & Co. Er ist die deutsche Stimme von John Boles (Der kleine Rebell; Die Botschaft an Garcia; Curly Top), Tyrone Power (Chicago; Liebesreporter) Douglas Fairbanks jr. (Mimi), Franchot Tone, Robert Montgomery oder auch John Loder. Seine Wochenschausprechertätigkeit beginnt Giese bei der Tobis-Wochenschau. Nach Kriegsbeginn werden die noch bestehenden Wochenschauen UFA, DEULIG und Tobis inhaltlich vereinheitlicht, erscheinen bis Sommer 1940 allerdings noch unter ihrem jeweiligen Namen, danach als "Die Deutsche Wochenschau". Sprecher wird Harry Giese. Durch diese Tätigkeit dürfte seine Stimme vielen bekannt sein. Giese wird aber auch für andere Propagandafilme wie LAH im Einsatz (=Leibstandarte SS Adolf Hitler; 1941) eingesetzt. Auch im Dokumentarfilm Sieg im Westen ist er zu hören- allerdings nur in der Einleitung. Ein besonders übles Machwerk wird vom "Reichsfilmintendanten" Fritz Hippler persönlich hergestellt: Der ewige Jude (1940) - "...der niederträchtigste der antisemitischen Nazifilme" (Courtade/Cadars: "Geschichte des Films im dritten Reich"). Auch hier hört man Gieses Stimme. 1943 erkrankt Harry Giese an Gelbsucht; er wird vorübergehend von seinem Kollegen Walter Tappe vertreten. Anfang 1944, Giese ist noch nicht vollständig genesen, übernimmt er auf Anordnung von Propagandaminister Goebbels wieder seine Sprechertätigkeit für die Deutsche Wochenschau. Die Nazi-Wochenschau wird mit der Nr. 755 im März 1945 eingestellt. Da Harry Giese kein NSDAP-Parteimitglied war, bekommt er nach dem Krieg kein Berufsverbot. Er gehört Ende 1946 zu den Sprechern einer der ersten, in den Berliner Westsektoren (Filmstudios Tempelhof), hergestellten Synchronisationen: Mädchen im Rampenlicht/ Ziegfield Girl. Hier spricht er Tony Martin (den er bereits 1937 in Mississippi-Melodie sprach). In Die Wendeltreppe, 1948 synchronisiert, spricht er George Brent und in Ich tanz mich in Dein Herz hinein, 1950 synchronisiert, spricht er Fred Astaire- wobei er sehr gute Arbeit abliefert. Sogar für die ostdeutsche DEFA arbeitet Giese: zusammen mit seinem Sprecherkollegen bei der Deutschen Wochenschau, Walter Tappe, ist er 1949 für die deutsche Fassung des sowjetischen Propagandastreifens Begegnung an der Elbe zuständig. Doch schon bald bekommt Giese keine Synchronhauptrollen mehr angeboten; er muss sich mit kleineren Sprecherrollen abfinden. Als 1950 in Hamburg die Neue Deutsche Wochenschau gestartet wird, bewirbt sich Giese als Sprecher, wird jedoch nicht genommen. Neben der Synchronisation arbeitet Giese als Sprecher in Werbefilmen und in Dokumentarfilmen. So ist er u.a. in Der goldene Garten (von Hans Domnick, 1953) und Wir sahen mit unseren Augen: Russland heute (von Gerd Nickstadt, 1957) zu hören. Gieses Sprechertätigkeit für den Trailer zu Sein oder Nichtsein (die dt. Fassung wurde 1960 hergestellt) dürfte bei vielen Betroffenheit hervorgerufen haben- handelt doch der Film von einer Schauspielertruppe im von Nazis besetzten Polen, die den polnischen Widerstand unterstützen. Da die Sprechereinsätze für Harry Giese mit den Jahren immer weniger werden, trägt vor allem auch seine zweite Ehefrau Gertrud als Studienrätin zum Einkommen der Familie bei. Der passionierte Orchideenliebhaber Harry Giese ist von 1950 bis 1962 Gruppenleiter der D.O.G. (Deutsche Orchideen Gesellschaft) in West-Berlin. Als Orchideenexperte hat er im neuen Medium Fernsehen in den 1950er Jahren einige TV-Auftritte. In den 1960er Jahren kauft er sich ein Grundstück in Tirol, bekommt jedoch keine Baugenehmigung. In den letzten Jahren seines Lebens zieht er sich mehr und mehr aus der Öffentlichkeit zurück. Harry Giese ist in erster Ehe mit Gertrud Froschauer, seit 1948 in zweiter Ehe mit der Oberstudienrätin Gertrud Linkowski verheiratet.
Soweit meine Kurzbio.
Ob seine Tätigkeit als Sprecher der "Deutschen Wochenschau" ihm später bei seiner Synchrontätigkeit nicht behilflich war oder ob es andere Gründe gab, wird man wohl kaum noch herausfinden. Vielleicht passte auch nur seine Stimme nicht mehr in die "Synchronlandschaft"- es bleibt reine Spekulation. Eine ähnliche -nicht ganz so drastische- Erfahrung musste ja auch Kollege Axel Monjé einige Jahre später machen (und der hatte ja mit der NS-Wochenschau nichts zu tun). Im Gegensatz zu den meisten Synchronkollegen ist Giese niemals auf der Leinwand zu sehen gewesen. Übrigens hatte er doch noch einen Einsatz in der deutschen Nachkriegswochenschau. In einem Beitrag der US/englischen "Welt im Film" aus 1948 über die Berliner Blockade war er zu hören. Möglicherweise wurde der Beitrag damals in Berlin hergestellt (die "Welt im Film" wurde ansonsten bei der Bavaria in München produziert).
Auszüge aus seiner Synchrontätigkeit bis 1944: 1934/35 BENGALI (Franchot Tone) 1934/35 - NACHTFLUG (William Gargan) 1935 - NATASCHA (Pierre Richard-Willm) 1935 - HELDEN VON HEUTE (Russell Hardie) 1935 - DAVID COPPERFIELD 1935 - HELENE (George Rigaud) 1935 - SENSATION IN LONDON (Barry MacKay) 1935 - LOCKENKÖPFCHEN (John Boles) 1936 - MIMI (Douglas Fairbanks jr.) 1936 - DER KLEINSTE REBELL (John Boles) 1936 - UNTER FALSCHEM VERDACHT ( Jaque Catelain) 1936 - DIE BOTSCHAFT AN GARCIA (John Boles) 1937 - DER MORD IM NEBEL (Ray Milland) 1937 - SONNENSCHEINCHEN (Robert Young) 1937 - FRAUEN-LAUNEN (Robert Young) 1937 - GEHN WIR BUMMELN (Dick Powell) 1937 - MAN TRIFFT SICH IN PARIS/ PARISER BEKANNTSCHAFT (Robert Young- vermutlich) 1937 - DER LIEBESREPORTER (Tyrone Power) 1938 - CHIKAGO (Tyrone Power) 1938 - EHREN-LEGION (Abel Jacquin) 1938 - SCOTLAND YARD GREIFT EIN (John Howard) 1938 - SCOTLAND YARD AUF FALSCHER SPUR (John Howard) 1938 - SHIRLEY AUF WELLE 303 (Jack Haley) 1938 - CAFÉ METROPOL (Tyrone Power) 1939 - EIN MANN WIRD ENTFÜHRT (Vittorio de Sica) 1939 - SUEZ (Tyrone Power) 1939 - DIE GOLDENE PEITSCHE (Richard Greene) 1940 - MORDPROZESS HARMS (George Brent- nicht mehr aufgeführt) 1940 - ALARM IM WARENHAUS (Andrea Checchi) 1940 - FRAU AM ABGRUND (Vittorio de Sica) 1940 - SEHNSUCHT NACH SPANIEN 1940 - HINTER HAREMSGITTERN 1941 - LIEBE, MÄNNER UND HARPUNEN (Allan Bohlin) 1941 - WIR ZWEI (Stig Järrel) 1941 - ALKAZAR (Aldo Fiorelli) 1941 - POLIZEI-INSPEKTOR VARGAS 1942 - LIEBESFREUD-LIEBESLEID (Adriano Rimoldi) 1942 - IN DER ROTEN HÖLLE (Carlos Munoz) 1942 - REIFENDE MÄDCHEN (Andrea Checchi) 1942 - DUNKELROTE ROSEN (Vittorio deSica) 1942 - MÄDCHEN IN NOT (Osvaldo Valenti) 1942 - SCHEINWERFER IM NEBEL (Antonio Centa) 1942 - VORBESTRAFT (Fedele Gentile) 1942 - KARAWANE (Rossano Brazzi) 1943 - VERSCHLOSSENE LIPPEN (Andrea Checchi) 1943 - VERSUCHUNG 1944 - MEIN FREUND, DER PRÄSIDENT
1943 endet der Beschäftigungsnachweis für Giese. In dem Jahr war er an Gelbsucht erkrankt, daher auch weniger Einsätze. Zwischen 1935 und 1944 sind rund 115 Synchronrollen nachgewiesen. Wenn man bedenkt, dass zwischen 1929 und 1945 ca. 450 synchronisierte Filme in Deutschland gezeigt wurden, ist das eine ganze Menge...
Arbeiten für die DEFA
BLAUE WEGE - 1947/DE 1948; Hauptrolle DUBROWSKIJ - 1935/DE 1946; Hauptrolle EIN MÄDCHEN MIT CHARAKTER - 1939/DE 1947 DER FALL Z-8 - CSR 1949/DE 1949 FRÜHLING - 1947/1947 DAS MÄDCHEN OHNE MITGIFT - 1936/1946; Hauptrolle MASKERADE - 1941/1946 DIE SCHÄTZE DER ZENSKI-SCHLUCHT - 1941/1946 DEM MORGEN ENTGEGEN (CSR 1951/DE 1952)
Hier zwei Beispiele seiner Sprechertätigkeit:
-unvermeidlich: "Die deutsche Wochenschau" (bitte dies nicht als Werbung für NS-Deutschland auffassen...):
...und hier Harry Giese für Fred Astaire, RKO-Synchronabteilung 1950:
Zitat von kinofilmfan im Beitrag #1Gieses Sprechertätigkeit für den Trailer zu Sein oder Nichtsein (die dt. Fassung wurde 1960 hergestellt) dürfte bei vielen Betroffenheit hervorgerufen haben- handelt doch der Film von einer Schauspielertruppe im von Nazis besetzten Polen, die den polnischen Widerstand unterstützen.
Hinzu kommt noch, dass in "Der ewige Jude" ein Schnipsel aus einem (natürlich vor 1933 entstandenen*) Interview mit Ernst Lubitsch zu sehen war. Im Kommentar dazu wurde er als "deutscher Regisseur" bezeichnet, und zwar so, dass man die Anführungszeichen geradezu hören konnte.
*Da er sich dort erfreut darüber zeigte, wieder in Berlin sein zu können.
Danke für diesen schönen Beitrag. Ich nehme einmal an, daß er eher weniger Zustrom erhalten wird.
Für mich selbst ist Harry Giese praktisch ein Fremder. Von seinen zahlrecihen Synchronhauptrollen kenne ich keine einzige - mit Ausnahme fie für Fred Astaire. Allerdings kenne ich den Film auch nur sehr am Rande, weil Musicals dieser Art einfach nicht auf meiner Speisekarte stehen. Harry Giese erkenne ich nicht, er spielt in meinem Stimmenspeicher keine Rolle.
Allerdings habe ich mich wegen seiner häufigen Nennung in letzter Zeit etwas mit ihm beschäftigt und dabei festgestellt, daß der Mann eine ziemlich spannende Biographie hat. Daß seine NS-Sprechertätigkeiten eine Rolle spielten beim späteren Ignorieren, das bezweifle ich stark. Denn da hätten Paul Klinger, Hans Hinrich oder Hans-Georg Laubenthal auch keine Arbeit bekommen dürfen. Und beim Synchronisieren von Spielfilmen wird man seine Stimme sicherlich auch nicht unbedingt als jene der Wochenschau erkannt haben, da sind die Arbeitsweisen doch sehr unterschiedlich (man denke an die eigentümliche Art, wie man damals Wochenschauen oder Dokumentationen meistens einsprach). Wie andernorts erwähnt, dürfte er jener Wochenschausprecher sein, über den sich meine Oma einmal mokierte. Das muß bei einer Doku als Vorfilm in den 50ern gewesen sein, denn ansonsten hätte sie die Stimme sicher nicht erkannt.
Vielleicht hatte er tatsächlich dasselbe Schicksal wie Axel Monje, der ohne nachvollziehbaren Grund zum Kleinrollensprecher degradiert wurde. Interessant wären natürlich überall die Hintergründe.
Da Giese, wie zu lesen ist, besonders in späteren Jahren an Depressionen litt, kann das früher auch schon gewesen sein. Bei den meisten Menschen ist das so, vielleicht nahm ihn einfach die Realität in Beschlag und er konnte sich nicht in das neue Arbeitssystem eingliedern, fühlte sich zurückgesetzt oder nicht mehr gebraucht. Das kann bei empfindsamen Gemütern schnell zu Problemen und in Folge zu Unzuverlässigkeiten führen. Die sporadischen Kleinrollen galten vielleicht der Geldbeschaffung, ein Einkommen wären sie wohl keinesfalls gewesen. Aber das sind nur subjektive Spekulationen.
Jedenfalls war er zumindest in der Zeit vor 1945 ein Stützpfeiler der deutschen Synchronisation, vermutlich noch bedeutsamer als Paul Klinger. Schade, daß diese Synchronisationen kaum greifbar sind. Mehr fällt mir zu Harry Giese eigentlich nicht ein, eben weil er mir absolut fremd ist. Aber es ist schön, daß er jetzt einen Thread hat und noch schöner wäre es, wenn diesen auch mancher finden würde...
Zitat Aber es ist schön, daß er jetzt einen Thread hat und noch schöner wäre es, wenn diesen auch mancher finden würde...
...danke, fortinbras!
Ja, es ist jammerschade, dass dieses Kapitel der Synchronisation (also bis 1945) bis heute praktisch kaum erforscht ist. Ich kann mich an meine Internet-Anfangszeit erinnern (so Ende des letzten Jahrtausends...), da war ich gelegentlich in einem anderen Forum zu Gast. Da wurde die Frage gestellt, wer denn der Sprecher der "Deutschen Wochenschau" war- niemand wusste es. Und langsam kam es dann heraus, dass der Mann ein gewisser Harry Giese war. Mittlerweile gibt es zu HG ja einiges an Informationen.
Es ist wirklich jammerschade, dass die meisten seiner Synchronrollen aus den 30er/40ern für immer verloren sind (oder in Archiven vergammeln), weil die allermeisten DVD-Anbieter an so etwas natürlich kein Interesse haben. Lieber einen alten John-Wayne-Western aus 1933, der nie in Deutschland gelaufen ist, von einer Amateurtruppe synchronisieren lassen, das Cover mit einem Foto des älteren "Duke" versehen, und das Ganze dann auf den Markt schmeißen...
Harry Gieses Arbeit als Synchron-Sprecher für die Nachkriegs-DEFA ist doch umfangreicher. Ich habe mal in Programmen der Jahre bis 1950 geblättert und doch einiges gefunden (mit einer Ausnahme sind es sowjetische Filme, die Namen der Schauspieler lasse ich weg): Blaue Wege - 1947/DE 1948; Hauptrolle Dubrowskij - 1935/DE 1946; Hauptrolle Ein Mädchen mit Charakter - 1939/DE 1947 Der Fall Z-8 - CSR 1949/DE 1949 Frühling - 1947/1947 Das Mädchen ohne Mitgift - 1936/1946; Hauptrolle Maskerade - 1941/1946 Die Schätze der Zenski-Schlucht - 1941/1946 Die Synchronbesetzungen lesen sich wie ein Lexikon der westd. Synchronschauspieler der 50er bis 70er Jahre. Selbst Horst Buchholz hat in den 40ern für die DEFA gesprochen! Ob Harry Giese nach 1950 noch im Osten synchronisiert hat - mal sehen. Gruß, Rolf
Da man diese russischen Filme wohl auch kaum noch zu sehen bekommen wird, ist es jammerschade, daß so ein umfangreiches und bedeutsames Synchronschaffen fast gänzlich aus dem Bewußtsein gelöscht ist.
Etwas eigentümlich ist es schon, das Giese NS-Wochenschauen sprach und in ein paar Tendenzfilmen akustisch auftrat und dann stimmlich russische Werke bereicherte, bei denen auch einige propagandistische Sachen drunter waren.
Ist eigentlich bekannt, wo in Tirol er sich ansiedeln wollte?
Über http://www.tvprogramme.net lassen sich Ende 1955/Anfang 1956 vier TV-Auftritte von Harry Giese nachweisen:
Dienstag, 11. Oktober 1955, 17:00 h – 17:30 h (vom SFB) Für die Frau: „Tropische Orchideen im Blumenfenster“ Harry Giese zeigt Pflanzen aus seiner Liebhabersammlung. Anschließend: Auslosung der Gewinnerinnen der Sendung 'Ferngesteckt - zu Haus genäht' Leitung: Eva Baier-Post http://www.tvprogramme.net/view_tag.php?tag=1955-10-11
Mittwoch, 26. Oktober 1955, 17:00 h – 17:35 h (vom SFB) Für die Frau: „Orchideen und ihre Pflege im Blumenfenster“ Mit Eva Baier-Post und Harry Giese Anschließend: 'Fünf Minuten für die Hausschneiderei' mit Claire Lommer http://www.tvprogramme.net/view_tag.php?tag=1955-10-26
Dienstag, 28. Februar 1956, 17:00 h – 17:30 h (vom SFB) Für die Frau: I. Mit Eva Baier-Post und Harry Giese: „Tropische Orchideen im kalten Blumenfenster“ II. 'Fünf Minuten für die Hausschneiderei' mit Claire Lommer http://www.tvprogramme.net/view_tag.php?tag=1956-02-28
Solche Programme wurden damals idR immer live gesendet, so dass die Chance, über etwaige Aufzeichnungen dieser Sendungen Harry Giese auch einmal vor der Kamera sehen zu können, leider gegen Null gehen dürfte.
Das Harry Gieses Tätigkeit bei der DEFA doch recht umfangreich war, überrascht mich nicht wirklich. Auch der Arbeiter- und Bauernstaat bediente sich, genau wie die Bundesrepublik (und auch Österreich,) immer wieder gern der Kompetenz der "alten Kämpfer". Und gegen die meisten dieser Herrschaften war das Nicht-Parteimitglied Giese doch ein kleiner Fisch.
Auf filmportal.de habe ich noch einige weitere Sprechertätigkeiten für die DEFA-gefunden. Alles Dokus zu medizinischen Themen. Demnach hat Giese noch bis mindestens 1952 bei der DEFA gesprochen:
Mitte der 60er Jahre war Giese in München aktiv. Ob er damals wg. seines Grundstücks in Tirol in Süddeutschland war, weiß ich natürlich nicht. Ich weiß auch nicht, wo er da genau sein Grundstück hatte.
Und hier sein "Filmauftritt" als "Malte von Barring" in Rolf Thieles "Friederike von Barring", 1956 (natürlich ist der Herr, der da zu sehen ist, nicht Giese...):
Zitat von kinofilmfan im Beitrag #9Mitte der 60er Jahre war Giese in München aktiv. Ob er damals wg. seines Grundstücks in Tirol in Süddeutschland war, weiß ich natürlich nicht. Ich weiß auch nicht, wo er da genau sein Grundstück hatte.
Das hätte mich nur insofern interessiert, weil ich in Tirol wen kenne, der sozusagen aus der Branche ist und dann etwas hätte herausfinden können. In den späteren 60er-Jahren haben sich extrem viele Deutsche in Tirol angesiedelt. Das führte zu heftigen Protesten der Bevölkerung. Später wiederholten sich solche Dinge noch öfter (war ja auch ein zentrales Thema der "Piefke-Saga"). Da konnten viele deutsche Bürger zwar die Grundstücke teuer kaufen, durften aber nicht bauen. Wodurch sie unter Wert wieder zurückverkauft werden mußten. Egal, das ist nicht so wichtig.
Übrigens fehlt Harry Giese in Ernst Klees Lexikon Kulturschaffender im dritten Reich. Dieses deckt ja sämtliche Bereiche ab (Täter, Opfer, Mitläufer, etc) und Klee machte da und dort Abstriche. Teils weil ein gewisser Zweig überpräsent war, teils um Platz zu haben für die größere Bandbreite. Giese wurde bereits im Planungsstadium aus dem Lexikon entfernt, weil er nicht bedeutend oder speuiell repräsentativ eingestuft wurde: im Umfeld des "Doktors" wären ja genügende vertreten.
Seltsamerweise hat Giese scheinbar trotz seiner Tätigkeiten keine besonderen Auszeichnungen im dritten Reich erhalten.
Zitat von fortinbras im Beitrag #10Seltsamerweise hat Giese scheinbar trotz seiner Tätigkeiten keine besonderen Auszeichnungen im dritten Reich erhalten.
Was ein Hinweis darauf sein könnte, dass Giese die "Jobs" erledigt hat und sich ansonsten politisch völlig raushielt - weder sich gegen die Machthaber stellte noch irgendwelche Sprüche ihnen nach dem Munde klopfte - Prototyp eines Mitläufers. Da gab es und gibt es so furchtbar viele - und wer weiß, ob man nicht selbst einer wäre ...
Zitat von Stefan der DEFA-Fan im Beitrag #11Prototyp eines Mitläufers. Da gab es und gibt es so furchtbar viele - und wer weiß, ob man nicht selbst einer wäre ...
Im Prinzip sind wir das dann und wann ja alle mal (im Kreise der Familie oder im Beruf). Da hat´s natürlich keine historische Bedeutung oder größere Ausmaße. Die Frage, wie ich mich in so einem Regime verhalten hätte, habe ich mir auch schon oft gestellt. Natürlich ist man immer Rebell und Weltverbesserer, aber hinterfragt man sich genauer, würde man wohl auch meist den weg wählen, bei dem einem am Wenigsten passiert.
In einem Fragebogen zum Eintritt in die "Reichsfachschaft Film" gab Giese u.a. wie folgt an (Stand: 30.09.1933): Schauspieler seit 1922. Die Frage, bei welchen Firmen er beschäftigt war, beantwortete Giese mit "Metro-Goldwyn-Mayer" und "Deutsche Universal-Film". MGM hatte in den ersten Jahren ihre Filme in Hollywood selbst synchronisiert; dies würde im Fall Giese bedeuten, dass er a) für Hollywood (als Sprecher) verpflichtet wurde oder b) das MGM seine Synchronproduktion vor September 1933 von Hollywood nach Berlin verlagert hat (was ich eher annehme, aber leider wieder mal reine Spekulation ist).
1934 wurde von der Reichsregierung ein Kontingent für ausländische Filme festgesetzt. Im Dezember 1934 wendet sich Giese an den Reichsfachschaftsleiter Film, den Schauspieler Carl Auen, mit der Bitte um "Milderung" der Kontingentsregelung. Er schreibt: "...um allg. große Härten bei den Schauspielern, die teilweise oder ganz ihre Existenz auf Synchronisationsarbeiten aufgebaut haben, zu vermeiden." Er schreibt weiter "Da durch die Preiserhöhung der Kontingente die amerikanischen Firmen seit geraumer Zeit bekanntlich sämtliche Synchronisationen eingestellt haben..." Er endet in dem Brief "Um der Notlage der betroffenen Künstlern zu steuern, bitte ich in deren Namen um diesbezügliche Fürsprache!" Auen antwortete prompt; er führte aus, dass keinerlei Aussicht bestünde, die Kontingentregelung abzuändern. Auch hier ist wieder Spekulation angesagt. Ende Nov. 34 lief z.B. noch "Harold Lloyd, der Strohmann" an. Bedeutete die Aussage Gieses, das die US-Firmen ihre Filme vorübergehend in OmU starteten? Allzu lang kann die Synchronpause wohl nicht gedauert haben. Es ist ja auch bekannt, dass sich Fox, MGM und Paramount mit der Reichsregierung ein Abkommen geschlossen hatten, nur dem Regime "genehme" Filme vorzulegen. Es gab bis 1940, bis auf wenige Ausnahmen, nur US-Produktionen der drei genannten Firmen.
Zum Abschluss ein kurzer Ausschnitt aus "Die Pamir", ein Dokumentarfilm aus 1959:
Zitat von kinofilmfan im Beitrag #14Bedeutete die Aussage Gieses, das die US-Firmen ihre Filme vorübergehend in OmU starteten? Allzu lang kann die Synchronpause wohl nicht gedauert haben. Es ist ja auch bekannt, dass sich Fox, MGM und Paramount mit der Reichsregierung ein Abkommen geschlossen hatten, nur dem Regime "genehme" Filme vorzulegen.
Bei Norbert Aping steht die glaubhafte Vermutung, dass nur Filme synchronisiert wurden, von denen man sich genug Erfolg versprach, um die damals aufwendige Synchronisation zu rechtfertigen ("Die Wüstensöhne" und "Ritter ohne Furcht und Tadel" wurden synchronisiert, der dazwischen gestartete "Böse Buben im Wunderland" jedoch nicht).