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Dieses Thema hat 49 Antworten
und wurde 3.822 mal aufgerufen
 Allgemeines
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kogenta



Beiträge: 2.069

16.09.2014 00:05
#46 RE: Faszination an älteren Synchronisationen Zitat · antworten

fortinbras, was hältst Du denn von den beiden Karl-May-Filmen VERMÄCHTNIS DES INKA und OLD FIREHAND?

Beide kommen ja ohne die Dir verhasste Musik von Martin Böttcher aus.
Ersterer lief in Italien quasi als Italo-Western unter dem Titel VIVA GRINGO, letzterer gleicht auch mehr einem gemäßigten Italo-Western als einem Karl-May-Film und ist bei den Karl-May-Fans verpönt - zu Unrecht, wie ich meine. Ich finde es sogar schade, dass Alfred Vohrer auf dieser Schiene im damals gerade aufkommenden Italo-Western-Genre nicht weitere Filme drehen konnte, denn mit jedem Durchschnittsfilm dieses Genres hält sein Film locker mit. Da wären vermutlich interessantere Filme rausgekommen als seine späten Wallace-Verfilmungen.

Gruß, kogenta

PS: Die Musik von Lavagnino zum VERMÄCHTNIS DES INKA soll ja aus einem früheren Western entnommen sein (lt. Regisseur Marischka, der die Musik auch in einem anderen Film gehört haben will). Weiß darüber jemand Genaueres? Ich bin diesbezüglich noch nicht fündig geworden, der irgendwo mal vermutete DIE LETZTE KUGEL TRAF DEN BESTEN ist es jedenfalls nicht.

fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

16.09.2014 13:45
#47 RE: Faszination an älteren Synchronisationen Zitat · antworten

Das "Vermächtnis" finde ich, ist ein sehr schöner Abenteuerfilm vor historischer Kulisse - Western würde ich den Streifen weniger nennen. Da es hier nicht so vordergründig um die Blutsbrüderschaften samt Pathos geht, ist er für mich leicht verdaulich und keineswegs unfreiwillig komisch. Marischka hat einen sauberen, feinen Genrefilm gemacht und ich finde es schade, daß er so ein Aussenseiter ist. Er hat einige Qualitäten aufzuweisen, aber den Meisten wird ein Auftritt von Barker und/oder Brice fehlen. Auch die Musik ist dramaturgisch geschickt eingesetzt und sehr stimmungsvolle. Daß Lavagnino sie von anderswo hernahm, will ich irgendwie nicht ganz glauben - ich nehme an, er hat wohl (was nicht weiter ungewöhnlich ist - siehe Nino Rota) Themen benutzt, die es schon gab und sie in einen neuen Score verarbeitet. Mir ist die Musik ein wenig zu komplex, um sie rein aus einem anderen Film drübergespielt zu sehen.

Kurz zu Martin Böttcher: er ist ein distinguierter Komponist mit individuellem Stil, den man sofort erkennt. Er hat eine Gabe für Melodien, die im Ohr bleiben. Leider ist er aber ein sehr konventioneller Komponist, der immer auf seinem ausgetrampelten Pfad geht und nach bewährtem Muster arbeitet. Er bricht nie aus, er experimentiert nicht. Und wenn er mal doch aus der Reihe tanzt, wie bei "Sonderdezernat K1", dann wandelt er auch auf sicherem Pfad, weil das schon andere ausprobiert haben - nur leider wurde Böttcher dafür gepriesen, bekam die Lorbeeren und die Vorreiter wurden später verdächtigt, ihn zu kopieren. Mir ist seine Musik generell zu austauschbar: pro Genre hat er ein Grundmotif, das er dauern variiert und wiederholt. Seine Musik eckt nie an und eignet sich deshalb perfekt als Bügelbegleitung oder Geplätscher im Hintergrund. Er schreibt tolle Titelthemen, aus denen er wenig macht und hat ein sehr eigenartiges Gespür für musikalische Dramaturgie. In vielen seiner Filme fehlt an den Stellen Musik, die geradezu danach schreien. Genrefilme brauchen das besonders, Böttcher etwa ist bei eskapistischen Krimis todernst und subtil, wodurch sich etwas langatmige Filme wie "Der schwarze Abt" noch mehr ziehen, weil er hin und wieder düster ein paar Noten spielt und das Geschehen nie vorwärtstreibt. Auch in den Karl May-Filmen lässt er viele Möglichkeiten ungenutzt und wiederholt sehr oft ein und das selbe Thema, nur in unterschiedlicher Länge. Er arbeitet nicht im notwendigen Maß mit Leitmotifen oder spannungsfördernden Elementen. Er wendet es an, aber mit einer seltsamen Zurückhaltung. Für mich war er ideal bei Komödien, wo sein leichter Stil gut paßte und Filme, die etwas "sophisticated" waren, die lagen ihm auch ("Das Mörderspiel", "Der Illegale"). Aber er ist ein humorloser Komponist und etwas steril. Da es damals so üblich war, daß vom Musikbudget der Komponist alles bezahlen musste (seine Arbeit, die Musiker, etc), wollte er vielleicht möglichst viel einsparen, denn der Rest (so Peter Thomas) blieb immer die reale Gage des Komponisten. Aber das ist leicht garstige Mutmaßung.

Zu "Old Firehand":

nun ja, der hat für und wider. Als Mix aus Italo-Western und "Die glorreichen Sieben" ist er gelungen, hat tolle Bilder und Vohrer meistert vor allem die Actionszenen hervorragend. Der Film hat sämtliche der besten Actionmomente der ganzen Reihe zu bieten. Die Kulissen sind toll. Ich glaube aber, als "Teutonenwestern" ohne May-Bezug hätte er besser funktioniert.

Was dem Film fehlt, ist u.a. eine tragendere Handlung, da ist der Bogen zu wenig gespannt. Auch fehlt ein echter Star! Pierre Brice war immer am Besten mit einem kräftigen Co-Star, er selbst konnte Filme dieser Art nie wirklich alleine tragen. Hier sind seine Auftritte ja zudem karg gestreut, gegen Ende verschwindet er ganz und es ist peinlich, daß man in Dialogen hört, wo Winnetou grad ist, was er macht, es aber nicht sieht. Brice ist hier ein "Special Guest Star". Rod Cameron ist ein robuster Kerl, aber er hat nicht das ausreichende Charisma und die Präsenz, den Film zu tragen. Gerade bei solchen Genrefilmen ist das aber von Bedeutung. So zerfällt alles in Einzelteile. Leider nutzte man auch Leipnitz' Bösewichtpotential nicht, die Konflikte bleiben halbgar.

Die Musik von Peter Thomas gefällt mir sehr. Die oft zu lesende Behauptung, er habe hier im Stile Böttchers komponiert, ist jedoch Unsinn. Das hätte er nie getan, es gab nur ein höheres Musikbudget, weswegen Streicher und ein breiterer Klang möglich waren. Seine Musikdramaturgie ist auch ganz anders, der Film hat mehr Musik als drei Böttcher-Filme zusammen und Thomas bringt ziemliches Tempo rein und auch einige musikalische Gags. Er hat auch gar nicht versucht, ein neues Pathos-Thema zu gestalten, sondern einen anderen Ansatz gefunden.

Als Versuch, neue Wege zu gehen, ist der Film sicher interessant, aber die Rechnung ging nicht ganz auf und der Film ist nicht ganz Fisch und nicht ganz Fleisch.

Slartibartfast



Beiträge: 6.746

16.09.2014 14:47
#48 RE: Faszination an älteren Synchronisationen Zitat · antworten

Der Auftakt mit Bierpreis und Versini ist aber genau ein solches Pathos-Thema und stellt genau das dar, was immer als Böttcher-Kopie bezeichnet wird.
Die Action-Musik hingegen ist sehr gelungen, auch wenn sie ein wenig an RÄTSELSCHLOSS erinnert.

kogenta



Beiträge: 2.069

17.09.2014 00:55
#49 RE: Faszination an älteren Synchronisationen Zitat · antworten

Danke, fortinbras, für die ausführlichen Antworten.

Zur Musik vom 'Vermächtnis' erzählt Regisseur Marischka, dass die fertigen Musikaufnahmen aus Italien angeliefert wurden, bevor der Film geschnitten wurde. Das spricht schon stark für Archivmusik, auch wenn das schwer zu glauben ist. Schade, dass es die Musik bis heute nicht auf CD gibt.

Zum 'Old Firehand' teile ich weitgehend Deine Meinung. Beileibe nicht der schlechte Film, als der er oft hingestellt wird, aber auch kein wirklich gelungener Film. Hätte aber vor allem dank Regisseur Alfred Vohrer das Potential gehabt, in dieser Richtung weiterzumachen, wenn Wendlandt nicht das Handtuch geworfen hätte.

Zu Martin Böttcher kann ich Deine Meinung aber nicht teilen.
Mir gefällt er - und damit meine ich nicht die schwelgerischen Geigen-Themen, sondern, um ein paar Beispiele zu nennen:
- Ölbrand in 'Winnetou II' - großartig, die Musik dominiert die gesamte Sequenz! In der englischen Fassung bei der Tonmischung komplett in den Hintergrund verbannt und Szene damit ruiniert.
- Planwagenüberfall 'Winnetou I' mit durchgängiger melodischer 'Action-Musik' statt dem zusammenhangslosen Geplärre aus US-Filmen.
. Brennende Flöße auf dem Fluss in 'Winnetou III'.
...und etliche ähnliche Sequenzen. 'Der Schut' ist noch ein gutes Beispiel, da gibt's fast nur solche 'Blech-Musik'. Kampf mit den Aladschy-Brüdern etc.

Mit Peter Thomas bin ich dagegen nie richtig warm geworden, seine Musik ist mir oft schlichtweg zu stressig. Beim 'Firehand' ist das ja noch ganz hörenswert, beim 'Letzten Mohikaner' ruiniert die nervtötende Musik leider den gesamten Film. 'Erinnerungen an die Zukunft' gefällt mir dagegen ausnehmend gut.

Ich hoffe, der Initiator dieses Threads ist nicht völlig verzweifelt angesichts unseres weit vom Thema abdriftenden Geschreibsels!

Gruß, kogenta

fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

18.09.2014 23:57
#50 RE: Faszination an älteren Synchronisationen Zitat · antworten

Ich kann durchaus nachvollziehen, daß jemand die Musik von Peter Thomas als (mitunter) "stressig" empfindet, auch wenn er oft ungewöhnlich melodisch und romantisch sein kann. Ich finde die Musik von "Der letzte Mohikaner" ausgesprochen gelungen, der kriegerische Klang treibt die etwas zähe Handlung vorwärts.

Übrigens möchte ich noch hinzufügen, daß mich die Auftritte von Heinz Erhardt in zwei Karl May-Filmen ausgesprochen irritiert und gestört haben, auch wenn es keine richtige Spielfläche für seinen Humor gab. Er war auch in "Axel Munthe" irgendwie wie ein Fremdkörper.

Exkurs Ende.

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