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Dieses Thema hat 25 Antworten
und wurde 4.106 mal aufgerufen
 Synchronschaffende
Seiten 1 | 2
Flammentanz



Beiträge: 73

06.09.2014 02:10
Heinz Drache Zitat · antworten

“Einem Schauspieler” von Anton Wildgans

Eh' wir das Leben kennen, kennen wir Euch,
Des Lebens Former, Deuter und Spieler.
Und wähnen, es sei auch für uns so reich,
Und müssen erst bange suchen und vieler
Weisheit bedarf es, eh' wir durch Leiden begreifen
Im Schein der Kunst des Seins Vollendung und Reifen.

“Alles gaben die Götter ...” von Johann Wolfgang von Goethe

Alles gaben die Götter, die unendlichen,
Ihren Lieblingen ganz,
Alle Freuden, die unendlichen,
Alle Schmerzen, die unendlichen, ganz.












Biographische Notizen

"Das was ich gerade gemacht habe, war das wichtigste."

"Ich war Soldat, ich hatte Abitur gemacht, war achtzehn Jahre alt, kam nach Nürnberg, und dort gab es eine Eignungsprüfung für den Bühnenberuf, die ja jeder Schauspieler. der auf eine Schauspielschule gehen will, einmal machen muß. Und auf dieser Eignungsprüfung habe ich vorgesprochen. Ich hatte schon ein Repertoire wie ein fertiger Schauspieler, weil es mir Spaß gemacht hat, auswendig zu lernen. Ich konnte den “Faust” glaube ich mit vierzehn Jahren fast auswendig.
Und unten im Zuschauerraum saß unter anderem der Generalintendant dieses Theaters in Nürnberg, und er sagte zu mir: “Hätten Sie Lust, bei mir im ‘Weihnachtsmärchen’ den Prinzen zu spielen?” Am nächsten Tag war ich frei für die Proben. Und dann wurde das ein Erfolg.
Und dann machte ich gleich eine Riesenrolle - den Philotas von Lessing. Dann wurde ich ganz freigestellt vom Militär... und spielte jetzt eine große Rolle nach der anderen."

"Im Deutschen Theater habe ich ein Stück gespielt, das hieß ‘Der Schatten’. Das war eine Inszenierung von Gustaf Gründgens. Und über diese Aufführung, über diese Inszenierung hat er später einmal gesagt, er hat einmal in seinem Leben die Sterne berührt. Das war diese Aufführung, da spielte ich die Hauptrolle..."

(Heinz Drache in einem Fernsehinterview am 09.02.1998 anläßlich seines fünfundsiebzigsten Geburtstages)


Heinz Drache wird als Sohn eines Kaufmanns am 09.02.1923 in Essen geboren. Er besucht das Alfred-Krupp-Gymnasium, wo er auch sein Abitur ablegt.
Bereits als Schüler begeistert sich Heinz Drache für die Bretter, die die Welt bedeuten und ist als Statist am Essener Theater tätig.

Während seiner Zeit als Wehrmachtssoldat im Zweiten Weltkrieg ist Heinz Drache in Nürnberg stationiert.
Der Intendant des dortigen Schauspielhauses engagiert ihn nach einem Vorsprechen und kann ihn so dem Militärdienst weitestgehend entziehen.

Nach dem Krieg geht Heinz Drache an das Deutsche Theater in Berlin unter die Intendanz von Wolfgang Langhoff.
Während er in Schillers “Die Räuber” im Berliner Künstlerklub “Die Möwe” spielt, wird Heinz Drache von dem berühmten Schauspieler und Regisseur Gustaf Gründgens entdeckt.
Seine Rolle in Gründgens’ Inszenierung des Stücks “Der Schatten” von Jewgeni Schwarz wird für Heinz Drache sein endgültiger Durchbruch als Theaterschauspieler. Die Aufführung in den Kammerspielen des Deutschen Theaters wird 1947 als sensationeller Erfolg gefeiert.

Heinz Drache wird von Gründgens ans Düsseldorfer Schauspielhaus engagiert, wo er bis 1954 bleibt. Hier spielt er zum Beispiel den James Tyrone in “Eines langen Tages Reise in die Nacht” von Eugene O’Neill an der Seite so renommierter Darsteller wie Paul Hartmann und Elisabeth Bergner.
Kapazitäten wie Marianne Hoppe, Elisabeth Flickenschildt und Gustav Knuth zählen ebenfalls zu seinen Kollegen.

Nach seinem Engagement in Düsseldorf entscheidet sich, Heinz Drache freiberuflich tätig zu sein. Er tritt unter anderem am Berliner Schillertheater, an der Kleinen Komödie in München, Komödie in Berlin, Bühnen der Stadt Bonn und am Fritz-Remond-Theater in Frankfurt am Main auf.

Schon früh wird der Film auf den attraktiven und talentierten Darsteller aufmerksam.
Doch seine Rolle als jugendlicher Liebhaber Bob in der Familienkomödie “Einmal kehr ich wieder” (“Dalmatinische Hochzeit”) aus dem Jahre 1953 an der Seite von Paul Dahlke, Adelheid Seeck und Elma Karlowa erweist als nicht sonderlich erfolgreich.
In der Folgezeit besetzt man Heinz Drache in einigen seichten Unterhaltungsfilmen, ehe er mit seiner Rolle als zynischer Spätheimkehrer Herbert von Pohl in Helmut Käutners moderner “Hamlet”-Adaption “Der Rest ist Schweigen” (1959) endlich eine anspruchsvolle Rolle übertragen bekommt, in der er zu überzeugen weiß.

Auch das damals noch junge Medium Fernsehen engagiert Heinz Drache.
Bereits 1954 (und ebenfalls in der Neufassung von 1959) spielt er in der erfolgreichen Unterhaltungsserie “Im sechsten Stock” (Regie: John Olden) über die Bewohner eines Mietshauses im Pariser Künstlerviertel Montmartre an der Seite so bekannter Kolleginnen wie Inge Meysel und Heli Finkenzeller den Studenten Pierre Jonval.

Das Fernsehspiel “Bei Anruf Mord” (1959) in der Regie von Rainer Wolffhardt gibt Heinz Drache als ehemaliger Tennischampion Tony Wendice, der seine Frau umbringen lassen will, Gelegenheit zu einer frühen meisterhaften Kostprobe seiner Kunst.

Berühmt jedoch macht Heinz Drache 1962 seine grandiose Darstellung als Kriminalinspektor Harry Yates in “Das Halstuch” von Francis Durbridge unter der Regie von Hans Quest.
Obwohl die Identität des Mörders bereits vor der letzten Folge preisgegeben wurde, waren die Zuschauer gebannt vom Geschehen, und das öffentliche Leben kam während der Ausstrahlung des Sechsteilers mehr oder weniger zum Erliegen.

Die neu gewonnene Popularität bringt Heinz Drache das Engagement als Inspektor Richard Martin in “Die Tür mit den sieben Schlössern” unter der Regie von Alfred Vohrer.
Heinz Drache spielt damit erstmals in einem regulären Edgar-Wallace-Film der Rialto Filmproduktion, nachdem er bereits 1960 in “Der Rächer”, einem Konkurrenzstreifen der Kurt-Ulrich-Produktion, den Detektiv Michael Brixan verkörpert hatte.

Von nun an spielt Heinz Drache in sieben weiteren Edgar-Wallace-Verfilmungen.
Zwar verkörpert er als Kommissar, Inspektor oder Rechtsanwalt meist den positiven Helden, allerdings in späteren Filmen auch mysteriöse oder zwielichtige Charaktere.
Heinz Drache gibt allen seinen Wallace-Helden lässige Eleganz, dominantes Auftreten, schlagfertigen Witz und Eloquenz.

Neben seinen Rollen in den Wallace-Filmen spielt Heinz Drache auch in anderen Streifen, bleibt dabei dem Genre des Kriminalfilm und Abenteuerfilm jedoch meistens treu.

Eine Ausnahme dürfte der nur in Großbritannien und den USA erschienene Familienfilm “Sandy the Seal” sein, der 1965 unter der Regie von Robert Lynn II entstand, aber erst 1969 im Kino gezeigt wurde. Heinz Drache spielt der Seite von Marianne Koch den Leuchtturmwärter Jan van Heerden, ein liebevoller Familienvater mit zwei Kindern, der eine von Wilderern verletzte Robbe namens Sandy bei sich aufnimmt.

Nach seinem letzten Auftritt in einem Edgar-Wallace-Film (“Der Hund von Blackwood Castle”) kehrt Heinz Drache zu dem Medium zurück, das ihm wohl zeitlebens das liebste ist - das Theater.
Hier hat er vom strahlenden Helden bis zum bösen Intriganten alles gespielt, zum Beispiel den Riccault in Lessings “Minna von Barnhelm”, der Verteidiger Greenwald in “Die Meuterei auf der Caine” von Hermann Wouk oder die Titelrolle in “Moniseur Ornifle” von Jean Anouilh.
Allein in der Curt-Goetz-Komödie “Hokuspokus” steht Heinz Drache in den Siebziger Jahren mehr als siebenhundertmal auf der Bühne.

Nur selten nimmt Heinz Drache Gastrollen in Fernsehserien an, so spielt er 1977 in “Der Alte” in der Episode “Verena und Annabelle” und 1979 in “Derrick” in der Folge “Das dritte Opfer”.

1985 wird Heinz Drache auf ausdrücklichen Wunsch des damaligen Intendanten Lothar Loewe neuer "Tatort"-Kommissar des Senders Freies Berlin.
Sein Kriminalhauptkommissar Hans Georg Bülow - die Rolle muß eigens für Heinz Drache kreiert worden sein, denn ein anderer Darsteller ist dafür undenkbar - ist das Idealbild eines Gentleman.
Dieser Herr kleidet sich mit erlesener Eleganz und bewegt sich auch so. Der “Kavalier alter Schule”, wie ihn seine Freundin Sonja Bach nennt, ist ein Charmeur, ein Gourmet und dennoch ein energischer Ermittler. Wenn er die Szene betritt, dann beherrscht er sie.

Heinz Draches Darstellung als Kriminalhauptkommissar Hans Georg Bülow ist von Anfang an heiß umstritten. Während die eher konservativen Zeitungen Lobeshymnen auf ihn verfassen, verreißen ihn eher liberal orientierte Magazine wie “Der Spiegel” regelmäßig.
Nach diversen Streitigkeiten mit dem Drehbuchautor Herbert Lichtenfeld, die ein intensives Rauschen im Blätterwald der deutschen Zeitungen verursachen, gibt Heinz Drache nach sechs Fällen seinen Ausstand beim “Tatort”.
Sicher ist er der Meinung, dass er sich nach seinen bisherigen Erfolgen nicht mehr alles zumuten lassen muß.

Nach einigen Ausflügen in die Welt der Soap Operas kehrt Heinz Drache nur noch einmal in sein angestammtes Genre - den Kriminalfilm - zurück.
In der Episode “Der Mann des Jahres” der Serie “SOKO 5113" spielt er einen Unternehmer, der durch einen Firmenbankrott nahezu sein ganzes Vermögen verloren hat und nur noch den Schein seines früheren Lebens wahren kann.
In einen mysteriösen Todesfall verwickelt macht er einer jungen Kriminalbeamtin den Hof, weil sie ihn an seine verstorbene Frau erinnert.
Menschlich sehr bewegend zeigt Heinz Drache hier noch einmal sein ganzes Charisma und seine immense Distinguiertheit.

Neben seiner Tätigkeit für das Theater, den Film und das Fernsehen hat Heinz Drache seine unverwechselbar sonore Stimme bei der Synchronisation zahlreichen internationalen Filmstars geliehen.

Heinz Drache ist seit 1957 mit Rosemarie Nordmann verheiratet. Das Paar hat zwei Kinder - Christian und Nicole - und lebt in Berlin. Einer früheren Beziehung mit der Schauspielerin Edith Teichmann entstammt seine Tochter Angelika.

Am 03.04.2002 erliegt Heinz Drache einem Lungenkrebsleiden. Er wird auf dem Friedhof in Berlin-Dahlem bestattet.

Doch wann immer wir heute oder in späteren Zeiten seine Filme und Fernseharbeiten genießen dürfen, wissen wir, das Friedrich Schiller niemals so sehr geirrt hat, wie in dem Moment, als er in seinem “Wallenstein” sagen läßt: “Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze...”

Der Zauber einer Stimme

Neben seiner physischen Attraktivität, dem souveränen Auftreten sowie der Distinguiertheit seiner Erscheinung verdankt Heinz Drache die von ihm ausgehende Faszination in ganz erheblichem Maße seiner Stimme.

Er wurde von der Natur mit einem wundervoll sonoren Bariton beschenkt, mit dem er die kleinsten Nuancen auf vielfältigste Weise ausdrücken kann: von eisigem Zynismus und kühler Ironie bis zu sanftem Wohlklang und betörender Wärme.

Schon die Artikulation eines einzigen Wortes kann Heinz Drache zu einem wahren Meisterwerk gestalten.

Wie James W. Wesby in “Der Hexer” lediglich “Ende!” zu Maurice Messer am Telefon sagt, nachdem er soeben den vermeintlichen Reverend Hopkins erschossen hat. Oder sein “Fallschirm!” als Antwort auf die Frage von Inspektor Higgins, wie er in den Hinterhof gekommen ist.
Allein die Betonung des Wortes “Kellner!” in “Neues vom Hexer” durch James W. Wesby als Ergänzung zu der Bemerkung von Cora Ann Milton, hinter welchen Verkleidungen sie ihren Mann üblicherweise vermutet, macht deutlich, wie sehr Wesby es genießt, die Maskerade von Arthur Milton als asiatischer Kellner durchschaut zu haben und dieses Wissen mit dessen Gattin zu teilen.
Ähnlich verhält es sich in “Der Zinker” mit dem überlegen formulierten “Albern!” von Inspektor Elford als Replik auf seine kesse Verabschiedung durch Mrs. Mulford.
“Entäuscht?” erkundigt sich Richard Martin bei Sybil Lansdown in “Die Tür mit den sieben Schlössern”, nachdem er ihr erklärt hat, er suche angeblich nur aus rein dienstlichen Gründen ihre Nähe. Allein schon mit der Akzentuierung dieses einen Wortes vermittelt er einen hinreißend forschen Charme.

Bereits sein erster Satz in “Der Hexer” ist mit einer unvergleichlich überlegenen Diktion gesprochen. “Suchen Sie einen?” beantwortet James W. Wesby die Frage von Inspektor Higgins, ob er einen Gepäckträger gesehen habe, mit einer Gegenfrage. Obwohl man von dem betreffenden Herrn bis zu diesem Zeitpunkt weder den Namen weiß, geschweige denn seine Absichten kennt, macht allein schon diese Szene deutlich, mit welch einer überaus selbstbewußten Persönlichkeit man es hier zu tun hat.
Wie er gegenüber Inspektor Higgins Sätze wie “Das ganze ist eine Sache der Vorstellungskraft ... Phantasie ... Sie jagen den Hexer, nicht wahr?” formuliert, ist von einer solchen Hintergründigkeit, dass man sich sofort sicher ist, wenn nicht den “Hexer” höchstpersönlich, so doch alles andere als einen vermeintlichen Kriminalschriftsteller vor sich zu haben.
Dass James W. Wesby mitunter seine Worte wiederholt (“Sagen Sie das nicht, Inspektor! Sagen Sie das nicht!” und “Ich fürchte, Inspektor! Ich fürchte!”) verleiht ihnen noch mehr Gewicht.
Ehe sich der Herr aus Sydney der Behelligung durch Inspektor Higgins mit einer Waffe in der Hand durch die Flucht entzieht, bewahrt er unerschütterliche Contenance und ebenso bleibt sein Tonfall unverändert verbindlich und von eindringlicher Gelassenheit.
“Sind Sie dessen so sicher, Inspektor?” erkundigt sich James W. Wesby leise, aber überaus souverän auf die Bemerkung von Inspektor Higgins, es handele sich bei ihm um den “Hexer”. Dass James W. Wesby diesen Satz im Angesicht des Revolvers von Inspektor Higgins formuliert, signalisiert seine Dominanz nicht nur durch sein Auftreten, sondern auch durch seine ruhige und zugleich überaus bestimmte Artikulation.

Die Dialoge zwischen James W. Wesby und Margie Fielding in “Neues vom Hexer” werden von beiden so geführt, dass offen zutage tritt, wie sehr sie einander in Intelligenz und Esprit ebenbürtig sind und dass die gegenseitige Anziehungskraft zwischen ihnen unübersehbar ist.

Man lausche auch seiner von sanftem Sarkasmus durchtränkten Stimme, als James W. Wesby genau weiß, dass er nicht den Hausarzt Dr. Mills vor sich hat sondern den “Hexer” höchstpersönlich in einer von dessen Masken.
Dass James W. Wesby auch zu sanften Tönen fähig ist, beweist er, als er Lady Aston, die sich zuvor gegen die rüde Behandlung durch Sir John verwahrt hat, in gedämpftem Timbre bittet, das zu tun, was man ihr sagt.

In “Der Zinker” herrscht Bill Elford einen Konstabler an, weil dieser es wagt, ihn zu belästigen, obwohl er keine Zeit hat. Ebenso lautstark macht er den Boxtrainer Champ auf seine Anwesenheit aufmerksam.
Der in Gewahrsam befindlichen Gangsterbande des “Lords” signalisiert er seine Überlegenheit mit seinen hart und trocken formulierten, abschätzigen Bemerkungen (“Das Ding ist ja wohl gelaufen ... Pech gehabt!”, “So, Jungs, nun schießt mal los! Erzählt dem Onkel Elford mal eine hübsche Geschichte!”, “Sitzen werdet ihr - und nicht zu knapp!”, “Was ihr wolltet, interessiert keinen Menschen!”)
Mit seiner lakonischen Reaktion auf die Beschwerden von Sir Geoffrey Fielding macht er deutlich, dass er sich von angeblichen Respektspersonen nicht im mindesten beeindrucken läßt.
Gegenüber Mrs. Mulford wiederum senkt er seine Stimme in einen Kammerton. Bereits als er festgestellt hat, dass für eine dritte Person gedeckt wurde, erkundigt er sich sehr behutsam: “Erwarten Sie noch jemanden, Mrs. Mulford?” Als sie den tragischen Tod ihres Gatten erwähnt, entschuldigt er sich vor seiner nächsten Frage, weil er im Gespräch mit der reizenden alten Dame keine alten Wunden aufreißen möchte.

Der Tonfall von Frank Tanner in “Das indische Tuch” ist gewöhnlich von kühl überlegener Ironie, um zu verdeutlichen, dass der Rechtsanwalt über den Dingen steht, mit denen er es zu tun bekommt.
“Erkälten Sie sich nicht!” äußert er lässig, nachdem ihn Mrs. Tilling im leichten Negligé empfangen hat. Mit der Bemerkung “Das wäre gar nicht komisch!” reagiert er darauf, dass man auch ihn ermorden könnte. “Wie schön! Dann hab’ ich ja noch ein bißchen Zeit!” entgegnet er auf die Drohung von Peter Ross, ihn als letzten umzubringen. “Nun übernehmen Sie sich mal nicht!” meint er zu Butler Bonwit, als dieser ihm versichert, für Isla Harris’ Sicherheit mit seiner Ehre zu bürgen.
Da auch ein Rechtsanwalt, der mit einer Mordserie konfrontiert wird, nur Nerven hat, die gelegentlich blank liegen, gibt er seiner Verärgerung mitunter nach, indem er zum Beispiel “Raus, Bonwit!” brüllt, als die gute Seele Tee servieren möchte oder er schreit den wild um sich schießenden Amerikaner an: “Sind Sie verrückt, Tilling?”
Als er glaubt, in Lady Lebanon die Schuldige überführt zu haben, spricht er mit der Dame in überaus sanftem Tonfall: ”Mutterliebe ist etwas sehr schönes, Mylady, aber was Sie getan haben, hat nichts mehr damit zu tun ...”

Die elegante Ruchlosigkeit von Tony Wendice in “Bei Anruf ... Mord” manifestiert sich nicht nur durch sein distinguiertes Auftreten und sein verbrecherisches Handeln sondern auch im Gespräch mit dem vermeintlichen Captain Lesgate in jedem seiner mit größtem Genuss formulierten Worte - souverän, zynisch und verdorben, aber zugleich von unwiderstehlicher Faszination.
Doch möglicherweise ist selbst in Tony Wendice noch ein Funken Sehnsucht nach aufrichtigen und tief empfundenen Gefühlen. Als er den liebevollen Umgang zwischen seiner Frau Margot und ihrem Liebhaber Mark Halliday beschreibt, senkt er seine zuvor selbstsicher auftrumpfende Stimme zu einem weichen Timbre herab. Parallel dazu läßt er auch den Kopf sinken und blickt versonnen ins Leere. Bei der Schilderung seiner Reaktion auf den Seitensprung findet er erst ganz allmählich wieder zu seinem gewohnten Sarkasmus zurück.
Bei all seiner Gefühlskälte ist auch Tony Wendice nicht gegen Anflüge von Entsetzen gefeit. Als er annehmen muss, dass sein meisterhafter Plan, mit dem er sich seiner Gattin entledigen wollte, gescheitert ist, spiegelt sich die Panik nichtnur in seinen Augen wider sondern auch in seiner Stimme.
Der sonst so brillant formulierende Mann ist zunächst lediglich dazu imstande, sich unendlich mühsam einige Worte abzuringen - immer wieder von Pausen unterbrochen, bis er sich zu ganzen Sätzen überwinden kann. Während Tony Wendice seine Frau ermahnt, sich zusammen zu nehmen, ringt er selbst um Fassung. Sein unstet flackernder Blick geht einher mit dem Bemühen, seine Sprachlosigkeit zu überwinden.
Als er zu Margot nach Hause zurückkehrt, steht Tony Wendice ebenso vor einem psychischen Zusammenbruch wie seine Gattin - wenn auch aus völlig anderen Gründen. Fast scheint es, dass er sich in ihrer Umarmung ebenso festhalten muss wie sie in seiner. Die Fassungslosigkeit, mit der er sich über das Ende von Lesgate äußert sowie sein Unvermögen, den an seine Frau gerichteten Satz zu Ende sprechen zu können, sind eindeutige Indizien dafür.
Erst die Gefahr, dass sein perfides Handeln durchschaut werden könnte, läßt Tony Wendice sich langsam wieder auf sich selbst besinnen. Mit stetig wachsender Energie formuliert er seine Sätze und signalisiert, dass dieser Mann seinen Plan, seine Frau loszuwerden, lediglich modifizieren jedoch nicht aufgeben wird.

Maßvoll und kultiviert artikuliert sich Kriminalhauptkommissar Hans Georg Bülow im “Tatort” und hat damit - neben seinem formvollendeten Auftreten - den Gentleman auch in verbaler Hinsicht zur Perfektion gebracht.
Doch selbst dieses Idealbild an Vornehmheit vermag durchaus auch andere Töne anzuschlagen.
Als sein betont prosaischer Mitarbeiter Janke, der die Feinheiten der deutschen Sprache für eher nebensächlich erachtet, frotzelt Hans Georg Bülow ihn in “Alles Theater” auf sanfte Weise, indem er ihm erklärt: “Was Sie meinen, Kollege Janke, das weiß ich natürlich. Nur gesagt haben sie es nicht ...”
Als Hans Georg Bülow in “Keine Tricks, Herr Bülow” seinem Freund Brinkmann, dem Leiter des SEK, seine Dienstwaffe sowie sein Sakko anvertraut, um mit einer Bande äußerst gefährlicher Bankräuber zu verhandeln, fragt Brinkmann seinen Kollegen: “Und was ist wenn die auf einmal losballern?” Hoheitsvoll verkündet Hans Georg Bülow: “Dann kannst du meine Jacke behalten!”
Kriminalhauptkommissar Bülow und seine Kollegen haben einen Erpresser dingfest gemacht, wobei sie es tunlichst vermieden haben - im Gegensatz zu den übrigen Beamten - in die Kanalisation von Berlin hinabzusteigen. Als sich Janke bei seinem Chef erkundigt: “Warten wir auf die anderen?” erwidert Bülow in einer Mischung aus Grandezza und Schnoddrigkeit: “Wo denken Sie hin! Wenn die mit dem Duschen fertig sind und den Gestank aus ihren Klamotten haben, ist es Zeit zum Frühstück!”

So bleibt als Fazit festzuhalten, dass Heinz Drache ein Meister des gesprochenen Wortes ist, der dabei einen ganz besonderen Zauber zur Entfaltung bringt.

Frankie DO


Beiträge: 1.352

06.09.2014 08:42
#2 RE: Heinz Drache Zitat · antworten

Seine Stimme verbinde ich seit Kindheitstagen mit Charlton Heston als Jason Colby in "Der Denver-Clan" und "Die Colbys".

fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

06.09.2014 11:07
#3 RE: Heinz Drache Zitat · antworten

Hallo Flammentanz,

ein hübscher Thread und sehr gut gestaltet. Ich hatte auch einen zu Drache vorbereitet, wenn auch ganz anders aufgebaut - ich war nur noch nicht ganz zufrieden mit ein paar Details. So brauche ich mich nicht mehr damit herumplagen.

Heinz Drache war für mich immer etwas Besonderes, als Schauspieler vor der Kamera und hinterm Mikrofon. Ein "Unbestechlicher", der immer unbeirrt das machte, was er wollte.

Bei vielen Kolleginnen und Kollegen war er nicht unbedingt sehr beliebt, er konnte wohl sehr zynisch und arrogant sein, aus welchen Gründen auch immer.

Mir fallen zu ihm immer zwei kleine Anekdoten ein. Einmal, was ich ja schon andernorts mal schrieb, soll er auf die Frage, warum er nicht immer Richard Widmark synchronisiere geantwortet haben, dieser Herr Widmark müsse eben mehr Filme nach seinem (Draches) Geschmack machen. Auch ist verwunderlich, daß er nie einen Wallace-Film oder eine andere Produktion mit Harald Reinl machte. Das Gerücht will es, daß er für eine Rolle in "U 47-Kapitänleutnant Prien" vorgesehen war. Drache, der damals noch kein Star war, soll sich ziemlich lautstark Luft gemacht haben, daß dies Verherrlichung des Krieges sei und er diese propagandistische Scheiße nicht mache. Das wiederum soll Reinl so erzürnt haben, daß er es Drache stets übelnahm. Vor allem weil dieser zu dem Zeitpunkt kein Star war.

In Zusammenhang mit der NS-Zeit fallen mir zwei weitere Rollen ein: in Helmut Käutners wunderbarer Hamlet-Version "Der Rest ist Schweigen" spielt Drache einen sarkastischen Ex-Nazi, der aber dazu steht und gleich von Vornherein so auf die Leute zugeht. Besonders aber ist da der Staatsanwalt im bemerkenswerten Drama "Zeugin aus der Hölle". Darin soll eine ehemalige KZ-Insassin gegen einen angesehenen Bürger aussagen, der einst Kommandant war. Drache spielt hier extrem intensiv, voll Wut und Grausen über die Heuchelei der Deutschen. In einem zeitgenössischen Intervie sagte er: "An solche Sachen muß man schon glauben, sonst kann man das nicht spielen."

Womit die Linie weitergeht zu seiner Rollenauswahl auch im Synchronstudio: wenn er an etwas glaubte, oder profaner ausgedrückt: ihm eine Rolle gefiel, dann nahm er sie. Ungeachtet davon ob der Film bedeutend war, der Schauspieler berühmt oder um was es ging. Letzteres mit Abstrichen, denn in bestimmten Machwerken hätte man ihn wohl nie gehört. Bzw war er trotz sämtlicher Voraussetzungen kaum in Kriegsfilmen zu hören oder gar zu sehen. Nahezu jede Rolle, die er synchronisierte, hätte er auch selbst spielen können. Ein einfaches, simples Auswahlverfahren. Er wußte offenbar, was ihm lag und was er wollte. Und hier war er so sorgfältig, daß er niemals zum Selbstdarsteller im Synchronstudio wurde (wie im besagten Thread schon erwähnt).

Für Patrick McGoohan war er superb, das war perfekt. Wenn dieser tatsächlich James Bond geworden wäre, hätte dieser wohl wie Drache gesprochen. Und hätte ihm der zweite, dritte oder x-te Film der Reihe nicht gefallen, hätte er ohne Rücksicht auf die Hörgewohnheiten des Publikums das einfach nicht gemacht.

Ich mochte ihn sehr für Richard Widmark. Auch Borchert war gut und Marquis absolut untadelig, aber Drache paßte einfach sehr gut. Hier ist mein Favorit aber "Die heilige Johanna", weil diese Rolle aus der Reihe tanzt und sie naive, weinerliche und infantile Züge trägt. Und dennoch ist die notwendige majestätische Würde da. Ob Drache den Dauphin in Shaws Stück je selbst spielte?

Für Christopher Lee war er kongenial als Lordrichter Jeffreys in Jess Francos gerade noch ansehbarem "Der Hexentöter von Blackmoor". Sean Connery gab er in "Marnie" die Stimme. So sehr ich auf GGH fixiert bin, hier paßte das dennoch und zwar perfekt. Das ist eine meiner liebsten Synchronrollen.

Paul Scofield in "Scorpio", Gene Kelly in "Wer den Wind sät" und Hurd Hatfield als "Dorian Gray" sind weitere Favoriten von mir. Letzterer war wohl Draches Synchrondebut oder zumindest eine ganz frühe Rolle. Dennoch ist er so souverän, als hätte er niemals etwas anderes gemacht.

Herbert Lom, Charlton Heston, William Holden, Dennis Hopper - das sind die Vier, bei denen ich mit ihm hadere. Die Rollen entsprachen ihm absolut, aber er paßte irgendwie nicht so ganz zu den Schauspielern. Für mein Empfinden jedenfalls.

Vor der Kamera hatte er auch immer die scheinbar selbe Art. Egal ob er dabei berechnende Mörder spielte oder Kommissare. Bei seinen Inspektoren hätte man sich nie gewundert, wären sie Mörder gewesen. Übrigens finde ich es lustig, daß er im "Hund von Blackwood Castle" den Rollennamen Connery trug.

Für's Erste mal Ende der Durchsage und danke für den schönen Thread.

Stefan der DEFA-Fan



Beiträge: 15.307

06.09.2014 11:22
#4 RE: Heinz Drache Zitat · antworten

Zitat von fortinbras im Beitrag #3
Das Gerücht will es, daß er für eine Rolle in "U 47-Kapitänleutnant Prien" vorgesehen war. Drache, der damals noch kein Star war, soll sich ziemlich lautstark Luft gemacht haben, daß dies Verherrlichung des Krieges sei und er diese propagandistische Scheiße nicht mache.

Nachdem ich in den letzten Jahre viele ziemlich unschöne Urteile von Zeitgenossen über Drache gelesen habe und das meine Bewunderung für sein Schauspiel kräftig angeknackst hat, schafft diese Geschichte wieder ein Gegengewicht.

Gruß
Stefan

Flammentanz



Beiträge: 73

06.09.2014 13:54
#5 RE: Heinz Drache Zitat · antworten

@ Fortinbras - Vielen Dank für das freundliche Feedback.

Übrigens lautet der volle Name, des von Heinz Drache in "Der Hund von Blackwood Castle" dargestellten Charakters Humphrey Connery - also nicht nur ein Querverweis auf Sean Connery sondern auch auf Humphrey Bogart.

Ich muß gestehen, dass ich Heinz Drache mit 15 Jahren (sehr lange her ...) zum ersten Mal in einem Film (es war "Der Hexer") gesehen habe, und seitdem verehre ich ihn über alle Maßen.

Dass Heinz Drache privat als "schwierig" verschrien ist, betrachte ich mit gemischten Gefühlen. Mitunter gilt mancher nur als "arrogant", weil er nicht alles mitmacht und sich nicht darum bemüht, "Everybody's Darling" zu sein.

Seine Synchronisationen, soweit ich sie bisher genießen durfte, haben mir alle ausgezeichnet gefallen.

Für Trevor Howard als Major Calloway in "Der dritte Mann" habe ich Heinz Drache zum ersten Mal ganz bewußt als Synchronsprecher wahrgenommen. Das souveräne Auftreten des von ihm dargestellten Charakters, seine Hartnäckigkeit, Coolness und Schlagfertigkeit - all das hätte Heinz Drache auch selbst in dieser Rolle spielen können. Hier vermittelt er es durch seine Stimme.

Für Patrick McGoohan (der privat als ähnlich "schwierig" galt wie Heinz Drache) finde ich ihn einfach kongenial. Genau die richtige Mischaung an Härte und gelegentlicher Sanftheit, an Selbstgefälligkeit und verbindlichen Umgangsformen.
Wunderbar wie er als Jazzmusiker Johnnie Cousin in "Die lange Nacht" um die Frau seines Herzens unter dem Vorwand künstlerischer Zusammenarbeit wirbt und seine Verletzlichkeit ob ihrer Zurückweisung mit scheinbarer Lässigkeit kaschiert. Mit welchem Genuss der moderne Jago seine Intrigen spinnt und mit welch abgrundtiefer Verachtung er äußert, er wolle keine Liebe, wobei es gerade das ist, wonach er sich am meisten sehnt.

"Marnie" ist für mich großartig, weil Heinz Drache hier die abgrundtiefe Verdorbenheit von Mark Rutland (der im Grunde ebenso psychisch krank ist wie die von ihm zur Ehe und zum Sex gezwungene Marnie) hinter der verbindlichen Fassade deutlich macht.

Eisig, arrogant und doch von würdevoller Souveränität und am Ende sogar voller Qual über sein Schicksal ("Das dürft ihr nicht!") ist er für Christopher Lee in "Der Hexentöter von Blackmoor".

Brillant ist Heinz Drache auch für Gene Kelly, der als E. K. Hornbeck in "Wer den Wind sät" nur "in den Klang seiner eigenen Worte" verliebt ist und der offenbar "keine zwei Worte aussprechen kann, ohne dabei Gift zu verspritzen" und dessen Zynismus doch eigentlich nur sein einsames, inhaltsleeres Leben ohne jegliche Ideale kaschieren soll, wie er am Ende - beschämt von Henry Drummonds Zurechtweisung - erkennen muß.

Da der Film "Zeugin aus der Hölle" erwähnt wurde, hier eine Besprechung dazu von mir aus einem anderen Forum:



Heinz Drache als Staatsanwalt Dr. Hoffmann in “Zeugin aus der Hölle”

“Zeugin aus der Hölle”

Bundesrepublik Deutschland / Jugoslawien 1965 /1967

Regie: Zivorad Mitrovic

Drehbuch: Frida Filippovic, Michael Mansfeld

Kamera: Milorad Markovic

Musik: Vladimir Klaus-Raijteric

Darsteller: Irene Papas (Lea Clement), Heinz Drache (Dr. Hoffmann), Daniel Gèlin (Bora Petrovic), Werner Peters (Rudolf von Walden), Hans Zesch-Ballot (Dr. Berger), Alice Treff (Frau von Keller), Jean Claudio (Carlos Bianchi)


“Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
wir trinken und trinken
wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne er pfeift seine Rüden herbei
er pfeift seine Juden hervor läßt schaufeln ein Grab in der Erde
er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
Dein aschenes Haar Sulamith wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng

Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr andern singet und spielt
er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine Augen sind blau
stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr andern spielt weiter zum Tanz auf

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen
Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland
er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft
dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland
wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken
der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau
er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft
er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland

dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith.”

(Paul Celan: "Todesfuge")

“Herr Petrovic, wir müssen einen Verbrecher, einen Mörder zur Strecke bringen. Einen Mann, der Tausende auf dem Gewissen hat.”
(Dr. Hoffmann)

“Herr Petrovic, bitte verstehen Sie mich. Ich brauche Ihre Hilfe und ich könnte mir vorstellen, Lea Clement braucht sie auch.”
(Dr. Hoffmann)

“Kannst du das denn nicht verstehen? Ich dachte, ich könnte zur Ruhe kommen. Und dann dachte ich, jetzt habe ich es geschafft. Und jetzt verlangst du, dass ich all das Furchtbare noch einmal erleben muß.”
(Lea Clement)

“Du sollst nicht nur für dich allein sprechen, sondern auch für Millionen andere Menschen, die nicht mehr sprechen können.”
(Bora Petrovic)

“Herrscht denn immer noch die selbe Schweinerei bei euch? Wollt ihr Deutschen denn niemals vernünftig werden? Gibt es denn hier immer noch Nazi-Bestien?”
(Bora Petrovic)

“Was glauben Sie denn, wie mir zumute ist, wenn ich diese Schmierereien lese und von diesen widerlichen Telefongesprächen höre? Sie sind nur zornig, ich schäme mich. Das ist schlimmer, glauben Sie mir.”
(Dr. Hoffmann)

“So einen aufdringlichen Besuch habe ich noch nie gehabt. Sogar die Amis waren 45 höflicher.”
(Frau Ritter)
“Frau Ritter, ich glaube, zu Ihnen waren sie sogar zu höflich!”
(Bora Petrovic)

“Wer sind Sie eigentlich? Die anderen Herren haben sich wenigstens vorgestellt.”
(Frau Ritter)
“Entschuldigen Sie! Mein Name ist Hoffmann. Ich bin Staatsanwalt.”
(Dr. Hoffmann)
“Gott sei Dank habe ich mit Gerichten noch nie etwas zu tun gehabt.”
(Frau Ritter)
“Wie schön für Sie!”
(Dr. Hoffmann)

“Ihr habt alles in mir aufgewühlt. Euretwegen träume ich wieder, sehe das Lager, höre die Hunde bellen, die Schritte der Kommandos, die Schreie. ... Darum bitte ich euch, schickt mich nicht wieder in die Hölle! Ich kann all das Entsetzliche nicht noch einmal ertragen!”
(Lea Clement)

“Warum versuchen Sie mit allen Mitteln, einem Massenmörder zu helfen?!”
(Dr. Hoffmann)

“Sie sehen reizend aus, wenn Sie lachen!”
(Dr. Hoffmann)

“Ich muß Ihnen etwas sagen, Herr Doktor Hoffmann.”
(Lea Clement)
“Bitte vergessen Sie heute abend den Doktor.”
(Dr. Hoffmann)
“Gern, wir werden uns bald genug wieder streiten. Wissen Sie, ich beneide Sie um Ihren Optimismus. Wenn Sie einmal ein Ziel vor Augen haben, dann kann Sie nichts zurückhalten.”
(Lea Clement)

“Da - Ihr Schutzengel.”
(Dr. Hoffmann)
“Wird er denn jetzt immer hinter mir herlaufen?”
(Lea Clement)
“Nein, nein. Wenn er müde wird, löst ihn der nächste ab. Wir haben einen ganzen Vorrat davon in Reserve.”
(Dr. Hoffmann)

“Sie möchten lieber ein reines, unschuldiges Opfer haben. Ein Engel, der anklagt. Aber leider bin ich nicht so ein Engel. Damals war ich ein Mensch, eine junge Frau, die bereit war alles zu ertragen, um am Leben zu bleiben.”
(Lea Clement)

“Glauben Sie, einen Verbrecher verurteilen zu dürfen selbst um den Preis des Lebens eines Zeugen?”
(Bora Petrovic)

“Sie wissen, wie ich mich bemüht habe, um diesen Berger aufzuspüren, um ihn hinter Schloß und Riegel zu bringen, wie er sich in unserer Gesellschaft versteckt hat, wie er behütet wurde Tag und Nacht. Und Sie wissen auch, wie man ihm finanziell geholfen hat.”
(Dr. Hoffmann)
“Ja, ich kann es mir vorstellen.”
(Bora Petrovic)
“Und jetzt verweigert die Hauptzeugin die Mitarbeit. Und dieser kaltblütige Mörder wird mit einer lächerlichen Strafe davonkommen. Was soll ich denn tun? Ich weiß es nicht mehr.”
(Dr. Hoffmann)

(Der folgende Beitrag enthält Spoiler.)

Der Zeitungsredakteur Bora Petrovic wird in Belgrad von Dr. Hoffmann aufgesucht, der als Staatsanwalt für die Zentralstelle zur Verfolgung von Kriegsverbrechen in Ludwigsburg tätig ist.
Dr. Hoffmann versucht seit einem halben Jahr zu beweisen, dass ein gewisser Dr. Berger ein Nazikriegsverbrecher ist, der als SS-Arzt im Konzentrationslager Struthoff für den qualvollen Tod Tausender Häftlinge verantwortlich war. Der inzwischen zum wissenschaftlichen Direktor einer großen pharmazeutischen Fabrik avancierte Berger leugnet jegliche Schuld.
Petrovic hat nach dem Kriegsende ein Buch über den Leidensweg eines jüdischen Mädchens namens Lea Weiss in einem Konzentrationslager veröffentlich, das bezeichnenderweise erst kürzlich in der Bundesrepublik erscheinen konnte. In diesem Buch wird des öfteren der Name Dr. Berger erwähnt.
Lea Weiss, die mittlerweile durch ihre Ehe mit einem in Indochina gefallenen französichen Kriegsberichterstatter den Namen Clement trägt, ist die einzige noch lebende Zeugin, die gegen Dr. Berger aussagen kann. Dr. Hoffmann hat sie inzwischen ausfindig gemacht und bittet Bora Petrovic mit ihm nach Deutschland zu kommen, um sie zu einer Aussage gegen Berger zu bewegen.

Lea hat sich nach wechselnden Hotelaufenthalten in die Villa einer gewissen Frau Ritter geflüchtet, ohne zu ahnen, dass es sich bei dieser um die Schwester eines ehemaligen hohen SS-Offiziers handelt.

Bora Petrovic kann Lea nach anfänglichem Widerstreben zu einem Gespräch überreden. Die schöne Frau, in tiefster Seele verwundet und traumatisiert durch ihre furchtbaren Erlebnisse im Konzentrationslager, erklärt ihm zunächst, ihre früheren Aussagen in ihrem gemeinsamen Buch seien lediglich ihrer Phantasie entsprungen. Sie weigert sich, als Hauptbelastungszeugin gegen Dr. Berger vor Gericht aufzutreten und lehnt jeden weiteren Kontakt zu Petrovic ab.
Ihr zwielichtiger Rechtsanwalt Rudolf von Walden bestärkt sie darin, indem er die Methoden von Dr. Hoffmann diffamiert und dubiose Andeutungen über Leas Vergangenheit macht.

Dr. Hoffman hat inzwischen ermittelt, dass Lea Clement nahezu täglich durch anonyme Briefe und Telefonate auf infamste Weise gedemütigt und bedroht wurde, um jegliche Aussagen von ihr gegen Dr. Berger zu verhindern.

Nur mühsam gelingt es Dr. Hoffmann, ein Vertrauensverhältnis zu Lea Clement herzustellen, doch nachdem der Staatsanwalt Rudolf von Walden im Beisein von dessen Klientin als Erfüllungsgehilfen ehemaliger Nazigrößen bloßgestellt hat, ist sie überzeugt in Dr. Hoffmann einen Freund gewonnen zu haben, der ihre besten Interessen vertreten wird.

Nachdem Bora Petrovic und Lea Clement sich wieder einander angenähert haben, kann er sie in mehreren behutsam geführten Gesprächen überzeugen, bei Dr. Hoffmann eine Aussage zu machen.
Gepeinigt durch die qualvollen Erinnerungen, erleidet Lea einen Nervenzusammenbruch, ihre Psyche verdüstert sich. Von neuerlichen antisemitischen Drohanrufen zermürbt, scheint es für sie nur noch einen “Ausweg” zu geben ...

In der Saturiertheit der bundesdeutschen Gesellschaft der Fünfziger und Sechziger Jahre gerierten sich Täter und Mitläufer des nationalsozialistischen Regimes als deren angebliche Opfer, während die wahren Opfer häufig totgeschwiegen und als “Phantasten” und “Übertreiber” verleumdet wurden. Massenmorde wurden verharmlost und mit Befehlsnotstand “erklärt”. Ehemalige hochrangige nationalsozialistische Funktionäre bekleideten Regierungsposten und hohe Wehrmachtsoffiziere verfaßten ihre hochdotierten Memoiren.
Wer sich in einem solchen restaurativen Klima als Filmschöpfer ernsthaft mit der Vergangenheit des Nationalsozialismus auseinandersetzte, ging ein erhebliches Risiko ein.
Artur Brauner, der Produzent der Berliner CCC-Filmkunst GmH, der selbst 49 Mitglieder seiner Familie im Holocaust verlor, hatte bereits 1948 mit “Morituri” einen Film produziert, der das Schicksal jüdischer Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus thematisiert. Der Film wurde ein großes finanzielles Verlustgeschäft für Brauner, weil ihn das Publikum ihn als “antideutsch” empfand und “so etwas” nicht sehen wollte.

“Zeugin aus der Hölle”, vom 09.08.1965 bis zum 09.10.1965 gedreht, erlebte seine Premiere allerdings erst am 29.06.1967 in Westberlin.
Der Film schildert ein eindringlichen und ergreifenden Schwarz-Weiß-Bildern den Leidensweg einer jüdischen Frau, die von den schrecklichen Geschehnissen ihrer Vergangenheit zerstört wird, während die Täter und deren Handlanger sich keiner Schuld bewusst sind und sich ihres Lebens in besten finanziellen Verhältnissen erfreuen.

Heinz Drache spielt den Staatsanwalt Dr. Hoffmann als einen Mann, der sich der Gerechtigkeit verschrieben hat und dafür unbeirrt seinen Weg geht. Er ist emotional an seinem Fall höchst beteiligt, auch wenn er nach außen hin stets die Contenance wahrt.
Dr. Hoffmann ist ein überaus befähigter Ermittler, der seinen Befragungsstil genau an sein jeweiliges Gegenüber anpaßt. Frontal und aggressiv geht bei von Rudolf Walden auf sein Ziel los, während er bei Lea Clement und der Hoteltelefonistin Elsa sanft und liebenswürdig agiert.
Oft überkommt ihn tiefe Scham, wenn er mit den ungeheuerlichen, von Deutschen begangenen Verbrechen der Vergangenheit sowie mit neonazistischen Aktivitäten konfrontiert wird. Der sonst so selbstsichere Mann senkt den Kopf und vergräbt das Gesicht in seinen Händen.
Lediglich die Anklagen von Petrovic, die eine Kollektivschuld der Deutschen implizieren, lassen den Staatsanwalt einmal kurzzeitig seine gewohnte Gelassenheit verlieren.
Beim privaten Beisammensein mit Lea und Bora in einem Restaurant und auf der gemeinsamen Rückfahrt ins Hotel entfaltet Dr. Hoffmann seinen ganzen Charme.
Seine Umgangsformen sind untadelig, wenn er auch grundsätzlich sein Gegenüber deutlich spüren läßt, was er von ihm hält.
Als Dr. Hoffmann fürchten muß, dass Lea Clement doch nicht vor Gericht als Zeugin auftreten wird, gestattet sich dieser energische Mann einen Moment der Schwäche. Er der sonst wie selbstverständlich sowohl den eigenen Schreibtisch wie auch einen fremden Tisch als Sitzgelegenheit in Beschlag nimmt, zieht sich in seinen Sessel zurück, als wolle er sich in sich selbst verkriechen.

Die 1926 geborene griechische Schauspielerin Irene Papas, die 1964 als Surmelina in dem Film “Alexis Sorbas” an der Seit von Anthony Quinn Weltruhm errang, verkörpert Lea Clement auf zutiefst bewegende Weise.
Ausdrucksstark und facettenreich wechselt sie zwischen scheinbarer Stärke und tiefer Verzweiflung, zwischen Renitenz und Schwäche, zwischen vermeintlicher Abgeklärtheit und heftigen emotionalen Ausbrüchen und nimmt so den Zuschauer mit in die Abgründe einer tödlich verwundeten menschlichen Seele.

Daniel Gélin (1921 - 2002), ein renommierter französischer Charakterdarsteller, der 1956 mit seiner Rolle als Louis Bernard in Alfred Hitchcocks “Der Mann, der zuviel wußte” zu internationaler Bekanntheit gelangte, verkörpert Leas Vertrauten Bora Petrovic als verständnisvollen, sanften Mann, der trotz all seiner Güte der einst geliebten Frau, die ihm noch immer sehr nahe steht, nicht helfen kann.

Werner Peters liefert das überzeugende Porträt eines selbstgefälligen Widerlings, der für seinen materiellen Wohlstand bereit ist, jegliche menschliche Werte mit Füßen zu treten.

Zum ersten Mal thematisierte mit “Zeugin aus der Hölle” ein deutscher Film nicht nur allgemein die Judenverfolgung, sondern ganz konkret den Genozid, die Menschenversuche an KZ-Häftlingen, die Sterilisierungen sowie die KZ-Bordelle.

“Zeugin der Hölle” erhielt von der zeitgenössischen Kritik einhellig vernichtende Kritiken. Die mitwirkenden Darsteller Heinz Drache und Werner Peters - durch ihre Rollen in den Edgar-Wallace-Filmen zu großer Popularität gelangt - wurden ausschließlich damit identifiziert und als Besetzung für einen Film mit dieser Thematik als nicht angemessen empfunden.
Es wurde verneint, dass mit den Mitteln eines konventionellen Kriminalfilms (es handelt sich allerdings vielmehr um ein Drama) die Vergangenheit filmisch zu bewältigen sei. Die künstlerische Machart wurde auch von der Filmbewertungsstelle in Wiesbaden bemängelt, immerhin erkannte man dem Film aber dennoch das Prädikat “wertvoll” zu.

fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

07.09.2014 15:03
#6 RE: Heinz Drache Zitat · antworten

Bei der Lektüre der Patrick McGoohan-Biografie "Danger Man or Prisoner?" mußte ich seltsamerweise auch dauernd an Heinz Drache denken, hier dürfte es einige Parallelen gegeben haben. Ohne Horst Naumanns Leistung schmälern zu wollen, so wäre eine "Nummer 6"-Synchronisation mit Drach natürlich etwas ganz Spezielles gewesen. Auch iim Umfeld von McGoohan gab es eine ganze Reihe an Weggefährten, die kaum ein gutes Haar an ihm ließen. Dann aber wieder traf man auf das absolute Gegenteil. Es scheint bei diesen beiden Männern nur ein "Entweder/Oder" gegeben zu haben. Und auch wenn man da nicht so viel Geschichten drumherum weiß: Heinz Drache hatte auffallend wenige Liebesszenen in seinen Film- und Fernsehauftritten.

Zu Drache habe ich noch drei anekdoten beizusteuern:

Walter Regelsberger, ein Wiener Schauspieler, der Drache bei Dreharbeiten kennengelernt hatte, war sehr beeindruckt von ihm. Er beschrieb ihn als sehr schwer zugänglich und erschreckend schroff im Umgang mit vielen Menschen. Er habe auch absolut ungehalten gegenüber unprofessionellem Auftreten reagiert. Beim Nachwuchs hatte er weniger Probleme damit, aber ansonsten war er beinhart. Irgendwer beim Dreh hatte Textprobleme und Drache sagte sinngemäß: "Wenn Sie sich nicht einmal die paar lausigen Textzeilen merken können, sollten Sie schleunigst daran denken Ihren Beruf zu wechseln!" Regelsberger nannte Drache aber auch "auf seine Weise" sehr humorvoll und einen "genialen Zyniker", der genau das Zeitgeschehen traf. Er sei bei einem Glas Wein und gutem Essen sehr zugänglich gewesen und ein charmanter Plauderer. Im Restaurant des Hotel Sacher sah ihn ein Herr Ober etwas kühl an, da er kein Trinkgeld bekam. Drache sah ihm direkt in die Augen und sagte eiskalt: "Das Essen hat der Koch zubereitet, bestellen Sie meinen Dank. Für Ihre aufdringlich unterwürfige Bedienung dürfen Sie sich allerdings nichts erwarten." Im Speiseraum verstummte alles, das war ein ziemlicher Faupax im Rahmen der Hausregeln.

Grete Zimmer mochte ihn sehr gerne, vor allem in "Das Halstuch". Als sie bei Barlog in Berlin (neben Christian Rode als Alfred) die liebeshungrige Trafikantin Valerie in "Geschichten aus dem Wienerwald" spielte, war sie eine Zeit lang in der Berliner Künstlerszene unterwegs. Sie hatte den Wunsch, Drache kennenzulernen. Barlog sagte ihr in etwa: "Der Drache empfängt, man lernt ihn nicht einfach so kennen." Nach einem Theaterbesuch am Kurfürstendamm ging sie aber dennoch mit einer Kollegin vom Schillertheater in die Garderobe. Drache saß vorm Spiegel, hörte sich den Wunsch an und sagte: "Soso, Sie gastieren hier. In Berlin gibt es genug arbeitslose Schauspielerinnen in Ihrem Alter, da hätte man Sie nicht aus Wien kommen lassen müssen." Das war es dann auch - die Arroganz hat die Grete sehr erschreckt und selbst dreissig Jahre später stach sie das immer noch ein wenig, wenn sie ihn im Fernsehen sah. Barlog meinte lakonisch: "Da hat er aber einen redefreudigen Tag gehabt. Meistens sagt er gar nichts!"

Und zuletzt Kurt Heintel, der als junger Schauspieler in Hamburg und Berlin tätig war und auch durch Gründgens einen Karrieresprung erhielt. Viele waren ja rund um den Meister sehr unterwürfig, huldigten ihn und beteten ihn an und taten hinterrücks, was sie sich kaum zu sagen getrauten. Vor allem wenns ums Geld ging - Gründgens hatte dafür keine Gedanken und dachte, die Ehre wiege die karge Gage auf. So liefen immer mal alle gerne weg um zu statieren oder zu Synchronisieren. Lehnte man sich auf, gab es Wehleidigkeiten und Gejammere. Drache soll hier ganz anders gewesen sein, der sah es als Selbstverständlichkeit an, daß er gefördert wurde. Er war nicht undankbar, aber er kümmerte sich kein bisschen um den üblichen Umgang mit dem Meister". Unter seinen Altersgenossen war er allerdings wenig beliebt und siezte prinzipiell jeden. Gründgens ließ ihm irgendwie einiges durchgehen, vielleicht weil er baff war über dieses Benehmen. Gründgens sagte nur einmal, dieser Herr Drache sei die impertinenteste Person, die er je am Theater kennengelernt habe.

Flammentanz



Beiträge: 73

07.09.2014 22:01
#7 RE: Heinz Drache Zitat · antworten

Die Regieassistentin Eva Ebner erzählte einmal, dass sie mit Heinz Drache einige Szenen eines Edgar-Wallace-Films zu drehen hatte. Er sollte in der betreffenden Szene eine Straße entlang gehen und tat das auch - in dem ihm eigenen Stil, den manche ein Stolzieren, ich aber ein Schreiten nenne. Eva Ebner hatte dabei alle Hände voll zu tun, Schaulustige davon abzuhalten, die Szene zu stören.
Als Heinz Drache zu ihr kam und sich erkundigte: "Na, wie war ich?", bekannte Eva Ebner, sie habe leider nicht recht zuschauen können, weil sie so sehr mit den Passanten beschäftigt gewesen war. Heinz Drache musterte sie kühl und entrüstete sich: "Ich spiele hier meine Szene und du schaust nicht mal zu!?"
Eva Ebner weiß bis heute nicht, ob dieser leichte Wutausbruch kalkuliert oder ernst gemeint war.

Was Wutausbrüche angeht, gilt Patrick McGoohan allerdings als bei weitem schlimmer. Er maßregelte am Set von "Nummer Sechs" einen Regisseur derart, dass alle entsetzt waren. Bei den Dreharbeiten zur Folge "Das Amtssiegel" soll er angeblich seinen Kollegen Mark Eden bei einer Kampfszene derart gewürgt haben, dass dieser ernsthafte Folgen für seine Gesundheit befürchtete.
So wird es zumindest in der Dokumentation "Don't knock yourself out" (2007) berichtet.

Natürlich weiß man bei derlei Anekdoten kaum etwas über deren Wahrheitsgehalt.

Fortinbras, was die leider wirklich etwas spärlichen Liebesszenen angeht, da weiß ich als weibliche Verehrerin natürlich Bescheid ...
Zumindest hat Heinz Drache im Gegensatz zu seinem Kollegen Patrick McGoohan wohl nichts dagegen gehabt, dass man ihn vor der Kamera küssen darf.
Zu finden sind Szenen dieser Art unter anderem in "Der Rächer", "Der schwarze Panther von Ratana", "Sanders und das Schiff das Todes", "Ein Sarg aus Hongkong" und "Der Hund von Blackwood Castle". Sehr interessieren würde mich in dieser Hinsicht "Mit 17 weint man nicht", denn in diesem Film beginnt der von Heinz Drache gespielte Charakter eine Affäre mit seiner Schwiegertochter.
Am berührendsten sind Szenen dieser Art in "Sandy the Seal". In diesem leider nur im englischsprachigen Raum erschienen Film, in dem Heinz Drache übrigens synchronisiert wird, obwohl er ein ausgezeichnetes Englisch sprach, spielt er einen liebevollen Ehemann und Vater und geht überaus zärtlich mit seiner Filmgattin Marianne Koch um.





Heinz Drache und Marianne Koch in "Sandy the Seal" (1965 gedreht/1969 erschienen)





Heinz Drache und Marianne Koch in "Der schwarze Panther von Ratana" (1963)



Heinz Drache und Elga Andersen in "Ein Sarg aus Hongkong" (1964)

berti


Beiträge: 17.884

08.09.2014 08:45
#8 RE: Heinz Drache Zitat · antworten

Die Anekdoten über Draches divenhafte Art und das Auftreten beim Dreh erinnern sehr an das, was über Stewart Grangers Verhalten oft gesagt wurde. Da ist es fast schade, dass der Eine nie aus dem Mund des Anderen zu hören war!

Dem Lob für seine Mitwirkung in "Zeugin aus der Hölle" kann ich mich nur anschließen, da dieser Film verglichen mit anderen westdeutschen Produktionen dieser Zeit radikal und schonungslos wirkt:
Mutige Filme-mutige Synchronsprecher???

Zu meinen liebsten Synchronrollen von Drache gehört natürlich (wie schon öfter erwähnt) Gene Kelly in "Wer den Wind sät":Synchron-Sternstunden (40)
Auch für Sean Connery in "Marnie" fand ich ihn sehr interessant besetzt. Natürlich kann es sein, dass seine Besetzung schlicht daraus resultierte, dass GGH zu diesem Zeitpunkt erst zwei Einsätze auf Connery hatte und wohl erst der Erfolg von "Goldfinger" diese Kombination festigte. Aber könnte es auch so gewesen sein, dass man meinte, GGH klänge für diese Rolle "zu sanft"? Natürlich hat er auch in jungen Jahren bewiesen, dass er unsympathische Rollen ebenfalls überzeugend sprechen konnte. Aber Draches schneidende Stimme passt hervorragend zu Mark Ruttland, der aufgrund seiner Besessenheit und der Tatsache, dass er Marnie zur Heirat erpresst und mit Gewalt zum Ehevollzug nötigt, alles andere als ein Sympathieträger ist.
Auch für Kirk Douglas in "Die Totenliste" fand ich ihn interessant besetzt. Diese Rolle bot ihm Gelegenheit zum Stimmeverstellen, wobei er natürlich trotzdem immer herauszuhören war (so wie man Douglas in seinen Masken noch erkennen konnte). Auch sein Monolog über "Das Böse an sich" war ein Erlebnis.
Kevin McCarthy in "Der Kandidat" (ein leider recht selten im deutschen Fernsehen gezeigter Film mit hervorragender Synchro) war zwar "nur" eine Nebenrolle, aber wie er sich hier erst schmierig und dann (als er als Hochstapler entlarvt wurde) feige und kriecherisch gab, war sehr "hörenswert":topic-threaded.php?forum=11776730&threaded=1&id=511603&message=7152513

kinofilmfan


Beiträge: 2.661

08.09.2014 09:02
#9 RE: Heinz Drache Zitat · antworten

Heinz Drache für Kirk Douglas in "Stadt ohne Mitleid" (1960):

fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

08.09.2014 17:58
#10 RE: Heinz Drache Zitat · antworten

Viele können ja mit Drache für Kirk Douglas wenig anfangen, ich fand diese Besetzung ausgezeichnet. "Stadt ohne Mitleid" ist auch ein Paradebeispiel für Draches Schauspiel- und Synchronkunst. Es gelingt ihm wie Douglas bemerkenswert die Gratwanderung zu schaffen zwischen souveränem Auftreten und dem Abrutschen in Emotionalität. Der in seinen ambitionen leider immer noch etwas unterschätzte Film hätte als rein deutsche Produktion aber auch in Drache einen idealen Kandidaten für die Rolle des Anwaltes gefunden, der seine Mandanten vor der Todesstrafe retten will, ohne jedoch ihre Taten irgendwie schönzureden.

Flammentanz



Beiträge: 73

08.09.2014 18:14
#11 RE: Heinz Drache Zitat · antworten

Vielen Dank, Kinofilmfan! "Stadt ohne Mitleid" ist wirklich ein sehr bewegender Film und ich empfinde Heinz Draches Synchronisation als überaus gelungen.

Als ergreifend empfinde ich übrigens auch seine Synchronisation für Glenn Ford in "Die Saat der Gewalt." Der Idealismus und später die blinde Wut und Verzweiflung von Dadier über das tragische Schicksal seiner Frau sind für mich unvergesslich.

Heinz Drache als James W. Wesby in "Neues vom Hexer" (1965)



Es folgt eine kurze Werbeunterbrechung



Heinz Drache für Patrick McGoohan in "Geheimauftrag für John Drake" (1960/62)



Heinz Drache für Michel Piccoli in "Die Verachtung" (1963)



Heinz Drache für Paul Scofield in "Scorpio der Killer" (1973)

kinofilmfan


Beiträge: 2.661

08.09.2014 18:45
#12 RE: Heinz Drache Zitat · antworten

Ich fand Heinz Drache für Kirk Douglas absolut passend. Schade, es hätten gerne noch mehr Filme dieses Duos sein dürfen.

Heinz Drache für Patrick McGoohan in "John Drake" ist übrigens (neben Hans Clarin in "77th Sunset Strip") der erste Sprecher, der mir als Kind damals "im Ohr" geblieben ist.

Flammentanz



Beiträge: 73

08.09.2014 19:12
#13 RE: Heinz Drache Zitat · antworten

Ich war damals noch nicht geboren und wurde erst Jahre später ein Fan von "Geheimauftrag für John Drake" ("Danger Man"). Allein schon dieses "Mein Name ist Drake, John Drake!" (lange vor Mr. Bond) ist natürlich absoluter Kult.

Ich denke immer, dass sich mit Heinz Drache und Patrick McGoohan zwei kongenial zu einander passende Schauspieler gefunden haben. Nichts gegen Horst Naumann, aber ich wünsche mir oft, Heinz Drache hätte Patrick McGoohan auch in "Nummer Sechs" synchronisiert.

Viele Jahre nach "Geheimauftrag für John Drake" und "Die heiße Nacht" (Shakespeares "Othello" verlegt ins Londoner Jazzmilieu der Sechziger Jahre) ist Heinz Drache Anfang der Neunziger Jahre glücklicherweise noch zweimal zu Patrick McGoohan zurückgekehrt in "Des Teufels Corporal" und in "Tod am Strand".

Leider wurde kaum eine der späteren Episoden von "Danger Man" synchronisiert und nicht einmal diese sind auf DVD erschienen.

Hier die berühmte Musik "High Wire" von Edwin Astley zu den späteren Folgen von "Danger Man":

Pavel


Beiträge: 143

10.09.2014 11:36
#14 RE: Heinz Drache Zitat · antworten

Für mich war Heinz Drache ein schwieriger Zeitgenosse, aber nicht ohne Durchblick, Menschenkenntnis und Humor. Und er wusste stets, wo er stand, was er konnte und was nicht. Das sollte ein wesentlicher Unterschied sein zu Leuten wie Stewart Granger, die in einer absoluten Traumwelt lebten.

Drache hatte wohl sicherlich eine gute Meinung von sich selbst und pflegte den Lebensstil eines Aristokraten. Er war stets sehr distanziert und nicht selten schroff. Vermutlich kamen nicht viele zu ihm durch. Er lehnte auch das typische Society-Leben ab.

Für mich ist er so etwas wie ein deutscher Christopher Lee, den man oft ähnlich beschrieb und bei dem nur ganz wenige Einzelpersonen über Herzlichkeit und Humor berichteten. Auch Patrick McGoohan ist ein sehr guter Vergleich, wobei Heinz Drache natürlich Heinz Drache war.

Man hörte viele böse Geschichten über ihn, aber auch viele sehr schöne. Seine Kompromisslosigkeit beeindruckte nicht wenige und die Konsequenz, mit der er lukrative oder dem Zeitgeist entsprechend anspruchsvolle Filmrollen ablehnte, ist einzigartig.

Soviel ich hörte, soll er ein Angebot von Fassbinder abgelehnt haben. Er habe zwar durchaus drei oder vier Filme wunderbar gefunden, aber stets dieselbe Masche wäre ja genauso schlimm und einfallslos wie Opas Kino. Er brauche auch nicht den neuen deutschen Film für irgendeine Bestätigung. Er spottete auch über Rudolf Lenz und Adrian Hoven, die im jungen Film ihren künstlerischen Höhepunkt sahen. Sie wären hier nicht besser als vorher und 'wenn der ganze Spuk mal vorbei' wäre, blieben sie immer noch die Förster und Jäger. Seine Einschätzung ist sicherlich korrekt. Er spottete auch gelegentlich darüber, daß der neue deutsche Film zu einer künstlichen Welt verkommen sei, die mit dem oft geforderten Realismus nichts zu tun hätte. Überhaupt seien Realismus und Film nicht miteinander vereinbar.

kinofilmfan


Beiträge: 2.661

10.09.2014 18:47
#15 RE: Heinz Drache Zitat · antworten

Zitat
Er spottete auch gelegentlich darüber, daß der neue deutsche Film zu einer künstlichen Welt verkommen sei, die mit dem oft geforderten Realismus nichts zu tun hätte.



Mit der Aussage hat Herr Drache auch völlig recht gehabt. Fassbinder & Co. - Kino zum davonlaufen (aus'm Kino).

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