"Extrablatt" ist ein ziemlicher Schmarr'n. Langatmig und veraltet, die ach so pikante und mutige Zugabe, Schwule darin auftreten zu lassen, dürfte auch Mitte der 70er bei kaum jemandem für ein Aha!-Erlebnis gesorgt haben. Das Wiener Psychiater-Klischee war hier auch schon zum Zerbersten ausgelutscht. Wobei ich gestehen muss, dass die Hawks-Verfilmung mit Cary Grant auch nicht unbedingt so toll ist und der Stoff so oder so nur staubt. Wobei beide Fassungen natürlich dem 80er-Remake vorzuziehen sind...
"Buddy, Buddy" ist ein schwacher Film, aber ich mag ihn wegen Walter Matthau.
"Fedora" hingegen schätze ich sehr. Natürlich kann er mit "Sunsett Boulevard" oder anderen Wilder-Noirs nicht mithalten, aber mir sagt der Film sehr zu. Er ist ein schöner Abgesang auf den Divenkult des goldenen Hollywood und fast anregend sentimental. Vor allem wegen William Holden und Jose Ferrer schätze ich diesen Film.
Nun aber noch ein anderer Kandidat:
Der australische Regisseur Don Sharp hat hauptsächlich B-Filme gemacht. In der Regel kompetente, saubere und gute Streifen. Wenn man heute in einschlägiger Literatur über ihn liest, werden zumeist "Der Kuss des Vampirs" oder "Ich, Dr. Fu Man Chu" genannt als Aushängeschilder.
Er hat aber meiner Meinung nach ein ziemliches Meisterwerk des großen Unterhaltungsfilmes geliefert, nämlich das 1978er-Remake von "Die 39 Stufen".
Der gefiel mir nicht nur besser als das Remake von 1959, sondern auch besser als Hitchcocks Original, das man natürlich aus der Zeit heraus betrachten sollte, aber das doch sehr verstaubt ist und nicht besonders spannend.
1978 waren die 30er bereits Vergangenheit und da man den Film aber in dieser Zeit spielen ließ, war er ein Kostümfilm - und die sind schon mal generell zeitloser. Don Sharps Film ist ein spannender, leichtfüssiger Agentenabenteuerfilm, der irgendwo zwischen Hitchcock und James Bond liegt. Er ist spannend von der ersten bis zur letzten Minute und schlichtweg aufregend. Es gibt dauernd Drehungen und Wendungen, erstklassig inszenierte Actionszenen, echten Hitchcock-Suspense und viel Ironie. Das Finale am Big Ben zählt für mich zu den klassischen Momenten des britischen Actionkinos und ist echt große Klasse. Die Schauspieler sind allesamt hervorragend und haben den richtigen Mix zwischen Ernst und Ironie, nicht zuletzt ist die verspielte Filmmusik sehr atmosphärisch. Zur Überraschung aller war der Film ein enormer Erfolg und ein Kassenrenner, obwohl er keine Superstar-Besetzung hatte.
Nachher machte Sharp "Die Bäreninsel in der Hölle der Arktis", der viel besser als sein Ruf ist. Ein harter, mit guten Actionszenen durchzogener Abenteuerfilm im ewigen Eis, diesmal mit echter Starbesetzung.
Es ist schade, dass Don Sharp danach keine großen Filme mehr drehte und wieder zu kleinen Genrewerken kam, die unbedeutend wurden. Er hätte womöglich einen erstklassigen James Bond-Film geliefert.
Jedenfalls zählt für mich "Die 39 Stufen" zum absoluten Meisterstück Don Sharps und ich finde es schade, dass der Film heute nicht mehr wirklich bekannt ist in unseren Breitengraden und häufig nur als unterhaltsames, aber letztendlich unbedeutendes Remake abgetan wird.
Zitat von Rai87 im Beitrag #15Clint Eastwoods "Perfect World" würde ich sagen. Ein wirklich grandioser Film, mit einem sehr guten Kevin Costner! Das übrige Ensemble ist sowieso toll und die Synchro auch! Habe über den viel immer nur schlechte Kritiken gelesen, was ich ehrlich nicht wirklich nachvollziehen kann!
Volltreffer! Das ist für mich Clint Eastwoods bester Film! Trotz Kevin Costner, den ich eigentlich nicht besonders mag.
Billy Wilder BUDDY BUDDY finde ich auch nicht sooo schlecht, wie immer behauptet wird. Kein großes Highlight, sicher nicht, aber ganz bestimmt auch nicht die Total-Katastrophe, als der er zumeist hingestellt wird. Ich möchte noch STALAG 17 nennen, bei dem man wirklich nicht weiss, ob das nun eine Komödie oder ein Drama ist. Brillant!
Martin Scorsese Der kommt ja hier bei einigen überraschend schlecht weg. Ich habe zwar nicht so viel von ihm gesehen, aber ehe ich mir einen Spielberg-Film oder gar einen Film der Großkotze wie James Cameron und Konsorten ansehe, würde ich einen Scorsese (oder einen Coppola) jederzeit bevorzugen!
Sergio Leone Das Over-Acting von Rod Steiger und anderen wurde hier kritisiert - nun, bei dieser opernhaften Stilisierung finde ich das gar nicht schlimm, das passt sogar ganz gut als Kontrast ins unrealistische Szenarium und hat eher was Belustigendes als was Störendes. Die Leone-Filme quellen über vor unverwechselbaren Qualitäten, da kann das, was für manch anderen Film ein K.O.-Kriterium wäre, aus meiner Sicht nicht wirklich negativ ins Gewicht fallen.
Sergio Corbucci Der Stellenwert seiner Genre-Highlights DJANGO und LEICHEN PFLASTERN SEINEN WEG ist ja weitgehend unstrittig. Deutlich besser gefällt mir aber MERCENARIO, DER GEFÜRCHTETE. Das ist eben mehr als nur ein Genre-Beitrag, da wird das Genre nur benutzt, um die auch heute noch brisante Geschichte wirksam an den Mann zu bringen: Die Kapitalisten und die Besitzlosen. Der Film ist Damianis TÖTE AMIGO fast ebenbürtig. - Und auch Corbuccis späterer Revolutionswestern BETE AMIGO (die Anspielung auf TÖTE AMIGO ist keineswegs anmaßend) ist herausragend; hier wird der seinerzeit übliche Klamauk-Western als Vorwand für eine ganz ernsthafte Story benutzt: WAS GEHT UNS DIE REVOLUTION AN? (so die Übersetzung des Originaltitels) fragen sich die Helden. Ja, was? Das erfahren wir und auch die beiden im Laufe des Films, der durch Vittorio Gassman und Paolo Villaggio, die sonst nie in Western zu sehen waren, zusätzlich darstellerisch enorm aufgewertet wird. Die fulminante Schlußszene rundet dieses kleine weitgehend unbekannte Meisterwerk ab.
Francois Truffaut Nicht die Klassiker wie JULES UND JIM oder DIE LETZTE METRO, auch die Antoine-Doinel-Reihe hat mich (vom ersten Film mal abgesehen) nie so richtig begeistert, nein, sein bester Film ist für mich DAS GEHEIMNIS DER FALSCHEN BRAUT. Der Film läßt mich immer ganz sprachlos zurück, und nie habe ich Jean Paul Belmondo so überzeugend gesehen.
Kenji Misumi Der ist - wenn überhaupt - durch die Okami-Filme Anfang der 70er Jahre bekannt, die für damalige Verhältnisse recht krass waren. Die sind ja nicht schlecht, aber seine frühen Beiträge zur Zatoichi-Reihe sind noch um Klassen besser, besonders FIGHT ZATOICHI FIGHT (1964): Der Herumtreiber Zatoichi hat plötzlich ein Kleinkind am Halse. Das darf man sich etwa so vorstellen, als wenn sich Clint Eastwood in den Sergio-Leone-Filmen neben den blutigen Ereignissen plötzlich um ein einjähriges Kind kümmern muss. Das geht ja zunächst mal überhaupt nicht, aber wenn er das Kind am Ende widerstrebend weggibt aus der Einsicht, dass er gewiss der ungeeignetste Vater-Ersatz ist, und dabei registriert, welche Bereicherung das Kind in den paar Wochen für sein Leben war, dann bricht man zusammen im Kino. Inhaltlich und formal absolute Meisterklasse!
Zitat von fortinbras im Beitrag #16"Extrablatt" ist ein ziemlicher Schmarr'n. Langatmig und veraltet, die ach so pikante und mutige Zugabe, Schwule darin auftreten zu lassen, dürfte auch Mitte der 70er bei kaum jemandem für ein Aha!-Erlebnis gesorgt haben. Das Wiener Psychiater-Klischee war hier auch schon zum Zerbersten ausgelutscht. Wobei ich gestehen muss, dass die Hawks-Verfilmung mit Cary Grant auch nicht unbedingt so toll ist und der Stoff so oder so nur staubt. Wobei beide Fassungen natürlich dem 80er-Remake vorzuziehen sind...
Hat das denn jemand als "pikant und mutig" bezeichnet? Zumindest in der "Nahaufnahme" konnte ich nichts dergleichen finden. Was die Freud-Parodie betrifft, können mich auch nicht mehr so ganz originelle Witze amüsieren. Oder schmerzt es dich zu sehr mitanhören zu müssen, wie Klaus Miedel sich im Winerischen versucht? "Angestaubt" finde ich auch Howard Hawks´ Verfilmung nicht, dafür hat sie zuviel Tempo und Spielfreude zu bieten.
[/quote] Volltreffer! Das ist für mich Clint Eastwoods bester Film! Trotz Kevin Costner, den ich eigentlich nicht besonders mag.[/quote]
Ja, finde ich auch, obwohl ich die Filme von Costner eigentlich ganz gerne mag. Seine Darstellung ist oft schon sehr flach, das ist richtig. Frank Glaubrecht rettet ihn aber in jedem Film finde ich!
fortinbras
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22.10.2015 11:46
#20 RE: Unterbewertete Filme eines Regisseurs, die ihr toll findet
Natürlich wird nicht so heiss gegessen, wie gekocht. Der Film hat schon ein paar Highlights, vor allem Walter Matthau. Allerdings hätte ich es deutlich interessanter gefunden, wenn Wilder die beiden Hauptdarsteller konträr besetzt hätte und nicht dem Klischee entsprechend.
In "Nahaufnahme" oder dergleichen stand natürlich nichts davon, aber Wilder hat ja gerne Pikantes in seine Filme verarbeitet. Gut gelang ihm das aber eigentlich nur, solange der Production Code noch im Gange war, danach sackte er stark ab. Die zwei schwulen Figuren in "Extrablatt" deute ich als Versuch Wilders in diese Richtung, leider klappte es nicht und war nichts originelles mehr. Gute Witze darf man auch öfters bringen und Psychiaterklischees machen sich häufig gut, nur stört mich an "Extrablatt", dass einem Wilder das offensichtlich als Neuigkeit verkaufen will. Die ältere Verfilmung von Hawks finde ich schon auch besser, vor allem die Spiellaune von Cary Grant (und Harald Leipnitz!) lenkt einen ab vom eigentlichen Staub.
Martin Scorsese:
Bevor ich mir einen Un-Film aus der Spielberg-Factory ansehe (da mache ich keinen Unterschied zwischen alberner SF und "Schindlers Liste") oder dem Licas Ent., geschweige denn Herrn Camerons Werke (der hat nicht mal EINEN guten Film gemacht), greife ich schon lieber auf Scorsese zurück. Wenn er nicht gerade wieder Robert de Niro zügellos Schmiere spielen lässt. Bei Scorsese habe ich hauptsächlich ein Problem damit, dass er dauernd versucht, viel bessere Versionen seiner Stoffe übertrumpfen zu müssen. Nicht im Sinne von Remakes, hier hat er ja nur einmal zugeschlagen mit "Cape Fear" und seinen übelsten Film damit hergestellt. Er liebt und verehrt das europäische Genrekino, das er dann imitiert, aber aufbläst und doch nie an die Vorbilder herankommt. "Zeit der Unschuld" ist für mich sein bester Film, der ist einfach fantastisch. Neben "Cape Fear" stufe ich "Taxi Driver" als sein zweitübelstes Werk ein. Mag man noch so viel hineininterpretieren, das ist nichts als ein oberflächlich provokanter, pseudosozialkritischer und laienpsychologischer Gewaltreigen. Da ist jedes italienische B-Filmchen ähnlicher Thematik nicht nur besser, sondern auch ehrlicher. Scorsese zählt für mich auch zur Kategorie der Heuchler. Beispiel Christopher Lee: der wurde fast 40 Jahre lang von Scorsese umschwärmt, der ja Hammer-Filme sehr schätzte und sie gerne in privatem Rahmen auch vorführt. Aber trotz andauernder Ankündigen hat er es erst kurz vor dessen Tod geschafft, Lee mal eine kleine, nicht sehr bedeutende Rolle in einem seiner Filme zu geben. Das sind die Regisseure, die diese Genrefilme lieben, aber letztendlich doch Naserümpfer sind, weil sie mit den Aushängeschildern dieser Werke dann doch nicht in näherem Zusammenhang gebracht werden möchten. Da könnte man ja was Schlechtes von einem denken...
Sergio Leone:
Ich vermisse eigentlich immer, dass Fans dieses Regisseurs "Der Koloss von Rhodos" erwähnen. Den hat er nicht ganz alleine gemacht, aber zu einem erheblichen Teil und er hat schon viele der typischen Leone-Zutaten und ist ein unterhaltsamer, dramatischer und vielschichter Sandalenfilm. Ungelenk ist er nur in den romantischen Szenen, aber das war immer eine Schwäche Leones.
Ich musste übrigens sehr staunen, als ich vor vielen Jahren erstmals Bilder von Leone sah. Ich hatte ihn mir vom Typ her ganz anders vorgestellt, eigentlich sah er doch eher wie ein kleiner Finanzbeamter aus.
Neben "Zeit der Unschuld" ist von Scorsese sehr empfehlenswert seine zwei Dokumentationen: "Reise durch den amerikanischen Film" und "Eine italienische Reise". Über viele Epochen und Genres berichtet er hier über seine persönlichen Lieblingsfilme ohne damit unsympathisch oder arrogant rüberzukommen. Einige Filme, so z.B. den unterschätzten Film Noir "Von der Polizei gehetzt" oder "Schock Korridor" hätte ich ohne diese Dokumentation nie entdeckt.
Musikfans sei noch "The Last Waltz" (das letzte Konzert von The Band - bekanntester Song dürfte "The Weight" sein) und "No Direction Home" (ein Dokumentarfilm über Bob Dylan) zu empfehlen.
Da hat Silenzio ganz recht: Nicht akademisch-besserwisserisch, sondern diese Dokus machen auf sinnliche Weise große Lust, sich die präsentierten Filme, die mit teils ungewöhnlich langen und eindringlichen Ausschnitten vorgestellt werden, anzusehen. Die italienischen Filme kannte ich mit einer Ausnahme ja alle, aber bei den amerikanischen waren mehrere auch weniger bekannte dabei, auf die ich durch diese Doku neugierig geworden bin.
Zitat von Rai87 im Beitrag #19[/quote] Volltreffer! Das ist für mich Clint Eastwoods bester Film! Trotz Kevin Costner, den ich eigentlich nicht besonders mag.[/quote]
Ja, finde ich auch, obwohl ich die Filme von Costner eigentlich ganz gerne mag. Seine Darstellung ist oft schon sehr flach, das ist richtig. Frank Glaubrecht rettet ihn aber in jedem Film finde ich!
Volltreffer! Das ist für mich Clint Eastwoods bester Film! Trotz Kevin Costner, den ich eigentlich nicht besonders mag.[/quote]
Ob Frank Glaubrecht ihn in jedem Film rettet... Weiß ich nicht. Ich finde nicht, dass Costner ein schlechter Schauspieler ist. Vielleicht mitunter etwas farblos in manchen Rollen, aber ein Dilettant ist er auf keinen Fall.
Um aber auf Eastwood als Regisseur zurückzukommen: Ich finde auch "Perfect World" wirklich ein guter Film von ihm ist, bei dem mir nicht bekannt war, dass den die Kritker so niedrig eingestuft haben. Finde ich merkwürdig.
Ein Film von Eastwood, der auch unterschätzt wird, der mir aber trotzdem im Gedächtnis geblieben ist, ist "J. Edgar" (USA 2011, Biopic über J. Edgar Hoover, den Gründer des FBI), von dem ich nicht wusste, dass er von Eastwood ist, bis ich seinen Namen im Abspann gelesen habe. Dieser Film ist mir allem durch Leonardo DiCaprio im Gedächtnis geblieben, der hier eine prima Darstellung der Titelrolle abliefert. Auch der Maskenbildner hat große Arbeit geleistet und der alternde J. Edgar Hoover sowie die anderen Personen kommen ebenfalls überzeugend rüber. Das einzige, was mich an dem Film gestört hat, ist die Tatsache, dass man auf seine Homosexualität, die ja nicht hundertprozentig erwiesen ist, so ausführlich eingeht. Da hätte man bestimmt andere Schwerpunkte setzen können. Fazit: Ein Highlight ist der Film sicherlich nicht, aber auch nicht so schlecht, wie er von manchen Leuten hingestellt wird.
Volltreffer! Das ist für mich Clint Eastwoods bester Film! Trotz Kevin Costner, den ich eigentlich nicht besonders mag.
Ob Frank Glaubrecht ihn in jedem Film rettet... Weiß ich nicht. Ich finde nicht, dass Costner ein schlechter Schauspieler ist. Vielleicht mitunter etwas farblos in manchen Rollen, aber ein Dilettant ist er auf keinen Fall.
Um aber auf Eastwood als Regisseur zurückzukommen: Ich finde auch "Perfect World" wirklich ein guter Film von ihm ist, bei dem mir nicht bekannt war, dass den die Kritker so niedrig eingestuft haben. Finde ich merkwürdig.
Ein Film von Eastwood, der auch unterschätzt wird, der mir aber trotzdem im Gedächtnis geblieben ist, ist "J. Edgar" (USA 2011, Biopic über J. Edgar Hoover, den Gründer des FBI), von dem ich nicht wusste, dass er von Eastwood ist, bis ich seinen Namen im Abspann gelesen habe. Dieser Film ist mir allem durch Leonardo DiCaprio im Gedächtnis geblieben, der hier eine prima Darstellung der Titelrolle abliefert. Auch der Maskenbildner hat große Arbeit geleistet und der alternde J. Edgar Hoover sowie die anderen Personen kommen ebenfalls überzeugend rüber. Das einzige, was mich an dem Film gestört hat, ist die Tatsache, dass man auf seine Homosexualität, die ja nicht hundertprozentig erwiesen ist, so ausführlich eingeht. Da hätte man bestimmt andere Schwerpunkte setzen können. Fazit: Ein Highlight ist der Film sicherlich nicht, aber auch nicht so schlecht, wie er von manchen Leuten hingestellt wird.[/quote]
Nein, schlecht ist Costner auf keinen Fall! Ich freue mich auch immer wenn es Filme von ihm spielt. Aber oft ist er in gewissen Szenen sehr sparsam in seinem Spiel!
"Saturn-City" bzw. "Saturn 3" (1980) von Stanley Donen. Dieser Regisseur (der immer noch lebt und 91 Jahre alt ist) hat es geschafft, von 1945 ("Anchors aweigh") über "On the town", "Königliche Hochzeit", "Du sollst mein Glücksstern sein" bis zu "Charade" (1963) ausschließlich gute bis sehr gute Filme zu drehen. Danach muss irgendetwas in seinem Leben oder in der Filmindustrie passiert sein: Bis zu seinem letzten (TV-)Film 1999 ist ihm nichts mehr gelungen. 1980 drehte er einen Film, bei dem im Vorfeld so gut wie alles schief gelaufen ist. Der begnadete Film-Architekt John Barry schrieb ein Treatment und wollte Regie führen, den Drehbuchauftrag bekam der englische Schriftsteller Martin Amis. Es sollte der einzige seines Lebens bleiben. Barry sah nach wenigen Drehtagen ein, dass er nicht zum Regisseur taugt. Kurze Zeit danach ist er im Alter von 43 Jahren an Hirnhautentzündung gestorben. Donen übernahm Regie und Produktion. Es gab nur drei Darsteller: Kirk Douglas, Farrah Fawcett und Harvey Keitel. Und einen riesigen Roboter. Die Stimmung am Set war wohl nicht die beste. Donen missfiel Keitels Akzent, er ließ ihn nachsynchronisieren. Der 62jährige Douglas wollte unbedingt eine Nackt-Szene haben - und bekam sie. Etliche Dialoge wurden im Nachhinein hinzugefügt (im Original) - an Stellen, an denen die Schauspieler nicht den Mund bewegen. Das Ergebnis: drei Nominierungen für die Goldene Himbeere (Douglas, Fawcett, der gesamte Film). Ich habe das Werk 1981 gesehen, im Original, beim "Festival des phantastischen Films" in München. Ich wusste nichts von der Vorgeschichte - und ich war begeistert! Das Szenenbild sah aus, wie man es von John Barry gewöhnt war, die Spezialeffekte waren überzeugend, das Drehbuch stimmig. "Endlich ist der Donen wieder in der Spur!" habe ich mir gedacht. Seine deutsche Premiere hatte der Film erst 1985, Klaus Kindler, Rita Engelmann und Fred Maire für Douglas, Fawcett und Keitel. Die Fassung kenne ich nicht, ich habe den Film seitdem auch nicht mehr gesehen. Ist er wirklich so eine schreckliche Gurke? War ich damals vor 34 Jahren leicht zu beeindrucken? Oder hat der Film doch mehr Qualitäten als ihm die Kritiker zubilligen? Irgendwann wird er bestimmt auf einem Winz-Sender ausgestrahlt, und ich bin gespannt, wie mein Eindruck sein wird...
fortinbras
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28.10.2015 13:34
#27 RE: Unterbewertete Filme eines Regisseurs, die ihr toll findet
Ein Meisterwerk ist "Saturn 3" nicht und die deutsche Synchronfassung war nicht so ganz ideal. Aber der Film macht doch irgendwie ziemlichen Spaß und ist ausgesprochen unterhaltsam. Seine Atmosphäre wirkt zwar mehr so, als stamme der Film aus den 60ern, aber das war nicht weiter störend.
Amüsant fand ich es allerdings, den Namen Stanley Donens im Regie-Credit zu lesen. Science-Fiction ist ja nicht unbedingt ein Genre, mit dem man ihn in Verbindung bringt.
Auch ich kann mich daran erinnern, dass ich Kindler für Douglas ziemlich daneben und Farrah Fawcett wie immer absolut unerotisch fand, trotz des eigentlich auf billige Art doch irgendwie sexy Outfits.
Claude Chabrol mit BLUTSVERWANDTE (1978). Die meisten verbinden diesen Regisseur mit dem französischen Kino, aber gerade diesen kanadischen "Ausflug" finde ich mehr als gelungen. Perfekte Krimiunterhaltung mit einem tollen Donald Sutherland als hartnäckiger Ermittler. Toll die Verhörszenen. Sutherland wirkt stets besonnen und unaufgeregt und nie aufbrausend. Erwähenswert auch die Musik, die zusätzlich für Spannung sorgt, wenn sie immer mehr anschwillt.
fortinbras
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11.11.2015 13:16
#30 RE: Unterbewertete Filme eines Regisseurs, die ihr toll findet
Bei Richard Lester denkt fast jeder an die "Beatles"-Filme oder die "Musketiere" der 70er, auch der geniale Musicalfilm "Toll trieben es die alten Römer" (für alle, die sonst keine Musicals mögen!) wird immer genannt. Trotzdem der Film recht bekannt ist, wird aber "Robin und Marian" meiner Meinung nach viel zu wenig Raum geschenkt.
Das ist ein vom Anfang bis zum Ende perfekter und ganz und gar ungewöhnlicher Film. Er räumt mit so ziemlich allem auf, das man sich von Robin Hood vorstellt und deswegen dürften manche mit dem Film Probleme haben. Er ist sehr witzig, aber keine Persiflage, sehr romantisch und sentimental, aber kein Kitsch. Und er ist ein ungewöhnlich harter Film, ohne selbstzweckhaft vordergründig zu sein.
Beachtenswert die Demontage der Figuren, die alle menschlich greifbar werden und teils sympathisch sind. Die Sympathieträger anderer RH-Filme sind indes durchaus ambivalent: Richard Löwenherz ist hier ein unberechenbarer, neurotischer und halb irrsinniger König, der seinen Zenit schon längst überschritten hat.
Bestechend die optische Erscheinung: das Mittelalter wird von Lester weder idealisiert, noch romantisiert. In diesem Film wird mehr vom realen Leben des ausgehenden 12. Jahrhunderts gezeigt, als in manchem ernsten Historienspektakel. Echte Gemäuer mit zeitgemäßer Architektur und keine romantisierten Kunstburgen, originalgetreu rekonstruierte Waffen, Kostüme und Behausungen. Es ist ziemlich schmutzig in diesem Mittelalter und das ist ausgesprochen wirkungsvoll. Ein Bekannter, der Geschichte studierte, erzählte mir mal zu meiner Begeisterung, dass einer seiner Professoren empfahl, diesen Film (sowie "Jabberwocky") unbedingt anzusehen, da er einen betörend realistischen Eindruck des Mittelalters wiedergebe, so fiktiv das Drumherum auch sei.
Keiner der Stars wird hier wie ein Star inszeniert, im Film ist kein Platz für glamouröse Auftritte. Sean Connery ohne Toupet mit ungepflegtem naturgewachsenen Bart, voll Spielfreude und mit allen Zeichen des gealterten Helden naturalistisch bis zur Schmerzgrenze. Audrey Hepburn praktisch ohne Schminke in einer raren Charakterrolle - leider sagte ihren Fans dieser Film nicht zu, weswegen sie selbst später auch auf Distanz ging. Robert Shaw als ausnahmsweise glattrasierter Sheriff von Nottingham ist eine hochinteressante Figur: er ist vernünftiger als Robin Hood, beinahe friedlicher gesinnt und hat nicht wirklich Lust, der ewig Böse zu sein. Shaw ist ein ebenbürtiger Gegner für Connery. Richard Harris als Löwenherz spielt eine seiner allerbesten Rollen. Fast jeder Part ist mit einem echten Charaktergesicht besetzt, für die glatte Schönheit des Mainstreamfilmes ist hier kein Platz.
John Barrys Musik zählt zu seinen ungewöhnlichsten Scores und wird leider sehr unterschätzt oder als nicht "flamboyant" genug für einen Robin Hood-Film bezeichnet. Häufig als "kein Vergleich mit Korngold" eingestuft, dabei hätte ein verspielter Score dieser Art dem Film sehr geschadet. Michel Legrand mittlerweile großteils veröffentliche ursprüngliche Filmmusik ist ganz großartig für sich genommen, aber hätte den Film erschlagen. Legrand zeigte sich vom kitschigen Ansatz des Filmes enttäuscht - vielleicht verstand er ihn nicht. Barry schrieb ein zentrales, romantisch-sentimentales Hauptthema für Streicher und Bläser, das hängen bleibt und wunderbar funktioniert. Ungewöhnlich für ihn arbeitet er viel mit serieller Musik oder musikalischen Effekten, die stark der Atonalität verhaftet sind. Das kam natürlich in vielen seiner Scores vor, aber hier besonders stark. Dem Score wird oft vorgeworfen, uninspiriert zwischen großorchestralem Kitsch und Kakophonie zu springen. Kitsch ist falsch, Sentimentalität trifft es besser. Es ist eben Filmmusik und die muss für sich genommen nicht gefällig sein, sie muss mit den Bildern funktionieren. Barry hat etwa ein wiederkehrendes Kampf-Thema, das perfekt die Monotonie des Geschehens reflektiert: zur Perkussion wird immer wieder dieselbe Note nacheinander geblasen. Natürlich hört sich das auf Tonträger ohne Bild nicht schön an, im Film aber funktioniert es perfekt und wird zur Symbiose mit dem Bild und das ist es ja eigentlich, was Filmmusik sollte - dem Film und der Atmosphäre dienen.
Dass der Film auch unter Robin Hood-Fans eine Aussenseiterrolle einnimmt, ist für mich sehr schade, er ist einfach einzigartig.
Mein liebster "typischer" Robin Hood-Film ist übrigens "Robin Hood, der Freiheitsheld", den ich sogar dem wunderbaren Flynn-Klassiker vorziehe.