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Dieses Thema hat 48 Antworten
und wurde 4.079 mal aufgerufen
 Off-Topic
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John Connor



Beiträge: 4.883

14.11.2015 01:19
#31 RE: Unterbewertete Filme eines Regisseurs, die ihr toll findet Zitat · antworten

Zitat von fortinbras im Beitrag #30
Bei Richard Lester denkt fast jeder an die "Beatles"-Filme oder die "Musketiere" der 70er, auch der geniale Musicalfilm "Toll trieben es die alten Römer" (für alle, die sonst keine Musicals mögen!) wird immer genannt. Trotzdem der Film recht bekannt ist, wird aber "Robin und Marian" meiner Meinung nach viel zu wenig Raum geschenkt.

Das ist ein vom Anfang bis zum Ende perfekter und ganz und gar ungewöhnlicher Film. Er räumt mit so ziemlich allem auf, das man sich von Robin Hood vorstellt und deswegen dürften manche mit dem Film Probleme haben. Er ist sehr witzig, aber keine Persiflage, sehr romantisch und sentimental, aber kein Kitsch. Und er ist ein ungewöhnlich harter Film, ohne selbstzweckhaft vordergründig zu sein.

Beachtenswert die Demontage der Figuren, die alle menschlich greifbar werden und teils sympathisch sind. Die Sympathieträger anderer RH-Filme sind indes durchaus ambivalent: Richard Löwenherz ist hier ein unberechenbarer, neurotischer und halb irrsinniger König, der seinen Zenit schon längst überschritten hat.

Bestechend die optische Erscheinung: das Mittelalter wird von Lester weder idealisiert, noch romantisiert. In diesem Film wird mehr vom realen Leben des ausgehenden 12. Jahrhunderts gezeigt, als in manchem ernsten Historienspektakel. Echte Gemäuer mit zeitgemäßer Architektur und keine romantisierten Kunstburgen, originalgetreu rekonstruierte Waffen, Kostüme und Behausungen. Es ist ziemlich schmutzig in diesem Mittelalter und das ist ausgesprochen wirkungsvoll. Ein Bekannter, der Geschichte studierte, erzählte mir mal zu meiner Begeisterung, dass einer seiner Professoren empfahl, diesen Film (sowie "Jabberwocky") unbedingt anzusehen, da er einen betörend realistischen Eindruck des Mittelalters wiedergebe, so fiktiv das Drumherum auch sei.

Keiner der Stars wird hier wie ein Star inszeniert, im Film ist kein Platz für glamouröse Auftritte. Sean Connery ohne Toupet mit ungepflegtem naturgewachsenen Bart, voll Spielfreude und mit allen Zeichen des gealterten Helden naturalistisch bis zur Schmerzgrenze. Audrey Hepburn praktisch ohne Schminke in einer raren Charakterrolle - leider sagte ihren Fans dieser Film nicht zu, weswegen sie selbst später auch auf Distanz ging. Robert Shaw als ausnahmsweise glattrasierter Sheriff von Nottingham ist eine hochinteressante Figur: er ist vernünftiger als Robin Hood, beinahe friedlicher gesinnt und hat nicht wirklich Lust, der ewig Böse zu sein. Shaw ist ein ebenbürtiger Gegner für Connery. Richard Harris als Löwenherz spielt eine seiner allerbesten Rollen. Fast jeder Part ist mit einem echten Charaktergesicht besetzt, für die glatte Schönheit des Mainstreamfilmes ist hier kein Platz.

[...]

Dass der Film auch unter Robin Hood-Fans eine Aussenseiterrolle einnimmt, ist für mich sehr schade, er ist einfach einzigartig.


Die ungewöhnlichsten Werke von Richard Lester sind für mich nach wie vor die SUPERMAN-Filme, die mir zwar sehr gefallen, die ich aber partout nicht als Lester-Filme betrachten kann.

Mit der unverdienten Geringschätzung von ROBIN UND MARIAN hast du jedenfalls vollkommen recht. Der Film macht es eigentlich niemandem so leicht. Er macht es erstens den Robin Hood-Fans nicht leicht, weil die betont unglamouröse Zeichnung der Figur dem traditierten Robin Hood-Image dermaßen entgegensteht, wie man es sonst von keiner anderen mythologischen Figur der Populärkultur so kennt (sei es nun Sherlock Holmes, Bond, Tarzan, Superman, Batman oder was weiß ich was). Dass Lester diese Neu- und Umdefinition einer Populärfigur vorgenommen hat, lange bevor es Mode wurde und zur Masche geriet, und dass er dabei seiner Figur trotdem nicht die Würde raubte, weil er Robin als einen äußerst sympathischen und humorvollen, wenn auch reichlich naiven Charakter zeichnete, das kann man ihm nicht hoch genug anrechnen.

Zweitens macht es der Film aber auch den Fans seiner Stars nicht leicht. Ich gebe zu, dass es bei mir einem rechten Schock gleich kam, als ich diesen Film das erste Mal sah, in der Phase meines gerade erst entfachten Connery-Fandoms. Durch einige Standfotos war ich auf die - vorsichtig ausgedrückt: ungewöhnliche - Optik von Connery einigermaßen vorbereitet gewesen, aber DAS hatte ich denn nun doch nicht erwartet. Sobald ich aber den Anfangsschock überwunden hatte, konnte ich mich dem irgendwie sehr humanistischem Charme des Films nicht entziehen. Zudem ist das spartanische setting des Films von einer eigentümlichen Schönheit, die nichts mit der gekünstelten, betont hässlichen Ausstattung von DER NAME DER ROSE gemein hat.

Ich glaube, außer Audrey Hepburn wussten die meisten Beteiligten, worauf sie sich bei diesem Projekt einließen und sie ließen sich auch von der verhaltenen Publikumsresonanz nicht aus der Ruhe bringen. Jedenfalls zählte Connery diesen Streifen zu seinen Lieblingsfilmen, den Robin zu seinen Lieblingsrollen und war von der Zusammenarbeit mit Lester sehr angetan. Anders lässt sich auch gar nicht erklären, dass er sich ein paar Jahre später auf das CUBA-Debakel eingelassen hat (das dann leider das Ende der Freundschaft zwischen Connery und Lester markierte).

Stefan der DEFA-Fan



Beiträge: 14.845

14.11.2015 08:42
#32 RE: Unterbewertete Filme eines Regisseurs, die ihr toll findet Zitat · antworten

Zitat von John Connor im Beitrag #31
Dass Lester diese Neu- und Umdefinition einer Populärfigur vorgenommen hat, lange bevor es Mode wurde und zur Masche geriet, und dass er dabei seiner Figur trotdem nicht die Würde raubte, weil er Robin als einen äußerst sympathischen und humorvollen, wenn auch reichlich naiven Charakter zeichnete, das kann man ihm nicht hoch genug anrechnen.

Das liegt daran, dass Lester ein intelligenter Künstler war und etwas Eigenes schuf und nicht eine klassische Figur in ein modisches Schema drosch in dem Irrglauben, damit etwas Originelles zu tun (oder gar zu schaffen).
Ich schätze jedenfalls den Film auch sehr, gewissermaßen auch als wahren dritten Teil zu den Musketier-Filmen - eine gerade Linie von der verückten Komödie zur Melancholie.

Gruß
Stefan

berti


Beiträge: 17.492

26.11.2015 08:54
#33 RE: Unterbewertete Filme eines Regisseurs, die ihr toll findet Zitat · antworten

Nach vielen Jahren Pause habe ich mir diesen Film (angeregt durch die Kommentare) noch einmal angesehen. Dem bereits Geschriebenen habe ich kaum noch etwas hinzuzufügen, allenfalls einige Anmerkungen:

Zitat von fortinbras im Beitrag #30
Beachtenswert die Demontage der Figuren, die alle menschlich greifbar werden und teils sympathisch sind. Die Sympathieträger anderer RH-Filme sind indes durchaus ambivalent: Richard Löwenherz ist hier ein unberechenbarer, neurotischer und halb irrsinniger König, der seinen Zenit schon längst überschritten hat.
(...)
Keiner der Stars wird hier wie ein Star inszeniert, im Film ist kein Platz für glamouröse Auftritte. Sean Connery ohne Toupet mit ungepflegtem naturgewachsenen Bart, voll Spielfreude und mit allen Zeichen des gealterten Helden naturalistisch bis zur Schmerzgrenze. Audrey Hepburn praktisch ohne Schminke in einer raren Charakterrolle - leider sagte ihren Fans dieser Film nicht zu, weswegen sie selbst später auch auf Distanz ging. Robert Shaw als ausnahmsweise glattrasierter Sheriff von Nottingham ist eine hochinteressante Figur: er ist vernünftiger als Robin Hood, beinahe friedlicher gesinnt und hat nicht wirklich Lust, der ewig Böse zu sein. Shaw ist ein ebenbürtiger Gegner für Connery. Richard Harris als Löwenherz spielt eine seiner allerbesten Rollen. Fast jeder Part ist mit einem echten Charaktergesicht besetzt, für die glatte Schönheit des Mainstreamfilmes ist hier kein Platz.

Im Falle von Connery waren der zerzauste Bart und der Verzicht auf das Toupet sehr passend, zumal er dadurch erheblich älter wirkt, als er damals war (was zur Rolle passt). Schmunzeln musste ich über die Stelle, in der der von Robert Shaw (*1927) gespielte Sheriff Connery (*1930) und Nicol Williamson (*1938) kopfschüttelnd als "zwei alte Männer" bezeichnet. Durch sein glattrasiertes Gesicht wirkt er allerdings wiederum jünger als sein Gegenspieler. Die Besetzung mit Shaw lässt eigentlich einen klassischen Bösewicht erwarten (beim Sehen fiel mir übrigens auf, dass er und Horst Frank vom Gesicht her Parallelen hatten), aber wenn man seine Auftritte isolieren würde und nicht wüsste, wer sein Gegenspieler ist, würde man wahrscheinlich nicht daran zweifeln, dass der Sheriff ein ehrenwerter Mann und Vertreter der guten Sache sei.
Audrey Hepburn wirkt hier trotz des Nonnengewands absolut "greifbar", sie bei ihrem ersten Auftritt fluchen zu lassen, sollte sicher von vornherein das Entstehen einer Aura verhindern. Auch dürfte es der einzige Film sein, in dem eine von ihr gespielte Figur nicht überlebt. Das Ende hat mich beim ersten Sehen absolut überrascht (viele andere Zuschauer dürften sogar schockiert gewesen sein), rückblickend wirkt es nur konsequent und lässt den Film beim zweiten Mal noch melancholischer wirken. Die alternative Musik kenne ich nicht, kann mir allerdings vorstellen, dass viele Szenen (besonders der Schluss, aber auch viele der romantischen) mit einer anderen Untermalung leicht zu verkitschen wären.
Der Entmystifizierung diente sicher u. a. auch die Szene, in der Robin einen ihn zum Duell herausfordernden Kämpfer kurzerhand zwischen die Beine tritt. Butch Cassidy hatte das in einer ähnlichen Situation in "Zwei Banditen" auch getan, aber der war eben keine Heldenrolle mit jahrhundertealter (!) mythischer Aura.
Angesichts der Figurenzeichnung ist man natürlich gespannt, wie die Vorgeschichte DIESES Robin Hoods zwanzig Jahre früher war!
Dass der Film vom selben Regisseur wie der Musketier-Zweiteiler stammt, merkt man wirklich. Allerdings schaudert mich der Gedanke, es hätte ihn eine Synchronisation im Stile der "Vier Musketiere/Vier Halunken der Königin" erwischt (manche Szenen hätten sich dafür sicher angeboten)!

fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

26.11.2015 09:46
#34 RE: Unterbewertete Filme eines Regisseurs, die ihr toll findet Zitat · antworten

Michel Legrand hatte sich eine intellektuelle Version des Stoffes erwartet und an einen Film gedacht, der im Stile von Bergmans "Das siebente Siegel" daherkommt. Bei seinem Score orientierte er sich an der gemeinsamen Leidenschaft mit Richard Lester für den Komponisten Schostakowitsch.

Die Musik Legrands ist sehr gut, sie hätte den Film keinesfalls verkitscht. Nur hätte sie ihn wohl stark abgekühlt, denn die Musik ist eher depressiv, denn melancholisch. Legrand hat jedenfalls nicht begriffen, dass Melancholie und ein Hauch von Sentimentalität für diesen Film etwas wie ein Lebenselixier ist. Da sollen dann die Fetzen geflogen sein, Legrand ist ja angeblich einer, der keinen Zweifel an seiner Genialität aufkommen läßt.

Das hat mich übrigens auch immer interessiert: wie haben wohl die vergangenen Abenteuer dieses Robins ausgesehen? Schade, dass es da nie einen Film gab und ihn später nachzureichen, das hätte wenig Sinn ergeben. Vielleicht ist aber auch das einer der besonderen Reize dieses Filmes.

berti


Beiträge: 17.492

12.04.2016 15:33
#35 RE: Unterbewertete Filme eines Regisseurs, die ihr toll findet Zitat · antworten

Geht es um Alec Guinness´ und dessen wichtigste Rollen geht, fallen den Meisten (je nach Geschmack) sicher Filme wie "Die Brücke am Kwai", "Der kleine Lord", "Adel verpflichtet" oder auch "Star Wars" ein. Abgesehen von "AV" dürften seine frühen Rollen heute kaum noch im Bewusstsein präsent sein, obwohl er zu Beginn viele Komödien drehte. In der Übergangsphase vom Komödianten zum (überwiegend) "ernsthaften" Charakterdarsteller stand die Rolle des Kardinals in "Der Gefangene", mit der er damals für Aufsehen sorgte. Obwohl er dieser Rolle viel verdankt haben dürfte, scheint sie im heutigen Gedächtnis wenig präsent zu sein, den Film bekommt man kaum noch zu sehen. Aber immerhin ist er auf DVD verfügbar, so dass man erleben kann, wie Guinness und sein Partner Jack Hawkins hier in einem relativ kurzen Werk alle Register ihrer Schauspielkunst ziehen und ein Feuerwerk an Nuancen und Zwischentönen bieten, wobei sie keineswegs dick auftragen, sondern beide ungeheuer subtil spielen.
Der Vorlage ebenbürtig sind Wilhelm Borchert und Arnold Marquis, die alles geben, siehe hier:Synchron-Sternstunden (19)
Dass Marquis neben Kubricks "Dr. Seltsam" gerade diese Rolle als die liebste unter seinen Synchron-Arbeiten nannte, obwohl es sich um einen kaum bekannten Film handelt, sagt angesichts der enormen Masse seines Gesamtwerks viel aus!

Pip


Beiträge: 362

28.04.2016 06:48
#36 RE: Unterbewertete Filme eines Regisseurs, die ihr toll findet Zitat · antworten

Bei DIE NACHT DES LEGUANS kann ich nur voll zustimmen: defenitiv eine der besten Rollen von Richard Burton und ein absolut gut inszinierter, stimmungsvoller Film. Schade nur, dass Burton ausgerechnet hier nicht von Holger Hageen, sondern von Hoffmann gesprochen wurde (der seine Sache aber auch sehr gut macht).

Ein weiterer, völlig zu unrecht unterbewerteter und fast vergessener Film ist meiner Meinung nach KENNWORT MORITURI von Bernhard Wicki.
Mit seinen stimmungsvollen s/w Bildern , einer grandiosen Kamerarührung und einem erstklassigen Spiel von Marlon Brando, Yul Brynner, Hans-Christian Blech und Martin Benrath hat Regisseur Wicki wirklich etwas ganz besonderes geschaffen.

Der Film fiel damals (vermutlich aufgrund seiner pessimistischen Grundstimmung) beim Publikum durch und nur wenige Kritiker waren anderer Meinung.

Die Synchro ist ebenfalls erstklassig: Harald Juhnke auf Brando spielt hervorragend und überzeugt sowohl in der, anfangs sehr blasierten und versnobbten Art, als später auch in der ernsten, verzweifelten Spielweise von Brando. Klaus Miedel auf Yul Bryanner ist ebenfalls hervorragend (vor allem in der Suff-Szene "Heil Kannibalen") und die deutschen Schauspieler sprechen sich auch alle selbst.
Ob Wicki persöhnlich die Synchro beaufsichtig hat, ist mir nicht bekannt. Allerdings weiß man ja vom EXORCIST, das er da sehr penibel gearbeitet hat und daher ist zu vermuten, dass er bei seinem EIGENEN Film noch mehr hinterher war, dass der Film "anständig" eingedeutscht wird!

Für mich jedenfalls defenitiv einer der absolut unterbewerteten, filmischen Highlights der 60er Jahre!

Silenzio
Moderator

Beiträge: 20.458

28.06.2016 20:41
#37 RE: Unterbewertete Filme eines Regisseurs, die ihr toll findet Zitat · antworten

Direkt unterbewertet trifft es vielleicht nicht ganz, aber ZODIAC führt durchaus ein Schattendasein in der Filmographie von David Fincher. Dabei hat er eigentlich alle Zutaten, die ein Film braucht: der authentische Fall wurde akribisch rekonsturiert, bietet eine starke Besetzung und ist wunderschön inszeniert und fotographiert, inkl. einigen denkwürdigen Kamerafahrten. Trotz seiner langen Laufzeit von 162 Minuten vergeht die Zeit irgendwie im Flug. SIEBEN ist sicherlich auch über jeden Zweifel erhaben. Aber den anderen Serienkiller-Film finde ich vergleichsweise um einiges interessanter. Könnte vielleicht daran liegen, dass der eben auf wahren Tatsachen basiert und so eine ganz eigene Atmosphäre schafft. Beginnt schon mit der Eröffnungsszene, wo die Kamera langsam durch die amerikanische Kleinstadt gleitet. Und nie wurde Musik innovativer eingesetzt als hier. Man denke nur an die erste Mordszene - seit dem Film ist "Hurdy Gurdy Man" von Donovan für mich nicht mehr der selbe und jagt mir nun jedes Mal einen Schauer über den Rücken, wenn ich ihn höre.

berti


Beiträge: 17.492

14.10.2016 14:56
#38 RE: Unterbewertete Filme eines Regisseurs, die ihr toll findet Zitat · antworten

Der französisch-amerikanische Regisseur Jacques Tourneur hat einige Filme gedreht, die Klassiker wurden, aber "Ruhe Sanft GmbH" scheint nicht dazu zu gehören. Komischerweise fertigt William K. Everson dieses Werk in seinem Buch "Klassiker des Horrorfilms" knapp als "schwerfällige Burleske" ab, die "Tourneurs Unfähigkeit zur Parodie" beweise. Als ich diesen Film (durch das "Lexikon des Horrorfilms" von Hahn und Jansen sowie Bräutigams Buch neugierig geworden) 2001 erstmals sah, war ich erstaunt, dass dieser Film als schwarze Komödie nicht einen ähnlichen Kultstatus wie "Arsen und Spitzenhäubchen" oder "Ladykiller" genießt. Eine herrliche Besetzung, Spielfreude pur und unvergessliche Dialogstellen. Besonders komisch wird es natürlich, wenn man (was bei mir erst später kam) einige von Roger Cormans Poe-Adaptionen gesehen hat, deren Bauten, Atmosphäre, Figurenzeichnung und Besetzung hier teilweise wiederholt wird, nur eben in einem komischen Kontext, der bei Corman so allenfalls in der Episode "Die schwarze Katze" vorhanden war.
Die deutsche Fassung ist ein Fall für sich, besonders Friedrich Schoenfelder zieht alle Register seines komödiantischen Talents, aber auch Margot Leonard, Robert Klupp und Alfred Balthoff sind in dieser Hinsicht nicht zu verachten. Das Sahnehäubchen bieten aber sowohl Basil Rathbone (der komischerweise im Nachhinein nicht auf diesen Film angesprochen werden wollte) und Klaus W. Krause: Eine Kombination, die sich auf dem Papier sehr merkwürdig liest, aber beide beweise gleichermaßen beim theatralischen Rezitieren von "MacBeth"-Monologen (absichtliches) Schmierentheater in Reinkultur.
Natürlich könnte man diese Lobeshymnen auch bei den "Sternstunden" unterbringen, aber dort wurde sie bereits früher ähnlich formuliert. Und in diesem Fall ist der Film an sich bereits komisch genug und hätte eigentlich das Potential zu einem Klassiker gehabt.
Immerhin liegt er auf DVD vor!

Stefan der DEFA-Fan



Beiträge: 14.845

14.10.2016 15:00
#39 RE: Unterbewertete Filme eines Regisseurs, die ihr toll findet Zitat · antworten

Das Hauptproblem bei diesem Film ist wohl, dass er nicht typisch für Tourneur ist. Ohne das entsprechende Vorwissen hätte ich ihn ohne jeden Abstrich Roger Corman zugeordnet - und tatsächlich passt er stilistisch perfekt in seine Poe-Reihe, während er in Tourneurs Oeuvre eine Ausnahme darstellt. So wird er wohl entweder nicht als sein Werk registriert oder gar unter der Hand Corman zugeschrieben. Ob da etwas Wahres dran ist (die mächtige Hand Spielbergs ist ja in "Poltergeist" bspw. deutlich zu spüren), vermag ich nicht zu entscheiden.
Dass Kritiker ärgerlich darauf reagieren, wenn ein Kunstfilmer (Tourneur gilt ja als solcher unter den Horrorregisseuren) sich zum "Trivialen" wendet oder gar vom Produzenten beeinflussen lässt, mag zwar blasiert sein, aber der Regelfall.

Gruß
Stefan

berti


Beiträge: 17.492

14.10.2016 15:05
#40 RE: Unterbewertete Filme eines Regisseurs, die ihr toll findet Zitat · antworten

Leider fehlt mir in dieser Hinsicht das Hintergrundwissen, aber kurz kam mir der Verdacht, dass das Drehbuch vielleicht ursprünglich für Corman geschrieben wurde und dieser verhindert war.
Aber das ist eine reine Spekulation.
Vermute ich richtig, dass du (auch angesichts deiner früher geäußerten Begeisterung für die deutsche Fassung) diesem Film ebenfalls eine größere Bekanntheit wünschen würdest?

Stefan der DEFA-Fan



Beiträge: 14.845

14.10.2016 15:32
#41 RE: Unterbewertete Filme eines Regisseurs, die ihr toll findet Zitat · antworten

Auf jeden Fall.
Durchaus denkbar, dass der Film ursprünglich in die Poe-Reihe integriert werden sollte, aber dann quasi als ABM für Tourneur (dessen letzter Film es ja war) diente.

Gruß
Stefan

John Connor



Beiträge: 4.883

14.10.2016 17:58
#42 RE: Unterbewertete Filme eines Regisseurs, die ihr toll findet Zitat · antworten

In Chris Fujiwaras Tourneur-Monographie kommt dessen vorletzter (!) Film bis auf die letzten 15 Minuten und die Leistung von Rathbone auch nicht besonders gut weg.

Laut Fujiwaras Recherchen war Corman definitiv nicht beteiligt an THE COMEDY OF TERRORS. Tourneur selbst scheint ein ambivalentes Verhältnis zum eigenen Werk gepflegt zu haben. In einem zeitgenössischen Interview grenzt er seinen Film noch positiv von Cormans Poe-Zyklus ab: dessen Filme hätten eher ein jugendliches Publikum adressiert, er hingegen richte sich an ein erwachsenes Publikum; er bezeichnet seinen Film als eine zynische Komödie in der Tradition des späteren Rene Clair. Dabei versäumt es aber auch nicht, die ablehnende Haltung seines Bekanntenkreises sowie die seiner Frau zu zitieren: „‘We don’t like this film at all. … It’s not you! Why did you do it?‘“
Einige Jahre später mag Tourneur dann gar nicht mehr über diesen Film sprechen, außer dass er selbst damit nicht zufrieden wäre, obwohl die erste Drehbuchfassung brillant gewesen sei. Richard Matheson, der Drehbuchautor, widerspricht Tourneur allerdings dahingehend, dass Tourneur diese Drehbuchfassung Wort für Wort umgesetzt habe. Er vermutet, dass Tourneur wohl von einigen Darstellerleistungen nicht angetan gewesen sei.

berti


Beiträge: 17.492

15.10.2016 11:56
#43 RE: Unterbewertete Filme eines Regisseurs, die ihr toll findet Zitat · antworten

Danke für diese Informationen!

Pöser.Purche


Beiträge: 142

16.11.2016 22:27
#44 RE: Unterbewertete Filme eines Regisseurs, die ihr toll findet Zitat · antworten

Ich liebe den Film ISHTAR von der allerersten Kinosichtung an über Alles. Der eigensinnige Stil und Humor "hatte mich" sofort, die herrlich trottelig schräg und gar fürchterbar "singenden" Warren Beatty und Dustin Hoffman alias Simon und Garfunkel für gaaaanz Arme, das blinde Kamel, die CIA-Geschichte mit Charles Grodin, hach, ich könnte glatt wieder ins Schwärmen geraten. Die Produktion dieses Filmfiaskos war für alle Beteiligten ein Alptraum und die größenwahnsinnige Regisseurin trieb hier das Studio in den Wahnsinn.
Aber, ich liebe ihn. Eine damalige Freundin und ich beömmelten uns vor Lachen derart im Kino, daß wir aus den Sitzen rutschten. Eine meiner besten KINO-Erfahrungen EVER!
Tolle Synchro auch.

Nyan-Kun


Beiträge: 4.897

20.05.2019 22:59
#45 RE: Unterbewertete Filme eines Regisseurs, die ihr toll findet Zitat · antworten

Peter Farrellys Klamotte Dumm und Dümmer dürfte alles andere als ein Kritikerliebling sein und mal ehrlich. Genau das will er von Anfang an nie sein. Der Titel sagt schon was einem da so erwarten wird. Dumme, trottelige Hauptprotagonisten, die aufgrund ihrer Einfältigkeit immer wieder in irgendwelche Schlamassel geraten und am Ende dennoch unbeschadet herauskommen. Die Gags sind flach und bescheuert und dennoch muss ich zugeben, dass ich diesen Film toll finde und auch lustig. Allein die Szene mit dem Motorrad-Cop, der Lloyd und Harrys lächerlichen Hunde-Mobil anhält und schließlich an der von Lloyd zweckentfremdeten Bierflasche probiert, weil er annimmt, dass er es mit einem alkoholisierten Fahrer zu tun bringt mich immer wieder zum lachen.

Trotz der Aneinanderreihung von Dummheiten hat der Film immer noch was sympathisches an sich. Nette Unterhaltungsware, die je nach Humorgeschmack einem viele lustige Momente beschert. Nicht mehr und nicht weniger. Zudem geht der Film nie völlig unter die Gürtellinie, auch wenn es teilweise schon sehr in die Richtung ging. Was ich "Dumm und Dümmer" zugute halten will ist, dass er ehrlich ist und nicht mehr sein will als er eigentlich ist. Da kann so manch Kritiker noch so sehr die Nase bei diesem Film rümpfen. Für die ist der Film sowieso nicht gemacht.

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