Ein Thread, der sicher vor allem fortinbras erfreuen wird... Nein, Spaß beiseite. Aber auch ich schwimme gern gegen den Strom. Hier soll es vor allem um Filme im Gesamtwerk eines Regisseurs gehen, die sich zugegebenermaßen nicht der allergrößten Beiliebheit erfreuen und/oder unterbewertet sind, aber insgeheim vielleicht sogar die besseren Filme sind in der jeweiligen Filmografie.
Sergio Leone - Als allererstes nennen hier wohl die meisten SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD als 'den' Italo Western und Vorzeigefilm von Leone. Ich selbst finde ihn alles andere als toll. Sicher, er hat mit Henry Fonda in überraschend dreckiger Rolle durchaus was. Aber im Allgemeinen kommt der Film sehr langsam in Fahrt. Dazu diese quälend langen Einstellungen und die teils sehr ins klischeehafte abdriftende Musik von Ennio Morricone machen es einem nicht leicht. Ich persönlich schätze da viel mehr TODESMELODIE. Auch ein sehr langes Epos. Aber im völlig anderem Stil. Die extremen Nahaufnahmen auf die Gesichter der Darsteller hat hier Leone natürlich auf die Spitze getrieben, aber es wirkt keinesfall aufgesetzt. Auch Morricone ist besser. Anfangs noch verspielt und komisch (wap! wap!), wird die Musik im Laufe des Films immer tragischer und düsterer und orientiert sich so haargenau an der Handlung. Jenseits vom Italo Western ist allerdings mein Lieblingsfilm ES WAR EINMAL IN AMERIKA. Ein überlanger Film, der aber in keiner Sekunde langweilig wird. Morricone auf dem Höhepunkt seines Schaffens und die Darsteller in Topform. Natürlich echtes Flair nur in der Originalsynchro.
Stanley Kubrick - Nicht etwa 2001, UHRWERK ORANGE oder gar FULL METAL JACKET ist hier mein Liebling. Es ist BARRY LYNDON. Vielleicht Kubricks kühnster Film. Alle Darsteller wirken wahrhaft hypnotisch so wie ein lebendiges Theaterstück. Die Kamerafahrten, die Musik, die Ausstattung - einfach genial. Der Höhepunkt bietet die Verführungsszene, untermalt mit klassischer Musik von Franz Schubert.
Martin Scorsese - Nach BARRY LYNDON nicht sehr überraschend, dass ich bei Scorsese dann ZEIT DER UNSCHULD am besten finde. Auf dem ersten Blick hat er so gar nichts mit den Gangstermythen seiner anderen Filme gemein. Wenn man ihn näher betrachet, vielleicht doch. Und laut Scorsese ist er gar sein brutalster Film. Nicht im gewalttätigen Sinne, sondern aufgrund psychischer Gewalt. Es ist eine sehr harte Gesellschaft. Und Daniel Day-Lewis ist quasi gezwungen auf seine große Liebe Michelle Pfeiffer zu verzichten und aufgrund der Konventionen etc. sein Leben mit Winona Ryder zu verbringen. Eine engelsgleiche, aber auch gleichzeitig langweilige Frau. Aber ein hervorragendes Spiel von der Ryder, die m.E. dafür sogar mit dem Oscar nominiert wurde. Auch erwähnenswert die brillante Arbeit von Michael Ballhaus. Vor allem in der Szene relativ am Anfang des Films, als die Kamera von einem Raum zum anderen gleitet. Aber es sind noch viele andere kleine Details, die den Film ausmachen. Angefangen vom Vorspann, der perfekt von Altmeister Saul Bass gestaltet wurde. Ein Designer, der schon so manchen Hitchcock-Film einen innovativen Vorspann gab (u.a. VERTIGO oder PSYCHO).
fortinbras
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18.10.2015 17:52
#2 RE: Unterbewertete Filme eines Regisseurs, die ihr toll findet
"Zeit der Unschuld" halte ich nicht nur für Martin Scorseses besten Film, es ist auch der einzige in seinem Gesamtwerk, den ich wirklich mag. Natürlich freut es mich auch, dass er ohne Scorseses Stammschauspieler Robert de Niro auskommt, den ich nicht ausstehen kann. Der film hat mich sehr beeindruckt, selbst Winona Ryder zeigt anflüge von Darstellungsgestaltung. Hervorragende schauspielerische Leistungen, eine großartige Geschichte und eine opulente, aber nie in den Vordergrund rückende Ausstattung. Elmer Bernsteins elegisch-melancholische Musik rundet das alles atmosphärisch ab und schafft es dabei, ganz auf Kitsch zu verzichten.
Ansonsten nehme ich mal an, dass ich gelegentlich in diesem Thread vorbeischauen werde...
Hitchcocks Spätwerk nach "Die Vögel" wird ja sehr widersprüchlich bewertet - Filme wie "Marnie" und "Der zerrissene Vorhang" werden von den einen vernichtet, während andere Qualitäten mit der Lupe suchen. Aber ich scheine einer der wenigen zu sein, die "Familiengrab" ausgesprochen hoch einschätzen. Ein würdiges Finale für Hitchcocks Oeuvre, perfekt ausbalanciert zwischen Komik und Spannung, trotz Modernisierugen klassischer Hitchcock-Touch, ohne (wie in "Frenzy") der Mode nachzulaufen; gewürzt mit einer Filmmusik, die das gewisse Etwas besitzt und angemessen den Spuren Herrmanns und Tiomkins folgt. Und weil ich gerade bei Hitchcock bin: "Bei Anruf Mord" Weil der Master of Suspense ihn nach einem populären Bühnenstück drehte, glauben viele, er sei nur ein Randwerk. Blödsinn! In der Beschränkung zeigt sich das Genie und der Film ist ein Lehrbeispiel für jeden, der Hitchcock kennen lernen will. Ein Meisterwerk in jeder Hinsicht. Punkt.
Zitat von Silenzio im Beitrag #1 Sergio Leone - Als allererstes nennen hier wohl die meisten SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD als 'den' Italo Western und Vorzeigefilm von Leone. Ich selbst finde ihn alles andere als toll. Sicher, er hat mit Henry Fonda in überraschend dreckiger Rolle durchaus was. Aber im Allgemeinen kommt der Film sehr langsam in Fahrt. Dazu diese quälend langen Einstellungen und die teils sehr ins klischeehafte abdriftende Musik von Ennio Morricone machen es einem nicht leicht. Ich persönlich schätze da viel mehr TODESMELODIE. Auch ein sehr langes Epos. Aber im völlig anderem Stil. Die extremen Nahaufnahmen auf die Gesichter der Darsteller hat hier Leone natürlich auf die Spitze getrieben, aber es wirkt keinesfall aufgesetzt. Auch Morricone ist besser. Anfangs noch verspielt und komisch (wap! wap!), wird die Musik im Laufe des Films immer tragischer und düsterer und orientiert sich so haargenau an der Handlung.
Bis dahin volle Zustimmung!
Zitat Jenseits vom Italo Western ist allerdings mein Lieblingsfilm ES WAR EINMAL IN AMERIKA. Ein überlanger Film, der aber in keiner Sekunde langweilig wird. Morricone auf dem Höhepunkt seines Schaffens und die Darsteller in Topform. Natürlich echtes Flair nur in der Originalsynchro.
Hier muss ich widersprechen. Überlange Filme fallen mir grundsätzlich immer schwer; dieser speziell war mir definitiv zu lang(weilig). Die ungewohnte Erzählchronologie war mal was anderes, aber mehr auch nicht.
Zu Hitchcocks Früh- wie Spätwerk bin ich bisher noch nicht gekommen; aber der Film, der mir bisher am besten gefallen hat war "Das Rettungsboot", der jetzt ja auch nicht unbedingt zu seinen großen Klassikern zählt.
Wenn du den Begriff "Regisseur" nicht so eng siehst, würde ich auch noch auf mein Spezialgebiet - die Disney-"Meisterwerke" zu sprechen kommen. Jenseits der großen Klassiker gefallen mir hier auch noch die "experimentelleren" Filme ganz gut - sprich, die "Package-Filme" der 40er ("Drei Caballeros", "Make Mine Music", "Musik, Tanz und Rhytmus" und "Die Abenteuer von Ichabod und Thaddäus Kröte) und die Filme der 00er ("Atlantis - Das Geheimnis der verlorenen Stadt", "Lilo & Stitch" und "Küss den Frosch").
Ansonsten war der beste Film, den ich bisher von Peter Jackson gesehen habe "Meet the Feebles" ;-)
fortinbras
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18.10.2015 21:09
#5 RE: Unterbewertete Filme eines Regisseurs, die ihr toll findet
Hitchcocks "Bei Anruf Mord" ist ein qualitativ hochwertiger Film, ebenso wie "Familiengrab", der ein würdiger Abschluss einer ausserordentlichen Karriere ist. Genau überlegt rangieren beide Filme bei mir vor "Vertigo" oder "Der unsichtbare Dritte". In beiden Filmen mag die vielgerühmte Psychologie nicht so stark sein und die Abgründe eine Spur bodenständiger - beides aber sind hochspannende, kompetent gemachte Thriller, die hervorragend unterhalten. Sogar besser als manches Meisterwerk Hitchcocks.
John Williams' Musik für "Familiengrab" ist allererste Klasse und trifft sowohl die Spannung perfekt, wie auch den schwarzen Humor. Das Hauptthema ist ein echter Ohrwurm und ich finde es schade, dass Williams spätestens mit Beginn der 80er in einen Musikmainstream kam, der populär ist und Massen begeisterte, aber er hat kaum jemals noch wirkliche Subtilität und hintergründige Musik geschrieben. "Familiengrab", "Teufelskreis Alpha" und "Dracula" , allesamt aus der 2. Hälfte der 70er, waren Höhepunkte seiner Karriere und leider auch ein wenig der Schlußpunkt wirklicher Gestaltungskunst.
@ Isch:
Gutes Urteil zu "Es war einmal in Amerika". Ich wäre weniger höflich gewesen, weil ich den Film einfach nur stinklangweilig finde und in jeglicher Hinsicht (Schauspieler, Musik, Buch) überschätzt. Sorry, lieber Silenzio!
ES WAR EINMAL IN AMERIKA hat eine großartige erste Hälfte, als die späteren Gangster noch fast Kinder sind. Wenn sie dann erwachsen sind und De Niro aus dem Knast entlassen wird, fällt der Film allerdings sehr stark ab. Ihn als Leones besten Film zu bezeichnen, halte ich deshalb der brillanten ersten Hälfte zum Trotz für übertrieben. - Auch schon bei TODESMELODIE ist die großartige erste Hälfte deutlich besser als die zweite, wenn auch das Gefälle nicht so krass ausfällt wie bei AMERIKA. - SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD wirkt dagegen wie aus einem Guss, den sehe ich mir gern immer wieder bis zur allerletzten Szene an, was mir bei den anderen beiden Filmen mehr und mehr schwerfällt.
Zu Hitchcock lasse ich keine Gelegenheit aus, um zu erwähnen, dass für mich MARNIE sein bester Film ist.
Bernardo Bertolucci ... kennen viele vor allem durch seine Klassiker DER LETZTE TANGO und DER LETZTE KAISER. So großartig beide Filme auch sind, seine wahren Meisterwerke sind für mich zwei andere Filme: DER GROSSE IRRTUM und LA LUNA. Ersterer mit Jean Louis Trintignant als überangepasster Mitbürger ist nicht nur über alle Maßen einfallsreich inszeniert, sondern auch thematisch mehr als interessant; einer meiner Top-Ten-Filme aller Zeiten. Letzterer hat gar keine richtige Geschichte, da wird drauflosfabuliert, das ist eine wahre Freude und könnte stundenlang so weitergehen. Ganz große Klasse!
Pier Paolo Pasolini Ich traue mich ja kaum, es zuzugeben, aber trotz einiger seiner Filme, die einen wirklich in die Knie zwingen wie MAMMA ROMA oder EPIPO RE, mag ich doch ganz besonders seinen GESCHICHTEN AUS 1001 NACHT, der nach etwas wirrem ersten Drittel zu einem traumhaft schönen Film wird, der ohne Beispiel ist.
John Cassavetes ... hat neben seinen selbst finanzierten Filmen wie FRAU UNTER EINFLUSS auch einen Auftragsfilm für die Columbia gedreht, den ich über alles schätze: GLORIA, mit seiner Frau Gena Rowlands in der Titelrolle. Kaum Handlung, unwirkliche Atmosphäre, das packt mich zutiefst. Ist einer meiner absoluten Lieblingsfilme, und zwar von der ersten (schon der Titelvorspann) bis zur letzten Sekunde des Abspanns.
Ist halt alles sehr subjektiv und vielleicht bin ich auch der einzige, der Leones letztes Werk so sieht. Aber ebenso ist für mich SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD alles andere als aus einem Guss.
Alfred Hitchcock MARNIE finde ich auch ziemlich toll. Besonders überzeugend Sean Connery als manischer, ja fast schon gewalttätiger Mark. Die Musik von Bernard Herrmann finde ich stellenweise sehr dick aufgetragen, aber passt wiederum zur wahrhaft hypnotischen Wirkung des Films.
Billy Wilder Nicht die späteren Komödien mit Lemmon/Matthau sind hier meine Favoriten sondern eindeutig DAS VERLORENE WOCHENENDE - die erste ehrliche Darstellung von Alkoholsucht auf der amerikanischen Leinwand. Ray Milland in einer seiner denkwürdigsten Rollen als Alkoholiker. Pier Paolo Pasolini Da finde ich ACCATTONE und DAS 1. EVANGELIUM - MATTÄUS am besten. Vor allem zweiterer überzeugt viel mehr als die Hollywoodschen Schinken über das Leben von Jesus. Die kühne Idee nur Laiendarsteller zu besetzen, war ein Geniestreich von Pasolini.
Bei mir sind es zwei Filme mit einer identischen Grundidee (ein Himmelskörper rast jeweils auf die Erde zu):
Ronald Neame - Er drehte im Jahre 1979 den SciFi-Film "Meteor", der von vielen Kritikern verrissen wurde, zumal die Produktionskosten auf ca. 16 Millionen USD geschätzt wurden, das Einspielergebnis in den Kinos der USA dagegen mit 8,4 Millionen USD nur ca. die Hälfte dieser Kosten wieder einspielte. Ich persönlich finde diesen Streifen mit Starbesetzung und einer richtig guten Synchro sehr unterhaltsam, auch wenn es darin mehrere Logik- bzw. Plausibilitätslöcher gibt, in die der komplette Asteroid reingepasst hätte. Am besten hat mir hier jedoch NICHT "007 Connery" mit seinem GGH, sondern Brian Keith als Dr. Dubov gefallen. Ich frage mich heute noch, woher er so gut russisch sprechen konnte?!?
Ishirō Honda - In seinem SciFi-Streifen "Ufos zerstören die Erde" aus dem Jahre 1962 muss die Erde sogar aus ihrer Umlaufbahn geschossen werden, um der vollständigen Vernichtung durch "Gorath" zu entgehen. Ausgerechnet diese gigantische Trashperle wurde vom Studio 70 München ziemlich verhunzt. Ärgerliche Doppelbesetzungen von Alexander Allerson für gleich zwei Hauptcharaktere und Hannes Gromball für mehrere Nebenrollen trüben aus meiner Sicht etwas den Gesamteindruck dieses trashigen Kultfilms, der zudem in der deutschen Kinofassung drastisch zerfleddert wurde. Trotzdem schaue ich ihn auf DVD in der ungekürzten Fassung immer wieder gerne an!
Zitat von Silenzio im Beitrag #1 Sergio Leone - Als allererstes nennen hier wohl die meisten SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD als 'den' Italo Western und Vorzeigefilm von Leone.
Ich gehe hier mit der Masse der imdb-User und sage, dass wohl eher ZWEI GLORREICHE HALUNKEN der ultimative Leone Film ist. SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD mag ich insbesondere wegen Jaons Robards' overacting nicht, Gleiches gilt im Falle von TODESMELODIE für Rod Steigers enervierende Grimassenschneiderei.
Zitat von Silenzio im Beitrag #1Stanley Kubrick - Nicht etwa 2001, UHRWERK ORANGE oder gar FULL METAL JACKET ist hier mein Liebling. Es ist BARRY LYNDON.
Kostümfilme kommen mir nicht ins Haus bzw. in meine Top-Liste - mit Ausnahme von Western freilich , daher würde BARRY LYNDON nicht den Hauch einer Chance bei mir haben. Mein allerliebster Kubrick ist ein Frühwerk: DIE RECHNUNG GING NICHT AUF - hart, temporeich, originell erzählt, so was wie der freche Bruder vom ASPHALTDSCHUNGEL, aber ich mag RECHNUNG viel lieber als Hustons Klassiker, muss aber zugeben, dass Sterling Hayden im ASPHALTDSCHUNGEL mit Axel Monje den besseren Sprecher hat.
Apropos John Huston: da DER MANN, DER KÖNIG SEIN WOLLTE inzwischen sehr populär ist und auch zu Hustons Meisterwerken gezählt wird, auch wenn er hierzulande eher ein Geheimtipp ist, nehme ich hier DIE NACHT DES LEGUAN - ein wunderbarer Film mit einem schönen, flüssigen Erzählrhythmus und einem Richard Burton in seiner besten und sympathischsten Rolle.
Scorsese ist wahrlich kein Regisseur, der es mir bei diesem Spiel besonders schwer machen würde - ich habe keine sonderlich hohe Meinung von ihm als REgisseur und finde auch nicht, dass die Filmwelt so viel ärmer wäre ohne seine Werke; sollte ich mich aber für einen Scorsese entscheiden müssen, so würde ich wohl SHUTTER ISLAND auswählen.
Zitat von Stefan der DEFA-Fan im Beitrag #3Hitchcocks Spätwerk nach "Die Vögel" wird ja sehr widersprüchlich bewertet - Filme wie "Marnie" und "Der zerrissene Vorhang" werden von den einen vernichtet, während andere Qualitäten mit der Lupe suchen. Aber ich scheine einer der wenigen zu sein, die "Familiengrab" ausgesprochen hoch einschätzen. Ein würdiges Finale für Hitchcocks Oeuvre, perfekt ausbalanciert zwischen Komik und Spannung, trotz Modernisierugen klassischer Hitchcock-Touch, ohne (wie in "Frenzy") der Mode nachzulaufen; gewürzt mit einer Filmmusik, die das gewisse Etwas besitzt und angemessen den Spuren Herrmanns und Tiomkins folgt. Und weil ich gerade bei Hitchcock bin: "Bei Anruf Mord" Weil der Master of Suspense ihn nach einem populären Bühnenstück drehte, glauben viele, er sei nur ein Randwerk. Blödsinn! In der Beschränkung zeigt sich das Genie und der Film ist ein Lehrbeispiel für jeden, der Hitchcock kennen lernen will. Ein Meisterwerk in jeder Hinsicht. Punkt.
Da MARNIE mittlerweile eine totale Umwertung erfahren hat und zu einem von Hitchcocks meistbesprochenen Filmen avanciert ist (und sogar eine Monographie spendiert bekommen hat), nehme ich ihn mal aus. FAMILIENGRAB mag ich auch sehr, wesentlich mehr als FRENZY sogar - zumindest hat er die sympathischeren Charaktere und Darsteller. BEI ANRUF MORD zählt auch zu meinen absoluten Hitchcock-Favoriten (besonders der Segment, wo Milland Dawson seinen Plan erläutert, gehört zu einer meiner Lieblingspassagen im Gesamtwerk von Hitch), aber ich weiß ja nicht, ob man ihn zu seinen unterbewerteten zählen kann - wenn doch, dann nehme ich den auch. Ansonsten hätte ich noch ICH BEICHTE in petto.
Analoges Problem wie bei Hitchcock (wenn auch nicht soo krass): beide haben einfach zu viele Klassiker auf dem Konto. Mit Ausnahme vom SHERLOCK HOLMES-Film kamen seine Filme nach DAS APPARTEMENT ja zuverlässig schlecht weg bei der Kritik - von seinen Spätwerken ist mir AVANTI, AVANTI das liebste. So melancholisch, so sympathisch ist kein zweiter Wilder-Film geraten - und 'Senza Fine' wertet sowieso jeden Film auf.
Von Orson Welles gefällt mir DIE SPUR DES FREMDEN vielleicht am meisten - ein höchst unterhaltsamer B-Film mit sehr interessanter Figurenkonstellation und tollen Darstellern (obwohl Welles selbst etwas übertreibt und bisweilen zu oft seine rechte Augenbraue hebt).
EL DORADO ist vielleicht mein liebster Howard Hawks, aber dass der unterberwertet wäre, kann man wahrlich nicht behaupten (höchstens im Vergleich mit RIO BRAVO - das aber völlig unverdient, wenn man mich fragt), aber daneben gibt es einen Film, den ich immer wieder mit Vergnügen schauen kann und der zudem Silenzios Kriterien doch wesentlich besser erfüllt (und von Hawks selbst auch nicht sonderlich geschätzt wurde): EIN GOLDFISCH AN DER LEINE. Screwball-Komödien mag ich eigentlich überhaut nicht - mit ihren trotteligen männlichen Figuren, ihren hibbeligen, neurotisch-dominanten weiblichen Charakteren, aber wenn diese Rollenschablonen von Rock Hudson und Paula Prentiss ausgefüllt werden, ist das wieder etwas ganz anderes.
Zitat von John Connor im Beitrag #11Mit Ausnahme vom SHERLOCK HOLMES-Film kamen seine Filme nach DAS APPARTEMENT ja zuverlässig schlecht weg bei der Kritik - von seinen Spätwerken ist mir AVANTI, AVANTI das liebste. So melancholisch, so sympathisch ist kein zweiter Wilder-Film geraten - und 'Senza Fine' wertet sowieso jeden Film auf.
Wurde "Sherlock Holmes" von der Kritik seinerzeit nicht auch eher abgelehnt, da man mit einer respektlosen Parodie rechnete? Die Melancholie ist bei diesem Film aus meiner Sicht noch stärker als bei "Avanti" ausgeprägt, auch wenn ich beide gleichermaßen schätze. Daneben gefiel mir auch "Extrablatt": Eher ein Nebenwerk, aber trotzdem mit dem typischen Humor, den man von einer Wilder-Komödie erwartet.
Zitat von berti im Beitrag #12Daneben gefiel mir auch "Extrablatt": Eher ein Nebenwerk, aber trotzdem mit dem typischen Humor, den man von einer Wilder-Komödie erwartet.
Der wiederum gehört für mich zum Schrecklichsten, was Wilder je fabriziert hat*- ich kann zwar generell nix anfangen mit diesem Hecht-Stück, auch nicht in der Hawks-Variante, aber die Wilder-Version ist so richtig öde mit ihrem bemühten Zynismus und Lemmons unkontrollierter Theatralik. Andererseits: in BUDDY, BUDDY ist Lemmon auch kaum zu ertragen, aber den mag ich wiederum doch ganz gern - mehr als das Premake DIE FILZLAUS allemal.
*allerdings kenne ich FEDORA noch nicht - und daran muss sich sobald auch nichts ändern.
Zitat von John Connor im Beitrag #13Andererseits: in BUDDY, BUDDY ist Lemmon auch kaum zu ertragen, aber den mag ich wiederum doch ganz gern - mehr als das Premake DIE FILZLAUS allemal.
Ob es für den Meister ein Trost ist, dass jemand Gefallen an seinem Remake (noch dazu im Vergleich mit dem französischen Original) finden konnte? Denn Cameron Crowe gegenüber bekannte er, den Film aus seinem Gedächtnis gestrichen zu haben, und selbst Karasek äußert in seinem Buch dezente Kritik, wohl wegen Wilders eigener Einstellung zu diesem Werk (Crowe versucht zumindest, selbst diesem noch etwas abzugewinnen).
Clint Eastwoods "Perfect World" würde ich sagen. Ein wirklich grandioser Film, mit einem sehr guten Kevin Costner! Das übrige Ensemble ist sowieso toll und die Synchro auch! Habe über den viel immer nur schlechte Kritiken gelesen, was ich ehrlich nicht wirklich nachvollziehen kann! Regie führte bei der Synchro Lutz Riedel, wenn ich nicht irre!