Zitat von bertiIm Frühjahr/Frühsommer 2001 gab es in der TV Spielfilm einen Bericht zum Thema Synchronisation, in dem auch einige Beteiligte vorgestellt bzw. zitiert wurden. Arne Elsholtz erzählte dort, dass ihn die Callas-Szene in "Philadelphia" emotional so bewegt hätte, dass bis auf den Cutter niemand im Studio sein durfte.
In Sabine Pahlkes "Handbuch Synchronisation" kommt u. a. Martina Treger ausführlich zu Wort. Sie erzählt darin von einem Erlebnis bei den Synchronaufnahmen für "Good Will Hunting" (S. 115). Bei einer Szene, in der Minnie Driver einen Heulkrampf hatte, hätte sie sich auch in einen hineingesteigert, "damit es sich so ehrlich wie möglich anhört". Nach der Aufnahme sei sie auf den Flur gegangen, um sich zu beruhigen. Ein Kollege hätte sie in diesem Zustand gesehen und gefragt: "Martina, was ist passiert? Wer war das? Dem hau´ ich auf´s Maul". Auch bei der Synchronisation von Sharon Stone in "Alpha Dog" habe es eine Szene gegeben, die sie viel "Kraft" gekostet hätte.
Die Interviews aus der Reihe "Die größten Stimmen Hollywoods" sind in dieser Hinsicht eine Fundgrube. Franziska Pigulla z. B. erzählt darin, dass sie für die Aufnahme eines Satzes eine halbe Stunde gebraucht habe, weil darin ein schwer auszusprechender chemischer Fachausdruck vorkam. Sie hätte ihn sich zur Erinnerung aus dem Dialogbuch kopiert. Lutz Mackensy meint, nachdem er Christopher Lloyds hysterische Schreikrämpfe synchronisiert habe, könne er aus seinen "Stimmbändern einen Pullover stricken". Ähnlich stressig fand David Nathan Leonardo DiCaprios Schreianfälle in "Gilbert Grape". Das sei seine "schwerste" Synchronrolle gewesen und habe ihm für einige Wochen "die Stimme ruiniert".
fortinbras
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14.05.2013 11:06
#19 RE: Besondere Erlebnisse bei den Synchronaufnahmen
Marion Degler fand ihre Rolle in "Die Katze auf dem heissen Blechdach" als eine immense Herausforderung. Weil es ein neuer Rollentypus war und Wolfgang Kieling sich absolut "reinsteigern" konnte in eine Synchronrolle, so daß man sich wie auf der Bühne fühlte. Da mithalten zu können, wäre nicht immer einfach. Bei den emotionalen Ausfällen des Brick sei Kieling nachher recht aufgewühlt gewesen und brauchte Ruhe. Aber "man hatte ja ausreichend Zeit dafür."
fortinbras
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17.08.2014 17:48
#20 RE: Besondere Erlebnisse bei den Synchronaufnahmen
In ihren privaten Anekdotenbüchlein erzählt Grete Zimmer von einer speziellen Synchron-Arbeit. Diese fand zwar nicht für einen ausländischen Film statt, aber dennoch paßt es zum Thema.
Die Arthur Schnitzler-Adaption "Das weite Land" (1970) wurde nur in den Innenaufnahmen mit O-Ton gedreht, da trotz aller Bemühungen die Lärmquelle rund um die schönen Locations nicht wegzuschalten war.
Bei der Nachsynchronisation, die etwa ein Drittel des Filmes ausmachte, arbeitete man recht zügig und sehr professionell. Ich schreibe jetzt einfach mal den O-Text ab:
"Wir alle waren sehr rasch, man will ja nach Hause und es war sehr heiß damals im Sommer. Die Synchronarbeit war etwas ungewöhnlich, weil wir nicht alle zusammen im Studio waren, was das Arbeiten schon ein wenig erschwert. Der Aufnahmeleiter war nahe am Nervenzusammenbruch und der Grund war wieder einmal der Herr Fischer, den man ja nicht umsonst den größten Oh-Weh in der Branche nennt. Drei Tage hat er für seine paar Satzeln zum Nachpalavern gebraucht und sich das hundert mal angehört, ob es ja wirklich paßt. Für die szene im Garten, wo er beim Rosenstrauch schnüffelt und drei Wörterln sagt, hat er beim Drehen ja schon den Beauvais (Anmkg: Regisseur Peter Beauvais) narrisch gemacht, weil das länger als vier Stunden gedauert hat, bis der Oh-Weh in Stimmung war. Dann hat man umleuchten müssen, weil sich das Wetter ja nicht den Anweisungen des Rescheissers zu fügen pflegt, schon war der Herr nimmer in Stimmung. Im Tonstudio hat er für die selbe Szene immerhin nur eine Stunde gebraucht zum Synchronisieren. Der Michi Heltau und ich haben dem Wolfgang (so muß der Tonmeister gheissen haben, Anmk) dann beglückwünscht, daß er jetzt alles vorbei hat, aber er war keineswegs erfreut. Weil der Oh-Weh nämlich für den nächsten Tag sein Erscheinen angekündigt hat, daß er schauen muß, wie sich die von ihm nachsynchronisierten Stellen mit der Stimmung der anderen diesbezüglichen Tonstellen vertragen. Was für ein Glück, daß der fischer kein internationaler Star wurde, da hätt die Synchronbranche wohl bald die Arbeit eingestellt. Oh-Weh, Oh-Weh!"
Dasie offenbar mit Michael Heltau dort war, der auch mitspielte, wurde das entweder in Folge aufgenommen oder sie irrt sich mit dem "X-en".
Zitat von berti im Beitrag #5In seinen Erinnerungen ("Ich war doch immer Ich") erzählt Friedrich Schoenfelder von einem Chargenspieler, der gelegentlich für markante Nebenrollen geholt worden sei und den man wegen seiner Nase "Nasenmüller" genannt habe. Bei den Synchronaufnahmen für eine Szene habe der Synchronregisseur Müller mehrfach darauf hingewiesen, dass im Original an einer stelle eine Sprechpause sei. Nachdem dieser den Hinweis mehrfach ignoriert worden sei, habe der Regisseur gefragt: "Sehen Sie denn diese Pause nicht?" "Nasenmüller" hätte geantwortet: "Natürlich sehe ich die Pause. Aber die ist ganz schlecht!"
Ich weiß, solche Eingriffe ins Original (die bei Rainer Brandt ja ständig vorkamen) sind immer ein zweischneidiges Schwert. Hat jemand einen Verdacht, wer "Nasenmüller" gewesen sein könnte?
Die anscheinend unter Schauspielern gern kolportierte Anekdote erzählt Ottokar Runze in dem kürzlich verlinkten Interview aus erster Hand. Er habe den "Nasenmüller" - ein Berliner Schauspieler mit dem bürgerlichen Namen Robert Müller - fürs Probesprechen einer Nebenrolle in "Ben Hur" bestellt, wo es zu dieser Szene kam. Es ging in Runzes Version allerdings nicht um eine Pause, sondern darum, dass Müller ein ganz anderes Tempo anschlug, das überhaupt nicht zu den Lippen passte. Ob Müller letztlich besetzt wurde, also im fertigen Film vorkommt, erzählte Runze leider nicht.
Das sind die wahren Geschichten die unser Geschäft so interessant machen. Nasenmüller gehört dazu....wie viele, viele andere Begebenheiten. Ich lach mich scheckig.......
Wolfgang Kieling hat in seine posthum erschienenen Erinnerungen immerhin ein besonderes Synchronerlebnis aufgenommen, aus seinen frühesten Anfängen (1937):
Zitat von Stationen, Wien 1985, S. 23f.Etwas später werde ich Synchronsprecher für den amerikanischen Kinderstar Freddy Bartholomew in den Hollywood-Filmen "David Copperfield" und "Manuel". Dieser Film "Manuel" hat mich stark berührt, denn der Hauptdarsteller Spencer Tracy spielt einen Fischer, der bei der Reparatur seines havarierten Kutters im Wasser eingeklemmt und schwer verwundet wird. Er weiß, eine Rettung für ihn gibt es nicht mehr. Inständig und lachend, als sei nichts geschehen, bittet er den Knaben, der mit ihm an Bord ist, um ein Messer, angeblich, um sich zu befreien – aber als er es bekommt, begeht er Selbstmord. Und als er nicht wieder auftaucht und der Junge begreift, was geschehen ist, muß ich klagend und wiederholt ins Synchronmikrophon schluchzen: „Manuel! Manuel!“ Lange Zeit kann ich das nicht mehr vergessen.
Schade, dass diese Vorkriegsfassung wohl verschollen ist.
Im Asynchron-Abo gibt es zur 50. Ausgabe ein Interview mit Christian Brückner. Leider erzählt er nicht viel Neues, aber eine kleine Anekdote fiel ihm doch ein: In goldenen Synchronzeiten, vor dem X-en, standen die Schauspieler ja noch gemeinsam vor dem Mikrophon. Oft, wie Brückner sagt, bis zu zehn gleichzeitig. Der Standort hing etwas vom Prestige ab: Die Großen standen vorne; Brückner, damals noch Anfänger, postierte sich in einer hinteren Ecke. Bei einer Arbeit sei es dann vorgekommen, dass er hinter GGH stand. Irgendwann drehte GGH sich um und sagte zu Brückner: "Müssen Sie eigentlich immer so brüllen?"
Anscheinend war der von uns Vielgeliebte tatsächlich keine rechte Frohnatur.
Neulich hat Ekkehard Belle in einem Interview erzählt, dass Hartmut Neugebauer bei Regiearbeiten gelegentlich einschlief. Wenn er (Belle) dann aber spaßeshalber absichtlich falsch betont habe, sei der Regisseur jedoch prompt aus dem tiefsten Schlaf erwacht, um ihn zu korrigieren.
Zitat von Gast im Beitrag #20In ihren privaten Anekdotenbüchlein erzählt Grete Zimmer von einer speziellen Synchron-Arbeit. (...) Ich schreibe jetzt einfach mal den O-Text ab: (...) "...Die Synchronarbeit war etwas ungewöhnlich, weil wir nicht alle zusammen im Studio waren, was das Arbeiten schon ein wenig erschwert."
Interessante Aussage, die heute wahrscheinlich kein/e Sprecher/in mehr machen würde, weil man es gar nicht mehr anders kennt, als dass jeder allein im Studio ist. Schade eigentlich.
Zitat von berti im Beitrag #25Neulich hat Ekkehard Belle in einem Interview erzählt, dass Hartmut Neugebauer bei Regiearbeiten gelegentlich einschlief. Wenn er (Belle) dann aber spaßeshalber absichtlich falsch betont habe, sei der Regisseur jedoch prompt aus dem tiefsten Schlaf erwacht, um ihn zu korrigieren.
Im selben Interview berichtete er auch von den Aufnahmen zu "Radio Flyer", bei denen er eine Figur gesprochen hatte, die zu großen Teilen aus dem Off erzählt. Erst als diese nach einiger Zeit im Bild zu sehen war, sei ihm bewusst geworden, dass er dabei war, Tom Hanks zu synchronisieren.
In einem vor einigen Monaten verlinkten Interview erzählte Helmut Krauss, dass die Konfrontation mit dem Dokumentarfilm "Earthlings", dessen deutsche Kommentare er sprach, ihn persönlich beeinflusst hätten: seitdem lebe er vegan.
Im Gespräch mit der Reihe "Wundervoices" erwähnte Katrin Fröhlich gleich zwei Beispiele, die in diese Kategorie passen: Sie betonte, dass sie eigentlich nicht überzeugend schreien könne, nur einmal sei ihr das (noch als Jugendliche) in einer Synchro gelungen; sie wusste zwar nicht mehr, wie der Film hieß, konnte sich aber erinnern, dass Christian Brückner ihr dabei geholfen hatte. Schon bei früheren Gelegenheiten hatte sie erwähnt, dass sie eine Rolle in dem französischen Film "Rote Küsse" für ihre beste Synchronarbeit halte. Nun ging sie etwas ins Detail und erzählte, dass sie bei den Aufnahmen unter starkem emotionalen Druck stand, teilweise an ihre Grenzen stieß und am Ende absolut fertig gewesen sei.