Ich war nie ein Bewunderer des Schauspielers Ustinov: seine Komik fand ich immer polternd und aufgesetzt anstatt subtil, seine ständig zur Schau getragene Selbstgewissheit und seine Dandy-Parodien gingen mir immer auf den Keks und sein altmodischer Ephraim Kishon-Humor als Talkshow-Gast war auch nie mein Fall – aber es gibt drei Filme mit ihm, die ich hervorragend finde, die ich immer wieder gerne schaue und in denen er mir auch besonders gut gefällt: TOPKAPI, DAS MILLIONENDING und TOD AUF DEM NIL. Auch wenn er nach DAS BÖSE UNTER DER SONNE den Bogen überspannte und Poirot mehr und mehr zur Witzfigur machte, ist und bleibt er vor allem Dank NIL der ultimative Poirot - ein genialer Besetzungscoup, fast so genial wie Rutherfords Miss Marple. Entsprechend finde ich auch Welbat und Niendorf phantastisch auf Ustinov, aber auch den nicht unbedingt naheliegenden Hirthe, weil er Ustinovs übliche Manierismen auf eigentümliche Weise neutralisiert hat – was der Rolle meines Erachtens sehr zu Gute kam.
Obwohl ich Ustinov sehr wohl mag und schätze, kann ich durchaus verstehen und nachvollziehen, was du meinst. Ein gewisser Grad an Selbstinszenierung war schon vorhanden, wobei ich empfand, daß dies ab den 80ern sehr verstärkt auftrat. Deine drei genannten Filme zählen auch zu meinen Ustinov-Favoriten. Besonders "Das Millionending" ist ein bezaubernder Film, allein schon wegen der gezeigten Computertechnik, die heute so steinzeitlich wirkt.
Zitat von fortinbras im Beitrag #33Obwohl ich Ustinov sehr wohl mag und schätze, kann ich durchaus verstehen und nachvollziehen, was du meinst. Ein gewisser Grad an Selbstinszenierung war schon vorhanden, wobei ich empfand, daß dies ab den 80ern sehr verstärkt auftrat.
Mich ist auch aufgefallen, dass er in späteren Jahren immer mehr dazu tendierte, sich selbst zu spielen. Da er in seinen Rollen immer stärker bestimmte mimische und sprachliche Manierismen einbrachte, die er auch bei seinen Auftritten als Entertainer oder Talkshow-Gast kultivierte, konnte man die Rollen kaum noch von seiner Person unterscheiden und als eigenständige Figuren ernstnehmen. Gerade bei den bereits kritisierten Fernseh-Poirots blieb kaum noch etwas von der Vorlage übrig, so dass es (nachdem man die Handlung unbedingt in die Gegenwart verlegen musste) konsequenter gewesen wäre, die Hauptfigur in Ustinov umzubenennen.
Das hast du sehr treffend formuliert, daß man Poirot besser hätte Ustinov nennen können.
Also- "Das Böse unter der Sonne" gefiel mir noch ausgezeichnet, aber das war eine andere Klasse. Die Fernsehadaptionen waren dann schon sehr amerikanisiert und so eindimensional. Ustinov spielte durchaus noch ab und an gut, aber mir fiel eben auf, daß er besonders ab den 80ern dauernd eben sich selbst spielte und seine Charakterisierungen deutlich flacher waren als früher. Er spielte "vergröbert" und Wolfgang Völz machte das dann teils noch eine Spur zuviel mit. Als wirklich fast unerträglich empfand ich Ustinov allerdings nur einmal -in "In 80 Tagen um die Welt", da kam ich mit ihm gar nicht zurecht.
Zitat von John Connor im Beitrag #32Auch wenn er nach DAS BÖSE UNTER DER SONNE den Bogen überspannte und Poirot mehr und mehr zur Witzfigur machte, ist und bleibt er vor allem Dank NIL der ultimative Poirot - ein genialer Besetzungscoup, fast so genial wie Rutherfords Miss Marple.
Allerdings hatten beide "Coups" kaum etwas mit der Vorlage zu tun und das Bild von dieser allzu stark geprägt. Wenn Ustinov "der ultimative Poirot" ist: Was ist mit Albert Finneys Einsatz einige Jahre vor "Tod auf dem Nil"? Ich weiß, du hast Finneys Darstellung mal als "extrem unsympathisch" wirkend bezeichnet, aber es lässt sich doch nicht leugnen, dass diese der Vorlage weitaus stärker entspricht (von David Suchet ganz zu schweigen).
Ich bin zwar nicht gefragt, aber hier kann ich nicht schweigen...
Ustinov gefiel mir als Poirot durchaus, aber es ist eben auch Ustinov selbst, der hier der Rolle seinen Stempel aufdrückt und die Figur mit sich selbst erfolgreich vereint. Finney war sicher der bessere Poirot und näher am Original, wobei für mich lange schon David Suchet die Idealverkörperung des Belgiers ist (das ist wie der Roman-Poirot zum Leben erweckt und wenn sich die Filme neuerdings mehr von den Vorlagen entfernen, so bleibt Poirot doch authentisch). So wie meine unübertreffbare Miss Marple Joan Hickson ist, wobei Margaret Rutherford natürlich eine Welt für sich ist, aber das ist wohl ein eigenes Universum. Die komikhafte Umsetzung der späteren Ustinov-Poirots war aber nicht einen Bruchteil so witzig. Für mich kam, wenn auch "Der Tod auf dem Nil" der bessere Film ist, Ustinov dem "echten" Poirot am Nächsten in "Das Böse unter der Sonne". In "Der Tod auf dem Nil" hat Ustinov aber eine große Aufgabe, nämlich daß er als vergleichsweise ernster und bekümmerter Poirot das teils schrill-schrullige Ensemble, das fast nur aus Typen besteht, zusammenhält und stark kontrastiert. Da gefiel mir das Konzept sehr gut. Beim nächsten Film war Poirot selbst ja dann für den Humor zuständig und die Charaktere gänzlich anders. Bei "...Nil" hat Horst Niendorf es auch sehr behutsam und ernsthaft-väterlich geschafft, einen starken Charakter stimmlich zu bilden. Ich möchte fast sagen, daß dies seine großartigste Arbeit für Ustinov war!
Suchet hat dieses Jahr die letzten 4 Poirot Geschichten gefilmt. Die Verkörperung von Poirot ist sein Lebenwerk. Ich habe ihn letztes Jahr gefragt, warum er verschiedene Schurbärte trägt und er meinte (schien darüber auch verärgert), dass das von der Produktion jeweils festgelegt würde. Er ist aber sonst auch ein toller Schauspieler mit einer unglaublichen Präsens.
da er begeisterter Fotograf ist (sein Großvater war Pressefotograf in London), habe ich ihn gebeten auch von mir ein 3D Foto zu machen und ist recht gut gelungen
Der weitverbreitete Fakt, Suchet hätte nunmehr alle Poirot-Geschichten gefilmt und (s)ein Lebenswerk wäre somit getan, beruht wohl auf einem kleinen Irrtum. Es wurden nun wohl tatsächlich alle Romane verfilmt, auch die Kurzgeschichten an sich sind abgehakt. Allerdings fehlen nach wie vor die miteinander verknüpften Erzählungen über "Die ersten und letzten Arbeiten des Herkules". Zwölf geniale Krimispiele mit griechischer Mythologie, in denen Poirot es seinem Namensvetter gleichtun will. Darum sollte man bestenfalls von einer "nahezu" vollständigen Verfilmung der Christie-Werke sprechen. Und, ok-ist ein Theaterstück, aber "Black Coffee" gäbe es ja auch noch...
Da die zwölf Herkules-Episoden ideal wären für 25 Minuten-Episoden, darf man wohl kaum auf eine Verfilmung hoffen...
Zitat von fortinbras im Beitrag #39Der weitverbreitete Fakt, Suchet hätte nunmehr alle Poirot-Geschichten gefilmt und (s)ein Lebenswerk wäre somit getan, beruht wohl auf einem kleinen Irrtum. Es wurden nun wohl tatsächlich alle Romane verfilmt, auch die Kurzgeschichten an sich sind abgehakt. Allerdings fehlen nach wie vor die miteinander verknüpften Erzählungen über "Die ersten und letzten Arbeiten des Herkules". Zwölf geniale Krimispiele mit griechischer Mythologie, in denen Poirot es seinem Namensvetter gleichtun will. Darum sollte man bestenfalls von einer "nahezu" vollständigen Verfilmung der Christie-Werke sprechen. (...) Da die zwölf Herkules-Episoden ideal wären für 25 Minuten-Episoden, darf man wohl kaum auf eine Verfilmung hoffen...
Danke für die Infos und Links. Daß es die "Labours of Hercules" als Film (!!!) gibt, ist mir tatsächlich entgangen. Einerseits habe ich mir jetzt ein Ei gelegt, andererseits hab ich doch halb recht: aus 12 Geschichten kann man unmöglich einen 90minütigen Film machen. Man kann bestenfalls etwas zusammenfügen, aber niemals zwölf Stories. Also mag der Über-Titel zwar verfilmt sein, nicht aber das vollständige Werk von Christies Poirot-Geschichten.
Zitat von fortinbras im Beitrag #27Ustinov hat ja auch eine ganze Menge Stimmen verpasst bekommen im Lauf der Zeit. Von einer gewissen Kontinuität kann man aber so richtig wohl erst in seiner späteren Karriere sprechen mit Bezug auf Wolfgang Völz. Auch wenn manche immer wieder mal kamen, so mangelte es bei Ustinov doch an einer wirklichen Kontinuität.
Bei Ustinov fällt auf, dass ihn zwar verschiedene Sprecher mehrmals hintereinander gesprochen haben, aber meist nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums (drei bis vier Filme). Fritz Tillmann brachte es auf vier Einsätze hintereinander, davon jeweils einer in München und einer in Hamburg. Aber obwohl es sich bei einem dieser Filme um eine Oscar-Rolle handelte, kam Tillmann nach 1961 nie wieder zum Einsatz. Es kann natürlich sein, dass man meinte, seine Stimme harmoniere nicht mehr mit Ustinov immer stärkerer Korpulenz. Alexander Welbat könnte aus gerade diesem Grund besetzt worden sein, brachte es auf drei sehr unterschiedlich angelegte Rollen, kam aber trotzdem danach nicht nochmal an die Reihe. 1976/77 kamen drei Filme heraus, in denen Hans-Dieter Zeidler zu hören war, zweimal unter der Regie von Dietmar Behnke. Bei "Tod auf dem Nil" nahm Behnke dann allerdings Niendorf, der danach noch in zwei bzw. (wenn man den Erzählpart mitrechnet) drei Filmen Ustinov sprach. Obwohl er für den "Dieb von Bagdad" sogar nach München geholt wurde, etablierte auch er sich nicht. Das schaffte erst Wolfgang Völt einige Jahre später und blieb (jenseits von Selbstsynchros) die häufigste deutsche Ustinov-Stimme. Auch Donald Arthur war im Grunde (wenn man von "Rendezvous mit einer Leiche" absieht) "nur" einige Jahre die Münchner Feststimme.
Hallo Berti, du hast hier etwas erwähnt, daß ich auch immer interessant fand-diese kurzfristigen Kombinationen, die dann plötzlich endeten. Einerseits muß man offen sagen, daß bei aller Beliebtheit Ustinov nie DER große Star war, wie man das später gerne darstellte. Selten ging man NUR wegen ihm ins Kino, meistens waren es die gesamten Kombinationen. Es gibt auch vergleichsweise wenige echte Hauptrollen von ihm-er ist da fast so ein "Nebenrollen-Star" wie Robert Morley, der allerdings eine feste Stimme bekam. Aber er war doch immer eine Berühmtheit-also ist mir das Herumbesetzen schon ein wenig schleierhaft. Es war ja auch nicht so wie bei Sellers/Guinness, die dauernd sozusagen mit anderen Gesichtern herumliefen. Offenbar hat er es aber verkraftet-und das Publikum auch!
Ironischerweise könnte es bei Ustinov auch daran liegen, dass stärker als bei anderen Schauspielern seine Originalstimme im öffentlichen Bewusstsein war, der man nahe kommen wollte (ähnlich wie bei Kinski, der ja auch lange Jahre zwischen Martienzen, Maire und Uschkurat pendelte, die alle einem gewissen Teil seiner Originalstimme entsprachen). Das ist natürlich kaum möglich und Völz bspw. ist von allen mehrfachen Ustinov-Stimmen am weitesten entfernt.
Zitat von Stefan der DEFA-Fan im Beitrag #44Ironischerweise könnte es bei Ustinov auch daran liegen, dass stärker als bei anderen Schauspielern seine Originalstimme im öffentlichen Bewusstsein war, der man nahe kommen wollte (ähnlich wie bei Kinski, der ja auch lange Jahre zwischen Martienzen, Maire und Uschkurat pendelte, die alle einem gewissen Teil seiner Originalstimme entsprachen). Das ist natürlich kaum möglich und Völz bspw. ist von allen mehrfachen Ustinov-Stimmen am weitesten entfernt.
Ob man Donald Arthur wohl besetzte, weil er einen Akzentrest mit Ustinov gemeinsam hatte?
Wie würdest du Ustinovs Sprecher insgesamt einstufen, gemessen daran, wie gut sie zu ihm oder zur jeweiligen Rolle passten (den O-Ton und die Nähe zu diesem mal außen vor gelassen)?
Danke für die Infos und Links. Daß es die "Labours of Hercules" als Film (!!!) gibt, ist mir tatsächlich entgangen. Einerseits habe ich mir jetzt ein Ei gelegt, andererseits hab ich doch halb recht: aus 12 Geschichten kann man unmöglich einen 90minütigen Film machen. Man kann bestenfalls etwas zusammenfügen, aber niemals zwölf Stories. Also mag der Über-Titel zwar verfilmt sein, nicht aber das vollständige Werk von Christies Poirot-Geschichten.
Da sich die Serie seit der amerikanischen Produktionsbeteiligung auf Feature Films konzentriert hat, gab es leider kein "Format" mehr für alle Herkules-Geschichten. Immerhin ist die Adaption, die kürzlich erst TV-Premiere in England hatte, ein packendes Closed-Room-Mystery in einem Schweizer Berghotel (der Mantelplot stammt aus der Geschichte "Der Erymanthische Eber"), worin zahlreiche Motive aus den Geschichten zusammengequirlt sind - ähnlich wie man es bei "Sherlock" macht.
"Black Coffee" hat Suchet vor ein paar Jahren als Live-Lesung aufgeführt (wie er auch einige Romane als Hörbuch eingelesen hat). Es soll allerdings nicht verfilmt werden.