Zitat von fortinbras im Beitrag #1Auf seine Art war Felmy immer unbestechlich, oft unbequem und hatte nach seinem Durchbruch nur wenige Fehlgriffe bei der Rollenauswahl. Auch wenn er gerne da und dort auf einer Erfolgswelle mitschwamm, immens erfolgreiche Filme drehte-er verkaufte sich nie inflationär. Meistens auf der Seite der "Guten" zu finden, waren diese aber oft sehr ambivalent, schwach oder mit dem Dasein hadernd. Zu den bemerkenswertesten Rollen zählten der Todeskandidat in "Unruhige Nacht", einem ungeschönten Film zur NS-Zeit. Der Seekadett in "Haie und kleine Fische" war ebenso eindringlich. Beide Filme wurden trotz des Erfolges sehr kritisch beäugt, da sie sich der Heroisierung von Soldaten verweigerten und Militär nicht von Politik trennten-aber Felmy ließ sich nie schubladisieren und trat in einigen Filmen auf, die als brisant galten. Höhepunkte waren definitiv "Wir Wunderkinder" und "Die Buddenbrooks". Als Kommissar war er u.a. In "Der Henker von London", "Das siebte Opfer" und "Der Nebelmörder" zu sehen. Dabei spielte er jede Rolle ganz individuell. Seinen späteren Erfolg als "Tatort"-Kommissar Haferkamp sieht man heute etwas nostalgisch. Damals war der Typ des zurückhaltenden, aber konsequenten, geschiedenen und oft verletzlich wirkenden Ermittlers neu und fast "revolutionär". Ob als rücksichtsloser, seinem Lebensstil zum Opfer fallende Erbe in "Und ewig singen die Wälder", flüchtiger Gewaltverbrecher in "Sonderdezernat K 1" oder als undurchsichtiger Verdächtiger in "Dem Täter auf der Spur"-Felmy konnte auch diese Rollen mit Bravour spielen. Aber so oder so-die meisten seiner Figuren hatten etwas "Verinnerlichtes" an sich, Sensibles, stets menschlich Greifbares. So war seine Rolle im düsteren Heimatfilm "An heiligen Wassern" kein Strahleheld a la Rudolf Lenz oder Adrian Hoven. Und sein DDR-Geheimdienstoffizier in Hitchcocks "Der zerrissene Vorhang" kein augenrollender Finsterling.
Auf den ersten Blick wirken viele von Felmys Rollen brav und fast langweilig, aber auffällig oft kommt es vor, dass diese beim zweiten Sehen interessanter wirken. Gerade "sein" Hans Böckel in "Wir Wunderkinder" wäre ein Beispiel dafür: In vielen Besprechungen wird kritisiert, dass Böckel eine allzu simple Darstellung des "besseren Deutschen" sei. Natürlich hat Robert Graf den weitaus interessanteren Part erhalten, aber trotzdem fällt bei genauerem Hinsehen auf, dass der Film Böckel keineswegs unkritisch darstellt, sondern dessen lange naive, unpolitische und passive Haltung durchaus kritisch sieht. Gegen Ende gesteht er auch selber ein, durch seine Passivität mitschuldig geworden zu sein. "Der Henker von London" ist natürlich in erster Linie aufgrund des Drehbuchs ein Film, der beim zweiten Sehen deutlich interessanter wirkt, aber gerade dann fällt einem auf, dass Felmy hier kein 08/15-Ermittler ist. Selbst in einem ansonsten wenig interessanten Film wie der "Toten aus der Themse" spielt er seine Rolle absolut nüchtern, ohne irgendwelche Versuche, "cool" oder gewollt "charmant" zu wirken, was ein Joachim Kramp als "farblos" empfand. Allerdings liegt es wohl nicht nur an Felmys Spiel, dass dieser Film von seiner Machart und Atmosphäre her eher wie ein früher "Tatort" wirkt.
Zitat von fortinbras im Beitrag #2Felmy war im Synchronstudio kein "Platzhirsch" und da er sich die Sprechparts fast nur danach aussuchte, wie sehr ihm die Rollen gefielen, kam auch keine wirkliche Dauerbeziehung zu stande. (...) Die Auswahl von Felmys Synchronrollen beinhaltet einige hochinteressante Details. Oft waren es Rollen, die selbst er im deutschen Film niemals zu spielen bekommen hätte. (...) Herausragende Sehr interessant war Felmy, dazu gehört auch die Michael Caine-Rolle, wenn er als unerwartete Alternative zum Zuge kam bei Schauspielern, die entweder recht fixe Stimmen hatten oder gänzlich anders besetzt wurden im Regelfall.
Was die anscheinend "wählerische" Art bei den Synchronrollen betrifft, drängen sich hier Parallelen zu Heinz Drache auf. Auch dieser war öfter für Stars zu hören, die normalerweise "gänzlich anders besetzt wurden" oder "recht fixe Stimmen hatten". Ob Felmy sich eventuell sogar gezielt Rollen aussuchte, die von seinem "braveren" und melancholischen Typ abwichen und ihn daher besonders reizten? J. J. Gittes in "Chinatown" z. B. ist zwar ein Ermittler, aber zugleich auch ein eitler, selbstverliebter Stenz mit einer frechen Schnauze, der manchmal vulgär wird. Und Milo Tindle in "Mord mit kleinen Fehlern" ist nicht nur eine Rolle, die (ebenso wie der Widerpart Andrew Wyke) extrem unterschiedliche Stimmungen (vom selbstgefälligen Emporkömmling über das Nervenbündel in Todesängsten bis zum schadenfrohen Sadisten) beinhaltet, sondern auch alles andere als ein "idealer Schwiegersohn" ist, zumal gerade dieser Film von seinen messerscharfen Dialogen lebt, die einen ungeheuer konzentrierten Sarkasmus verlangen. Ein Fall für sich ist Kirk Douglas in "Zwei dreckige Halunken".
Zitat von fortinbras im Beitrag #2Er verlieh besonders dem dynamischen, herrlich jungenhaften Douglas eine Frische, die der damals fallweise schwerfällige Arnold Marquis nicht hätte bieten können.
Ähnliches war mir vor einigen Jahren auch schon aufgefallen:Erfreuliche Abweichungen vom Standard (4) Vorm ersten Sehen konnte ich mir Felmy für Douglas nicht recht vorstellen, nach dem Sehen wiederum war Marquis hier für mich undenkbar. Diese Rolle ist wirklich ein Musterbeispiel für eine Mischung aus frecher Dreistigkeit und einem jungenhaften Charme, der berechnend eingesetzt wird. Marquis hätte sowohl vom Stimmalter als auch vom -volumen her hier einfach nicht mehr funktioniert, obwohl er für Douglas in anderen Rollen noch lange passte.
Zitat von Stefan der DEFA-Fan im Beitrag #6Keine Synchronrollen, aber hervorheben möchte ich sie trotzdem: Winnetou in dem WDR-Hörspiel von 1955, einer der wenigen Glanzbesetzungen in dieser Produktion (wäre sehr interessant gewesen, ihn für Pierre Brice zu hören, auch wenn seine Stimme dunkler war als seine häufigeren Sprecher) und vor allem Hauptmann Beatty in "Fahrenheit 451" - hier stand er in einer Reihe mit exzellenten Sprechern wie Hellmut Lange, Alfred Balthoff, Alf Marholm und Marianne Mosa und durfte seine heftige, explosive Seite zeigen, die so selten zum Tragen kam, das gefährlich Grollende unter der beherrschten Ruhe, das auch in seinem Winnetou anklang.
Noch Jahrzehnte später war er in den ersten Folgen der Hörspielreihe "Professor Mobilux" (die kennen sicher zumindest einige hier noch) als Erzähler zu hören. Seine vertrauenserweckende und "glaubwürdige" Stimme, die aber durchaus auch Sinn für ironische Zwischentöne hatte, eignete sich dafür hervorragend.
Danke, Berti, für deine vielen und sehr interessanten Beiträge.
Felmy mochte ich so immer gerne, aber sein schauspielerisches Talent (vor der Kamera und auch hinter dem Mikrofon) habe ich erst nach und nach wirklich erfasst und begriffen. Ich finde es schade, daß er vergleichsweise wenig synchronisiert hat, dafür bieten sich hier aber einige Glanzstücke an.
Deine Einschätzung zu "Wir Wunderkinder" teile ich. Den Film sehe ich immer wieder gerne an. Darin gibt es eine Menge "schillernder" Charaktere, die mit echten Typen besetzt sind. Da ist die Hauptfigur wirklich beinahe zahm und farblos, aber je öfter man das sieht, umso mehr erkennt man, was Felmy hier eigentlich geleistet hat und wie perfekt er das macht.
Seine Darstellungen in "Haie und kleine Fische" und vor allem "Unruhige Nacht" zählen zu meinen Favoriten. Nicht zu vergessen "Die Buddenbrooks", da ist er ganz fantastisch (und ein Ausgleich zur penetrant fehlbesetzten Lilo Pulver).
"Das Mädchen von gegenüber" ist ein absoluter Top-"Tatort" unter allen Folgen und mMn dem Kultfall "Reifezeugnis" überlegen (die Thematik ist ähnlich). Darin ist Felmy ungewohnt wütend und aufbrausend, schlimmer noch als im "Nebelmörder". Das wirkt bei so einem verhaltenen Schauspieler immer doppelt so stark.
Zitat von fortinbras im Beitrag #24"Das Mädchen von gegenüber" ist ein absoluter Top-"Tatort" unter allen Folgen und mMn dem Kultfall "Reifezeugnis" überlegen (die Thematik ist ähnlich). Darin ist Felmy ungewohnt wütend und aufbrausend, schlimmer noch als im "Nebelmörder". Das wirkt bei so einem verhaltenen Schauspieler immer doppelt so stark.
Die Sache ist ja zudem noch, dass es Felmy zusätzlich gegen den Strich ging, so ungewohnt auszurasten (z.B. Verhörszene mit Jürgen Prochnow). Da bedurfte es großer Überredungskunst von Hajo Gies, der hier Regie führte.
Zitat von fortinbras im Beitrag #1Felmy selbst war eher introvertiert, ein sehr subtiler Schauspieler und nahm bevorzugt Rollen an, in denen er seine eigene Persönlichkeit wiederfand. Eine mir bekannte Schauspielerin bezeichnete ihn einmal als "der deutsche Montgomery Clift"-und das ist durchaus zulässig, bei genauerem Hinsehen sind sich die "typischen" Rollen der beiden ähnlich. Auf seine Art war Felmy immer unbestechlich, oft unbequem und hatte nach seinem Durchbruch nur wenige Fehlgriffe bei der Rollenauswahl. Auch wenn er gerne da und dort auf einer Erfolgswelle mitschwamm, immens erfolgreiche Filme drehte-er verkaufte sich nie inflationär. Meistens auf der Seite der "Guten" zu finden, waren diese aber oft sehr ambivalent, schwach oder mit dem Dasein hadernd.
Im "Lexikon der deutschen Film- und TV-Stars" von Adolf Heinzlmeier und Berndt Schulz wird er ähnlich charakterisiert (S. 94): "Sein natürlicher Charme und die offene, forsche Jungenhaftigkeit in seinen frühen Filmen ging in verhaltene Gelassenheit auf, einer ruhigen Nachdenklichkeit, die Pathetik ausschließt. Seine aufmüpfigen Helden waren keine Traumtänzer, eher unsentimentale Gegenwartstypen, die nicht nur vertrauenserweckend sind, sondern auch so aussehen. Später kam er auf den abgeklärten Skeptiker heraus, einen anständig gebliebenen und distanzierten Helden, der nicht alles mit sich machen läßt und dem keiner etwas vormacht."
Das ist eine sehr zutreffende Charakterisierung, die mir auch wieder einmal zeigt, warum ich ihn so gerne mag.
Einen netten Auftritt hatte er übrigens in einer Raterunde zu Jürgen Rolands "Dem Täter auf der Spur". Als er an der Reihe war, seinen Verdächtigen zu nennen, sagte er den Namen von Horst Frank. Aber anstelle von Ausführungen, warum dies so sei, antwortete er nur: "Weil er immer der Mörder ist!"
Schön das Felmy hier eine Würdigung findet. Für mich sowohl als Schauspieler, erst recht bei seinen Synchronarbeiten oft unterschätzt, da sein Spiel immer eine oberflächliche, einfache Nuance, und eine tiefgehende, besondere Note hat, die nicht jedem gleich auffällt. Wie ich in den jeweiligen Threads schon schrieb gehörte sein Spiel auf Caine, Mc Queen und Nero zu den Sternstunden. Bei allen dreien hätte ich ihn wahnsinnig gerne öfter gehört, bei den beiden letzgenannten wäre er auch ganz klar meine Nr. 1 (ich bin ein Vertreter der These das jeder Schauspieler 3 Standartstimmen haben sollte), bei Caine unter den ersten dreien!!!
Zu der Schimanski Szene die ihm aufstiess: Schimanski verschenkte ein Buch das er von Haferkamp geschenkt bekam mit abwertenden Kommentaren über diesen weiter.
Zu den Hörspielen: er sprach auch ganz famos "Perry Clifton" und "Lord Peter Wimsey"!!!