Ist es wohl ein Zufall, dass Harald Leipnitz gleich in drei Hörspielen nach Werken von Michael Ende ("Jim Knopf und die Wilde 13", "Momo" und "Die unendliche Geschichte") den Erzählpart hatte? Hans Baur hatte ja eine ähnliche Funktion, wenn es um Otfried Preußler ging.
Zitat von berti im Beitrag #20Im Hörspielbereich haben mir besonders seine Leistungen als Erzähler in "Momo" und "Die unendliche Geschichte" gefallen, wo er die teilweise sehr langen Texte trotzdem nie langweilig oder distanziert wirken ließ.
Nachdem ich neulich nach vielen Jahren wieder das alte Momo-Hörspiel erlebt habe, frage ich mich, wie man seine besondere Qualität als Erzähler beschreiben könnte, da diese schon zu meiner Kindheit eine besondere Wirkung zu haben schien. Er "steht" oder "schwebt" nicht über den Dingen, sondern vermittelt den Eindruck, bei den beschriebenen Szenen selbst anwesend zu sein, ohne dabei im Präsens zu sprechen oder akustisch "mitzugehen"; obwohl seine Tonall ruhig bleibt, erzielt er diese Wirkung einfach dadurch, wie er das Geschehen und besonders die Gedanken und Emotionen der Figuren beschreibt. Das Wort "einfühlsam" ist nichtssagend, aber hier trifft es die Sache ziemlich gut. Schade, dass mir keine besseren Worte einfallen! Vielleicht kann jemand Anderes das besser beschreiben?
Du hast das sehr gut beschrieben, das kann man kaum besser machen! Ich kenne das Hörspiel nicht, aber ich weiss, was du mit Leipnitz' Wirkung meinst.
Als Erzähler hörte ich ihn schon, es ist aber auch bei "erzählenden Monologen" in Filmen so, dass man ihm ganz besonders lauscht - weil es immer so wirkt, als wäre man hautnah dabei. Er ist nie der "Märchenonkel", aber einer, der das alles beobachtet hat und jede Regung registriert.
Zitat von fortinbras im Beitrag #48Als Erzähler hörte ich ihn schon, es ist aber auch bei "erzählenden Monologen" in Filmen so, dass man ihm ganz besonders lauscht
Zitat von fortinbras im Beitrag #48Als Erzähler hörte ich ihn schon, es ist aber auch bei "erzählenden Monologen" in Filmen so, dass man ihm ganz besonders lauscht
In welchen Filmen hatte er denn Erzählparts?
Zum Beispiel in "Das verlorene Wochenende" von Billy Wilder, wo man ihn am Schluss hört und er auch so einen "erzählenden Monolog" von sich gibt, der absolut nachvollziehbar ist. Zumindest in dieser Situation, sofern man das glauben darf.
Als richtigen "Erzähler" hab ich Leipnitz auf jeden Fall schon gehört in einem (Fernseh-) Film, mir will nur gerade nicht einfallen wo.
Natürlich sind andere Beispiele abhängig vom Original, das man sieht - aber "erzählende Monologe" unterschiedlicher Art kommen auch in "Nikolaus und Alexandra" vor (wo er als Stimme Rasputins Tom Bakers Original meiner Meinung nach übertrifft), sehr häufig natürlich im Rahmen der Serie "Arsene Lupin", wo aufgrund der Handlung dauernd irgendwelche Geschichten erzählt werden. Natürlich entspricht das dem Original, aber wenn Georges Descrieres als Lupin in verschiedenste Rollen schlüpft und immer wieder mal erfundene Erlebnisse, etc, zum Besten gibt, da ist es in der DF gerade auch Leipnitz, der hier so überzeugend ist, dass man es keiner der handelnden Figuren übel nimmt, diese Geschichten abzukaufen.
In welcher Synchronstadt eigentlich ansässig ? Ich verbinde ihn ja eigentlich mit München, aber er war auch oft in Berlin zu hören. Wohnte er zeitweise in Berlin und zeitweise in München oder pendelte er einfach sehr viel ?
Ich würde ihn schon in erster Linie mit München verbinden. Seine Einsätze in Berlin dürfte entweder solche gewesen sein, bei denen ein Studio in beiden Städten vertreten war oder er aus anderen Gründen (z. B. Dreharbeiten oder Theaterauftritten) gerade vor Ort war.
Mitte der 1950er bis etwa 1960 war Leipnitz hauptsächlich in Hamburg tätig, wenn ich mich nicht irre und hatte hier auch kleinere und gelegentlich größere Synchronrollen. Aber schon damals pendelte er zwischen anderen Städten. Sein Lebensmittelpunkt war ab den frühen 60ern aber definitiv München und dort machte er auch einen Großteil seiner Synchronarbeiten. Allerdings war er durchaus in Berlin und Hamburg zu hören, teils wegen überregional tätiger Firmen, sicherlich aber auch, weil er in diesen Städten regelmäßig Theater spielte und vor der Kamera stand und man sein Können natürlich nicht ungenutzt lassen wollte.
Sein Einsatz für Richard Harris am Anfang von "Robin und Marian" wurde schon dreimal in diesem Thread erwähnt, aber nachdem ich den Film neulich wieder gesehen habe, wollte ich doch noch etwas dazu schreiben: Wie bereits beschrieben, lebt dieser Film davon, die Figuren und Motive des Robin-Hood-Stoffes gegen den Strich zu bürsten. Ein Beispiel kommt gleich zu Beginn, indem der ansonsten als weise und gerecht dargestellte Richard Löwenherz als gemeingefährlicher Wahnsinniger dargestellt wird, der eine Burg niederbrennen und die darin wohnenden Frauen und Kinder töten lässt, um an einen Schatz zu gelangen, den es gar nicht gibt. Als Letzteres schließlich unwiederlegbar feststeht, nimmt er es hin, besteht aber trotzdem darauf, die hinrichten zu lassen, die sich seinem Vernichtungsbefehl widersetzt haben. Während er (historisch korrekt!) an den Folgen einer Pfeilverletzung stirbt, äußert er sich verächtlich über seine Eltern und seine Heimat, in der er nie leben wollte und in der man ihn auch nicht begraben solle. Soweit ich weiß, hatte Richard Harris ansonsten nicht gerade ein "böses" Image, insofern war er bei dieser Rollenanlage ein echter Besetzungscoup. Gleiches gilt für Harald Leipnitz, der einem bei einem Wüterich auch nicht unbedingt in den Sinn käme (allerdings muss er hier nicht toben). Reinhard Glemnitz war bereits für Robert Shaw vergeben, aber z. B. Klaus Kindler hätte sich in München ebenfalls angeboten, wäre aber für Harris nicht ganz so originell gewesen.
Wenn man sich etwas mit dem historischen Richard Löwenherz befasst, dann dürfte man wohl zur Erkenntnis kommen, dass "Robin und Marian" ihn trotz aller Kürze sehr realistisch darstellt - er hatte für England wirklich nichts übrig und bevorzugte den Norden Frankreichs, seine eigentliche Heimat. Er dürfte vermutlich nicht mal die damalige englische Sprache beherrscht haben und war sicherlich, trotz einiger bedeutender Entscheidungen, nicht der Held, als der er uns dauernd präsentiert wird.
Richard Harris war hier ganz hervorragend besetzt und das traf auch auf Harald Leipnitz zu - der hätte diese Rolle wohl auch selbst mit Bravour gespielt. Ich glaube, dass Reinhard Glemnitz (bei aller Schauspielkunst) für diesen Löwenherz fast zu wenig "irrsinnig" geklungen hätte. Zum vernünftig agierenden Robert Shaw passte er viel besser, den hatte er ja schon ganz hervorragend in "Ein Mann zu jeder Jahreszeit" gesprochen.
Leipnitz verschmilzt hier vollkommen mit Richard Harris und die beiden harmonieren so gut, dass es mich wundert, warum diese Kombination nicht öfter zustande kam.
Sogar sein Alter wird hier einigermaßen korrekt dargestellt, da Richard bei seinem Tod 1199 nicht einmal 42 und damit nur wenige Jahre jünger als Harris beim Dreh war. Durch die übliche Darstellung als "weiser, gerechter König" ist man natürlich gewohnt, ihn viel älter wahrzunehmen, als die historische Figur jemals geworden wäre.