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Dieses Thema hat 57 Antworten
und wurde 2.978 mal aufgerufen
 Synchronschaffende
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fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

19.08.2014 23:33
Harald Leipnitz Zitat · antworten

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* am 22. April 1926 in Wuppertal
+ am 21. November 2000 in München

Harald Leipnitz zählte zu den Top-Leuten, die in den 60er-Jahren Film und Fernsehen eroberten. Er war vielseitig, hatte keine Vorbehalte und war kein Snob. Er spielte, was sich anbot und tat dies mit Bravour.

Im Synchronstudio brachte er es nie zum Standardsprecher eines Schauspielers, aber er hat auf einzigartige Weise Spuren hinterlassen.

Geboren wurde der Handwerkersohn in Wuppertal, wo er aufs Gymnasium ging und 18jährig zum Arbeitsdienst herangezogen wurde. Er wurde zum Flakhelfer ausgebildet und diente bis zum Kriegsende noch als Soldat. Sechs Monate war er in Kriegsgefangenschaft.

Nach der Heimkehr war im zertrümmerten Wuppertal nicht an eine bessere Ausbildung zu denken und er nahm an, was es so gab. Durch Zufall kam er in den Künstlerclub "Der Turm", wo er laut eigener Aussage vom letzten Rest NS-Verblendung gereinigt wurde und Theaterblut leckte. Er trat einer Laiengruppe bei und nahm nebenbei Unterricht bei Hans Caninenberg. Von 1948-60 gehörte er dem Wuppertaler Schauspielhaus an, war aber immer wieder in Gastspielen in Hamburg und München zu sehen.

In der zweiten Hälfte der 50er-Jahre begann er auch in Hamburg und bei der IFU erste Synchronrollen anzunehmen, doch erst ab den 60ern sollte er in dieser Sparte deutlich mehr arbeiten.

Vor die Fernsehkameras trat er erstmals 1958. Sein Filmdebut in Will Trempers "Endlose Nacht" wurde gleich ausgezeichnet. Er hatte im Anschluß große Erfolge mit Edgar Wallace-Auftritten, in "Der Ölprinz" und im Fernseh-Straßenfeger "Die Schlüssel". Von nun an war Leipnitz nicht mehr wegzudenken von der Leinwand. Er spielte ohne Allüren in Western, Abenteuerfilmen, Krimis, seichten Komödien und sogar vier der peinlichen "Frau Wirtin"-Streifen. Unangenehm war ihm das nie: "Hauptsache Erfolg, das war mir wichtig! Für die große Kunst war das Theater da!"

Angebote des neuen deutschen Filmes lehnte er ab, das war für ihn eine elitäre "Seifenblasenindustrie". Bis zu seinem Tod war Leipnitz in einer Unzahl von Filmen und Fernsehproduktionen zu sehen und begeisterte vor allem als Spitzbube, Bösewicht oder Abenteurer - zumeist mit Augenzwinkern. Aber auch Charakterrollen meisterte er mit bravour.

Er starb nur 74jährig in München an Krebs und wurde auf seinen Wunsch in Kärnten beerdigt, wo seine zweite Heimat war. Privat war er einmal verheiratet, hatte 25 Jahre eine Partnerin und war Vater dreier Kinder. Sein Leben war ruhiger als die Boulevardpresse es behauptete.

Als Kollege soll er immer sehr generös gewesen sein, fordernd, charmant und lebenslustig, aber er konnte auch unnachgiebig und konsequent sein.

Trotz seiner beachtlichen Film-Karriere fand sich immer Zeit zum Synchronisieren. Auch hier waren es vor allem Spitzbuben und Finsterlinge, die er mit seiner charismatischen, vielseitig einsetzbaren Stimme bravourös gab. Aber er machte auch eine auffällige Zahl an Synchronarbeiten für "Arthaus"-Filme. Zumeist Werke, wie sie in Deutschland kaum hergestellt wurden und die Tiefen und Abgründigkeiten verlangten, die er ganz speziell umsetzen konnte. Ebenso fällt auf, daß er innerhalb seiner Synchrontätigkeit überproportional oft für französische Filme und Schauspieler besetzt wurde.

Die Liste der von ihm synchronisierten Darsteller ist lang und umfasst so unterschiedliche Typen wie Cary Grant und Michel Galabru.

Seine "französischen" Auftritte hatte er u.a. für Alain Delon ("Nur die Sonne war Zeuge"), Claude Brasseur, Maurice Ronet, Jacques Brel, Jean Rochefort, Jean-Pierre Cassel oder drei besondere Leistungen: Georges Descrieres herrlich überdreht in der Serie "Arsene Lupin", Philippe Noiret verzweifelt in "Das alte Gewehr" und Charles Aznavour verstört in "Die Fantome des Hutmachers".

Zu seinen herausragendsten Synchronrollen zählten der von Tom Baker gespielte Rasputin in "Nikolaus und Alexandra" (da bekommt man Gänsehaut!), Ray Milland als Alkoholiker im Delirium in "Das verlorene Wochenende", Richard Harris als langsam infantil werdender, despotischer Löwenherz in "Robin und Marian", Max von Sydow zutiefst philosophisch in "Das siebente Siegel" und natürlich Albert Finney herrlich spitzbübisch in "Tom Jones - Zwischen Bett und Galgen". Leipnitz war prädestiniert für Zwischentöne, die er immer traf: auch in scheinbar einfach gestalteten Rollen.

George Nader, Stewart Granger, Tom Tryon, Don Ameche oder Errol Flynn, Omar Sharif, Tony Curtis, Gene Wilder - Leipnitz deckte ein breites Spektrum ab. Besonders interessant waren auch seine Arbeiten für Robert Mitchum ("Im Fadenkreuz") und einige Altersrollen von Jack Palance.

Leipnitz war noch bis in die 90er-Jahre im Synchronstudio, seinen letzten Auftritt hatte er laut Synchronkartei 1995. Eventuell arbeitete er aber länger. EDIT: Tatsächlich war Leipnitz noch bis ins Jahr 2000 aktiv als Synchronsprecher.EDIT Ende

Mit Ausnahme seiner selbst (er synchronisierte sich offenbar in allen fremdsprachig gedrehten Filmen selbst) dürfte er Omar Sharif am Häufigsten gesprochen haben. Aber auch ohne Fix-Beziehung zu einem Star war sein Potential enorm.

AnimeGamer35


Beiträge: 1.432

19.08.2014 23:35
#2 RE: Harald Leipnitz Zitat · antworten

Jahreszahl zum Todestag wäre auch noch ganz nett ;)

fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

20.08.2014 00:12
#3 RE: Harald Leipnitz Zitat · antworten

Oh, sorry-das war natürlich im Jahr 2000. Werde ich natürlich noch nachtragen.

berti


Beiträge: 17.846

20.08.2014 08:31
#4 RE: Harald Leipnitz Zitat · antworten

Zitat von fortinbras im Beitrag #1
Besonders interessant waren auch seine Arbeiten für Robert Mitchum ("Im Fadenkreuz")

Bisher kenne ich nur "Im Kreuzfeuer".

berti


Beiträge: 17.846

20.08.2014 08:53
#5 RE: Harald Leipnitz Zitat · antworten

Harald Leipnitz fand ich sowohl als Schauspieler als auch als Synchronsprecher faszinierend vielseitig. Obwohl er bereits zu Beginn seiner Schauspielkarriere ein "leading man" war, überzeugt er sowohl in positiven als auch in negativen oder zumindest zwielichtigen Rollen gleichermaßen und wurde auch in allen Bereichen besetzt. In seinem ersten Wallace-Auftritt ("Die Gruft mit dem Rätselschloss") war er überzeugend undurchsichtig, danach sah man ihn zweimal als Ermittler. Sein Inspektor im "unheimlichen Mönch" fällt dabei als nicht nur extrem energisch, sondern zugleich (leider) auch als humorlos auf, was angesichts von Leipnitz´ enger Verbundenheit mit dem Boulevardtheater überrascht.
Bei der Synchronisation fällt auf, dass er über Jahrzehnte hinweg zwar immer wieder zu hören war, aber nie jemanden regelmäßig sprach. Stefan hat mal darauf hingewiesen, dass er auf sehr unterschiedliche Schauspieler passte. Seine Stimme hatte für mich eine interessante Mischung aus Brüchigkeit und Verschmitztheit: Das Brüchige passte bei melancholischen oder bitteren Rollen gut, das Verschmitzte dafür bei komödiantisch-leichten. Zu gerne hätte ich ihn mal für Peter O´Toole erlebt!
Eine meiner absoluten Lieblingsrollen von ihm in diesem Bereich ist Don Ameche in den alljährlich mindestens einmal gezeigten "Glücksrittern": Er überspielt hier nicht nur locker zwanzig Jahre Altersabstand, sondern scheint (wie Ameche im Original) jede Silbe zu genießen, besonders in der Szene, als die beiden Brüder ihr "Experiment" planen ("Ich meine damit den RICHTIGEN ABSCHAUM, RANDOLPH!").
Für Gene Wilder in "Frühling für Hitler" konnte er herrlich hysterisch kreischen und infantil plärren, allerdings auch (in dem Schlussplädoyer vor Gericht) als Kontrast ruhigere Töne anklingen lassen.
Ob er nach den Synchronarbeiten zu "Sein Mädchen für besondere Fälle" Probleme mit seinen Stimmbändern hatte? Angesichts des extremen Sprechtempos in manchen Dialogszenen fürchte ich das, ziehe aber den Hut vor seiner enormen Leistung, das nicht nur zu meistern, sondern es auch noch komödiantisch-leicht wirken zu lassen (wie Grant im Original). Zu gerne hätte ich ihn wenigstens noch einmal als Sprecher für den jüngeren Cary Grant erlebt!
Jack Palance in "Batman" von 1989 war zwar eine relativ kleine Rolle, aber ich finde es bemerkenswert, dass er für diese (in Berlin!) trotz zahlreicher denkbarer Alternativen (Marquis, Chevalier, etc.) besetzt wurde und es schaffte, neben Jack Nicholson/Joachim Kerzel nicht blass zu wirken.

berti


Beiträge: 17.846

20.08.2014 08:57
#6 RE: Harald Leipnitz Zitat · antworten

Zitat von fortinbras im Beitrag #1
Leipnitz war noch bis in die 90er-Jahre im Synchronstudio, seinen letzten Auftritt hatte er laut Synchronkartei 1995. Eventuell arbeitete er aber länger.

Ich nehme an, bei der Rolle von 1995 handelt es sich um G. D. Spradlin als Baptitstenprediger in "Ed Wood"? Auch eine kleine, aber feine Rolle, in der er sich in einer Szene herrlich über das Filmmotiv der Grabschändung entrüstet, da das "Blasphemie" sei.

S.T.O.F.F.E.L. ( gelöscht )
Beiträge:

20.08.2014 09:49
#7 RE: Harald Leipnitz Zitat · antworten

Moment mal, Harald Leipnitz? ---->>> war das nicht der akustische Twin von Herbert Stass? Die hab ich ne Weile über mal verwechselt, wenn sie so für Schwerenöter sprachen.

DIE GRUFT MIT DEM RÄTSELSCHLOSS ist ein eher langweiliger Film, aber er war ein Highlight darin. Bei seinen Kommissaren fand ich den Unterschied spannend. In DER UNHEIMLICHE MÖNCH so dynamisch und klassischer Held, in DIE BLAUE HAND war er doch a bissal sinister, so als könne sich plötzlich er selbst als Mörder herausstellen. So a bissal wie der Dracula mit Sinn für Humor war Harald Leipnitz eigentlich immer. Als Schauspieler gefiel er mir sehr gut in LIESELOTTE VON DER PFALZ. Leider finde ich, dass man sein Bösewichter-Potential in den beiden Karl May-Filmen nicht ganz genutzt hat. Er blieb da seltsamerweise erstaunlich blass, was aber an der Regie lag, denk ich.

Als Synchronsprecher war er in DIE GLÜCKSRITTER toll und für Jacues Brel klang er so, als wäre er dieser. Als Rasputin war er sehr bedrohlich und so überzeugend, dass man beim Ansehen von NIKOLAUS UND ALEXANDRA beinah hypnotisiert wird.

Ich glaub, er hätte zum passenden Schauspieler einen witzigen James Bond abgegeben.

Aber für Stewart Granger kann ich ihn mir einfach nicht vorstellen.

berti


Beiträge: 17.846

20.08.2014 11:28
#8 RE: Harald Leipnitz Zitat · antworten

Zitat von S.T.O.F.F.E.L. im Beitrag #7
Ich glaub, er hätte zum passenden Schauspieler einen witzigen James Bond abgegeben.

Als Jerry Cotton kam er immerhin zum Einsatz.

berti


Beiträge: 17.846

20.08.2014 11:30
#9 RE: Harald Leipnitz Zitat · antworten

Zitat von S.T.O.F.F.E.L. im Beitrag #7
Moment mal, Harald Leipnitz? ---->>> war das nicht der akustische Twin von Herbert Stass? Die hab ich ne Weile über mal verwechselt, wenn sie so für Schwerenöter sprachen.

Für mich persönlich gab es bei Leipnitz eher eine gewisse Ähnlichkeit zu Niels Clausnitzer und zu Sebastian Fischer. In beiden Fällen weniger vom Stimmklang, aber dafür vom Typ her.
Bei Stass hatte ich eher Probleme, ihn von Claus Jurichs zu unterscheiden.

berti


Beiträge: 17.846

20.08.2014 11:34
#10 RE: Harald Leipnitz Zitat · antworten

Zitat von Gast im Beitrag #7
Leider finde ich, dass man sein Bösewichter-Potential in den beiden Karl May-Filmen nicht ganz genutzt hat. Er blieb da seltsamerweise erstaunlich blass, was aber an der Regie lag

... oder auch an den Drehbüchern. Denn beide Rollen waren zwar sehr unterschiedlich angelegt, aber gaben nicht viel her (was bei Karl May keine Seltenheit war). Der "Ölprinz" war eigentlich nur das Stereotyp eines "ölig"-verschlagenen Betrügers, der deutlich härtere Bandenchef in "Old Firehand" bot auch kaum Platz zur Entfaltung.

fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

20.08.2014 12:41
#11 RE: Harald Leipnitz Zitat · antworten

Zitat von Stoffel:

"So a bissal wie der Dracula mit Sinn für Humor war Leipnitz eigentlich immer."

Also, das ist eine sehr liebenswerte Beschreibung seiner Person.

fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

20.08.2014 18:15
#12 RE: Harald Leipnitz Zitat · antworten

Zitat von berti im Beitrag #8
Zitat von S.T.O.F.F.E.L. im Beitrag #7
Ich glaub, er hätte zum passenden Schauspieler einen witzigen James Bond abgegeben.

Als Jerry Cotton kam er immerhin zum Einsatz.



Und der Einsatz für Stewart Granger ging ja auch in diese Richtung...!

Allerdings kenne ich den gar nicht - funktioniert das?

berti


Beiträge: 17.846

20.08.2014 18:35
#13 RE: Harald Leipnitz Zitat · antworten

Ich kenne den Film bisher auch noch nicht.

Silenzio
Moderator

Beiträge: 21.375

20.08.2014 20:34
#14 RE: Harald Leipnitz Zitat · antworten

Bei Harald Leipnitz fällt mir als allererstes Ray Milland in "Das verlorene Wochenende" ein. Hervorragende Interpretion eines desillusionierten Alkoholikers sowohl von Schauspieler als auch Synchronsprecher. Da kann ich mir keinen besseren als Leipnitz vorstellen. Ich kenne vergleichsweise die Fassung mit Paul Klinger nicht, aber Leipnitz hat das hier wirklich sehr gut rübergebracht. Auch im Allgemeinen ein sehr intensiver Film (und wohl einer der ersten Filme, die sich mit dem Thema Alkoholsucht auseinandersetzen) mit einer geradezu vibrierenden Filmmusik von Miklos Rozsa.

Auch gern "gehörte" Rollen sind der verschlagene 'Mortimer Duke' in "Die Glücksritter", die kleine aber doch recht feine Rolle (neben Nicholson) in "Batman" oder der überforderte Lehrer in "The Breakfast Club".

fortinbras ( gelöscht )
Beiträge:

21.08.2014 00:05
#15 RE: Harald Leipnitz Zitat · antworten

"Das verlorene Wochenende" ist tatsächlich eine von Leipnitz' besten Synchron-Leistungen.

Ich finde es, ähnlich etwa wie bei Heinz Drache oder Dietmar Schönherr, die auch alle keine wirklichen "Synchronbeziehungen" hatten, sehr interessant, daß Leipnitz nahezu alle seine Synchronrollen auch selbst hätte in einem Film spielen können. Seine Synchronkarriere ging ganz groß erst los, nachdem er seinen Durchbruch hatte und ich glaube, das gefiel ihm einfach. Man fand doch in der Synchronisation häufig Filme, die man in Deutschland einfach kaum hätte machen können in der kurzen Zeit. So konnte man Vielseitigkeit ausleben - und Leipnitz hat sicherlich vom Geld für seine Synchronarbeiten nicht gelebt, er verdiente sonst ausgezeichnet.

Suchte er sich, ähnlich Heinz Drache, die Rollen einfach danach aus, ob sie ihm gefielen und er sie gerne gespielt hätte im vollen Bewußtsein, daß er auch äußerlich dafür geeignet war?

Ich könnte mir Leipnitz als Kreuzritter in "Das siebente Siegel" vorstellen, ebenso als Alkoholiker in "Das verlorene Wochenende" oder als langsam der Umnachtung heimfallender Löwenherz in "Robin und Marian".

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