HOFFMANN: Herr Albrecht, zum ersten Teil unseres Interviews habe ich als Reaktion darauf einige mails erhalten, sowohl aus den alten als auch aus den neuen Bundesländern, deren Absender dann unsere ONLINE-Ausgabe im Internet lesen, was uns als Regional- Zeitung natürlich erfreut. In den vergangenen Tagen hatte ich Ihnen alle mails zugeschickt, so sparen wir jetzt Zeit und Raum, und Sie konnten sich vorbe- reiten. Wenn Sie z.B. die eine sehr harte Meinung zur DDR gelesen haben, ich zitiere "MAN WUßTE BESCHEID (nicht zuletzt durch eigene Ver- wandte von drüben), DAß ES DORT K E I N E K O N S U M G Ü T E R GAB" ....(Zitatende), regen Sie sich darüber auf, sind Sie zornig ?
ALBRECHT: Ja , das bin ich, aber nicht auf den Verfasser dieser mail, warum, dazu nachher oder ein anderes Mal, aber ich habe Null Verständnis, wenn dort steht , ich zitiere nochmal: ...."NICHT ZULETZT DURCH EIGENE VERWANDTE VON DRÜBEN"...(Zitatende). Entweder wissen diese Verwandten nicht, was Konsumgüter sind, oder sie haben in irgendeinem Wald der DDR gehaust, da gabs tatsächlich keine.... Aber mal im Ernst, eventuell zu viel Ehre für diesen Blödsinn: Daß die o.g. "Aussage" des Mailschreibers nicht stimmt, nicht stimmen kann, weiß er selber, da brauchte er und auch sonst niemand, der 3 Schritte geradeaus gehen kann,nicht zu googlen, was Konsumgüter sind.....
Übrigens, unsere Verwandten aus Duisburg kamen das erste Mal 1981 auf Besuch und dann regelmäßig , so ganz ohne Angst, sonst wären sie ja wohl nicht so oft gekommen. Sie kamen auch mit einem Rucksack voll Vorurteilen hierher, und auch ihnen war ich überhaupt nicht böse, sie hatten ja nie in ihrem Leben etwas anderes gehört. "Sie können ja nichts dafür", dieses Buch vom Kabaret- tisten von der Ostberliner "DISTEL" PETER ENSIKAT (leider schon verstorben) kann ich nur jedem , der an diesem Thema interessiert ist, empfehlen. Ich möchte nun allen, die sich bisher an unserer Diskussion beteiligt haben, danken und würde mich freuen, wenn sie weiterhin und "neue" Interessierte ihre Meinung kundtun. HOFFMANN: Vielleicht wäre es schön, würden Sie auf weiteres aus der Mail des obigen Bürgers aus den alten Bundesländern eingehen, denn er spricht ja auch Wahrheiten an, wenn ich das als "neutraler Vermittler" mal sagen darf.... ALBRECHT: Aber, mein Lieber, es ist doch Ihre Zeitung, da dürfen Sie doch seit 1990 alles sagen !? HOFFMANN: Schön wärs ja. ALBRECHT: Vorsicht, Freundchen, oder ist Ihr Chef in Urlaub ?! Ja, ich hatte eh vor, auf weiteres dieser o.g. interessanten mail einzugehen. Da fiel das Wort DDR= UNRECHTSSTAAT, ich setze das mal nicht in Gänsefüßchen, denn wenn ich das Wort höre, denke ich wiederum an den Begriff AMBIVALENZ. Ja, es tut mir leid, ich bin halt dieser Ansicht! Es war mal so und mal so, das ist sehr unkonkret, ich weiß, vielleicht ist jemand unter den Lesern, der meiner Meinung ist und Beispiele für "mal so, mal so" bringen könnte und mich damit ein bischen entlastet. Gedrückt hab ich mich in dieser Frage jedenfalls nicht, für mich war die Ambivalenz d a s Merkmal. Jetzt zur Angst: Ach, wieder so´n "Ding": Wenn du nix ausgefressen hast, sprich gegen Gesetzte der DDR also nicht verstoßen hast, das sollte man doch wohl voraussetzen , wenn man eine Reise in ein "anderes" Land macht, dann war ANGST völlig unbegründet. Bitte , spucks aus: was hätte dir passieren können, beim Übertritt, beim Aufenthalt in Ost-Berlin und bei der Wiederkehr ? Gut, die 25 DM hat man dir abgeknöpft, aber sonst? Sooooo unwillkommen wart ihr also nicht, immerhin gabs Kohle ins leere DDR-Devisen-Säckle. Wenn du der Ansicht bist, daß man als Westdeutscher (und für uns Ostdeutsche galt das ja auch) in der DDR ins Gefängnis geworfen wurde, ohne daß man gegen die geltenden Gesetze der DDR verstoßen hatte, dann bring doch Beweise, ich meins nur gut mit dir. Ich hatte jedenfalls keine Angst, ich hatte nichts gemacht, wo es Gesetze dagegen gab.... STASI: Wer Stasimitarbeiter in einer kleineren Stadt war, das wußten wir, man kannte die Gesichter. Sie haben hier in meiner Stadt in einem Extra-Wohnblock gewohnt, man sah sie in Betrieben beim Mittagessen (die hatten offensichtlich keine eigene Kantine) , waren immer flott angezogen und waren nun wirklich nicht sehr gesprächig, verhielten sich ruhig; lachen hat man sie kaum gesehen. Etwas außerhalb der Stadt waren ihre "Arbeits"-räume. Das war das, was man hier in der -ich betone nochmal Kleinstadt von rd.8000 Einwohnern (jetzt noch 5-einhalb bis 6)- von der Stasi wahrnahm. In den größeren und Großstädten , in der Anonymität, war es sicher ein bischen anders, hier bei uns passierte nix. Direkt zu tun mit Stasi-Mitar- beitern hatten eigentlich nur Leiter und Halb-Leiter von Betrieben, wenn dort ein schwerer Unfall, evtl. mit Todesfolge geschah (Kleinstadt!!)
Ja, das ist die Wahrheit, das hat mit RELATIVIEREN nichts zu tun. Und ich denke, wir alle , die zum Thema "DDR" sich hier geäußert haben, die einen schon lange, manche erst jetzt, sehen ein, daß eine einseitige Sichtweise zu absolut gar nichts führt außer ganz viele Menschen wieder- mal bitter enttäuscht zurückzulassen.... Jawohl, die Möglichkeiten freier Meinungsäußerungen und die Möglichkeiten, in das Land seiner Wahl(es sei denn, es ging von dem bestimmten Land aus nicht) zu reisen z.B. Urlaub zu machen," waren stark eingeschränkt", ich übernehme" " die Formulierung vom o.g. mail-verfasser.
Alles das gehört mit zur Wahrheit ! HOFFMANN: Danke, bis hierher. Wir führen das Interview natürlich weiter. ALBRECHT: Ich danke I H N E N !
Hallo Filmfreunde ! Wir hatten hier in dieser Rubrik vor mehreren Tagen den US-Spielfilm von 1984 BEATSTREET (Produktion Harry Belafonte) "am Wickel". Prima Film für Sonntagnachmittag, wie ich finde. Der Film wird heute , 5.5.19, auf dem TV-Sender TELE 5 ausgestrahlt, von 15.50 - 17.50 Uhr, allerdings mit 17 Minuten Werbung. Ginge gerade noch... Gruß.hans.
HOFFMANN: Herr Albrecht, wir waren bei den "Eindrücken" stehengeblieben, die Sie persönlich betr. der STASI in Ihrer Kleinstadt erlebt haben. Es wäre gut, wenn wir das Thema abschließen wollen, daß wir einen wichtigen Teil dieser unappetitlichen Sache unbedingt behandeln müssen, das sind die IM, die inoffiziellen oder auch informellen Mitarbeiter der Stasi, die dort nicht fest angestellt waren. ALBRECHT: Wir, das heißt das gemeine Volk, nannten sie nicht IM (das kam erst nach der Wende), sondern Stasi-Spitzel, MfS-Zuträger.... Ja, die Stasi und diese IM (aber nicht alle, dazu viell. nachher)gehören in einen Topf. Bei der Beurteilung der IM kann ich mich wohl kurz fassen, da gibt es ja diesen Spruch: Der größte Schuft im ganzen Land, DAS IST UND BLEIBT DER DENUNZIANT ! Dem Erfindergeist sind bei diesem Thema wenig Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, das Wort "SCHUFT" durch ein anderes nettes Wort zu ersetzen, zumal diese Spitzel auch noch Geld o.a. Dinge bekommen und genommen haben für ihre "Dienste", das ist ja bewiesen. Am wohlsten fühle ich mich bei diesem Interview immer dann, wenn ich aus eigenem Erleben "berichten" kann, denn dann weiß ich, daß es die Wahrheit ist, und ich muß nicht von anderen etwas übernehmen, das ich nicht selbst gesehen und/oder gehört habe. In unserer Kleinstadt war den normalen Bürgern bekannt, wer Spitzel war, ich weiß von "nur" dreien, aber immerhin. Das waren sehr ruhige, unauffällige Menschen. Einer von ihnen war Leiter einer staatlichen Gaststätte, der Abend für Abend hinterm Tresen stand und die leeren Gläser mit Bier, Schnaps u.a. Getränken füllte. Wer aber nun denkt, daß die Kleinstadt- Trinker, dazu gehörten wir Jugendlichen/jungen Erwachsenen auch, dieses Lokal weiträumig gemieden haben, der irrt. Diese Kneipe war abends genauso voll wie die anderen 7 in den 70ern (ja, SIEBEN, liebe Freunde von jenseits der Elbe, und hier wieder eine Bitte von mir, das Gaststättenwesen (das gewiß im "innern", weniger in der Anzahl, verbesserungsbedürftig war) nicht pauschal abzuwerten. Das Wort Pauschalieren wird noch ein großes Thema hier sein, wenn denn mein Herr HOFFMANN es gestattet. Warum "nicht weiträumig gemieden" ? Es war ja allgemein bekannt, daß der Tresen-Mensch nicht ganz "echt" war, und so haben die Kneipengäste eben kritische politische Gespräche unterlassen. Das war möglich, in anderen Kneipen unserer Stadt ist ja auch nicht ständig politisiert worden. Daß das nicht normal war, war und ist uns klar. Aber so war das eben damals, und niemand aus den alten Bundesländern sollte die Nase rümpfen; er sollte überlegen, ob er in unserer damaligen Lage anders sich verhalten hätte. Die anderen 2 MFS-Zuträger waren: ein Lagerist, kam auch mit vielen Menschen zusammen, und ein Abteilungsleiter in einem vergleichsweise (für eine Kleinstadt) großen Produktionsbetrieb von rd.300 Betriebsangehörigen. Mag sein, daß es noch mehr gab. Es ist, und auch das gehört zur Wahrheit und auch das muß gesagt werden, niemand durch diese drei irgendwie "zu Schaden" gekommen. Das wäre publik geworden, und dann hätte das für uns Bürger ganz anders ausgesehen: diese Spitzel hätten sich nicht nur einen anderen Betrieb, sondern gleich noch eine andere Stadt, möglichst weit weg, suchen können, die wären hoffnungslos geschnitten worden. Und das wußten die auch. Nach der Wende ist von den dreien niemand rechtlich belangt worden, auch ein Indiz, das für sich spricht, aber überhaupt keine Entschuldigung meinerseits darstellt. Zum Abschluß noch dies: Nach der Wende ist der Gastwirt und der Abt.-Leiter geschnitten worden, ersterer war 1990 schon Rentner, der zweite wurde arbeitslos und dem dritten ist von seinen Kollegen verziehen worden, er hat in dem Betrieb weitergearbeitet, die neue Leitung hat ihn nicht entlassen. Ja, so war das damals............. HOFFMANN: Danke bis hierher. Sie hatten versprochen, noch auf diese und jene Mail zum Thema einzugehen, die ich Ihnen vor einer Reihe von Tagen zugeschickt hatte. ALBRECHT: Ja, das sind 2 Mails von einem Bürger aus den alten Bundesländern, dessen "Aussagen" kontrovers gegenüber denen, die ebenfalls jemand aus den alten Ländern mailte, sind und auf die ich hier schon eingegangen war. Es gibt also auch unter den Bundesbürgern der alten Länder unterschiedliche Meinungen, aber wenn ich an Prozentzahlen denke, dann wird mir doch etwas flau im Magen, denn der Mail-Verfasser, auf den ich vor mehreren Tagen eingegangen war, hat die große, große Mehrheit im Westen unseres Landes auf seiner Seite. Ob zu Recht oder zu Unrecht, unter anderem dies wollen wir ja mit diesem Interview sehen. Meine Meinung zu dem "genannten" kontroversen Mail-Verfasser: M.E. hat er in vielem Recht, so habe ich es hautnah erlebt, im Gegensatz zu ihm übrigens, aber das hat wohl mit mehreren Dingen zu tun, unter anderem damit, daß seine Ostverwandten doch weit näher in der Realität beheimatet sind als der arbeitslose DDR- KONSUMGÜTER-VERWALTER. (s.auf Seite 1). Ja, also, der Mail-Schreiber, mit dem ich mich gerade befasse, hat da zum großen Teil tolle Ausdrücke gefunden, z.B.nicht den GANZEN TAG MIT ROTEN FAHNEN RUMGELAUFEN, gefällt mir gut! Muß ich schildern , wie es im realen Leben war? Die roten Fahnen wurden in der Regel nur einmal im Jahr zum Stadt-Ummarsch ausgepackt, nämlich am 1. Mai. Einmal im Jahr, mein Gott. Wenn die DDR runde Geburtstage feierte, dann gab es auch den Ummarsch mit Fahnen und Transparenten, ansonsten wie gesagt nur am 1.Mai. Hier sind aus meiner Sicht, und die kann ja wohl nicht so falsch sein, wenn ich es selbst erlebt habe, viele richtige Dinge gesagt worden: DER STAAT VIEL WENIGER PRÄSENT als uns die Medien nach der Wende, also im Nachherein, glauben machen wollen, DAS PRIVATLEBEN, FEIERABEND/URLAUB recht ungestört ///// ZU HOHE BETONUNG DER IDEOLOGISCHEN ZUSTÄNDE in den Medien nach der Wende. Das soll an Beispielen reichen. HOFFMANN: Danke für heute. ALBRECHT: Gerne.
HOFFMANN: Wie sind Sie mit der bisherigen Resonanz auf dieses Interview zufrieden ? ALBRECHT: SEHR, SEHR zufrieden. Schließlich ist das alles schon ziemlich lange her und daher möglicherweise schon ein ziemlich trockenes Thema. Andererseits gibt es nach wie vor ganz viele Beiträge in den verschiedenen Medien über die DDR, Talkshows, in denen die ostdeutschen Gäste dies und das zum Thema DDR sagen. Dann nähern wir uns langsam aber sicher dem 30.Jahrestag der Maueröffnung in Berlin am 9.11.2019, überhaupt dem 30. Jahrestag der politischen, ökonomischen und...Wende in Ostdeutschland, da werden wir mit diesbezüglichen Beiträgen in allen dt. Medien "zugeballert". Das Thema ist noch lange nicht "durch". Ich widerspreche deshalb hiermit entschieden dem Mail-Schreiber aus den alten Bundesländern, Sie wissen, der mit dem arbeitslosen ostdeutschen Verwandten in Sachen DDR- Konsumgüterverwaltung. Vielleicht tut es beiden ganz gut, sich mal die Fernsehprogramm-Zeitschriften der einzelnen dt.Sender zu Gemüte zu führen, dann würden ihnen die Augen übergehen, wieviele "Aufklärungs-Sendungen" über die ehemalige DDR fast jeden Tag über die Bildschirme laufen.Und das ist nur 1 Medium von meh- reren, wenn auch das wichtigste. Hier muß ich den genannten Mail-Schreiber leider hart attakieren, denn während er bis 1989 keine Möglichkeiten hatte zur Wahrheitsfindung, hat er sie jetzt, aber er nutzt sie nicht. Schade! HOFFMANN: Wir haben noch große Themen vor uns, ich umreiße jetzt mal die wichtigsten Gebiete, zu denen ich Sie heute und später dann gern befragen würde: Die Situation in den Betrieben der DDR, ich sage mal ARBEITSWELT dazu, dann der große Komplex FREIZEIT-Verhalten der Bürger, dann SCHULE/STUDIUM, und sicher interessant die "Sache" mit der Auslebung des Gottglaubens, viell. kurz "Kirche" genannt, dann die MODE, vor allem bei der DDR-Jugend ein ganz wichtiges Thema gewesen, Was war mit der Mitgliedschaft in den Parteien und Organisationen wie Pioniere, FDJ-ler, Gewerkschaft, deutsch-sowj. Freundschaft. Was war mit dem verordneten Antifaschismus in der DDR und gab es tatsächlich ein "Tal der Ahnungslosen" im Raum Dresden ? ALBRECHT:Alles Themen, wo es unter allen Deutschen mindestens 2 Meinungen gibt, wenn´s denn reicht. Aber verkürzen wir und sagen wir : es gibt zwei HAUPT-Meinungen. UND WER HAT DENN NUN RECHT!!?? ALLE reklamieren sie für sich, recht zu haben. Ich kann mich nur wiederholen und sagen, ich habe es erlebt und gebe nochmal hier an Eides statt, daß ich das Erlebte hier völlig ordnungsgemäß wiedergebe.
Für heute, zum Abschluß, bis es dann beim nächsten Mal wieder richtig BUTTER BEI DIE FISCHE gibt, heute zum TAL DER AHNUNGSLOSEN. Ich sage: In der DDR hat es zu keinem Zeitpunkt und in keiner Ecke dieses Staates ein TAL DER AHNUNGSLOSEN gegeben. Und ich kann es beweisen. Ja, es ist richtig, daß das Westfernsehen im Raum Dresden nicht empfangbar war, weil dieses Gebiet so empfangs-ungünstig lag. Jedoch konnten mehrere WESTRADIO-SENDER empfangen und gehört werden. Das waren auf jeden Fall der DEUTSCHLANDFUNK (MW) aus Köln ohne jede Einschränkung, mit seinen Nachrichten, politischen Kommentaren und diversen Musiksendungen für jung (SCHLAGERDERBY jeden Montag- abend) und alt (unterhaltungsmusik). Die DEUTSCHE WELLE war auf Kurzwelle empfangbar, vor allem politische Sendungen, aber auch Musik- sendungen (Oldies but Goldies). Empfangbar, aber kein richtig schöner Empfang, weil "um die Ecke gehend" RADIO LUXEMBURG und RIAS Berlin auf Kurzwelle (mit brandaktueller Beat, Pop- Schlager-musik rund um die Uhr beim ersteren, die legendären SCHLAGER DER WOCHE beim zweiten). Diese Infos, und ich hab bestimmt noch 1/2 Sender vergessen, habe ich von Mit-Fachschülern, die meine Schulkameraden auf einer Fachschule waren und die aus dem Raum Dresden waren. Die genannten Radiosender waren ohne Extra-Antenne und ohne Verstärker hörbar. Nur ein langer Draht von einer Radiobuchse zum Wasserrohr. HOFFMANN :DANKE! ALBRECHT: Nichts zu danken !
HOFFMANN: Herr Albrecht, Sie haben mir im heutigen kurzen Vorgespräch gesagt, daß Sie von 1969, dem Eintritt in Ihr Berufsleben, bis 1990 in 4 Betrieben der DDR gearbeitet haben. 2 davon waren für eine Kleinstadt große volkseigene Betriebe mit je etwa 300 Arbeitern und Angestellten, 2 waren kleine mit je ca. 20 bzw. 40 Kollegen, letzterer war ein Staatsbetrieb (Staatliche Versicherung, die Außendienstmitarbeiter sind nicht mitgerechnet). Da haben Sie ja fast die ganze mögliche Palette miterlebt, außer den Genossenschaften in der Landwirtschaft (LPG), den volkseigenen Landwirtschaftsgütern und den Genossenschaften des Handwerks(PGH). ALBRECHT: Ja, das stimmt, und mit 4 verschiedenen Arbeitsstellen in 4 Betrieben liege ich bestimmt eins über dem Durchschnitt, denn es gab ganz viele, die nach der Lehre, nach der Schule und nach dem Studium in einunddemselben Betrieb viele Jahre, bis zur Rente, geblieben sind. HOFFMANN: Wie war das nun, fangen Sie vielleicht mit den großen Betrieben an. Welche Fachschule haben Sie eigentlich besucht, was war Ihr Abschluß ? ALBRECHT: Von 1966, nach dem Abi, bis 1969 war ich auf einer Finanzfachschule, Abschluß Finanzökonom. Bei der Fahne (Nationale Volksarmee) brauchte ich die anderthalb Jahre Wehrpflicht nicht zu absolvieren, wir hatten 2 "Lehrgänge" von je 5 Wochen während der Fachschule. Das war natürlich ne feine Sache. Wir wurden halt in den Betrieben schnell gebraucht. Bei den beiden großen Betrieben, in denen ich gearbeitet habe, muß man unterscheiden zwischen den Facharbeitern und Hilfskräften in der Produktion und denen, die im Büro saßen, zu denen ich gehörte. Da ich zeitweise die NEUERER-Abteilung unter mir hatte, also die Bearbeitung von Verbesserungsvorschlägen, hab ich viel in der Produktion und mit Produktionsarbeitern zu tun gehabt. Das nur nebenbei, ich versuche mich nicht zu verzetteln, auf das wichtigste einzugehen. In der Produktion war es für die Kollegen kein Zuckerschlecken, viel schwere Handarbeit damals noch, ungesund, Schichtarbeit rund um die Uhr und immer knapp mit Arbeitskräften, daher auch Einsatz von Bürokräften in der Produktion. Daher wurde bei der Einstellung von Leuten für die Produktion nicht so genau oder gar nicht darauf geschaut, ob sie in den Massenorganisationen, wie es hieß, wie Gewerkschaft, Deutsch-sowj. Freundschaft Mitglied waren, was ja allgemein von den Vorgesetzen angestrengt wurde. Die Produktions-Kollegen hatten in dieser Frage Narrenfreiheit, sooo knapp war das mit den Arbeitskräften. Kann sein, daß sie gefragt wurden, ob sie denn so nett sein wollen einzutreten, aber wenn sie nein sagten, wurden sie nicht weiter bedrängt. Ich habe viele solcher kennengelernt, so auch meine Schwiegereltern, die waren in gar nix drin, haben aber dennoch ab und zu, alle paar Jahre die Auszeichnung als Aktivist bekommen. Ja, das war unsere führende Arbeiterklasse, das ist die Wahrheit ! Allerdings im Bündnis mit unseren Bauern und mit der Intelligenz, womit wir also bei den Kollegen der Verwaltung in den Büros dieser großen Betriebe gelandet sind. Hier war das Regiment natürlich strenger, ist ja klar. Hier war die Mitgliedschaft in den beiden oben genannten Massenorganisationen Pflicht. Wer da nicht drin war von den Verwaltungskollegen, mußte ganz ganz triftige Gründe haben. Dann wurde es im Ausnahmefall akzeptiert. Meine Mutter z.B. war in der Deutsch-sowj. Freundschaft nicht drin, sie hatte unter 4 Augen dort in ihrem Betrieb die gründe dargelegt (Erlebnisse nach dem 8.Mai 1945) und brauchte nicht einzutreten. Während die Kollegen draußen doch recht harte, teils schmutzigmachende Schicht- Arbeit verrichten mußten, war das in den Büros leider aus DDR-Sicht ganz anders. Wenn Manne Krug also meinte, die Arbeiter in den DDR-Betrieben seien faul und geschwätzig gewesen, so kann ich das nicht sagen, nach dem was ich selbst gesehen und erlebt habe. Die mußten da draußen schon ganz schön ranklotzen, dann Staub und Öl überall, da half auch die Erschwerniszulage nix. In den Büros, die ich kennenlernen durfte, haben sich sehr viele, allzu viele Kollegen/Kolleginnen viel, viel zu oft sehr schöne Tage gemacht. Nicht nur, daß ständig gefeiert wurde, nachmittags beganns dann schon oft während der Arbeitszeit. (vielleicht kennen einige den Schlager von Frank Schöbel MAN KANN SICH DRAN GEWÖHNEN von 1980, da gehts um diese Feierei). Was schlimmer war: vor allem Kolle-ginnen(!), aber nicht nur die, waren beim besten Willen für achtdreiviertel Sunden pro Tag und 5-Tage-Arbeitswoche nicht ausgelastet. Ich müßte jetzt eigentlich ganz böse sein und sagen, wieviele Stunden etliche (es war eine Massen-"Bewegung", besser NICHT-Bewegung) nur hätten kommen brauchen, um ihr bischen "Arbeit" zu schaffen. Aber ich sags lieber nicht. Es ist wirklich schlimm, schlimm , schlimm gewesen. Na, da muß man sich nicht wundern, wenn vor allem die Frauen hinterher waren, schön oft zu feiern. Und es war ganz schwer, sich da auszuschließen. Da war man dann schnell "unterdurch". Ich will nicht direkt sagen MOBBING, aber mehrere habens nicht ausgehalten und haben den Betrieb gewechselt, das ging in der DDR, wenn auch gute Büroarbeitsplätze nicht einfach so auf der Straße lagen. Bischen bemühen mußte man sich schon. Aber am schlimmsten war, daß ganz viele Vorgesetzte, die Abteilungsleiter, die so 6-12 Mitarbeiter-/innen unter sich hatten, da mitgemacht haben, nicht nur beim Feiern, sondern auch dieses Nichtausgelastetsein ihrer eigenen Kollegen/-innen nicht nur gewußt, nicht nur geduldet, sondern noch gefördert haben ! Wie das, wird sich mancher fragen. Die haben Anträge an ihre Vorgesetzten gestellt, diesen und jenen Kollegen/ Kollegin in ihre Abteilung noch zu holen. Warum ? Ganz einfach,die hatten keine Lust auf Streß, den sie evtl.bekommen hätten, wenn mal ne Kollegin länger erkrankt ist, oder zwei, in der Urlauszeit als Beispiel, wenn 1 oder 2 dann auch noch in Urlaub sind. Dann müßte der Chef mit einspringen. Ne, nicht nötig, der hat sich ja ein schönes Arbeitskräfte-Polster geschaffen... Ein so ein Abteilungsleiter war ganz "toll", der war fast jeden Arbeitstag 1-2 Std. außer Haus. Offiziell zu Dienstgesprächen, inoffiziell, na ja. PRIVAT GEHT VOR KATASTROPHE, alle haben schon gelacht. Aber er ist nie "angeschmiert" worden, eine Krähe hackt...... Politisch hatten also die Produktionsarbeiter ihre Ruhe, es passierte auch nichts mit ihnen, wenn sie am 1.Mai nicht mitdemonstrierten. Bei den Büro-Kräften sah es etwas anders aus. 1.Mai war Pflicht und die oben genannte Mitgliedschaft, ansonsten hatten sie auch weitgehend ihre Ruhe bis auf paar Kleinigkeiten wie Geldspenden für bedrohte Länder (an Vietnam-Sammlungen erinnere ich mich) oder Selbstverpflich- tungen zu runden DDR-Jahrestagen. Das war alles auszuhalten. Wer nun total "dagegen, in straffer Opposition zur DDR" war, für den war das natürlich alles schwierig. Die meisten machten halt mit, und dann , wie schon gesagt, hatte man weitgehend seine Ruhe.
Beim nächsten Mal, wenns erlaubt ist, Herr Hoffmann, gehe ich noch kurz auf meine Stelle in der Staatl .Versichung und auf die in dem kleinen Betrieb mit den 20 Mann/Frau Belegschaft ein. Da gibts Unterschiede zu den größeren Betrieben. HOFFMANN: Wieder danke. ALBRECHT: Schon gut.
ALBRECHT: In dem kleinen volkseigenen Betrieb, in dem ich im Innendienst gearbeitet habe, wurde mit Chemikalien für die Landwirtschaft gehandelt. Es waren 20 Kollegen-/Kolleginnen, davon 7 im Innendienst. Der Chef war ein ganz fauler Sack (über Tote redet man ja eigentlich nicht so schlecht, aber ich hatte ja versprochen, daß ich die Wahrheit hier sagen werde, und ich wiederhole nochmal, und ich kann nicht versprechen, daß es zum letzten Mal ist, daß sich die Leser darauf 1000%-ig verlassen können), er kümmerte sich um gar nichts, es war ein Chaos-Betrieb. Mindestens 3 Leute von "draußen" waren um 15.00 Uhr schon besoffen, andere tranken übern Tag ihr Bier.Dabei war es streng verboten, schon allein wegen des ständigen Gabelstapler-Verkehrs. Überall Schmutz, kaputte Hallentore...es reicht. Unser Verwaltungsgebäude lag gottseidank einiges entfernt. Es war schwer, Leute für "Draußen" zu finden, da hat der Chef halt die Augen zugedrückt bei all den Mängeln. Aber genau das wäre sein Job gewesen, für vernünftige Arbeiter zu sorgen. Das da mit den Suffköppen nix passiert ist, grenzt an ein Wunder. Die vorgesetzte Stelle dieses kleinen Betriebes hat ebenfalls die Augen zugedrückt, die waren froh, daß sie einen Leiter hatten. Das wollte ja auch keiner machen, verständlich... ich war nicht lange da. HOFFMANN: Können Sie sich bitte etwas kürzer fassen, das wäre nett. ALBRECHT: Gut, schnell noch zu meiner 4. Arbeitsstelle, in der Staatlichen Versicherung der DDR als Revisor hab ich etliche Jahre gearbeitet. Ich kann nur über die Innendienstleute (40 in diesem Kreisbetrieb), meistens Frauen, etwas sagen, nicht über den Außendienst. Hier ging es politisch zwei Gänge höher als beispielsweise in dem eben erwähnten Betrieb. Jeden Montag gab es die Zeitungsschau, jede Abteilung für sich, etwa 1,5 Stunden lang. Wenn "Gäste" von der Leitung da waren, auch mal länger. Dann wurde ich mehr gedrängt als gebeten, in die FZR (freiwillige Zusatzrentenversicherung) einzutreten, diese Mitgliedschaft ich im Vorbetrieb noch verweigert hatte, mit Erfolg. Es hieß ja offiziell FREIWILLIG. Ach ja, ich soll mich ja kürzer fassen. Erster Mai und 7.Oktober waren Pflichttermine, aber in die SED mußte man nicht eintreten, um dort als kleiner/mittlerer Angestellter arbeiten zu können. Ich war in keiner Partei, heute auch nicht. Ich bin auch nie angesprochen worden. Sie haben aber Frauen versucht zu werben, was auch oft gelang, denn sie wollten oder mußten die Frauenquote erhöhen als Vorgabe, sprich Kampfziel. Ja, ja da kam bei denen das Wort KAMPF öfter vor, aber das war doch alles nur Geschwafel, das hat doch keiner ernst genommen. Vielleicht für Westdeutsche schwer verständlich. Das war alles längst in Routine erstarrt, gehörte halt dazu und das wars. Gefeiert wurde natürlich auch kräftig, natürlich mit Alkohol wie überall in den Büros, natürlich auch mitunter während der Arbeits- zeit, und die Frauen waren hier auch wieder die treibenden Kräfte. Meine Frau sagte mir das auch, sie hatte bis 1990 2 Arbeitsstellen. Die HALB-LEITER, wie ich immer sage, haben mitgefeiert, es war also nichts illegales. Schlußfolgerungen aus dem allen soll jeder , der das hier liest, selbst ziehen. Ich sage nur, wie ich es erlebt habe. HOFFMANN: Jetzt vielleicht mal zu etwas ganz anderem, das vielleicht jüngere Leser mehr interessiert als das vielleicht etwas trockene Thema, das wir gerade hatten. Wie sah denn das Freizeitverhalten zunächst mal der jungen Leute in der DDR aus. Was durften sie, was durften sie nicht..... ALBRECHT: Das ist ein äußerst umfangreiches Gebiet, und für mich war´s immer das wichtigste. Ich hab nie gelebt, um zu arbeiten, bin doch nicht jeck ! Ich hab zu meiner späteren Ehefrau gesagt: wir können gerne heiraten, aber meine Hobbies bleiben. Sie hat das akzeptiert, und nun feiern wir in knapp 3 Jahren GOLDENE HOCHZEIT, sofern der liebe Gott, die Natur oder wer auch immer es wollen. Eigenlob stinkt, trotzdem, ich muß es hier sagen: auf diese Weise, auch wie erwähnt nach unserer Hochzeit, hab ich alles, aber auch wirklich alles mitgemacht, was Freizeit in der DDR zu bieten hatte, und was sie nicht bot, habe ich mir genommen. Und ich weiß noch alles, als sei es gestern, 24.6.2019 gewesen. Dieses kann man jedoch nicht von allen Ost-Bürgern sagen, die etwa mein Jahrgang sind. Mein Gott, wenn man einige reden hört, in den Talkshows, bei Familienfeiern etc., da fällt man vom Glauben ab, da kriegt man die Kriese. Wo und wann haben die denn gelebt, die wissen ja gar nix mehr oder sagen bewußt aus Angst, Nachteile zu bekommen, aus Haß auf die DDR oder aus irgendwelchen anderen Motiven heraus nicht, wie es wirklich gewesen ist. Gut, ich bin tolerant, wenn es um Jahreszahlen geht. Die kann man vergessen, okay, akzeptiert. Ich bring da auch mal was durcheinander, gebe ich zu. HOFFMANN: Lieber Herr Albrecht, kürzer, bitte ! ALBRECHT: Tut mir ganz schrecklich leid, Herr Hoffmann. Aber diese Einleitung war mir wichtig, brennt diese Frage mir auch nach fast 30 Jahren immer noch unter den Nägeln. Und in den Talkshows geht´s ja weiter, was ich eben sagte, und bei Privatfeten doch auch. Gerade jetzt zu Ostern 2019 erst hatte ich eine miterlebt, da gings hoch her, das Thema ist noch lang nicht durch. Und bald gibts den 30.Jahrestag des Mauerfalls, da wird alles nochmal wieder aufgerührt, in Größenordnungen. Da kennen wir unsere Pappenheimer doch zur Genüge. Oh Entschuldigung! Gefühle verletzt ? Vielleicht macht Ihre Zeitung ja ne Ausnahme. Bitte schauen Sie mir jetzt nicht auf den Rücken, da hab an meiner rechten Hand Zeige-und Mittelfinger gekreuzt.... HOFFMANN: Jetzt konkret bitte. Geben Sie doch mal n`Beispiel, wo Sie ne Jahreszahl, Sie sagten das eben, nicht mehr drauf hatten. ALBRECHT: Das Thema JEANS-HOSEN und JEANS-Jacken in der DDR. Diese waren zu keiner Zeit verboten zu tragen. Ich selbst hab sie angehabt und bin damit zum Schulunterricht gegangen, das war etwa 1964. Geguckt haben nur meine Schulkameraden, sonst keiner. Tantchen aus Düsseldorf hatte sie mir geschickt. Wenn jetzt jemand kommt und sagt, ja, aber das stimmt doch nicht, ich durfte die Jeans in der Schule nicht tragen, dann hat derjenige, der das verboten hat, illegal gehandelt ! Ja, aber so ganz klar muß man das sagen! Es gab kein Verbot, Jeans zu tragen. Existierte es, in Gesetzesform, als Erlaß oder wie auch immer, hätte ich doch auch keine tragen dürfen. Aber das nur nebenbei. Ich will Ihre Frage beantworten, Herr Hoffmann: Ich hatte, wegen der Jahreszahl, ganz vergessen, daß die JEANS-PRODUKTION in der DDR bereits vor 1972 anlief. Diese DDR-JEANS waren (natürlich) nicht so toll wie die West-JEANS, das ist klar, aber es gab sie. Ich dachte, es wäre später gewesen. Zufällig hab ich jetzt Ausschnitte aus dem allerersten KESSEL BUNTES gesehen, der ist von Januar 1972, in dem die 3 Dialektiker sich über die DDR-Jeans lustig machen. Nochmal zum angeblichen Verbot von West-Jeans Anfang /Mitte der 60er: Geht mal rein in YOUTUBE und ruft die DDR-Version des Westschlagers HELLO MARYLOU von 1962 auf, Interpreten Günter Hapke und Steffen Reuter. Da kommt im Text vor: Viele Mädchen kann man sehn, die in NIETENHOSEN gehn. Wären Jeans um die Zeit in der DDR verboten gewesen, wäre dieser Text wohl kaum durch die Zensur gegangen. HOFFMANN: Wiederum Danke ! ALBRECHT: Ist schon gut.
HOFFMANN: Herr Albrecht, wir hatten beide vereinbart, nach der Sommerpause geht es mit unserem Interview weiter. Ohne lange Vorrede also jetzt meine nächste Frage an Sie: Vor einigen Tagen war eine Studie der Bundesregierung in allen Medien, über die Ostdeutschen anno 2019, mit für mich komischen bis fast grausigen Zahlen, z.B. daß nur rd.38 % aller Ostdeutschen der Meinung seien, die Wiederver- einigung wäre gelungen usw. Was sagen Sie dazu, befinden Sie sich in diesem Lager ? ALBRECHT: Ich kenne doch meine ostdeutschen "Pappenheimer" (darunter auch viele Pappnasen, das muß ich auch mal ganz klar sagen), und sie wollen sich bei solchen Umfragen wichtig machen, hier bin ich, hallo, ich darf jetzt vom Leder ziehen, was ich früher eben nur im engen Kreis konnte. In Wirklichkeit sind die heilfroh, daß es die Wiedervereinigung gab, daß sie in DEUTSCHLAND leben mit diesem hohen Lebensstandard. Ich meine mit dem eben Gesagten die Älteren, die noch beide Systeme erlebt haben. Die Jüngeren haben diese komischen Ergebnisse nicht herbeigeführt, ich weiß das von unserer Tochter, die sich im HIER und JETZT gut auskennt, und sie sagt: "In meinem (großen, Vadder Albrecht) Bekanntenkreis spielt, und das ist verständlich, die Beschaffenheit des Arbeitsmarktes die Hauptrolle, daß man verdienen, sich dann was leisten kann. Da hat sich in den letzten Jahren viel getan, man kriegt jetzt deutlich leichter eine annehmbare Arbeitsstelle, als das noch vor etwa 10 Jahren der Fall war." Um den letzten Teil Ihrer Frage zu beantworten: Ja, ich gehöre zu diesen 38 %, ich bin froh, in diesem Deutschland zu leben, denn es geht uns rundum gut. Mich drückt der Schuh aber dennoch, und zwar aus anderen Gründen; einiges davon haben wir ja schon beackert. HOFFMANN: Es geht gleich weiter, ich koch uns schnell n`Kaffe.....
HOFFMANN: Mit dem Alltagsleben in der DDR sind wir noch nicht fertig, und bei aller Aktualität, was in Deutschland gerade los ist (das Erstarken der AfD oder der Umweltschutz) sollten wir das Motto dieses Interviews nicht au dem Auge verlieren, das da heißt: WER ODER WAS....DDR. Und je näher wir an den 9.November, dem 30.Jahrestag der Maueröffnung, herankommen, desto mehr werden die Medien über die DDR wieder berichten. Also ist unser Motto gerade jetzt weißgott nicht unaktuell. WIE die Medien berichten, dazu hatten Sie mir im Vorgespräch gesagt, wollen Sie unbedingt noch einiges sagen, gerade jetzt vorm 9.11. Gut, Sie haben das Wort. ALBRECHT: Das Alltagsleben in der DDR, speziell der Jugend, da krieg ich Plaque, wenn ich ich mir die Berichterstattung nach der Wende so ansehe. Und das wird jetzt zum 9.11. nicht anders werden, ich krieg wieder mein Plaque, das steht fest. Nix wird sich nach 30 Jahren ändern, nix. Vorschlag an die Medien: spart bitte jetzt zum 30. Steuergelder und nehmt die Berichterstattungen vom 10. und 20. Jahrestag! Es ist ja doch das gleiche, wozu für neue Berichte Geld ausgeben, das anderweitig viel besser angelegt wäre.
Wo fang ich jetzt an, na, mal sehen: Trotz aller Verbote, die wir zum großen Teil ja schon angeführt haben, gab es für alle Schichten der DDR-Bevölkerung doch Freiräume, und war nicht so, besonders nicht bei der Jugend, daß wir nicht auch ein relativ schönes Leben hatten. Ich war Spätentwickler und hatte meine Sturm-und Drangzeit folgerichtig auch später, von etwa 1966 bis 1971, da war ich 19 bis 24. Und wie schon öfter gesagt, ich habe alles mitgemacht, aber wirlich alles (außer Rauschgift, das hatten wir nicht; in Berlin o.a. großen Städten mag es anders gewesen sein; ich will nur berichten, was ich mit eigenen Augen gesehen und eigenen Ohren gehört habe, dann haben wir, was in den Kleinstädten los war, die Wahrheit, auf die es mir so ankommt. Ich wiederhole dies sehr gerne und füge hinzu, daß ich überhaupt kein Interesse habe, etwas zu beschönigen. WOZU ? Deswegen verstehe ich ja auch die Medien nicht. Was ist so schlimm daran, so zu berichten, wie es wirklich war, ich komm da nicht mit. Welche Motive könnten dahinterstecken ? Möglicherweise u.a. ein pauschaler Haß auf die DDR. Gut, akzeptiert, von MARTIN haben wir ja gleich am Anfang dieses Interviews eine Kostprobe genossen. Einverstanden, aber das Polemisieren dagegen sei ja trotzdem in einer Demokratie gestattet. Wir waren beim Haß. Das lasse ich jedem, ich hasse auch so manches. Das Problem ist nicht dies, es ist ein anderes. Ich akzeptiere Haß. Aber das darf doch niemals heißen, daß deshalb die Unwahrheit gesagt und geschrieben wird. Was den Medien nicht gefällt einfach nicht berichtet wird und im harmlosesten Fall mit Halbwahrheiten gearbeitet wird. Wo leben wir denn ? HOFFMANN: Herr Albrecht, vielleich können Sie nun zu konkreten Überlegungen kommen ? Das wäre nett. Danke! ALBRECHT: Das sind keine Überlegungen, lieber Herr Hoffmann, das habe ich alles selbst erlebt und war mittendrin ! Aber ich verstehe, Sie wollen Beispiele.Wieviel wollen Sie? Ich habe mich mal ein paar Stunden hingesetzt und bin auf sage und schreibe 48 Punkte gekommen, die ich aufnotiert habe, und diese Punkte beinhalten solche, die mit dem Westen allgemein und dem Westen unseres Vaterlandes zu tun haben; Tätigkeiten mit dem Westen in Zus.-hang, die man als ganz normaler DDR-Bürger in seinem ganz normalen Dasein machen konnte, ohne von der DDR-Staatsmacht dafür bestraft zu werden. Schlicht gesagt: das war erlaubt. An erster Stelle meiner 48-er Liste steht: WESTFERNSEHEN schauen und WESTRADIO hören war in der DDR zu keiner Zeit verboten, auch nicht im besonders kalten Krieg ab dem Mauerbau 1961. Verboten und damit unter Strafe gestellt war das Weiter- geben von politischen Nachrichten. Ich weiß das deshalb so genau, weil ich wegen einer anderen Sache mir etwa Mitte der 60er ein Straf- gesetzbuch der DDR besorgt hatte und dies von mir jetzt letztgenannte Verbot so drin stand. An das angedrohte Strafmaß von...bis erinnere ich mich nicht mehr, ich Ochse hab diese Broschüre mal weggegeben und nicht wiedergekriegt. Als meine Mutter und ich unser Haus 1971 verkauft hatten, zogen wir in ein Privathaus, wohnten zur Miete, und dort hatte der Vorgänger uns den Verstärker und die Westantenne hoch überm Dach, für alle sichtbar, daß dies ja wohl keine Antenne für das Ostfernsehen sein konnte, überlassen. Keine Socke hat uns daraufhin angesprochen, kein Polizist, keiner vom Rat der Stadt, kein Genosse der SED, wie schon den Vorgänger nicht. HOFFMANN: Jetzt vereinbaren wir einen Termin, wann wir weitermachen. ALBRECHT: Ich muß noch für ganz Aufmerksame hinzufügen, daß ich 1972 bei Muddern ausgezogen bin, also nicht viel vom Westfernsehen hatte. erst 1980 wieder in unserer Wohnung in einer anderen Kleinstadt. (weil ich sagte mehrmals schon hier im Forum, daß ich aus bestimmten Gründen erst 1980 Westfernsehen bekam. Und ich hab ja hoch und heilig versprochen, nicht zu schwindeln. Und da kann sich hier jeder drauf verlassen: das hier habe ich alles selbst erlebt.
BERICHTIGUNG: im ersten Teil meines heutigen Eintrags muß das Wort "nicht" in der vierten Zeile von oben drittes wort von links gestrichen werden. Ich habs schon rausgenommen.
Das zeitgeschichtliche Bild, was die Medien zeichnen hat nicht immer was mit dem realen Alltag eines Otto-Normalbürger zu tun. Ist an sich nichts neues.
Das Thema syrische Flüchtlinge hat sich bei mir auch erst wirklich bemerkbar gemacht als in meiner Nähe ein syrischer Schawarma Imbiss aufgemacht hatte, der aber auch wirklich gut ist. Aus meiner Perspektive ist "Friday's for Future" deutlich präsenter. Bin insofern gespannt wie rückblickend darüber in Geschichtsdokus berichtet wird. Ich weiß auf jeden Fall schon mal, dass nicht alle Jugendlichen und jungen Erwachsene diese Bewegung toll finden.
Nyan-Kun, danke für deinen Beitrag hier an dieser Stelle. Kannst du bitte ab "Aus meiner Perspektive...." etwas näher erläutern, was du damit konkret meinst ? Vielen Dank !
Zu deinem ersten Satz: das, was ich versucht habe zu beschreiben, hat Methode, und ich finde, daß es schwer zu verallgemeinern ist. Gib doch mal ein oder gerne auch mehrere Beispiele, wo du als gelernter Westdeutscher, davon gehe ich mal aus, meinst, was von westlichen Dingen in der DDR verboten war. Ich helf mal n´bischen: Meinst du, daß Westmusik in der DDR verboten war, was ist mit Jeans, was war mit Schlaghosen, langen Haaren, kurz westlicher Mode, Lederjacken. Dann werden wir sehen, wie du höchstpersönlich zu dem , was die Medien seit 1990, die "drübigen" ja schon seit spätestens 1949, verzapfen, stehst. Ich grüße dich.hans.
Zitat von Hans-Joachim Albrecht im Beitrag #28Kannst du bitte ab "Aus meiner Perspektive...." etwas näher erläutern, was du damit konkret meinst ? Vielen Dank !
Ich hätte auch schreiben können "Aus meiner Sicht". Wenn in den Medien über ein Ereignis berichtet wird ist das auch nur eine allgemine Sicht wie sie so vielleicht in Geschichtsbüchern oder Dokus dargestellt wird, aber nicht (immer) unbedingt dem entspricht wie das die oder die Einzelperson betrachtet. Ich hoffe das ist nun etwas deutlicher geworden worauf ich hinaus wollte. Letzendlich hast du hier bereits schon ähnliches gesagt.
Zitat von Hans-Joachim Albrecht im Beitrag #28Gib doch mal ein oder gerne auch mehrere Beispiele, wo du als gelernter Westdeutscher, davon gehe ich mal aus, meinst, was von westlichen Dingen in der DDR verboten war. Ich helf mal n´bischen: Meinst du, daß Westmusik in der DDR verboten war, was ist mit Jeans, was war mit Schlaghosen, langen Haaren, kurz westlicher Mode, Lederjacken. Dann werden wir sehen, wie du höchstpersönlich zu dem , was die Medien seit 1990, die "drübigen" ja schon seit spätestens 1949, verzapfen, stehst. Ich grüße dich.hans.
Mein Wissen über die DDR beschränkt sich leider nur auf Dokus und Berichte, die ich mal gesehen bzw. gelesen habe. Um es zusammenzufassend wiederzugeben: Die DDR machte da ausgehend von diesen Dokus und Berichten oftmals den Eindruck einer Mangelwirtschaft, wo es an vielem fehlte. Oft die Rede war davon, dass Westfernsehen streng verboten war und hart bestraft wurde, aber dazu hast du entsprechend gegenteiliges ausgesagt. Was westliche Mode in der DDR anbelangt hab ich keine Ahnung (kam man damals in der DDR überhaupt an sowas heran, abgesehen mithilfe von Westpaketen?). Das war jedenfalls in den Dokus, die ich gesehen habe nie Thema gewesen. Dafür waren es die Rosinenbomber, die Westpakete, die Stasi, die Intershops und natürlich die obligatorische Mauer inklusive Mauerflüchtlinge umso mehr.
Für meine für dich sicherlich qualvolle Ahnungslosigkeit möchte ich mich schon mal entschuldigen. Als ich zur Welt kam gab es die DDR nicht mehr und naja wie gesagt kenne ich die DDR nur aus Dokus, Berichten, Reportagen und Geschichtsbüchern. Hab auch keine Verwandten aus dem Osten, wo ich irgendetwas aus erster Hand hätte erfahren können.
Das ist schwer für mich, ich müßte weit ausschweifen, will ich aber jetzt nicht, denn das "Interview" geht ja weiter, und mit dem WESTFERNSEHEN und DEM WESTRADIO bin ich noch nicht fertig. Und die WESTMUSIK in der DDR (also Beat in meiner Jugendzeit, Rock, POP, Schlager) behandle ich im "Interview" ganz ausführlich, weil dies ein ganz wichtiges Ding war, für die Jugend mal bald an erster Stelle. So will ich kurz darauf eingehen, ob man Westmode für sich selber "machen" konnte, auch wenn man keine Westpakete empfing. Ich wills, wie gesagt, jetzt kurz machen, denn die WESTMODE in der DDR wird noch hier ein Kapitel werden. a) für lange Haare brauchte man kein Westpaket (Pardon, kleiner Spaß) b)Schlaghosen haben sich die Mädchen selbst genäht, die Jungens kriegten sie von ihren Müttern oder Freundinnen/Ehefrauen genäht. c)Jeans gab es ab 1970 in DDR-Textilläden zu kaufen, teuer und trotzdem nicht so toll; hinten am Bündchen fehlte das "Stück Leder", ist ja klar. d)Also richtige Lederjacken gab es kaum bis garnicht.Ab den 60ern gab es Lederol-Jacken, das war Kunstleder. Später, in sog. Exquisit-Läden gabs auch mal ne richtige Lederjacke, aber eben recht, recht teuer. Alles , was ich eben schilderte, war nicht zu tragen verboten, von der staatlichen Seite her. Irgendwelche 150%igen können sicher mal gesagt haben zu ihren Schülern, Lehrlingen: ab morgen kommst du ohne diese schwarze Jacke !!! oder: Heute nachmittag kriegst du 1 Std. frei und gehst zum Friseur !!! Aber das war rechtswidrig, und das gibt es in jedem Land der Welt, daß HALBLEITER (so haben wir immer damals Leute genannt, die ihr bischen, was sie zu sagen hatten, für sich und ihre Auffassungen ausnutzten) sich so gebärden (oder doch gebährden?). Aber so spätestens 1974 etwa setzte es sich flächendeckend durch und es gab keine Widerstände mehr, daß die Jungens ihre Haare über die Ohren gedeckt trugen. Geh mal in YOUTUBE und such dir einen DDR-Film, der um diese Zeit spielt, heraus. Für jeden Jungen ab 12 Jahre, der kurze Haare dort trägt, zahle ich dir 20 Lire, hahaha. Und achte auch gleich auf die Klamotten.
So,Nyan-Kun, wenn du ne spezielle Frage hast, bitte gern. Auch als private Mail, ganz wie du willst. Schönen Sonntag dir und den andern, die sich das hier antun. hans.