Hallo Interessierte ! Mir ist nicht bekannt, ob bei Gesprächen unter Menschen, die in den alten Bundesländern sozialisiert sind, das Thema "DDR" noch diskutiert wird, mehr oder weniger. Aber unter den Bürgern mit Ost-Sozialisierung ist es immer noch eins, zumindest bei denen ab etwa Mitte/Ende 40. Das konnte ich jetzt wieder "beobachten" (haha) am Ostersonntag, als sich die Familie zum Osterspaziergang traf, und anschließend zum Osterwasser-Trinken, haha. Wir waren etwa 20, etliche sieht man nur an diesem speziellen Tag inner- halb eines Jahres. Schöne Tradition. Nachdem Schnaps, Wein und Bierchen ihre Wirkung entfalteten, ging es wieder mal hochher, wie immer. Die Meinungen gingen wieder werweißwie auseinander. Warum eigentlich, wo doch alle Anwesenden im selben Staat gelebt, geliebt und gearbeitet haben ? Man könnte drüber lachen, aber so einfach ist es denn doch nicht.
So habe ich mich jetzt entschlossen, hier mal konkret unter OFF TOPIC was zu sagen, und zwar eingekleidet in ein fik- tives Interview mit einer fiktiven Tageszeitung plus fiktivem Redakteur, sprich Fragensteller. Was nicht fiktiv ist, sind meine Antworten. So sehe ich es, und obwohl ich nun wirklich kein Snob bin, nehme ich doch für mich in Anspruch, gut bescheidzuwissen, mit offenen Augen und Ohren durch die Welt, sprich DDR, ist ja dasselbe, hahaha, gegangen bin, alles , aber auch wirklich alles, was man so in einer Kleinstadt mitmachen konnte, mitgemacht habe. Es geht los: RAIK HOFFMANN, Redakteur der mecklenburgischen Tageszeitung "DER NEUE TAG": Herr Albrecht, Sie sind 1947 geboren, haben also sagen wir mal, ab ca. 1957 die DDR bewußt erlebt.Und sind von Geburt an bis heute wohnhaft im Osten geblieben. Wenn ich Sie bitten würde, in einem Satz zu sagen, wer oder was für Sie persönlich die DDR war, was würden Sie antworten ?
HANS-JOACHIM ALBRECHT: Jetzt warten Sie sicher auf die Antwort: Das geht nicht in einem Satz, völlig unmöglich. Das sage ich aber nicht, denn für mich geht das in einem Satz: Die DDR war ein Staat mit sehr ambivalenten Vorgängen. Punkt.
HOFFMANN: Gut, ist angekommen. Nun müssen Sie das aber doch ein bischen länger ausführen, was Sie konkret meinen.
ALBRECHT:Gleich vornweg, ich werde versuchen, mich bei allen Antworten kurz zu fassen, damit Ihre Leser nicht das Interesse verlieren und gleichzeitig versuchen, Schlagworte wegzulassen, die einfach die Angewohnheit haben, ins Pauschale abzugleiten. Das will ich nicht, es bringt uns nicht weiter. UND ICH WERDE DIE WAHRHEIT SAGEN; darauf können sich alle Leser hier 1000%-ig verlassen. Ich habe minus 76533899 Interesse daran, etwas zu beschönigen, zu verfälschen oder dergleichen. Wozu? es ist doch alles schon gewesen, da kann man doch verlangen, daß jeder anständige Mensch, und nur solche sind hier im Forum, haha, die Wahrheit vertragen kann, ganz gleich, wie sie denn ausschaut.... So, aber jetzt genug der Vorrede, Butter bei die Fische. Wir waren bei der Ambivalenz. Auf der einen, der gräßlichen Seite, hatten wir das Grenzregime, das ich nicht ausführen muß, jeder unserer 80 Millionen, der mit Erfolg mindestens die 4.Klasse Sonderschule abgeschlossen hat, weiß um die vielen Toten an der Demarkationslinie zu Westdeutschland (immer einschl. Westberlins gemeint), die offiziell in der DDR Staatsgrenze genannt wurde.
Auf der anderen Seite wurden auch mal erst ein Auge, dann das zweite Auge und dann manchmal auch noch die Hühneraugen zugedrückt von Menschen, die Verantwortung trugen, im kleinen wie auch manchmal im etwas größeren. Das gabs im Sozialismus eben auch. Da wir gerade bei diesem Wort mit S am Anfang sind: Wir hatten gar nicht den richtigen, aber das ist schon wieder ein anderes Thema, ich will bloß schnell sagen an die Adresse all derer, wir wären ein kommunistischer Staat gewesen: Tut mir leid, das ist Quatsch und bringt uns nicht weiter. Eine klassenlose Gesellschaft hatten wir bei weitem nicht. Aber das nur nebenbei.
Jetzt mal n´Beispiel fürs AUGEN usw.-ZUDRÜCKEN: Also ab jetzt immer kurzgefaßt, ich versprechs: Ich weiß nicht genau das Jahr, aber in den 60ern kam ein Gesetz heraus, eine Verordnung, ein Erlaß, was auch immer, daß in der DDR in der Öffentlichkeit, also Radio, Fernsehen, auf Tanzsälen, Rummel usw. von 100 Tanzmusiktiteln, die (als Beispiel) gespielt wurden , nur 40 aus der Bundesrep. und den anderen nicht-sozialist. Staaten sein durften, und 60 eben aus den soz. Ländern. Bei Nichteinhaltung waren Strafen, meist Geldstrafen, fällig, aber eben auch Auftrittsverbote von Kapellen, Bands oder Solo-Künstlern. Ich weiß von Betroffenen, daß es solche Strafen gab, nachdem "Stichproben"- Kontrollen dann halt zu diesen Ordnungsstrafen führten.
Dazu meine "Erlebnisse": Von 1968 bis zu meiner Hochzeit 1972 (ich war ein Spätentwickler in diesen Sachen) hab ich fast jedes Wochenende mich auf Tanzsälen (Jugendtanz nannte man das damals) herumgetrieben, Amateurbands spielten nur BEAT, ROCK und "RANSCHLEICHER", und kann schwören, daß ich in diesen rd. 4 Jahren KEINEN EINZIGEN TITEL aus der DDR geschweige denn aus Polen, CSR, Ungarn usw. gehört habe. Das wär auch nicht gegangen, wir hätten die Band (damals sagten wir Beatgruppe) aus dem Saal gejagt, ich übertreibe jetzt bewußt. Das mit den Strafen (s.o.) muß vorher gewesen sein, oder die habens übertrieben mit für die Masse völlig unbekannten harten Rock- titeln und so möglicherweise die (nicht gewollte, haha) Aufmerksamkeit auf sich zogen, ich weiß es leider nicht. Ich kann nur zum Abschluß dieses Beispiels sagen, daß in Neukalen, einem Nachbarort, wo wir oft waren, ein Volkspolizist der Verkehrspolizei der Kassierer war und natürlich alle Musiken da gehört hat. ABSOLUT NICHTS GESCHAH. Sowas gabs auch. Die Ambivalenz also: Zwischen diesen beiden Polen, die ich nannte, gabs (natürlich) wie in jedem Staat dieser albernen Welt "Vermischtes". Davon und anderes mehr in weiteren Beiträgen. hans.
Über die DDR gab es bekanntlich viele Bezeichnungen, die prädestiniert sind, Widerspruch hervorzurufen, obwohl sie meistens zutreffend sind. Eine davon war "Unrechtsstaat". Es ist völlig normal, dass jemand, der Teil dieses Staats war, wozu eben nicht nur die Regierung gehört, sondern auch die Zivilgesellschaft, diese Bezeichnung nicht auf sich sitzen lassen würde. Aber ist sie wirklich falsch?
Für uns im Westen der 80er Jahre war die DDR vor allem ein Staat, um den man Angst hatte, genauso wie ein Staat vor dem man Angst hatte. Man wusste Bescheid (nicht zuletzt durch eigene Verwandte von drüben), dass es dort keine Konsumgüter gab, dass die Meinungs- und Reisefreiheit stark eingeschränkt war und dass das politische System mit gnadenloser Gewalt durchgesetzt wurde.
Zu unserer Schulzeit gehörte eine Exkursion ins geiteilte Berlin zum Standardprogramm. Der Aufenthalt in einer Stadt mit einer Mauer drum herum war für nicht Ansässige bereits beklemmend. Der Tagesausflug in den Ostteil war dann irgendwas zwischen Mutprobe und Albtraum. Die Erleichterung, als wir abends am Bhf. Friedrichstraße den Übergang passiert hatten, war bei allen deutlich spürbar. Heute gehen wir mit Schulklassen wieder nach Berlin, um den Jugendlichen was über deutsche Geschichte beizubringen. Der Großteil der Angst, die wir selbst als Schüler empfanden, ist heute nicht mehr vorhanden. Aber eine Gedenkstätte zeigt mit jedesmal wieder, wie kurz die Zeit der DDR-Diktatur im Grunde erst her ist: Das Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen. Die Ideologie, die nötig gewesen sein muss, um unbequeme Regimekritiker einfach von der Bildfläche verschwinden zu lassen, macht mich bei jedem Besuch erneut sprachlos. Die Versuche, die es bis heute gibt, Führungen durch diese Anlage zu torpedieren, zeigen, dass die Ideologie in einigen Köpfen sogar immer noch Bestand hat.
Schlimm finde ich, dass wir zwar heute viele Kritiker der Erdogan-Regierung in Deutschland haben, aber sich immer weniger daran erinnern, dass wir in Form der DDR direkt vor unserer Haustür etwas Ähnliches hatten, dass sogar schon eine Stufe weiter war. Wir erziehen unsere Kinder (völlig zurecht) ab dem Grundschulalter zu Nazikritikern, aber ein entsprechendes öffentliches Bewusstsein in Bezug auf die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit aufzubauen, haben wir bis heute versäumt.
Als Kind der 90er Jahre, der die DDR nur aus den Geschichtsbüchern kennt stand die DDR nie wirklich groß im Fokus und lange Zeit war mir die Vorstellung an ein geteiltes Deutschland fremd. Auch als ich die Fotos von damals sah mit dem geteilten Berlin und als ich das erste mal im Rahmen einer Klassenfahrt in Berlin war erschien mir das so surreal. Einzig, dass es in den westlichen Teilen Berlins keine Straßenbahnen gab fiel mir schnell auf und irgendwie blieb mir das besonders in Erinnerung. Zu meiner Schulzeit war die Zeit des geteilten Deutschlands Thema Nummer 2 im Geschichtsunterricht. Was Thema Nummer 1 war und auch einen Großteil des Geschichtsunterrichts in Anspruch nahm (jeweils in der Unter-, Mittel, und Oberstufe inklusive drei dazugehörigen Klassenfahrten und- ausflügen) brauche ich wohl nicht extra zu erwähnen. Im Unterricht wurde dann auch die DDR nur aus der politischen Perspektive behandelt mit der Mauer, den Grenzen, Planwirtschaft der SED und der Stasi. Für mich war das damals als Teenager ziemlich trocken und in dem Sinne "abgeschlossene Vergangenheit" und einmal ertappte ich mich bei dem Gedanken was mir das bringen soll. Das ist doch alles sowieso Schnee von Gestern. Im Nachhinein finde ich das schade, da ich mittlerweile durch Reportagen, Dokus und guten und interessanten Artikeln weiß, dass die DDR mehr war als nur die Mauer. Selbst als ich in Berlin war wurde von Seiten der Lehrer versäumt dies mit dem Thema DDR zu verknüpfen. Stattdessen besuchten wir nur ein Naturkundemuseum, das Holocaustdenkmal und den Bundestag. Danach konnte wir dann in Gruppen Berlin auf eigene Faust entdecken.
Da war man mit dem dritten Reich deutlich kreativer gewesen, wenn es darum ging das Thema lebendig zu machen. Auch Zeitzeugen hatten wir diesbezüglich schon mal in der Schule zu Gast gehabt. Nur nicht zum Thema DDR und ich habe ehrlich gesagt noch nie gehört, dass jemand auf die Idee gekommen ist DDR-Zeitzeugen in die Schulen einzuladen, zumindest in meiner Norddeutschen Heimatstadt.
Mittlerweile bin ich generell recht Geschichtsinteressiert, aber mehr über den Alltag der Menschen zu der Zeit an den Orten. Wenn es einen interessanten Artikel oder Reportage gibt über etwas was ich nicht wusste schaue ich mit großer Neugier rein. Letztens hab ich mal eine sehr gut gemachte Reportage über das Thema Videospiele in der DDR gelesen. Auch lief mal irgendwo im Fernsehen eine Doku über die Geschichte des Hip-Hops in der DDR. Das waren wirklich Dinge, die mich interessiert haben.
Danke, MARTIN, für deinen Beitrag. Ich habe ihn mit großem Interesse gelesen und wünsche mir, daß das von Dir keine Eintagsfliege war, du ich öfter mal hier mit deiner persönlichen Meinung beteiligst. Ich werde auf das meiste von dem eingehen, was du geschrieben hast, innerhalb dieses o.g. "Interviews, ohne deinen Namen aber anzugeben. Das tu´ich ja jetzt. So, mein lieber, und daß ich einsichtig sein kann und mich eines besseren belehren lassen kann, das hast du ja gemerkt an meiner Groß- und Kleinschreibung, die ich nun seit geraumer Zeit hier verwende. Und sicher kommen noch paar Einsichten von mir dazu, wenn ich weiter gute Beiträge hier an dieser Stelle zu diesem Thema lesen kann... Dasselbe "verlange" ich aber auch von anderen, die sich hier noch äußern werden, hoffentlich. Denn wie hier NYAN-Kun sich geäußert hat, das muß eben auch zur Kenntnis genommen werden. Danke auch dir für deinen Beitrag. Du schreibst :"......ich.....weiß, dass die DDR mehr war als nur die Mauer". Viel besser kann man´s meiner Meinung nach gar nicht ausdrücken. Ich hab dazu "ambivalent" gesagt, ist ungefähr das gleiche. Lieber Martin, das gehört alles dazu, sonst kommen wir nicht weiter. Ganz kurz nur noch zu meinen Ausführungen "Jugendtanz", s.o.: 40 % der von den Bands gespielten Titel "durften" also ganz offiziell aus dem Westen sein !!! Im KALTEN KRIEG West gg.Ost oder umgekehrt, HASS in den Medien auf beiden Seiten, vergiß das bitte nicht, Klassenkampf nicht nur von einer Seite (siehst du, da gehts nämlich los: Was ist uns diese Wahrheit wert? Mir sehr viel.) Gruß.hans. P.S. Ach ja, Nyan-Kun, Videospiele und Hip-Hop in der DDR, das war nicht mehr meine Zeit. Ich weiß darüber gar nix. Mach du´s , schreibs hier hinein...
Zitat von Hans-Joachim Albrecht im Beitrag #4So, mein lieber, und daß ich einsichtig sein kann und mich eines besseren belehren lassen kann, das hast du ja gemerkt an meiner Groß- und Kleinschreibung, die ich nun seit geraumer Zeit hier verwende.
Ist mir positiv aufgefallen. (Oder wenn ich flapsig sein wollte: Auf einen Beitrag in Kleinbuchstaben hätte ich nicht so ausführlich geantwortet.)
Zitat von Hans-Joachim Albrecht im Beitrag #4P.S. Ach ja, Nyan-Kun, Videospiele und Hip-Hop in der DDR, das war nicht mehr meine Zeit. Ich weiß darüber gar nix. Mach du´s , schreibs hier hinein...
Videospiele und Hip-Hop bzw. Break Dance sind soweit ich in Erfahrung gebracht habe so ziemlich die letzten Jugendkulturen bis zum Ende der DDR gewesen. Danach hat sich das alles leider ziemlich schnell verflüchtigt. An sich nicht überraschend, denn ausgezeichnet hat sich dies vor allem durch einen sehr engen Zusammenhalt der jeweiligen Communities und dem ständigen Versuch an neuen Materielien (Musik, Datenträger etc.) heranzukommen, was von der Politik dort nicht so gerne gesehen wurde. Es gab damals Versuche diese Jugendkulturen mehr oder weniger zu domestizieren und politisch zu nutzen. Beim Break Dance ging das gerade noch so, wo daraus eine Art sozialistischer Volkssport gemacht wurde mit diversen Verordnungen usw.. Bei Videospielen ging es hingegen völlig in die Hose, da die damaligen Politiker und Beamtenstuben überhaupt kein Gespür für diese damals neuartige und vor allem sehr westliche Jugendkultur hatten und gegenüber diesem Unterhaltungsmedium recht ahnungslos waren. Das Politiker oftmals mit der Jugendkultur fremdeln und sich oftmals recht peinlich anbiedern, daran hat sich auch heute nichts geändert, wenn man sich die letzte Computerspielepreisverleihung angesehen hat. Da ist es oftmals besser so etwas den jüngeren zu überlassen.
Wer bezweifelt denn, dass die DDR mehr war als nur Stasi, NVA, Mauer, Parteitage und Aufmärsche? Dass das Leben dort zu 99%, genau wie überall, vom Privatleben geprägt war, von Familie, Gartenfesten, Apfelkuchen, Arbeit, Urlaub, Jung- und Verliebtsein, Heiraten und Kinderkriegen? Gerade in den ländlichen Gebieten, wo sich noch sehr lange kleinbäuerliche Betriebe, Handwerker, Ladenbesitzer, etc., gehalten haben, war die DDR als Staat viel weniger präsent als in Ost-Berlin und anderen großen Städten. Nicht zuletzt galt in der DDR nur 14 Jahre lang ein eigenes sozialistisches Zivilrecht und bis 1976 noch - und seit 1990 wieder - das gute alte BGB aus dem Jahre 1896. Das Alltags- und Rechtsleben hat sich in weiten Teilen der DDR weit weniger vom Leben im Westen unterschieden als man meint. Ja, es gab die großen Kombinate mit roten Fahnen und albernen sozialistischen Ritualen. Es gab aber auch noch den Bäcker, die Metzgerei, die Tischlerei, den Friseur, das Fotogeschäft und den Schuhladen, alle auch durch die komplette DDR-Zeit hindurch und über die Wende hinaus in privater Hand.
Der "Westen" sah zudem auch nicht immer aus wie im Jahr 2019. Als ich kürzlich mit meiner "Ostfamilie" Fotos meiner Kindheit der 70er Jahren im "Westen" anschaute, waren die erstaunt, wie "heruntergekommen" unsere Stadt damals aussah, kaum anders als DDR-Städte: schiefe Kopfsteinpflaster, graue Fassaden, verfallende Fachwerkhäuser, überall Scheunen und Schuppen und Reste von innerstädtischer Landwirtschaft. Die großen Sanierungsmaßnahmen und Aufhübschungen der Innenstädte vollzogen sich doch auch im Westen erst in den 70er/80er Jahren.
Geschichts-Dokus im TV vermitteln einen ganz falschen Eindruck, da sie nur selten das Privatleben der Menschen zeigen. Wie heißt es in dem Film "Sonnenallee" so schön?
„Es war einmal ein Land und ich hab' dort gelebt. Wenn man mich fragt, wie's war: Es war die schönste Zeit meines Lebens, denn ich war jung und verliebt."
Das zu enge Betonen der normalen Zustände in der DDR ist aber - ohne jemand hier direkt auf die Füße treten zu wollen - allzuoft nichts weiter als die Relativierung der Grausamkeiten durch die Ostalgiebrille. Man darf auf die Normalität hinweisen, erst recht wenn man dort gelebt hat. Aber zu häufig geschieht das ausschließlich. Was fehlt, ist eine ordentliche Aufarbeitung der Verbrechen und ein Konsens, dass solch ein System nie wieder an die Macht kommen darf. Dann können wir uns gern alle Hinsetzen und Rotkäppchensekt trinken und Spreewaldgurken essen. (Das waren jetzt Klischees, aber ich bitte mir das nachzusehen .)
Zitat von Slartibartfast im Beitrag #8Das zu enge Betonen der normalen Zustände ...
Ob das zu enge Betonen der ideologischen Zustände allerdings die richtige Brille ist, möchte ich doch in Zweifel ziehen. Das ist intellektuell am Einfachsten, trifft die alltäglichen Realitäten aber nicht wirklich.
Das oben erwähnte Zitat aus dem Film "Sonnenallee" gefällt mir außerordentlich gut und trifft den Nagel auf den Kopf!
Zitat von Slartibartfast im Beitrag #8Das zu enge Betonen der normalen Zustände ...
Ob das zu enge Betonen der ideologischen Zustände allerdings die richtige Brille ist, möchte ich doch in Zweifel ziehen.
Bei so kontroversen Themen bitte ich, Beiträge unbedingt genau zu lesen: Ich hab dafür plädiert, dass weder die Betonung der Ideologie noch Betonung von Normalität ausschließlich erfolgen sollten. Und auf eine alleinige Beschreibung der Normalität stoße ich leider viel häufiger als auf das Gegenteil.
"Sonnenallee" war ein guter Beitrag zum Gesamtbild, würde Zuschauern ohne Vorwissen jedoch ein reichlich schräges Bild der DDR vermitteln. Mein Favorit ist hierzu "Das Leben des Anderen". Hier wird auch Normalität gezeigt, obwohl es um die unfreie Gesellschaft geht.
DANKE euch für die rege, dennoch ausbaufähige Beteiligung ! Ich freu´mich sehr, hab echt gedacht, na, stille wird der See ruhen. In einigen Tagen wieder was von mir. NYAN-KUN, da gabs in den 80ern einen US-Film mit diesen "neuartigen " Tänzen". Der Streifen war von Harry Belafonte produziert, ich komm mal wieder nicht auf den Filmtitel, er lief auch in den Ost-Kinos, alle Vorstellungen ausver- kauft, toller Film. Das bloß mal zur Untermauerung deiner interessanten Ausführungen. Gruß.hans.
Von den Film hab ich auch schon gehört. In der DDR war er wohl wirklich ein richtiger Erfolg. Heißt "Beat Street" und hatte sozusagen die Break Dance Bewegung dort in Gang gebracht. Wie der Film im Westen lief weiß ich leider nicht. Wenn ich jedoch an 80er Jahre Kultfilme aus Amerika denke fallen mir als erstes eher andere Titel ein. Ist bei meinem Vater auch so. Die Faszination für diesen Film kann ich aber schon durchaus nachvollziehen.
Es geht nicht darum, nur das eine oder lediglich das andere herauszustellen oder etwas zu relativieren. Aber was sich für die nachfolgenden Generationen als "Geschichte" darstellt, hat das Alltagsleben der meisten Menschen häufig nur untergeordnet berührt. Ob in Rostock Regimekritiker verfolgt wurden, hat die Jugendlichen, die in einem Dorf im Thüringer Wald aufgewachsen sind, eher weniger interessiert. Wenn meine Großeltern von den 30er/40er Jahren gesprochen haben, kamen Nazis und Krieg kaum vor, weil das in der Provinz zum einen eine geringere Rolle spielte als in Großstädten und sie sich in erster Linie für ihr Alltagsleben als Teenager und Twens interessiert haben. Braune Uniformen und Nazirituale waren nur lästige Pflicht.
Man merkt es auch an sich selbst: während man geschichtliche Daten und Zusammenhänge, die man in Schule und Studium gelernt hat, häufig nach Jahr und Tag herunterbeten kann, ist die Geschichte, die wir selbst erleben, in ihren Einzelheiten selten als solche präsent. Man weiß, wann Friedrich der Große, Bismarck oder Hitler bestimmte Entwicklungen angestoßen haben. Von Frau Merkel weiß man bestensfalls, dass sie 2005 Kanzlerin wurde. Will sagen: "Geschichte" stellt sich für nachfolgende Generationen, die sie als solche, fokussiert auf die wesentlichen Ereignisse, welche sich in der Rückschau als relevant darstellen, erlernen, anders dar als für die Generationen, die dabei waren und die sie häufig nur als mehr oder minder wichtige Begleiterscheinung ihres Alltagslebens wahrgenommen haben.
Auch von der DDR wird in heutigen Geschichtsdokus im wesentlichen der Eindruck hängen bleiben, man sei den ganzen Tag mit roten Fahnen durch die Gegend gelaufen, habe Portraits von Engels, Marx und Lenin durch die Stadt getragen, fortwährend traurig durch einen Grenzzaun geschaut und unter ständiger Beobachtung der Stasi gestanden. Das gibt das Alltagsleben von mehr als 90% der Bevölkerung unzutreffend wieder.
Von der Wende 1989 werden auch ständig die gleichen Bilder gezeigt: Genscher auf dem Balkon der Prager Botschaft, Schabowski verkündet die offenen Grenzen und stets die gleichen Leute, die beim Grenzübertritt irgendetwas in die Kamera gegrölt haben. Das Ganze stark fokussiert auf die Geschehnisse in Berlin und Leipzig. Das ist Geschichte, wie sie geschrieben wird, aber nicht Geschichte, wie sie sich für die meisten Menschen vollzogen hat.
Danke, TACCOMANIA, für deine beiden bisherigen Beiträge, die für alle , denke ich mal, interessant sind. Ich hoffe, du schreibst hier weiter; ich gehe auf deine Meinung auch ein, selbstredend, jedoch kommt zuerst MARTIN dran, in einigen Tagen, wie gesagt.
NYAN-KUN, na klar, BEATSTREET wars. Danke! Mich hat auch besonders die Liebesgeschichte der beiden farbigen jungen Amerikaner angerührt. Gruß.hans.
Zitat von Taccomania im Beitrag #13Es geht nicht darum, nur das eine oder lediglich das andere herauszustellen oder etwas zu relativieren. Aber was sich für die nachfolgenden Generationen als "Geschichte" darstellt, hat das Alltagsleben der meisten Menschen häufig nur untergeordnet berührt. Ob in Rostock Regimekritiker verfolgt wurden, hat die Jugendlichen, die in einem Dorf im Thüringer Wald aufgewachsen sind, eher weniger interessiert. Wenn meine Großeltern von den 30er/40er Jahren gesprochen haben, kamen Nazis und Krieg kaum vor, weil das in der Provinz zum einen eine geringere Rolle spielte als in Großstädten und sie sich in erster Linie für ihr Alltagsleben als Teenager und Twens interessiert haben. Braune Uniformen und Nazirituale waren nur lästige Pflicht.
Man merkt es auch an sich selbst: während man geschichtliche Daten und Zusammenhänge, die man in Schule und Studium gelernt hat, häufig nach Jahr und Tag herunterbeten kann, ist die Geschichte, die wir selbst erleben, in ihren Einzelheiten selten als solche präsent. Man weiß, wann Friedrich der Große, Bismarck oder Hitler bestimmte Entwicklungen angestoßen haben. Von Frau Merkel weiß man bestensfalls, dass sie 2005 Kanzlerin wurde. Will sagen: "Geschichte" stellt sich für nachfolgende Generationen, die sie als solche, fokussiert auf die wesentlichen Ereignisse, welche sich in der Rückschau als relevant darstellen, erlernen, anders dar als für die Generationen, die dabei waren und die sie häufig nur als mehr oder minder wichtige Begleiterscheinung ihres Alltagslebens wahrgenommen haben.
Das trifft es ziemlich gut. Letztendlich wollen wir doch alle irgendwie gut durchs Leben kommen, oder? Da waren die großen geschichtlichen Entwicklungen schon immer mehr oder weniger nur eine Begleiterscheinung des eigenen Lebens gewesen. Oftmals fällt mir aber auf, dass bestimmte Ereignisse in den Medien/von Meinungsmacher gerne mal aufgebauscht werden. Klar kriegt man teilweise selber mit das da was passierte oder sich veränderte, aber da unterscheidet sich dann doch die Geschichte, die geschrieben wird und die die man selbst erlebt.
Das gilt auch heute noch. Jedes mal, wenn ich auf den Seiten der großen Zeitungen und Nachrichtenportale unterwegs bin kommt es mir vor als würde ich in einer Parallelwelt leben, da mich viele große Themen in den Medien, die da auch breit diskutiert und debattiert werden in meinem Alltagsleben keine große Rolle spielen oder nur höchstens indirekt betreffen und mein Alltag davon völlig unberührt auch weiterhin seine normalen Bahnen verläuft.