Aktuell ploppt das Thema recht häufig auf, z.B. bei Elliot Page oder im Star Trek: Discovery-Thread wo gerade heiss debattiert wird. Und da es doch eine ausführlichere Diskussion werden könnte, wäre ein separates Thema dazu ziemlich Knorke.(vlt. könnte man ein paar Beitrage ja hierher verschieben da diese weniger mit der Serie an sich zu tun haben.)
Ich persönlich finde es ein interessantes und zu einem gewissen Punkt auch wichtiges Thema, dass durchaus seine Daseinsberechtigung hat. In den falschen Händen (und davon gibt es viele) kann die Sache aber sehr anstrengend und (teilweise) ins Lächerliche gezogen werden. Ich kann gut verstehen wenn einige Leute die Nase voll davon haben, besonders wenn sie das Thema kalt lässt. Nichtsdestotrotz ist es spannend, gerade im Bezug auf den deutschen (synchron-)Sprachgebrauch, da in vielen Fällen noch kein "richtiges" deutsches Pendant existiert oder dieses bereits mit anderen Bedeutungen assoziiert wird/sich stark an einer der bestehenden Geschlechterrollen orientiert. Wer weiss, vielleicht dient dieser Thread mal dem einen oder anderen Dialogbuchautor als Entscheidungshilfe.
Original Übersetzung ('phonetisch') Beitrag STAR TREK: DISCOVERY 3x08 #1 they/them dey/denen
SHAMELESS 7x04 #2 ze ze ('sie')
ve/vem/vir ve/vem/vir ('vi/vem/vö')
they beides "Ask them if they..." "Frag sie beide, ob sie..."
ONE DAY AT A TIME 2x03 #1 they/them alle/deren
ze/zir xier/xies
Original Übersetzung ('phonetisch') Beitrag JOHN WICK 3: PARABELLUM #10 The Adjudicator Die Richterin Problem ist hier, dass die Rolle nichtbinär ist, "DIE Richterin" aber schon. Um das zu umgehen, hätte man die Bezeichnung im Original lassen können.
Danke, dass du diesen Thread aufgemacht hast. Ich wollte als "Hauptaufhänger" ursprünglich das Thema der Stimmbesetzung machen und das noch kniffligere Thema Pronomen hinterherschieben, aber es gab ja nun mit der STAR-TREK-Folge eine gute Diskussionsanregung:
Zitat von VanToby im Beitrag DISKUSSION: Star Trek: Discovery (USA, 2017)Ich wollte erst kürzlich einen Thread zu der Frage aufmachen, wie man "they" als non-binäres Pronomen übersetzen soll, und dazu einige Möglichkeiten vorstellen, und ihre evtl. Problematiken besprechen. Ich habe über die Frage schon seit längerem nachgedacht und erinnerte mich jetzt im Zusammenhang mit Eliott Page wieder daran, der nach eigener Aussage nun die Pronomen "he" oder "they" bevorzugt.
Hier hat man sich in 3x08 nun für "dey"/"denen" entschieden, was auch eine dieser Möglichkeiten gewesen wäre.
"Dey" hat für uns den Vorteil, sehr lippensynchron zu sein, und nicht irgendwie schon anders belegt zu sein. Aber auch gerade darin den Nachteil, dass es wirklich etwas ganz Neues ist, was nicht so recht ins deutsche Lautsystem passt. Man darf nicht vergessen, dass es auch heute noch Gegenden gibt, wo man mit dem Englischen (aber auch schon Hochdeutsch ...) derart auf Kriegsfuß steht, dass man zum Beispiel Phaser "Fehser" statt "Fäiser" nennen würde.
Daher hätte ich auch ein germanisierteres "deh" als eine von mehreren favorisierten Möglichkeiten vorgeschlagen, die gewissermaßen dann eine Aussprachevariante zu "dey" gewesen wäre.
Es gibt natürlich schon zahlreiche Überlegungen zu der Frage aus LGBTQ*-Kreisen oder von tatsächlich betroffenen Non-Binären oder Transidenten, trotzdem halte ich es für wichtig, dass sich auch und gerade professionelle Schreiber zu der Frage Gedanken machen. Viele Vorschläge übersehen dabei oft, dass Sprache nicht nur repräsentativ ist oder sein muss, sondern auch praktisch und ästhetisch. Und das ist eben keine völlig subjektive Frage mit beliebigen Antwortmöglichkeiten, sondern ein Themengebiet, in dem man am besten die Experten fragen sollte: eben professionelle Autoren und Schriftsteller. Es könnte hier immerhin um einen tiefen Eingriff in die Grundstruktur der Sprache gehen, wie sie auf vielfältigen Gebieten einsetzbar sein sollte.
(Einen absichtlichen totalen Fremdkörper, quasi als ständige stolpersteinartige Erinnerung, dass es ja etwas ganz anderes sei, lehne ich ab. Wer Respekt einfordert, sollte ihn auch den Sprachenthusiasten entgegenbringen.)
Die zahlreichen Möglichkeiten, die es gibt und aus unterschiedlichen Gründen Schwächen haben, soweit es die professionelle Ansicht betrifft, haben natürlich trotzdem ihre subkulturelle Berechtigung. Gleichwohl wäre es praktisch, auch eine Art offizielle Variante zu haben, an die man sich anhängen kann.
Ich weiß nicht, ob meine Wahl letztlich auf "dey" gefallen wäre, - anfangs war ich total dagegen, zuletzt gefiel sie mir mit "deh" oder "dej" als antizipierte Aussprachevariante besser - aber immerhin haben wir nun eine Möglichkeit mit, da Star Trek, halbwegs Mainstream-Potential.
Ich habe mir die Szene in SHAMELESS 7x04 noch einmal angeschaut und muss mich revidieren. Bemerkenswert ist, vorab, dass auch in der ENGLISCHEN Fassung MEHRERE genderneutrale Pronomina benutzt werden. Hier beide Sprachfassungen im Vergleich:
BETHANY: "I'm, I'm Bethany. I'm a tri-racial cis-gender(ed) girl fag. I identify as pan-sexual and my pronoun is she.“ BETHANY: „Ähm. Ich bin Bethany. Ich bin 'ne dreifach-multiethnische cis-gender-girl-fag. Ich bezeichne mich als ‚pansexuell‘ und mein Pronomen ist sie."
IAN: "Okay!" IAN: „Okay…!“
EMERSON: "Hi. Emerson. Gender-fluid hetero-romantic demi-sexual mutt. And a red-head. My pronoun is ze." EMERSON: „Hi. Emerson. Gender-fluid hetero-romantische demi-sexuelle Mischung. Rothaarig. Mein Pronomen ist ze ('sie').“
RABBIT: "Hey, I'm Rabbit. Gender queer. Tax attorney. I identify as Jennifer Aniston. Just kidding. ve/vem/vir." RABBIT: „Hey, ich bin Rabbit. Gender-queer. Steueranwalt. Ich halt' mich für Jennifer Aniston. War nur'n Spaß. ve/vem/vir ('vi/vem/vö').“
DX: "DX. Chinese-Mexican a-gender-intersex afab. My pronoun is they." DX: „DX. Chinesisch-mexikanisches a-gender intersexuelles afab. Mein Pronomen ist beides.“
IAN: "Okay. Alright, is it okay if I ask a few questions?" IAN: „Okay… Alles klar, ist es in Ordnung, wenn ich ein paar Fragen stelle?“
TREVOR: "Better than to assume you know the answers." TREVOR: „Besser, als wenn du in die falsche Richtung denkst.“
IAN: "Uhm. What is inter- uh inter- intersex?" IAN: „Ähm. Was ist inte- ähm äh intersexuell?“
TREVOR: "Uh, when a person is born with what is typically perceived as both male and female sex organs." TREVOR: „Ah, wenn ein Mensch mit Geschlechtsorganen geboren wird, die man nicht als üblicherweise männlich oder weiblich zuordnen kann.“
IAN: "Oh y- uh what uhm is 'afab'?" IAN: "Oh-oh, du, ähm. Du bist ‚afab‘?“
DX: "Assigned female at birth. When your parents decide your gender without considering how YOU may identify in the future." DX: „Assigned female at birth. Wenn deine Eltern entscheiden, welches Geschlecht du haben sollst, egal als was du dich später empfindest.“
IAN: "Okay uh and what's the whole uhm uh pronoun thing?" IAN: „Okay, und was, was is' mit den ganzen Pronomen und so?“
TREVOR: "When we talk about DX we say, 'Ask them if they would like a coffee'." TREVOR: „Wenn wir über DX sprechen, sagen wir ‚Frag sie beide, ob sie einen Kaffee haben wollen‘.“
IAN: "But there's only one of him. Her- them! Fuck I have no idea (of) what I'm doing." IAN: „Aber das ist doch nur einer. Eine – beide! Scheiße, ich hab' keine Ahnung, was ich da rede.“
TREVOR: „Das lernst du noch. Macht nichts, kriegst du hin.“
Folgende Feststellungen: - Man hat die Neologismen übernommen, dadurch ist aber "ze" akustisch nicht von "sie" unterscheidbar. - Da Ian über das plurale Pronomen they verwirrt ist, entschied man sich hier für "(sie) beide". - Ein 'kongruentes' Adjektiv steht hier im Neutrum ("intersexuelles").
Die Szene stammt aus der Zeit vor wenigen Jahren, als die Selbstklassifizierung besonders schrille Blüten trieb. Die verschiedenen Pronomina beziehen sich teilweise auf objektiv feststellbare Merkmale ("they" bei intersexuell), teilweise aber auch mehr auf eine gefühlte Geschlechtsidentität (gender), die aber über ein schlichtes 'er oder sie passt beides nicht' hinausgeht. Sie haben dadurch mehr etwas von Spitznamen.
Aber: Nachdem es noch vor wenigen Jahren - wie aktuell in Deutschland - mehrere Varianten nebeneinander gab, hat sich nun mit they eine halb-offizielle Variante durchgesetzt.
Einige Intersexuelle und Nichtbinäre beschreiben ihre Gefühlsidentität tatsächlich als Überlagerung von männlich und weiblich und ziehen gerade deswegen "they" vor, weil sie sich doppelt fühlen. "Beide" würde dies bedienen. Als im Gegenteil "weder-noch"-Pronomen eignet es sich hingegen wohl heute eher nicht mehr. (Davon abgesehen sollte es ja gerade nicht darum gehen, die Stabilität der Persönlichkeit widerzuspiegeln.) Aber eine interessante Idee damals.
Der Punkt ist: Mehrere Varianten nebeneinander töten nicht. Und so weit von einer etablierten Variante (die nicht gleich den Hauch von stark individuellem Narzissmus hat) sind wir vielleicht auch in Deutschland gar nicht mehr entfernt.
Es ist keine exakte Übersetzung, aber inhaltlich nicht daneben. Verständlicher wäre es wohl, wenn es heißen würde: "... die man nicht EINDEUTIG als (üblicherweise) männlich und weiblich zuordnen kann."
Aber selbst das muss nicht unbedingt stimmen, insofern sind beide Fassungen nicht allumfassend richtig. Intersexualität ist ein Sammelbegriff. Als grobe Einführung reichte es hier aber.
Der Originaltext sagt für mich aber doch was anderes aus, was auch korrekt wäre. Nämlich, dass die Person sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsorgane hat. So wie es hier und von dir übersetzt wurde, klingt es so als wären die Geschlechtsorgane zu keinem der beiden zuordenbar. Mit der Umschreibung und hinzugefügten Negierung lässt sich der Satz verschieden interpretieren. Dass nicht allumfassend definiert wurde, sondern nur der wichtigste Teil, könnte man der Situation entnehmen (wie Trevor zögernd mit Uh/Ah antwortet).
Zitat von 8149 im Beitrag #5Der Originaltext sagt für mich aber doch was anderes aus, was auch korrekt wäre. Nämlich, dass die Person sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsorgane hat. So wie es hier und von dir übersetzt wurde, klingt es so als wären die Geschlechtsorgane zu keinem der beiden zuordenbar.
Das ist eine der beiden Möglichkeiten. Die andere ist "Es ist irgendwie beides, deswegen kann ich mich nicht entscheiden."
Sexuell männlich zu sein bedeutet ja im Allgemeinen nicht nur, einen Penis u.a. zu haben, sondern eben auch, keine Vagina zu haben. Hat man beides, könnte man den Standpunkt vertreten, dass die Geschlechtsorgane eben nicht männlich (und auch nicht weiblich) sind. Das ist natürlich logisch spitzfindig.
Aber ja, es klingt in der deutschen Fassung eher nach "unidentifizierbarem Irgendwas".
Inwiefern und wieso?? Verstehe ich nicht... Page empfindet sich als Mann und möchte künftig als Solcher behandelt und gesehen werden. Ergo ist sie de facto ab sofort (afaik) ein "Er" - fertig!
Bei Page ist es ja noch einfach. Da er "he/they" angab; andere im englischen Sprachraum wollen nur they. Aber darum sollte es ja auch nicht gehen (Actor XY pronouns this/that), sondern wie die Übersetzungen mit unspezifischen Pronomen in den fiktiven Drehbüchern umgehen sollen, die in Zukunft öfter vorkommen könnten. Dafür muss man sich was einfallen lassen bzw. nachfragen. (Dass Deutsch und andere Sprachen limitiert sind in der Ansprechform, merkt man auch wenn situationelle Wortwitze von Japanischem ins Deutsche übersetzt werden müssen. Bekanntes Beispiel: Your Names Dachszene.)
Thematisch verwandt kommt mir da "John Wick 3: Parabellum" in den Sinn. Asia Kate Dillon ist nichtbinär, und über Dillons "Parabellum"-Figur wird im Originalton quasi durchweg via die Berufsbezeichnung "The Adjudicator" referiert. In der Synchro wurde daraus leider "Die Richterin". Da die Filmreihe einige andere Begrifflichkeiten im Englischen belässt, hätte man Dillons Rolle im Deutschen einfach weiter "The Adjudicator" belassen können, oder meinetwegen alternativ "Die Richtenden" draus machen - das hätte doch sicher genauso gut auf die Lippen gepasst wie "Richterin".
Meiner Erinnerung nach werden im Film Pronomen generell vermieden, wenn es um diese Figur geht - aber ich müsste das bei Gelegenheit nochmal überprüfen. Daher, sorry, wenn ich am Thread-Thema leicht vorbeisegle, aber nun einen Thread über nonbinäre Berufsbezeichnungen in deutschen Synchros aufmachen, käme mir wie Trittbrettfahrerei vor.
@ Dubber der Weiße: Zumindest ich hätte lieber einen Bruch "Singular vs. Plural" als einen Bruch "neutrale Form vs. 'Ne, die Figur ist in der Synchro nun weiblich gegendert, lebt damit'". Die Übertragung ins Plural bei einer Autoritätsfigur, die andauernd ihren Titel nutzt, um von sich zu sprechen, und die aufgrund ihrer Wichtigkeit innerhalb der Parallelgesellschaft, in der sich der Film abspielt, bei allen sonst so abgebrühten, schießwütigen Figuren Bammel auslöst, und die darüber hinaus nichtbinär angelegt ist, würde den Sinn eher ins Deutsche retten als eine verbissene Singular-Hörigkeit, bei der zudem plötzlich eine Weiblichkeit hinzugedichtet wird, die im Original nicht da war. Aber: Ich lasse mich sehr gerne durch eine bessere Lösung im Singular überzeugen. "Die Richterin" ist es jedenfalls nicht. ;)
@8149: "The Adjudicator" dürfte den meisten leichter von den Lippen gehen als "Maleficent", und da hat man's auch versucht, durchzuziehen. :D
Das sehe ich genau andersherum. Zudem ist Maleficent ein profaner Fantasiename. Adjudschi--,Adschududi-, Adjadidi--, der andere ist eine als Name verwendete Funktion. Sollte man klar verstehen. Und ist die Figur schizo? Wenn nicht, wäre der Plural gaga. Synchros sind Produkte für die Masse. Nicht Gefälligkeitsgeste. Sollte die Szene nicht vergessen.
Zitat von Sir Donnerbold im Beitrag #13@ Dubber der Weiße: Zumindest ich hätte lieber einen Bruch "Singular vs. Plural" als einen Bruch "neutrale Form vs. 'Ne, die Figur ist in der Synchro nun weiblich gegendert, lebt damit'".
Ich verstehe irgendwie nicht, was du meinst. Die weibliche Genderung kommt daher, dass die Person weiblich ist. Ist das jetzt etwa nicht mehr in Ordnung? Und warum sollte man stattdessen einen Plural verwenden? Für EINE Person?
Edit: Mit "weiblich" meine ich die Rolle im Film, nicht den Schauspieler. Dargestellte Figur im Film und Darsteller selbst sind zwei verschiedene Dinge.