Ich habe unter "Sternstunden" schon erwähnt, dass m. E. sowohl Borchert als auch Alec Guinness in dem kaum bekannten Film "Der Gefangene" eine ihrer besten Leistungen boten. Eine Frage an Jörn oder andere, die Informationen über Borcherts Theaterrollen haben: Hat er die Rolle des Kardinals auch in dem Stück gespielt, dass die Vorlage des Films war? Nach dem, was ich bei Bräutigam über sein Bühnenimage gelesen habe, könnte ich es mir gut vorstellen.
Also Guinness hat 1954 die Hauptrolle in THE PRISONER am Globe Theater gespielt. Über Borchert in diesere Rolle /diesem Stück ist mir nichts bekannt. Es ist sowieso recht schwierig, Informationen über seine Bühnenauftritte zu bekommen. Zumindest seine Rollen am Brliner Schillertheater sind einigermaßen nachweisbar.
Ich empfehle, sich regelmäßig dass Program des Theaterkanals anzusehen, denn manchmal läuft da eine Aufzeichnung von einem Stück mit Borchert (allerdings ist mir in den letzten 4 Jahren erst Eines untergekommen).
Übriegen: Wer HÖRSPIELE mit Wilhelm Borchert oder Gert. G. Hoffmann hat (beide traten in mehreren Radio-Hörspielen auf), der soll sich bitte bei mir melden. Kommerziell veröffentlichte Hörspiele gibt es von beiden nur wenig (von Hoffmann nur Zwei, von Borchert zumindest 3 oder 4). Ich bin allerdings nur an den nicht kommerziell veröffentlichten Hörspielen interessiert.
Vielleicht hat ja jemand etwas vom Radio mitgeschnitten?!
Genügend Tauschmaterial in Form von Hörspielen (aus dem Radio) mit diversen Synchronsprechern ist vorhanden!
Wilhelm Borchert war wirklich ein Kaiser unter den Synchronsprechern. Er wurde zwar meist für positive Sprechrollen eingesetzt ("Die 12 Geschworenen", "Der Kandidat", "Sturm über Washington", "Bunny Lake ist verschwunden" z.B.), aber er konnte auch anders und das genauso gut. So als kaltblütiger Killer in "Spiel mir das Lied vom Tod" ("Und du wirst mir jetzt endlich sagen, wer du bist!"), als sadistischer Ausbilder in "Spartacus" oder als Blofeld in "Feuerball". Weniger gefallen hat er mir in Heldenrollen in Monumentalfilmen wie z.B. in "Ben Hur" oder in "Die größte Geschichte aller Zeiten", wo er auch absolut nicht zu Max von Sydow passt.
Daneben gab es auch noch geniale, kleine Rollen wie in "Serpico" als Chief Green ("Ach, scheiß was auf Freunde! Ich bringe Bullen vor Gericht und zwar seit 30 Jahren. Mein Name steht als Obszönität an jeder scheiß Hauswand in jedem Polizeirevier der Stadt!"), als Erzähler mit ironischem Unterton in "Die Wüste lebt" oder eine amüsante Rolle als trotteliger Handlanger in einer Folge von "Department S".
Danke für die interessante Info. Soweit ich ermitteln konnte, war sein sein letzter Auftritt im TV in einer (verfilmten Theater-) Komödie von 1975. Also scheint er sich tatsächlich in den letzten Jahren ausschließlich als Synchronsprecher bzw. Hörspielsprecher betätigt zu haben.
Ich hatte anderswo schon einmal gefragt, was ihr glaubt, welche Synchron-Rolle Borcherts letzter Einsatz gewesen ist. Ich VERMUTE, es wird IN EINEM LAND VOR UNSERER ZEIT (1988) gewesen sein, wo er den Erzähler sprach. Oder habt ihr noch spätere Einsätze verzeichnet?
Zitat Ich VERMUTE, es wird IN EINEM LAND VOR UNSERER ZEIT (1988) gewesen sein, wo er den Erzähler sprach. Oder habt ihr noch spätere Einsätze verzeichnet?
Nein, das war sein letzter Einsatz. Der Film wurde 1989 synchronsiert.
Und seine letzte Rolle in einem Realfilm dürfte wohl der von dir (Jörn) erwähnte Alec Guinness in "Eine Handvoll Staub" gewesen sein:topic-threaded.php?forum=11776730&threaded=1&id=469553&message=7095138 Dass er ansonsten nach 1987 nochmal im Studio gewesen wäre, ist mir nicht bekannt und würde mich (wegen seines Alters) auch sehr wundern.
Zitat von JörnAlso ich weiß zumindest, dass Borchert auch des öfteren auch in anderen Städten gespielt, bzw. gesprochen hat. Da ich mich auch mit seinen Auftritten in Rundfunkhörspielen beschäftigt habe, weiß ich zumindest, dass er Ende der 70er, Anfang der 80er öfters auch in Süddeutschland war, um dort für den Südwestrundfunk Aufnahmen zu machen (diese Informationen sind weitaus leichter zu rekonstruieren, als seine Theaterauftritte in diversen Städten herrauszufinden).
Wenn Borchert nach 1980 nicht mehr am Theater arbeitete, könnten seine Aufnahmen für den Südwestrundfunk seine Nicht-Besetzung in Filmen wie "Am goldenen See" oder "Reise nach Indien" erklären. Daneben wären natürlich auch Erkrankungen als Grund möglich. Da er allerdings in den Achtzigern noch auffallend aktiv war, dürfte sein Gesundheitszustand wohl kaum dauerhaft schlecht gewesen sein.
Zitat dass er Ende der 70er, Anfang der 80er öfters auch in Süddeutschland war, um dort für den Südwestrundfunk Aufnahmen zu machen
... den es damals nicht gab. Stattdessen: Süddeutscher Rundfunk (SDR) und Südwestfunk (SWF) - aus denen erst 1998 der Südwestrundfunk (SWR) geworden ist. Borchert sprach meines Wissens für SDR-Hörspiele
hat jemand nähere Informationen zu Borcherts politischer Haltung während des Dritten Reichs? Online findet nur den Hinweis, dass seine Mitwirkung an Die Mörder sind unter uns in der Außendarstellung (Poster, Erwähnung im Film) reduziert wurde, als herauskam, dass er seine Unbedenklichkeitsbescheinigung nur aufgrund falscher Angaben erhalten hat. Er sei Mitglied in der NSDAP gewesen, aber später als "Mitläufer" eingestuft worden. Während sich Bräutigam zu dem Thema ausschweigt, findet sich auf Peter Hoffmanns Seite sogar der Hinweis, Borchert sei SA-Angehöriger gewesen. Hat jemand detaillierteres Wissen hierüber und gibt es evtl. sogar persönliche Äußerungen Borcherts?
Dass ich Borchert in seinen früheren Rollen ("Die Caine war ihr Schicksal" oder seinem Auftritt als Schauspieler in "Die Mörder sind unter uns")öfter nicht erkannt habe, hatte ich früher bereits erwähnt. topic-threaded.php?forum=11776730&threaded=1&id=512532&message=7145398 Bei Billy Wilders "Frau ohne Gewissen" wäre es mir kürzlich ohne Vorkenntnisse vielleicht auch passiert. Kommt es nur mir so vor, oder hatte er zu Beginn seiner Synchronkarriere eine andere Diktion als die, die man normalerweise mit ihm verbindet? Also weniger klar, erhaben, intellektuell etc., sondern eher zerfahren, grob, unterschwellig aggressiv und teilweise vielleicht sogar gewollt unsauber? Das frage ich deshalb, weil ich ihn bei späteren "dreckigen" Rollen (etwa Henry Fonda in "Spiel mir das Lied vom Tod" oder "Sie möchten Giganten sein") problemlos erkennen konnte. Es lag also weniger am Rollentyp als an seiner Sprechweise.
Ist auch mein Eindruck. Ebenfalls auch bei anderen Filmen aus der Zeit: VIERZEHN JAHRE SING-SING (verstärkt hinzu kommt, dass für mich die Kombi Borchert/Douglas schon immer seltsam war), DER DIEB VON BAGDAD, DAS UNHEIMLICHE FENSTER etc.
Ab welcher Zeit hatte er für dich diese Diktion nicht mehr? Mir ist sie bei "Die Caine war ihr Schicksal" zuletzt aufgefallen (bereits dort aber nicht mehr so extrem wie in einigen anderen Rollen), und spätestens ab 1957 ("Die 12 Geschworenen") klang er für mich so, wie ich es von ihm gewohnt war/bin.
Während sich Borchert als Schauspieler in "Hunde, wollt Ihr ewig leben?" "wie gewohnt" anhörte, klang er in "Die Mörder sind unter uns" nur an wenigen Stellen durch. Ob er vielleicht in früherer Zeit den "zerfahreneren" und später dann den "durchgeistigten" Ton als Markennzeichen hatte, egal ob im Film, auf der Bühne oder hinterm Mikro? Heinz Rühmann (um ein großes Beispiel zu nennen) hatte in einigen seiner frühen Tonfilme noch nicht seinen "schleifenden" Tonfall.