Filmgeschichte rekonstruiert Der lange Weg zur Ultimate Edition von IM WESTEN NICHTS NEUES (1930) Die Deutschlandpremiere von Lewis Milestones Antikriegsfilmklassiker IM WESTEN NICHTS NEUES, am 4. Dezember 1930, führte zu wochenlangen Demonstrationen durch Nazis, zu Unruhen in Kinos, zu Parlamentsdebatten und sogar zu einem eigenen Gesetz (dem „Lex Remarque“). Damit wurde die Literaturverfilmung, die basierend auf Erich Maria Remarques gleichnamigem Erfolgsroman ein Kapitel deutscher Geschichte behandelt, selbst zu einem Stück Zeitgeschichte, das es zu bewahren gilt. Als wir IM WESTEN NICHTS NEUES von Universal Pictures für die Home-Entertainment-Auswertung lizenzierten, war uns bewusst, dass es eine Herausforderung ist, das Werk in einer Edition zu veröffentlichen, die die wechselvolle Aufführungs- und Zensurgeschichte des Films widerspiegelt. Einen großen Anteil an der Bewahrung des Films für kommende Generationen hatte die US-amerikanische Library of Congress, deren internationale restaurierte Fassung auch in Deutschland 2005 auf DVD und 2012 auf Blu-ray Disc veröffentlicht wurde. Diese jetzt wieder 133 Minuten lange Fassung ließ die 1930er-Produktion in neuem Glanz erstrahlen. In Deutschland wurde sie mit einer neuen Synchronisation veröffentlicht. Doch für das deutsche Publikum blieben Wermutstropfen: Die Fassung war deutlich kürzer als die Rekonstruktion des Films aus dem Jahr 1984, für die ZDF-Redakteur Jürgen Labenski in ganz Europa Filmmaterial zusammengesammelt hatte. Auch dieser hatte den Film neu synchronisieren lassen, eine Fassung die von Universal 1994 auf VHS veröffentlicht worden war, bisher jedoch nicht den Weg ins digitale Zeitalter schaffte. Die Erstsynchronisation des Films von 1930, damals vom deutschen Literaturwissenschaftler Victor Klemperer für die Natürlichkeit ihrer Sprache gelobt, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg nie wieder aufgeführt und galt für viele lange Zeit als verschollen. Und auch die Version aus dem Jahr 1952, die nach der Wiederzulassung des Films erstellt worden war, umgeschnitten vor allem nach den Wünschen der französischen Alliierten und ebenfalls neu synchronisiert, geriet fast in Vergessenheit. Nur ein filmbesessener WDR-Cutter, dem das Klangbild der ZDF-Synchronisation nicht gefiel, überzeugte seine Vorgesetzen, die Rekonstruktion des ZDF nochmal mit der „authentischeren“ Synchronisation von 1952 nachzuschneiden und die fehlenden Teile aus der ZDF-Synchro zu übernehmen. So entstand beim WDR eine weitere Tonfassung des Films, die 1995 erstmalig ausgestrahlt wurde und die, neben der des ZDF, dem deutschen Publikum wohl am vertrautesten ist. 2020 begab sich unser Team auf die Suche nach all diesen Fassungen, fragte bei den Sendern an, befragte das eigene, umfangreiche Netzwerk von Sammlern und Filmnerds, wälzte Literatur zum Thema, studierte alte Zensurkarten und Synchronbücher, durchsuchte Bibliotheken, klopfte beim Erich Maria Remarque-Friedenszentrum in Osnabrück ebenso an wie bei den Nachlassverwaltern von Remarque an der New York University und sprach in diesem Prozess mit vielen Experten zum Film. Einen davon, Professor Hans Beller, den Autor der bekannten TV-Dokumentation „Geschundenes Zelluloid – Das Schicksal des Kinoklassikers ‚Im Westen nichts Neues‘“ konnte der Verleih als Mitstreiter und Booklettextautor gewinnen, um dort die Geschichte des Films in ihren vielen Facetten zu erzählen. Und tatsächlich war die aufwendige Recherche erfolgreich: Eine alte Vorführkopie der 1930er-Fassung wurde bei einem Sammler gefunden, die Version von 1952 konnte in der Schweiz als 35-mm-Kopie aufgetrieben werden. Obwohl beide Fassungen kürzer sind als die internationale Standardfassung, enthalten sie Szenen des Films, die weltweit noch nie zuvor auf DVD oder Blu-ray veröffentlicht wurden. Und auch in den Archiven von WDR und ZDF ließen sich unterschiedliche Fassungen des Films finden. Um die Filmfassungen in zeitgemäßem Glanz erstrahlen zu lassen, nahmen wir das von der Library of Congress erstellte HD-Master der internationalen Standardfassung als Basis, um damit die anderen Versionen nachzuschneiden – ergänzt um die jeweils fehlenden Einstellungen aus den 35-mm-Kopien. Dabei erhielt der Verleih Hilfe von unverhoffter Seite. Unter Filmfans hatte sich das Projekt mittlerweile herumgesprochen und so meldete sich eines Tages Ludger Holmenkamm bei uns, der sich als der Cutter der besagten WDR-Fassung aus dem Jahr 1995 vorstellte. Holmenkamm, der den Film wohl wie kaum ein Zweiter heute in Deutschland kennt, bot an, die zahlreichen Bild- und Tonfassungen nachzuschneiden. Als Ergebnis können die Zuschauer den Film erstmals in einer mit 141:30 Minuten Laufzeit gut acht Minuten längeren Langfassung auf Blu-ray genießen und erstmals mit der Synchronisation des ZDF und der Fassung des WDR. Die Synchronisationen von 1930 und 1952 gibt es in eigenen Versionen mit knapp 103 Minuten bzw. 127 Minuten Laufzeit. Dazu gibt es auch noch die originale, viragierte ZDF-Fassung von Jürgen Labenski mit 135 Minuten Laufzeit und die Stummfilm-Fassung mit einer Länge von 133 Minuten. Mit der Produktion der Ultimate Edition geht nicht nur für uns ein höchst spannendes Kapitel der Verleihgeschichte zu Ende. Auch filmhistorisch erscheint die Sammleredition als Schließung einer Lücke. Endlich liegt der wohl einflussreichste Antikriegsfilm der Filmgeschichte, der einst weltweit attackiert, zensiert, verboten und von den Nazis bis aufs Blut bekämpft wurde, in einer umfassenden Edition vor, wie es sie bisher noch nie gab. Die auf 2.500 Stück limitierte Ultimate Edition enthält zwei 3-Disc Mediabooks, den Nachdruck eines originalen Kinoaushangfotosatzes sowie ein nummeriertes Zertifikat. Mediabook 1 (2x Blu-ray + DVD, mit einem 46-seitigen Booklet mit einem Text von Professor Hans Beller): ● Blu-ray: Langfassung (HD, 141 Minuten), Bonus: „Geschundenes Zelluloid – Das Schicksal des Kinoklassikers 'Im Westen nichts Neues'“ (1984, SD), Kinotrailer zu IM WESTEN NICHTS NEUES (HD) ● Blu-ray: Internationale Standardfassung (HD, 133 Minuten) ● DVD: Langfassung (136 Minuten), Bonus: Kinotrailer zu IM WESTEN NICHTS NEUES Mediabook 2 (3x Blu-ray, exklusiv in der Ultimate Edition enthalten, mit einem 46-seitigen Booklet mit Texten von Professor Hans Beller und Ludger Holmenkamm): ● Blu-ray: 1930er-Fassung (HD, 103 Minuten) ● Blu-ray: Stummfilm-Fassung (HD, 133 Minuten), Originale ZDF-Fassung (SD, 135 Minuten) ● Blu-ray: 1952er-Fassung (HD, 127 Minuten), Bonus: „Das Profil – Erich Maria Remarque zu Gast bei Friedrich Luft“ (1963, SD)
Die neue Veröffentlichung enthält nun erstmals alle vier deutschen Synchronfassungen des Films, von denen drei bisher noch nie auf Blu-ray veröffentlicht waren. Neben der aktuellsten DVD-Synchronisation von Universal aus dem Jahr 2005 kann der Film nun wahlweise auch mit der ZDF-TV-Synchronisation von 1984, der Universal-Nachkriegs-Kinosynchronisation von 1952 und der ersten zeigenössischen Universal-Kinosynchronisation von 1930 begutachtet werden. Der Release soll laut Capelight der bislang aufwendigste des Independents werden und im nächsten Jahr in den Handel gebracht werden. "Im Westen nichts Neues" ist bereits in mehreren Ausführungen von Universal Pictures Home Entertainment auf Blu-ray veröffentlicht worden.
Leider wurde versäumt in den Credits der Veröffentlichung zu vermerken, daß sowohl der HD-Master-Schnitt der Langfassung als auch die HD-Schnittfassung von 1952 in monatelanger Rekonstruktionsarbeit durch Thomas Booch von Magic Picture GmbH, Berlin für Capelight erstellt wurde. Das rare 35mm-Unikatmaterial der deutschen Erstsynchronisation von 1930 sowie das 35mm-Material der Zweitsynchronisation von 1952 wurden ebenfalls von Magic Pictrure GmbH digitalisiert und Capelight zur Verfügung gestellt. Der Zusammenarbeit voraus gegangen waren intensive Gespräche, die Capelight schließlich überzeugten, neben der offiziell über Universal verfügbaren Tonfassung auch die beiden historischen Synchronfassungen für die weltweit längste Fassung mit aufarbeiten zu lassen, um der kinogeschichtlichen Bedeutung der deutschen Auswertungsgeschichte des Films im Rahmen der Veröffentlichung gerecht zu werden.
Hab die Box nun auch erhalten. Ist schön geworden. Als erstes interessiert mich natürlich die 30er Synchronisation und der Text über die verschiedenen Fassungen.
Thomas Booch und Magic Picture sind in der Editionsgeschichte und den Danksagungen der Booklets erwähnt.
Hab nachgeschaut, es steht nur etwas im einem Booklet als "Danke" für das Material und die zusammenarbeit auch im Zerfikat ! Im Pressetext von CAPELIGHT steht davon nichts ! Es befindet sich auch kein Hinweis bei der Restaurationsablauf wer das gemacht hat ! Man hat bis ins kleinste alles aufgeführt nur eben nicht der es gemacht hat. Wie ich gehört habe soll es dazu wohl in kürze ein Interview geben.
Stellt sich nun die spannende Frage nach den Sprechern der 30er Synchronfassung. Eindeutig identifizieren kann man Alfred Braun als Dorfschullehrer und Himmelstoss, Kat wird meiner Meinung nach von Paul Westermeyer gesprochen, auch die Stimme von Hugo Fischer Köppe hört man in der Ankunftsszene der „Frischlinge“ im ersten Quartier heraus. Hamacher im Lazarett könnte Josef Eichheim sein. Tjaden könnte von Erich Kestin gesprochen werden. Aber wer sind die Sprecher von Paul Bäumer, Kemmerich und den anderen?
"Kemmerich" ist Wolfgang Staudte. Erstens kenne ich Staudtes Stimme und zweitens wird das auch in der Staudte-Biographie im "Cinegraph" bestätigt.
"Kat" ist Erich Dunskus, wie auch 1952. Dunskus war Ostpreuße und schon von daher für die Rolle bestens geeignet.
Bei "Himmelstoß" und "Kantorek" höre ich eine Stimme heraus- aber da würde ich Bruno Fritz sagen. Wobei es mir komisch vorkommt, dass ein Sprecher für zwei relativ große Rollen ausgewählt wurde...das lässt mich bei der "eine-Person-Theorie" etwas zweifeln.
Und Paul Bäumer ist Fritz Ley. Wurde so damals in einer Filmzeitschrift ("Film-Kurier", das ist nicht das Programmheft, sondern eine Filmzeitschrift jene Jahre, nach der ich seit Jahren suche...). Und auch hier: Fritz Leys Stimme kenne ich auch- aus Vor- und Nachkriegsfilmen.
Dann ist es mit Ode bei mir ein Zuordnungsfehler gewesen. Ich hatte mir das so notiert, sehe aber jetzt auch die Abweichung auf Deiner Seite. Ode ist ziemlich am Anfang auf der Stube der Soldaten mal ganz deutlich zu hören. Bruno Fritz hatte ich mir auch so notiert für beide Rollen.
Der Dorflehrer am Anfang ist Alfred Braun, ganz eindeutig (die Stimme kenne ich genau), und auch Himmelstoss dürfte Alfred Braun mit modulierter Stimme sein. Erich Dunskus als Katt? Könnte sein, wobei mich die Stimme eher an Paul Westermeyer erinnert.
Zur Synchro 1952: in einer kurzen Szene (als Paul zurück an die Front kommt und mit einem jungen deutschen Soldaten spricht) ist Horst Buchholz zu hören (der Soldat könnte Glen Boles als "young Soldier" sein...).
Dieter Ranspach dürfte einen der deutschen Soldaten sprechen ("Behm"?, "Müller"?, "Peter"?). Dummerweise kenne ich Ranspachs Stimme nicht und kann sie nicht zuordnen. Ranspach wird bei "Kürschner" als Mitwirkender der 1952er Synchro geführt.
Und den Koch (William Irving), der das Essen nicht austeilen will und vom Dialekt aus dem kölschen Raum kommt, den dürfte auch ein echter Rheinländer gesprochen haben, nämlich der Chef selbst, Josef Wolf.