Zitat von John Connor im Beitrag #30Und bei all der berechtigten Schelte für Ustinovs TV-Poirot muss ich doch sagen, dass ich den literarischen Poirot doch ziemlich unsympathisch finde (obwohl ich ausgerechnet den Poirot-Krimi ALIBI für die beste Detektivgeschichte aller Zeiten halte) und mir gewünscht hätte, er hätte etwas von der Drolligkeit von Ustinovs Poirot gehabt.
Das erklärt natürlich, warum du mit Albert Finneys erheblich "originalgetreuerer" Interpretation (auch jenseits von Claus Biederstaedts Stimme) nicht viel anfangen kannst! Ist David Suchet auch nicht dein Fall? Oder kennst du diesen als Poirot nicht/zu wenig?
"Alibi" ist tatsächlich ein ganz großartiger Roman, vor allem wegen dem genialen Dreh am Ende, der selbst im Rahmen von Christies Werken einzigartig ist. Da hat sie alle Regeln der Kriminalliteratur über Bord geworfen und das ist einfach ausgezeichnet.
Die Verfilmung mit David Suchet ist sehr gut gelungen, allerdings ist das zwangsläufig bei weitem nicht so effektiv. Ich hätte aber auch absolut keine Idee, wie man das adäquat umsetzen sollte, um die Wirkung der Roman-Aufklärung einzufangen.
Zitat von berti im Beitrag #31Das erklärt natürlich, warum du mit Albert Finneys erheblich "originalgetreuerer" Interpretation (auch jenseits von Claus Biederstaedts Stimme)nicht viel anfangen kannst! Ist David Suchet auch nicht dein Fall? Oder kennst du diesen als Poirot nicht/zu wenig?
Das stimmt wohl! Von den Suchet-Sachen kenn ich zugegebenermaßen sehr wenig. Ich fand Suchet nicht gerade schlecht, sein Poirot kam mir nicht so blasiert vor wie in den Romanen, aber auch ein bisschen zu humorlos-straight.
Zitat von John Connor im Beitrag #33Von den Suchet-Sachen kenn ich zugegebenermaßen sehr wenig. Ich fand Suchet nicht gerade schlecht, sein Poirot kam mir nicht so blasiert vor wie in den Romanen, aber auch ein bisschen zu humorlos-straight.
Dann kennst du wahrscheinlich nur spätere Folgen? Gerade in den ersten Staffeln waren sowohl die Drehbücher als auch Suchets Interpretation recht humorvoll angelegt (ohne Poirot dabei zu karikieren), was besonders in der zweiten, dritten und vierten Staffel von Klaus Höhne kongenial getroffen wurde.
Ich finde Poirot in den Romanen durchaus nicht ohne Humor. Gerade das Blasierte ist ja Teil davon. Das liebenswert-väterliche, das Ustinov ausstrahlt, paßt im Grunde gar nicht zur Figur. Da Poirot gerne "symmetrisch" lebt und in etwa so emotional ist wie Mr. Spock, sind jene Momente so köstlich und oft berührend, wo er aus seiner blasiert-kalkulierten Fassade ausbricht und vielleicht stets mit etwas Neid jenen hilft, deren Gefühlswelt nicht so beeinträchtigt ist wie die seine. Suchet macht das wunderbar und ist und bleibt der perfekte Poirot.
Bei "Alibi" würde selbst Poirot als Erzähler nicht viel wett machen. So wie Christie für diesen Roman einige Grundprinzipien der Genreliteratur brach, hätte ich es mir auch für die Verfilmung gewünscht. Klar, die Schlußauflösung wäre nicht überaschend gewesen, allerdings hätte ich von Beginn an alles genau gezeigt, einschließlich der Tatperson. So hätte man die Arroganz und Überheblichkeit, das eiskalte Vorgehen der Person stark zum Ausdruck gebracht. Im Roman tritt das deutlich zu Tage-wenn auch erst am Ende. Aber durch die Umkehrung des Prinzipes hätte man bei der Verfilmung Agatha Christies Schlußeffekt des Romanes deutlich besser eingefangen, als es tatsächlich der Fall ist.
Wobei es ja so ist, daß sich Christie eines Tricks bedient, der nur innerhalb eines literarischen Werkes anwendbar ist.
Zitat von fortinbras im Beitrag #32Die Verfilmung mit David Suchet ist sehr gut gelungen, allerdings ist das zwangsläufig bei weitem nicht so effektiv. Ich hätte aber auch absolut keine Idee, wie man das adäquat umsetzen sollte, um die Wirkung der Roman-Aufklärung einzufangen.
Vielleicht, indem man den Film aus der Sicht des Arztes erzählt hätte, so dass der Zuschauer meint, immer soviel wie dieser zu wissen? Und vielleicht auch, ihn zumindest in einigen Szenen als Ich-Erzähler einzusetzen?
Zitat von Gast im Beitrag #38Ich finde Poirot in den Romanen durchaus nicht ohne Humor. Gerade das Blasierte ist ja Teil davon. Das liebenswert-väterliche, das Ustinov ausstrahlt, paßt im Grunde gar nicht zur Figur. Da Poirot gerne "symmetrisch" lebt und in etwa so emotional ist wie Mr. Spock, sind jene Momente so köstlich und oft berührend, wo er aus seiner blasiert-kalkulierten Fassade ausbricht und vielleicht stets mit etwas Neid jenen hilft, deren Gefühlswelt nicht so beeinträchtigt ist wie die seine. Suchet macht das wunderbar und ist und bleibt der perfekte Poirot.
Gefühlsausbrüche von Poirot (oft im Zusammenhang mit Wutausbrüchen oder spontanem Umarmen und Küssen) sind gerade in früheren Werken gar nicht so selten. Aber sein Ordnungs- und Symmetriefanatismus etwa fehlt bei Ustinov völlig, ebenso wie Poirots penibel ausgewählte Kleidung (nie hätte er einen Badeanzug, Knickerbocker oder ein Cape angezogen!).
Zitat von fortinbras im Beitrag #38Bei "Alibi" würde selbst Poirot als Erzähler nicht viel wett machen.
Nicht als Erzähler, sondern als Mörder.
Falscher Roman! Dieses Motiv gab es bei Agatha Christie auch, und zwar in "Vorhang". Und in einigen anderen Romanen (z. B. "Alibi") legte er den überführten Mördern den Freitod nahe oder unternahm zumindest nichts, um diesen zu verhindern, auch wenn er die Möglichkeit dazu gehabt hätte.
Es hätte ungefähr den Knalleffekt, den man als Erstleser des Romans erlebt - auch wenn es sich sehr weit vom Ursprung entfernt. "Vorhang" kenne ich noch nicht, aber wahrscheinlich wurde deswegen eine Kombination aus beidem vorgeschlagen.
Zitat von fortinbras im Beitrag #12Die Figur des Hastings ist ein Oberdepp, für den offenbar Nigel Bruces Watson der Rathbone-Holmes-Abenteuer und Stringer Davis Pate standen. Allerdings ist das hier absolut nicht amüsant. Im Original ein Weichei und von einer Naivität, daß es einen schaudert (NIEMALS würde Poirot so einen Freund haben), wird durch die Synchronisation das noch vergröbert und Dieter Ranspach, sehr hart ausgedrückt, hört sich wie eine alternde Klischee-Tunte an.
Ob man wohl Horst Gentzen besetzt hätte, wenn dieser zum Zeitpunkt der Synchro noch am Leben gewesen wäre?